Urteil vom Landgericht Mainz (3. Zivilkammer) - 3 S 345/02
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Mainz vom 31.10.2002 abgeändert.
Der Rechtsstreit wird an das Amtsgericht Montabaur verwiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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<Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tatbestand wurde vom Gericht nicht mitgeteilt.>
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig; in der Sache führt sie auf den im zweiten Rechtszug gestellten Hilfsantrag zur Verweisung an das in erster Instanz örtlich zuständige Amtsgericht Montabaur (§ 281 ZPO).
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Die Kammer nimmt auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug; von der Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird abgesehen (§§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO).
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Das Amtsgericht hat seine örtliche Zuständigkeit verneint, da die streitige Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung privatärztlichen Honorars aus der stationären Behandlung der Beklagten an der Universitätsklinik in Mainz nicht an dem Ort der Klinik, sondern dem Wohnsitz der Beklagten zu erfüllen sei. Dem schließt sich die Kammer uneingeschränkt an.
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Wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, erfolgt die Bestimmung des Leistungsorts nach den §§ 269, 270 BGB auch bei gegenseitigen Verträgen für die beiderseitigen Verpflichtungen grundsätzlich getrennt (allgemeine Meinung, siehe z.B. BGH NJW 86, 935; Zöller-Vollkommer, ZPO, 22. Auflage, § 29 Randnr. 24 m.w.N.). Wie schon vom Amtsgericht weiter dargelegt, tendiert die Rechtsprechung ungeachtet dieses Ausgangspunkts allerdings insbesondere beim Werk- und Dienstvertrag jedenfalls bei besonderer Ortsgebundenheit der Werk- bzw. Dienstleistung zur Annahme eines gemeinsamen Erfüllungsorts am Ort der Werk- bzw. Dienstleistung als der vertragscharakteristischen Leistung. Zur Begründung wird meist ausgeführt, dass dort, wo die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen sei, der Schwerpunkt des Vertrages liege; "aus der Natur des Schuldverhältnisses" ergebe sich dann, dass die beiderseits geschuldeten Leistungen einheitlich an diesem Ort zu erbringen seien. Wie vom Amtsgericht zutreffend dargestellt, wird dies insbesondere für den Bauvertrag, den Arbeitsvertrag sowie die Tätigkeit des Rechtsanwalts und Steuerberaters bejaht, wobei diese Rechtsprechung insbesondere für den Honoraranspruch des Rechtsanwalts in neuerer Zeit allerdings zunehmend auf Kritik gestoßen ist (Nachweise siehe Palandt-Heinrichs, BGB, 61. Auflage, § 269 Randnr. 13 am Ende). Für den hier interessierenden Bereich hat das OLG Celle für Klagen aus dem Krankenhausaufnahmevertrag den Gerichtsstand des Erfüllungsortes am Sitz des Krankenhauses bejaht (NJW 1990, 777 f.), während die Rechtsprechung zur Honorarklage eines niedergelassenen Arztes uneinheitlich ist (für einheitlichen Erfüllungsort am Sitz der Arztpraxis LG Hamburg, Urteil vom 19.11.1999 - 302 S 76/91 <zitiert nach Juris>; Palandt-Heinrichs, a.a.O., Randnr. 14; ablehnend AG Frankfurt NJW 2000, 1802 f.; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 61. Auflage, § 29 Randnr. 19; Zöller-Vollkommer, a.a.O., Randnr. 29 Stichwort "Dienstvertrag"; für den Honoraranspruch des Psychotherapeuten auch AG Köln, NJW-RR 95, 185).
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Nach Auffassung der Kammer begegnet die dargestellte herrschende Meinung in Begründung und Ergebnis schon im Ansatz Bedenken (in diesem Sinne neben den angesprochenen Entscheidungen der Amtsgerichte Frankfurt und Köln, siehe ausführlich Einsiedler NJW 2001, 1549 f.; Brechtel NJW 99, 3617 f.; Schmid MDR 93, 410), die jedenfalls eine weitere Ausweitung der Rechtsprechung auf bislang nicht allgemein anerkannte Fälle nicht angezeigt erscheinen lassen.
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Auch wenn vertragscharakteristische Leistung bei Dienst- und Werkvertrag die Dienst- bzw. Werkleistung ist, lässt sich allein hieraus noch nicht herleiten, dass diese die wichtigere Leistung, der Schwerpunkt des Vertrags sei. Die gegenteilige Auffassung widerspricht der Grundkonzeption des gegenseitigen Vertrags, die - entsprechend den Vorstellungen der Vertragsparteien - von der Gleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen ausgeht (Einsiedler a.a.O.). Sind aber die gegenseitigen Pflichten gleichwertig, so ist es nicht begründbar, dass sich der Erfüllungsort der Geldleistungspflicht nach dem Erfüllungsort der Dienst- bzw. Werkleistung bestimmt.
