Urteil vom Landgericht Mainz (5. Zivilkammer) - 5 O 173/03
Tenor
1. Die Beklagte zu 1. wird verurteilt, an die Klägerin 223.704,51 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11.12.2000 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 1.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis.
- 2
Die Klägerin, die ebenso wie die Beklagte in M.-G. wohnt, ist Witwe und Alleinerbin des am … 1983 verstorbenen Josef Raimund B.
- 3
Die Beklagte ist ebenfalls Witwe und Alleinerbin des am … 1994 verstorbenen Josef Reimund B.; die hilfsweise verklagte Beklagte zu 2. ist die Tochter der Beklagten zu 1.
- 4
Zum Nachlass des verstorbenen Ehemannes der Klägerin gehörten u.a. nachfolgende Grundstücke in M.-B., eingetragen in Bl. 8755 im Grundbuch von M.-B.,
- 5
lfd. Nr. 1 Gemarkung B., Flur 14, Flurstück 27, Landwirtschaftsfläche "Die obere Gewann neben der Adach",
- 6
Größe 4.155 m
- 7
lfd. Nr. 2 Gemarkung B., Flur 12, Flurstück 22, Landwirtschaftsfläche "Am F. Pfad",
- 8
Größe 1.947 qm
- 9
lfd. Nr. 3 Gemarkung B., Flur 14, Flurstück 18, Landwirtschaftsfläche "Die obere Gewann neben der Adach",
- 10
Größe 3.658 qm
- 11
lfd. Nr. 4 Gemarkung B., Flur 11, Flurstück 59/9 Landwirtschaftsfläche "Die Bettziech",
- 12
Größe 7.513 qm
- 13
Die Grundstücke waren verpachtet und wurden landwirtschaftlich genutzt.
- 14
Nach dem Tod ihres Mannes unterließ die Klägerin die Umschreibung des Eigentums auf sich, so dass die fraglichen Grundstücke unter der Bezeichnung "B., Josef Reimund, der zweite, Landwirt, 6... M.-G." im Grundbuch standen.
- 15
Mit Schreiben vom 23.11.1999 wandte sich das Rentamt des Mainzer Universitätsfonds, vertreten durch den Leiter Herrn H. an den Adressaten "Josef Reimund II. B.", unter der Anschrift der Beklagten mit der Bitte um Veräußerung der Grundstücke in Bl. 8755 lfd. Nr. 1 und lfd. Nr. 3 "Die obere Gewann neben der Adach". Nachdem das Schreiben zunächst unbeantwortet blieb, erinnerte das Rentamt mit Schreiben vom 13.01.2000 an sein Anliegen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf den Inhalt der Schreiben Bl. 16 bis 19 d.A. verwiesen.
- 16
Am 01.03.2000 beantragte die Beklagte zu 1. die Berichtigung des Grundbuchs nicht nur bezüglich der Grundstücke "Die obere Gewann neben der Adach" sondern auch bezüglich der beiden anderen Grundstücke. Dem Antrag war als Anlage das Blatt des Grundbuchs beigefügt indem die Grundstücke in der eingangs dargestellten Weise aufgeführt waren (vgl. Bl. 169, 170 d.A.). Die Umschreibung erfolgte am 25.05.2000. Mit notariellem Kaufvertrag verkaufte die Beklagte die beiden Grundstücke "Die obere Gewann neben der Adach" am 23.10.2000 vertreten durch die Beklagte zu 2. an das Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung, vertreten durch das Rentamt des Mainzer Universitätsfonds zu einem Gesamtkaufpreis in Höhe von 223.704,51 Euro (= 437.528,-- DM). Der Kaufpreis wurde auf dem Konto der Beklagten am 08.11.2000 gutgeschrieben. Am 11.12.2000 überwies die Beklagte die Summe auf ein Konto der Beklagten zu 2. und ihres Ehemannes, wo es am selben Tage einging. Am 13.12.2000 überwies die Beklagte zu 2. 400.000,-- DM auf ihr Konto bei der Kreissparkasse Groß-Gerau, wo sie 35.000,-- DM abhob und 30.000,-- DM ihrer Schwägerin schenkte. Am 08.01.2001 legte die Beklagte 400.000,-- DM in Wertpapiere verschiedener Art in einem Depot an. Ohne eine Veränderung am Depotbestand hatte dieses wegen des Kursverfalls am 23.09.2002 noch einen Wert von 110.907,66 Euro (= 216.916,52 DM).
