Urteil vom Landgericht Mainz (4. Zivilkammer) - 4 O 49/05


Tenor

1. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin 13.916,27 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.9.2004 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrages von 288,80 € hinsichtlich der Hauptsache erledigt ist.

3. Die Klage gegen den Beklagten zu 1) wird abgewiesen.

4. Von den gerichtlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin und die Beklagte zu 2) jeweils die Hälfte.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) in vollem Umfang. Diejenigen der Klägerin trägt die Beklagte zu 2) zur Hälfte, im Übrigen trägt sie die Klägerin selbst.

Die Beklagte zu 2) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldner die Erstattung der durch einen Wasserrohrbruch entstandenen Sanierungskosten, soweit diese Kosten nicht bereits durch die Beklagte zu 2) als Versicherer des Wohngebäudes der Klägerin außergerichtlich bezahlt wurden.

2

Der Beklagte zu 1) ist Versicherungsagent der Beklagten zu 2), bei der das Anwesen der Klägerin gegen Leitungswasser und Sturm zum gleitenden Neuwert versichert ist. Die Versicherungssumme ist nach dem Gebäudewert von 1914 bemessen. Sie beträgt 17.000,-- DM.

3

Am 29.11.2003 kam es zu einem Wasserrohrbruch. Es entstand ein Schaden in Form des Sanierungsaufwandes und eines Mietausfalles in Höhe von insgesamt 37.610,-- €. Die Beklagte zu 2) zahlte zur Schadensregulierung lediglich 23.694,66 €, obwohl sie den Schadensumfang nicht in Zweifel zog. Sie berief sich indes darauf, dass das Gebäude um 37% unterversichert sei, da dessen Wert - wiederum bezogen auf das Jahr 1914 - ausweislich der für das Gebäude bei der Sparkassenversicherung bestehenden Feuerversicherungspolice in Wirklichkeit 27.710,-- DM betrage.

4

Am 7.11.2002 hatte zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) eine Besprechung stattgefunden, bei der es u.a. auch um die Verlängerung und Anpassung der Wohngebäudeversicherung ging. Bei diesem Gespräch hatte die vorgenannte Feuerversicherungspolice vorgelegen. Der darin angegebene Versicherungswert von 27.710,-- DM war sowohl von der Klägerin als auch von dem Beklagten zu 1) zur Kenntnis genommen worden. Bei dieser Gelegenheit hatte der Beklagte zu 1) der Klägerin einen formularmäßigen Antrag auf Verlängerung der bestehenden Wohngebäudeversicherung vorgelegt, den diese unterzeichnete (Bl. 13 GA). In dem anschließend von der Beklagten zu 2) erstellten Nachtrag vom 25.11.2002² war als Versicherungssumme 1914 wie bisher der Betrag von 17.000,-- DM aufgenommen worden (Bl. 10 GA).

5

Im Laufe des Rechtsstreits erklärte die Beklagte zu 2) mit Schriftsatz vom 20.4.2005 vorsorglich die Aufrechnung mit ersparten Prämienvorteilen der Klägerin (Bl. 39 GA). Erst auf entsprechenden Hinweis durch prozessleitende Verfügung vom 9.6.2005 bezifferte sie dann die zur Aufrechnung gestellte Forderung wegen einer zusätzlichen Prämie gemessen an einer fiktiven Versicherungssumme von 27.710,-- DM mit Schriftsatz vom 21.7.2005 auf 288,80 €. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 30.8.2005 den Rechtsstreit bzgl. eines entsprechenden Teilbetrages bzgl. der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagten haben dieser Erklärung nicht zugestimmt.

6

Die Klägerin trägt vor:

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Beide Beklagten seien verpflichtet, ihr einen Geldbetrag in Höhe der restlichen Versicherungsleistung für die Sanierungskosten und den Mietausfall zu zahlen. Die Unterversicherung ihres Anwesens sei auf eine schuldhafte Verletzung von Beratungs- und Hinweispflichten des Beklagten zu 1) zurückzuführen. Dieser habe in dem Nachtrag vom 25.11.2002 den Versicherungswert von 17.000,-- DM auf eigene Verantwortung eingetragen. Er habe dies getan, obwohl sie - die Klägerin - ihn zu sich gebeten habe, um die Versicherungsverträge den veränderten Gegebenheiten anzupassen. Zu diesem Zwecke habe das Treffen am 7.11.2002 gedient. Dem Beklagten zu 1) seien sämtliche vorhandenen Versicherungsunterlagen vorgelegt worden. Gegenstand der Besprechung sei die Anpassung sämtlicher Versicherungsleistungen an die veränderten Gegebenheiten gewesen. Beim Ausfüllen der Verlängerungsanträge habe der Beklagte zu 1) es jedoch offensichtlich versäumt, die Unterversicherung zu berücksichtigen. Diesen Fehler müsse sich auch die Beklagte zu 2) zurechnen lassen. Sie -die Klägerin- sei selbstverständlich bereit gewesen, auch eine höhere Prämie bei Anpassung des Versicherungsvertrages an die geänderten Wertverhältnisse zu akzeptieren.