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Soweit Letztere ortsgebunden ist, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Wie von Einsiedel (a.a.O.) zutreffend formuliert, ist nicht einzusehen, weshalb aus dem Umstand, dass eine Leistung ortsgebunden ist, folgen soll, dass auch die andere Leistung am Ort der ortsgebundenen Leistung zu erbringen sein soll. Dies schließt nicht aus, dass sich im Einzelfall aus den besonderen Umständen des Schuldverhältnisses ein gemeinsamer Erfüllungsort ergeben kann, soweit - wie etwa beim Reparaturauftrag gegenüber einer Kraftfahrzeugwerkstatt - die Zahlung am Ort der Werk- bzw. Dienstleistung (im Beispielsfall bei Abholung des Kraftfahrzeuges) üblich ist. Für den Normalfall des Werk- bzw. Dienstvertrags trifft dies jedoch nicht zu. So wird z.B. bei stationärer oder ambulanter ärztlicher Behandlung wie bei anwaltlicher Tätigkeit die geschuldete Vergütung heute kaum je bar im Krankenhaus, in der Praxis des Arztes oder der Kanzlei des Anwalts gezahlt werden. Ort und Zahlungsweise sind dem Dienst- bzw. Werkleistenden auch in der Regel gänzlich gleichgültig. Wie fragwürdig ein Abstellen auf den Ort der Werk- bzw. Dienstleistung ist, zeigt sich auch daran, dass dann konsequenterweise z.B. bei ärztlicher Behandlung danach differenziert werden müsste, ob diese in der Praxis des Arztes erfolgt oder in Form von Hausbesuchen, desgleichen beim Anwaltsvertrag danach, ob die anwaltliche Tätigkeit vorwiegend in der Kanzlei ausgeübt wurde oder - z.B. bei Verteidigung eines inhaftierten Beschuldigten - am Sitz des Gerichts bzw. der Haftanstalt. Eine innere Rechtfertigung für die Annahme unterschiedlicher Erfüllungsorte ist in all diesen Fällen nicht erkennbar.
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Soweit speziell beim Bauvertrag angeführt wird, dass es auch im wohlverstandenen Interesse beider Vertragsparteien liege, wenn - als Folge des gemeinsamen Erfüllungsorts - eine gerichtliche Auseinandersetzung dort durchgeführt werden könne, wo aufgrund der räumlichen Nähe zum Bauwerk eine Beweisaufnahme regelmäßig einfacher und kostengünstiger durchgeführt werden könne als dem auswärtigen Wohnsitz des Auftraggebers (BGH NJW 86, 935), erscheint dies insoweit nicht überzeugend, als sich damit der materiell-rechtliche Begriff des Erfüllungsorts an prozessualen Erwägungen orientiert, nach der Systematik des § 29 ZPO jedoch umgekehrt der Gerichtsstand des Erfüllungsorts auf das materielle Recht verweist. Die genannte Erwägung trifft im Übrigen jedenfalls im Normalfall nicht die beim Arzt- oder sonstigen Dienstverträgen gegebene Situation. Soweit der Zahlungspflichtige nämlich Schlechterfüllung des Dienstvertrags einwendet und hieraus Gegenansprüche herleitet, bedarf es gerade im Falle ärztlicher Behandlung in der Regel einer Beweisaufnahme durch Sachverständige, für die die Ortsnähe des Sachverständigen zu dem Krankenhaus bzw. der Praxis des behandelnden Arztes weder erforderlich noch überhaupt wünschenswert ist.
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Die Auffassung der herrschenden Meinung erscheint auch insoweit bedenklich, als sie in letzter Konsequenz, wie bereits vom Amtsgericht ausgeführt, in weiten Bereichen für die Geltendmachung von Geldschulden aus einem gegenseitigen Vertrag zu einem Klägergerichtsstand führt. Dies ist mit der Systematik und den Grundgedanken der gesetzlichen Regelung der §§ 12 ff. ZPO, wonach - gerade zum Schutz des mit der Klage Überzogenen - der Gerichtsstand grundsätzlich am Sitz des Beklagten sein soll, schwerlich vereinbar (AG Frankfurt a.a.O.; Einsiedler a.a.O., Seite 1550).
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Soweit der Kläger auf Zumutbarkeitsgesichtspunkte verweist, ist dies schon deswegen nicht überzeugend, als die "Zumutung" der Prozessführung an einem auswärtigen Gericht für den Kläger nicht größer ist als für die Beklagte.
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Nach alledem lässt sich aus der Natur des Schuldverhältnisses nicht herleiten, dass das von dem Patienten geschuldete Honorar für ärztliche Behandlung am Behandlungsort zu entrichten sein soll; dies gilt unabhängig davon, ob es sich um stationäre oder ambulante Behandlung bzw. Behandlung in der Praxis eines niedergelassenen Arztes handelt. Erfüllungsort in all diesen Fällen ist der Wohnsitz des Patienten.
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Entsprechend dem von dem Kläger im zweiten Rechtszug gestellten Hilfsantrag war der Rechtsstreit danach gemäß § 281 ZPO an das Amtsgericht Montabaur als für den Wohnsitz der Beklagten zuständiges Gericht erster Instanz zu verweisen. Soweit der Kläger die Verweisung an das Landgericht Koblenz beantragt hat (Schriftsatz vom 16.12.2002, Blatt 202 d.A.), beruht dies auf einem offensichtlichen Versehen; erkennbar gewollt ist die Verweisung an das zuständige Gericht erster Instanz. Die Entscheidung hat durch Urteil zu ergehen, da die zugleich notwendige Aufhebung des klageabweisenden erstinstanzlichen Urteils nicht durch Beschluss erfolgen kann (Thomas-Putzo, ZPO, 24. Auflage, § 281 Randnr. 10).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 281 Abs. 3 Satz 2 ZPO (vgl. BGHZ 12, 53, 70 f; Thomas-Putzo, aaO, Rdnr. 17).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO, im Übrigen auch auf einer entsprechenden Anwendung von § 708 Nr. 10 ZPO (siehe LG Landau NJW 2002, 973; LG München I WM 496 f.).
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Die Revision ist nicht zuzulassen, denn die Verweisung ist nach § 281 Abs. 2 S. 2 ZPO unanfechtbar, auch wenn sie durch Urteil ausgesprochen wird (Zöller-Greger, ZPO 23. Aufl. § 281 Rdnr. 14 m.w.N.).
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