- 17
Das Land Rheinland-Pfalz berief sich gegenüber der Klägerin auf gutgläubigen Erwerb und lehnte eine Rückübertragung der Grundstücke auf die Klägerin ab. Bezüglich des Eigentums an den nicht verkauften Grundstücken "Am F. Pfad" und "Die Bettziech" wurde in der Folgezeit das Grundbuch berichtigt und die Klägerin als Eigentümerin eingetragen.
- 18
Die Klägerin hat dem Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch die Staatskasse, diese vertreten durch den Präsidenten des OLG Koblenz, den Streit verkündet; das Land Rheinland-Pfalz ist daraufhin dem Rechtsstreit auf ihrer Seite beigetreten.
- 19
Die Klägerin und der Streitgehilfe tragen vor,
- 20
die Beklagte zu 1. habe bei der Veräußerung der im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücke als Nichtberechtigte gehandelt. Bereits in der Antragsstellung auf Umschreibung sei ein besonders schwerwiegendes schuldhaftes Verhalten der Beklagten zu erkennen, die sich die Kenntnis ihrer Vertreterin, der Beklagten zu 2., zurechnen lassen müsse.
- 21
Im Grundbuch war als Eigentümer der Grundstücke "B., Josef Reimund, der Zweite, Landwirt, 6... M.-G." eingetragen. Diese Eintragung habe die Beklagte zu 1. gekannt, da sie das Grundbuch eingesehen habe. Dies ergebe sich daraus, dass sie vom Rentamt des Universitätsfonds nur zwecks Kaufs der beiden Grundstücke "Die obere Gewann neben der Adach" angeschrieben wurde, ihren Grundbuchberichtigungsantrag aber für alle vier im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücke stellte. Von den beiden nicht von dem Universitätsfonds genannten Grundstücke habe die Beklagte zu 1. nur durch Einsichtnahme in das Grundbuch erfahren können. Für den Fall dass die Beklagte zu 1. nicht selbst in das Grundbuch eingesehen habe, sondern die Beklagte zu 2. als Bevollmächtigte, müsse sich die Beklagte zu 1. deren Kenntnis gem. § 166 BGB zurechnen lassen. Der verstorbene Ehemann der Beklagten zu 1. habe aber niemals den im Grundbuch eingetragenen Zusatz "Der Zweite" geführt, unter dem auch das Rentamt des Universitätsfonds die Beklagte zu 1. angeschrieben hat. Vielmehr habe dieser entweder gar keinen Zusatz getragen oder den Zusatz "Der Erste". Dies sei von den Behörden zur Vermeidung von Verwechselungen vor langer Zeit eingeführt worden. Hiervon habe die Beklagte zu 1. aufgrund ihrer jahrzehntelangen Ehe wissen müssen. Im Übrigen komme es aber nicht darauf an, ob der verstorbene Ehemann der Beklagten zu 1. den Zusatz "Der Erste" geführt habe oder nicht, da er jedenfalls den Zusatz "Der Zweite" nicht getragen habe.
- 22
Es hätte der Beklagten zu 1. dann jedoch auffallen müssen, als sie zwei Schreiben des Unifonds gerichtet an Josef Reimund II. B. erhielt, dass dort ein Zusatz am Namen vorhanden ist, der zumindest bezüglich ihres Mannes dort nicht hingehörte.
- 23
Weiterhin habe sie etwa acht Monate nach dem Tod ihres Mannes die Umschreibung des Nachlassbesitzes durch Grundbuchberichtigung beantragt. Diesem Antrag war eine Aufstellung des ihrem Ehemannes gehörenden Grundbesitzes beigefügt (vgl. Bl. 123 bis 128 d.A.). In dieser Aufstellung sei kein Grundstück enthalten, dass eine ähnlich klingende Bezeichnung "Die obere Gewann neben der Adach" enthalte. Einer Verwechselung oder berechtigten Vermutung der Beklagten ein ähnlich klingendes Grundstück "An der Attach" habe im Eigentum des Ehemannes gestanden, stehe entgegen, dass dieses Grundstück einer Erbengemeinschaft, bestehend aus den Kindern der Schwester des Ehemannes der Beklagten zu 1. gehört, also nie im Besitz des Ehemannes war.
- 24
In dem zwischen den Beklagten zu 1. und dem Ehemann verfassten Testament von 1992 sei ein Wert von 550.000,-- DM angegeben und beiden Eheleuten sei bekannt gewesen, dass sie drei Häuser hatten, eines davon der Bungalow in der M.-P. Straße. Von einer größeren Anzahl von landwirtschaftlicher Fläche sei nicht die Rede.
- 25
Es sei daher schlichtweg unverständlich, dass die Eheleute nie über ihren Grundbesitz gesprochen haben wollen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass dem Ehemann der Beklagten ehemals insgesamt rund 15.000 qm Land gehörten, verteilt auf viele kleinere Grundstücke und Gartenland ausschließlich in M.-G. gelegen, betragen die vier Grundstücke landwirtschaftlicher Fläche gelegen in M.-B. mehr als doppelt so viel Grundfläche. Dies kann der Beklagten in der Ehezeit nicht verborgen geblieben sein. Zumindest hätte ein derartiger Zuwachs Anlass zu Nachforschungen geben müssen, die sie grob fahrlässig unterlassen habe.
- 26
Darüber hinaus habe für die Fläche auch Grundsteuer entrichtet werden müssen. Irgendwelche Unterlagen über diesen Grundbesitz befänden sich jedoch nicht bei der Beklagten zu 1.
- 27
Die Grundstücke seien auch verpachtet und bewirtschaftet gewesen. Wenn einem unerwartet soviel Land zufalle, dann könne davon ausgegangen werden, dass man sich das Land mal anschaue. Dann hätte der Beklagten zu 1. aber auffallen müssen, dass die Äcker bestellt wurden, sie aber keine Pacht erhält.
- 28
Die Beklagte könne sich letztlich auch nicht auf den Umstand berufen, der zweite Vorname des Ehemannes der Klägerin sei im Grundbuch wie der ihres Mannes, nämlich mit "ei" geschrieben, da die Schreibweise des zweiten Vornamen der beiden Männer des öfteren falsch gewesen sei, wie sich dies auch aus dem gemeinschaftlichen Testament der Beklagten und ihrem Ehemann ergibt, wo ihr Ehemann mit "ai" und somit falsch geschrieben worden ist.
- 29
Darüber hinaus macht die Klägerin geltend, dass dem sie vertretenden Rechtsanwalt vorprozessual Honoraransprüche aus § 118 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BRAGO entstanden seien, die sie von der Beklagten zu 1. ersetzt verlangt.
- 30
Diese würden zum einen daraus resultieren, dass ihr Rechtsanwalt zunächst darum bemüht gewesen sei, die Grundstücke vom Land Rheinland-Pfalz zurückzuerhalten und auch Ansprüche gegen die Staatskasse des Landes Rheinland-Pfalz geltend gemacht habe. Zum anderen habe er sich seit dem 24.11.2001 bis Prozessbeginn mit der Beklagten zu 1. bzw. der Beklagten zu 2. als deren Vertreterin über die Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zu 1. auseinandergesetzt. Schließlich habe er auch Ansprüche gegen die Beklagte zu 2. und deren Ehemann erhoben. Auf die angefallenen Gebührenansprüche seien nur eine 10/10 Prozessgebühr anzurechnen. Hieraus resultieren Rechtsanwaltsgebührenansprüche in Höhe von insgesamt 11.061,31 Euro. Wegen der Berechnung wird insoweit auf S. 6 und 7 der Klage (Bl. 7 und 8 d.A.) verwiesen.
- 31
Die Klägerin beantragt,
- 32
1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen,
- 33
a. an die Klägerin 223.704,51 Euro nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über Basiszins = 10,57 % hieraus vom 11.12.2000 bis 31.12.2001 sowie 5 Prozentpunkte über Basiszins = 7,57 % hieraus seit dem 01.01.2002 zu zahlen,
- 34
b. die Klägerin freizustellen von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 8.817,87 Euro nebst 5 Prozentpunkte über Basiszins hieraus durch Zahlung an die Rechtsanwälte Kinkel & Kirch, Moritzstraße 56, 65185 Wiesbaden,
- 35
hilfsweise die Beklagte zu 2. zu verurteilen, der Klägerin ihr Deka Bank Depot Nr. …, Deka Bank, Deutsche Girozentrale, 60625 Frankfurt/M. zu übertragen, bzw. den Gegenwert (per 23.09.2002: 110.709,66 Euro) auszuzahlen nebst 5 Prozentpunkte über Basiszins hieraus seit dem 29.01.2002 zu zahlen.
- 36
Die Beklagte beantragt,
- 37
die Klage abzuweisen.
- 38
Die Beklagten tragen vor,
- 39
bei dem Eigentumserwerb der Beklagten zu 1. habe sie nicht grob fahrlässig gehandelt. Zu der Antragstellung vom 01.03.2000 und der Eigentumsumschreibung sei es durch eine Verkettung unglücklicher Umstände gekommen, die darauf beruhten, dass sowohl der Universitätsfonds als auch das Grundbuchamt nicht bemerkten, dass es sich bei dem eingetragenen Eigentümer nicht um den Ehemann der Beklagten handelte.
- 40
Die Beklagte habe auch aus dem Grundbuch nichts entnehmen können, da die Umschreibung und der Verkauf von ihrer Tochter, der Beklagten zu 2. veranlasst und durchgeführt wurde.
- 41
Bei dem Testament der Eheleute sei aus anderen Gründen ein niedrigerer Nachlasswert angegeben worden, was auch gängiger Praxis entspreche. Erst durch umfangreiche Ermittlungen des Klägervertreters in der Grundbuch-Akte sei klar geworden, dass die Grundstücke dem Ehemann der Klägerin gehört hatten. Die Beklagte habe die Akte jedoch nicht eingesehen. Sie habe sich die Grundstücke auch nicht angesehen.
- 42
Die Beklagte habe mit ihrem Ehemann auch nie über seinen Grundbesitz gesprochen. Sie habe ihn erst 1961 geheiratet, da sei er bereits 51 Jahre alt gewesen und sie habe über seine Besitzungen keine Kenntnisse gehabt. Ihr Mann sei auch gar nicht in der Landwirtschaft tätig gewesen. Seit 1956 sei er städtischer Angestellter gewesen. Gleichwohl habe er noch über landwirtschaftliche Fläche von 15.681 qm verfügt und nach und nach Grundstücke veräußert, die selbst ähnlich werthaltig gewesen seien wie die der Klägerin. Aus den Verkäufen ergebe sich ein Gesamterlös in Höhe von 186.922,-- DM in der Zeit von 1967 bis 1988. Auf heutige Grundstückspreise umgerechnet entspreche dies einem ähnlichen Verkaufswert wie dem der Grundstücke der Klägerin. Es habe sich bei den Grundstücken des Ehemannes der Beklagten also nicht um kleine wertlose Flächen gehandelt. Mitglieder aus der Familie des Ehemannes seien auch Landwirte gewesen. Daher habe sie davon ausgehen können, es handele sich bei den fraglichen Grundstücken um Grundstücke aus der Familie. Außerdem habe sich ein gleichklingendes Stück Land "An der Adach" in Familienbesitz befunden. Wegen der Klanggleichheit habe dies keinen Argwohn bei der Beklagten hervorgerufen. Auch die näheren Umstände des Erwerbes begründeten keine Nachforschungspflicht wo sogar das Land Rheinland-Pfalz und das Grundbuchamt der Verwechslung unterlegen seien.
- 43
Im Hinblick auf die Rechtsanwaltskosten werde mit Nichtwissen bestritten, dass es schriftliche bzw. telefonische Unterredungen mit dem Universitätsfonds gegeben habe. Die Unterredung in der Wohnung der Beklagten zu 2. habe ohne vorherige Terminsvereinbarung stattgefunden. Der Klägervertreter sei dort einfach aufgetaucht. Der in Ansatz gebrachte Streitwert sei nicht nachvollziehbar. Es würden telefonische oder mündliche Besprechungen mit der Staatskasse des Landes Rheinland-Pfalz ebenfalls bestritten. Im Übrigen werde die Angemessenheit der in Ansatz gebrachten Gebühren bestritten.
- 44
In Ergänzung der Sach- und Rechtslage wird im Übrigen Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst ihren Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 21.08.2003.
Entscheidungsgründe
- 45
Die Klage ist überwiegend begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Zahlungsanspruch in Höhe von 223.704,51 Euro zu.
- 46
Der Anspruch beruht auf den §§ 989, 990 BGB. Die Klägerin war zum Zeitpunkt der Veräußerung der Grundstücke "Die obere Gewann neben der Adach", Grundbuch von M.-B., Bl. 8755, lfd. Nr. 1, Gemarkung B., Flur 14, Flurstück 27 und Flurstück 18 Eigentümerin, da sie als Alleinerbin ihres am 1983 verstorbenen Ehemannes dessen Gesamtrechtsnachfolge antrat und somit eine Eigentümerstellung hinsichtlich der beiden Grundstücke erwarb. Die Beklagte war sog. Bucheigentümerin. Die Stellung des Bucheigentümers entspricht der des unrechtsmäßigen Besitzers. Auf den Bucheigentümer sind nach ständiger Rechtsprechung die §§ 987 ff. BGB anzuwenden. Somit bestand zum Zeitpunkt der Veräußerung der Grundstücke an das Land Rheinland-Pfalz eine Vindikationslage.
- 47
Der Anspruch aus §§ 989, 990 BGB setzt weiterhin voraus, dass sich der Besitzer bei Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben befand. Bösgläubigkeit bedeutet in Anlehnung an § 932 Abs. 2 BGB Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Mangel des Besitzrechtes. Dies steht bei dem Eigenbesitzer der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Eigentums gleich, und zwar gleich aus welchem Grund (vgl. Münchner Kommentar, 3. Aufl., § 990, Rn. 3).
- 48
Nach Würdigung der Gesamtumstände ist das Gericht der Ansicht, dass die Beklagte hier die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß verletzt hat und das unbeachtet gelassen hat, was in diesem gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
- 49
Unstreitig führte der Ehemann der Klägerin in der Namensbezeichnung den Zusatz "der Zweite" hinter seinem zweiten Vornamen. Ob der Ehemann der Beklagten den Namenszusatz "der Erste" trug, was die Beklagten bestreiten, kann jedoch dahingestellt bleiben, denn es ist ausgeschlossen, dass er ebenfalls den Namenszusatz "der Zweite" führte. Die Beklagten betonen in diesem Zusammenhang auch, dass der Ehemann und Vater gerade keinen Zusatz zu Lebzeiten geführt hat. Dann aber hätte es der Beklagten auffallen müssen, dass eben dieser Zusatz auf den Anschreiben des Universitätsfonds angeführt war. Dieser Zusatz erschien sodann auch in der Eigentumsbezeichnung auf dem Grundbuchblatt 8755 (Bl. 27 bis 34 d.A.). Diese Häufung hätte bei der Beklagten Anlass zu Zweifeln geben müssen. Sofern die Beklagte vorträgt, dass es bei der Namensnennung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin in den Grundbüchern keine einheitliche Bezeichnung mit dem Zusatz "Der Zweite" gegeben habe und dies anhand von Grundbuchblatt 11130 (Anlage B 31 des Schriftsatzes der Beklagten vom 30.09.2003) belegt, auf dem der Ehemann der Klägerin ohne diesen Zusatz eingetragen ist, ist dieser Vortrag ebenfalls unerheblich. Auf dem Grundbuch Bl. 11130 ist nämlich zur Differenzierung und damit zur Vermeidung von Verwechselungen das Geburtsdatum des verstorbenen Ehemanns der Klägerin eingetragen, so dass hier ein Namenszusatz wie "der Zweite" zur Unterscheidung von gleichnamigen Personen gerade nicht erforderlich war.
- 50
Die Beklagte kann sich dabei nicht darauf zurückziehen, sie selbst hätte den Umschreibungsantrag nur unterschrieben, von den Eintragungen habe sie nichts gewusst, ihre Tochter, die Beklagte zu 2. habe alles veranlasst. Sie muss sich jedoch die Kenntnis der Tochter gem. § 166 BGB zurechnen lassen, denn die Bösgläubigkeit des Vertreters ist ausreichend, wenn er weiß, dass der Vertretene den Besitz an der Sache erwirbt (vgl. Münchner Kommentar, 3. Aufl., § 990, Rn. 13, 14). Rei war vorliegend der Fall, denn es war die Umschreibung des Eigentums auf die Beklagte zu 1. gerade das Ziel.
- 51
Dem Berichtigungsantrag vom 01.03.2000 lag eine Kopie des Bogens 1 des Grundbuchblatts 8755 wie auf Bl. 28 und 29 der Gerichtsakte ersichtlich bei und der Antrag betraf auch die beiden nicht von dem Kaufinteresse des Universitätsfonds erfassten Grundstücke. Dem Vortrag der Klägerin, zumindest die Beklagte zu 2. habe vor Antragstellung Einsicht in das Grundbuchblatt genommen und die Eigentümerbezeichnung gesehen, hat die Beklagte jedoch nicht eindeutig bestritten. Vielmehr hat sie behauptet, die Beklagte zu 2. habe nicht so genau hingeschaut. Da der Text unter der Sparte "Eigentümerbezeichnung" jedoch nur aus der Eintragung "B. Josef Reimund, der Zweite, Landwirt, 6... M.-G." besteht, ist ein einfaches Überlesen insoweit auszuschließen. Auch die Berufsbezeichnung "Landwirt" stimmte nicht mit dem der Beklagten von ihrem Mann bekannten Tatsachen überein, denn er war seit 1956 städtischer Angestellter und nicht Landwirt. Was die Verwandten des Ehemannes der Beklagten beruflich ausübten, kann insoweit zurückstehen, da es auf deren Grundbesitz hier nicht ankommt.
- 52
Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, sowohl in den Schreiben des Universitätsfonds als auch in dem Grundbuchblatt sei der zweite Vorname des Ehemannes der Klägerin geschrieben wie der zweite Vorname ihres Ehemannes, nämlich mit "ei" und dies habe sie darauf vertrauen lassen, dass es sich bei der gemeinten Person um ihren Ehemann gehandelt habe, denn ihr Mann trug nie einen Namenszusatz. Auch die Schreibweise ließ keinen eindeutigen Schluss auf die Eigentümerstellung ihres Ehemannes zu, denn in den von der Beklagten vorgelegten Grundbuchauszügen (vgl. Anlagen des Schriftsatzes der Beklagten vom 30.09.2003, B. 22 und B. 24) wird ihr Ehemann in seinem zweiten Vornamen jeweils mit "ai", also falsch geschrieben. Dieser Schreibfehler wiederholt sich sogar in dem gemeinschaftlichen Testament der Beklagten und ihres Ehemannes vom 24.03.1992 (Bl. 135 d.A.). Aus der Schreibweise des Namens des Eigentümers der in Streit stehenden Grundstücke im Grundbuch konnte die Beklagte also nichts ableiten, da die Schreibweise des zweiten Vornamens jeweils unterschiedlich war und es öfters zu Verwechselungen gekommen ist, was der Beklagten im Laufe der Ehejahre bekannt gewesen sein musste.
- 53
Zudem geht von staatlichem Handeln - soweit es das Grundbuchamt betrifft - auch nicht der Rechtsschein der Richtigkeit aus. Bei dem Universitätsfonds handelt es sich zwar um eine Stiftung des öffentlichen Rechtes. Sie handelte hier jedoch privatrechtlich, so dass auch hier ein "Rechtsschein" der Richtigkeit nicht anzunehmen ist. Ergänzend ist hierzu noch auszuführen, dass die Beklagte als Ehefrau des Josef Reimund B. gegenüber dem Grundbuchamt und dem Universitätsfonds hinsichtlich des Bestandes des Grundeigentums überlegenes Sachwissen besaß, da sie die Eigentumsverhältnisse als Ehefrau allein kannte bzw. kennen konnte.
- 54
Der Behauptung der Beklagten ihr sei das Eigentum ihres Mannes an dem Grundstück auch deshalb plausibel erschienen, weil im Familienbesitz ein ähnlich lautendes Grundstück mit dem Namen "An der Attach" bestanden habe, ist zum einen entgegenzuhalten, dass es diese Ähnlichkeit gar nicht gibt, denn die Grundstücke der Klägerin haben den viel längeren und daher anders klingenden Namen. "Die obere Gewann neben der Adach". Bei dem Grundstück "Attach" handelt es sich auch nur um 790 qm Gartenland in M.-G. um nicht um 7.813 qm Landwirtschaftsfläche in M.-B.. Zudem gehörte das Grundstück "Attach" gar nicht ihrem Mann sondern den Kindern seiner Schwester als Erbengemeinschaft. Es ist daher auch wenig plausibel, wenn die Beklagte behauptet keine Kenntnis von dem Bestand des Grundbesitzes ihres eigenen Ehemannes zu haben, weil sie sich um das alles nicht gekümmert haben will, gleichwohl aber Kenntnis davon hat, dass die Verwandtschaft ihres Mannes ein Grundstück mit dem Namen "Attach" besitzt.
- 55
Der Grundbesitz des verstorbenen Ehemannes der Beklagten zu 1. unterscheidet sich auch wesentlich von den ursprünglich im Eigentum des Ehemannes der Klägerin stehenden Grundstücken. Zum einen ist der Grundbesitz der Beklagten zu 1. auf eine größere Anzahl kleinerer Grundstücke verteilt (vgl. Bl. 126 ff. d.A.), so dass selbst das größte Grundstück "nur" eine Fläche von 1.584,-- qm hat (und dieses war im Übrigen nach dem Vortrag der Beklagten im Jahr 1988 verkauft worden), so dass die im Nachlass befindliche Grundstücksfläche insgesamt 14.097 qm betrug. Der streitgegenständliche Grundbesitz der Klägerin hingegen besitzt eine Gesamtfläche von 17.273,-- qm bestehend aus vier Grundstücken, von denen jedes einzelne größer war als das flächenmäßig größte Grundstück im Eigentum des Ehemannes der Beklagten. Außerdem befanden sich alle Grundstücke der Beklagten in M.-G., die Grundstücke der Klägerin jedoch in M.-B., so dass eigentlich keinerlei Verwechslungsgefahr bestanden hat.
- 56
Auch im Hinblick auf die Erstellung des gemeinschaftlichen Testamentes der Beklagten zu 1. mit ihrem Ehemann widerspricht es der Lebenserfahrung, dass die Eheleute sich bei der Errichtung des Testamentes nicht über die zu verteilende Erbmasse besprochen haben. Schließlich ging es bei den fraglichen Grundstücken nicht um eine Nebensächlichkeit sondern vielmehr um einen Grundbesitz mit einer Gesamtfläche, die größer war, als alles, was der Ehemann der Beklagten zu 1. jemals an Grundfläche besessen hat. Es ist daher nicht überzeugend, dass der Beklagten ein Grundbesitz von mehr als 17.000 qm Fläche über die Ehezeit hinweg weitere fünf Jahre nach Versterben des Ehemannes unbekannt geblieben sein soll. Auch die Tatsache, dass sie unstreitig keine Grundsteuerbescheide nach dem Tod ihres Mannes über die besagte Grundstücksfläche erhalten hat, musste für sie ein weiterer Hinweis dafür sein, dass diese Grundstücke nicht aus der Erbmasse ihres Mannes stammen konnten.
- 57
Nach der Auffassung des Gerichtes zeigen die angeführten Umstände insgesamt Tatsachen auf, die mit Deutlichkeit und auffallend gegen das Eigentum des Ehemannes der Beklagten sprechen. Es handelt sich um Umstände, die auch bei durchschnittlichem Merk- und Erkenntnisvermögen ohne besonders gründliche Überlegung zu der Erkenntnis hätten führen müssen, dass es sich hier um Grundstücke handelt, die nicht aus dem Besitz des Ehemannes der Beklagten stammen konnten. Auch die Art der zu erwerbenden Sache - 17.273 qm Landwirtschaftsfläche - und der Wert der Sache - 223.704,51 Euro allein für die Flurstücke 27 und 18 "die obere Gewann neben der Adach" - in Verbindung mit den vorgenannten Gesamtumständen begründeten eine Pflicht der Beklagten zur Einholung von Erkundigungen über die Herkunft der fraglichen Landwirtschaftsflächen. (Soergel 12. Aufl. § 990 Rn. 12), die die Beklagte grob fahrlässig verletzt hat. Denn hätte die Beklagte sich der geringen Mühe unterzogen die fraglichen Grundstücksflächen in B. einmal anzusehen, dann wäre ihr ohne Schwierigkeiten aufgefallen, dass diese Grundstücke landwirtschaftlich bewirtschaftet waren, was zwangsläufig die Frage bei der Beklagten aufgedrängt hätte, wer diese Flächen bewirtschaftet und wer den Erlös hierauf erhält. Weitere Nachforschungen in der Grundbuchakte hätten der Beklagten dann das Ergebnis gebracht, dass es sich hier um Flächen handelt, die nicht zu ihrem Vermögen gehören. Und obwohl der Beklagten hinreichende Beweise für die den Mangel am Eigentum ergebenden Tatsachen vorlagen, hat sich die Beklagte vom eigenen Vorteil beeinflussen lassen und sich der Erkenntnis ihrer Nichtberechtigung verschlossen. Die Beklagte war daher zum Zeitpunkt ihres Besitzerwerkes bösgläubig.
- 58
Der Klageantrag zu 1.b. ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Die Beklagte zu 1. hat die Kosten nur insofern zu ersetzen, als diese notwendig waren. Im vorliegenden Fall können die dem klägerischen Anwalt entstandenen Gebühren bezüglich der Gespräche mit dem Land Rheinland-Pfalz, der Staatskasse und der Beklagten zu 2. sowie deren Ehemann unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Berechnung billigerweise nicht auf die Beklagte zu 1. abgewälzt werden. Das Land Rheinland-Pfalz hatte nämlich unzweifelhaft und insbesondere für den Rechtskundigen erkennbar nach § 892 BGB gutgläubig Eigentum an den Grundstücken erworben. Ebenso eindeutig war die Rechtslage hinsichtlich des Umstandes, dass die Amtshaftung gem. § 839 Abs. 1 Satz 2, zweiter Halbsatz BGB nur subsidiär in Betracht kommt. Wenn dann der die Klägerin vertretende Bevollmächtigte zunächst dennoch versucht, die Grundstücke vom Land Rheinland-Pfalz zurückzuerhalten und Schadensersatzansprüche gegen die Staatskasse geltend macht, so muss das Risiko, das die Bemühungen ergebnislos verlaufen, ebenso wie das Kostenrisiko billigerweise die Klägerin selbst tragen. Ebenso verhält es sich bei den gegen die Beklagte zu 2. und deren Ehemann geltend gemachten Ansprüchen. Die durch die Geltendmachung der Ansprüche gegen die Beklagte zu 1. entstandene Gebühr ist gem. § 118 Abs. 2 BRAGO anzurechnen, so dass diese in der Prozessgebühr aufgeht.
- 59
Der Umfang des nach § 249 BGB zu ersetzenden Schadens umfasst somit lediglich den Anspruch auf Ersatz des durch den Verkauf der Grundstücke durch die Beklagte zu 1. entstandenen Schadens in Höhe von 223.704,51 Euro.
- 60
Über die hilfsweise erhobene Klage gegen die Beklagte zu 2. war wegen der Begründetheit der Hauptsache nicht zu entscheiden.
- 61
Die Zinsen beruhen auf dem Gesichtspunkt des Verzuges.
- 62
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, 101, 709 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.