8

Der Beklagte zu 1) hafte als Versicherungsvertreter persönlich, weil er für die Klägerin und deren Familie aufgrund der langjährigen Betreuung und Beratung in Versicherungsangelegenheiten eine absolute Vertrauensperson gewesen sei.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 13.627,47 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.4.2004 zu zahlen und darüber hinaus festzustellen, dass der Rechtsstreit bzgl. eines Teilbetrages in Höhe von 288,80 € hinsichtlich der Hauptsache erledigt ist.

11

Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte zu 1) bestreitet seine Aktivlegitimation mit Hinweis darauf, dass eine besondere Fallgestaltung, die dazu führe, dass er als Vertreter der Beklagten zu 2) persönlich in Anspruch genommen werden könne, nicht schlüssig vorgetragen sei.

14

Beide Beklagten tragen vor:

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Eine Verletzung von Beratungs- und Hinweispflichten liege nicht vor. Es sei zwar zutreffend, dass am 7.11.2002 ein Gespräch zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1) stattgefunden habe. Es sei aber so gewesen, dass der Beklagte zu 1) auf die unterschiedlichen Deckungssummen in der Wohngebäudeversicherung und in der Police der Feuerversicherung ausdrücklich hingewiesen habe. Der Beklagte zu 1) habe bei diesem Gespräch auch erklärt, wie sich eine Unterversicherung im Falle eines Schadens auswirke.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Beklagten zu 1) richtet, gegen die Beklagte zu 2) ist sie dagegen in vollem Umfang begründet.

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I. Der Beklagte zu 1) haftet als Versicherungsvertreter nicht. Die Verletzung einer eigenen Pflicht aus einem vertragsähnlichen Schuldverhältnis ist nur dann anzunehmen, wenn der Versicherungsagent entweder aus dem Abschluss des Versicherungsvertrages persönlichen Nutzen erstrebt oder aber wenn er das besondere persönliche Vertrauen des Versicherungsnehmers in Anspruch nimmt (BGH VersR 1964, 977; BGH NJW 1971, 1309). Das ist hier nicht der Fall. Der Beklagte zu 1) ist als Versicherungsagent der Beklagten zu 2) tätig geworden. Ob er für diese Tätigkeit im Zusammenhang mit der Verlängerung des Vertragsverhältnisses zur Klägerin durch die Beklagte zu 2) eine Provision erhalten hat, ist nicht vorgetragen, ist aber auch unerheblich. Um das ausnahmsweise zu einer Haftung des Versicherungsagenten notwendige erhebliche Interesse am Zustandekommen des Vertrages zu begründen, reicht es nicht aus, dass es ihm auf die Erlangung einer Provision ankommt. Die Eigenhaftung des Vertreters ist vielmehr erst dann berechtigt, wenn er wirtschaftlich betrachtet gleichsam in eigener Sache verhandelt hat und deshalb eine Gleichstellung mit dem Vertragspartner gerechtfertigt ist (BGHZ 14, 313). Davon kann hier nicht die Rede sein. Auch eine persönliche Haftung des Beklagten zu 1) wegen Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens im besonderen Maße, kommt nicht in Betracht. Es ist weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich, dass der Beklagte zu 1) sich um eine Vertrauensstellung bei der Klägerin beworben hat, die darüber hinausging, dass er diese in seiner Eigenschaft als Versicherungsagent über einen längeren Zeitraum betreute. Dies reicht zur Annahme einer besonderen Vertrauensstellung nicht aus (OLG Hamm, VersR 1987, 351).

19

Die Klage gegen den Beklagten zu 1) ist daher abzuweisen.

20

II. Gegenüber der Beklagten zu 2) ist die Klage jedoch in vollem Umfang begründet. Die Beklagte ist aufgrund des bestehenden Wohngebäudeversicherungsvertrages verpflichtet, den Wasserschaden in vollem Umfang zu ersetzen. Den Einwand der Unterversicherung nach § 56 VVG kann sie der Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten.

21

Dies ergibt sich bereits aufgrund der Tatsachen, die zwischen den Parteien unstreitig sind, sodass es einer Erhebung der angebotenen Beweise nicht bedarf.

22

Unstreitig lag bei der Besprechung am 7.11.2002, deren Ergebnis die Verlängerung des Wohngebäudeversicherungsvertrages war, die Feuerversicherungspolice vor, aus der sich ein höherer Versicherungswert 1914 ergab, als er der Wohngebäudeversicherung bei der Beklagten zu 2) zugrunde lag. Dies hätte den Beklagten zu 1), dessen Verhalten der Beklagten zu 2) zuzurechnen ist, dazu veranlassen müssen, die Klägerin nachdrücklich und umfassend über die Gefahr einer bestehenden Unterversicherung und die Notwendigkeit, den Wert des Gebäudes überprüfen zu lassen sowie über die Folgen einer Unterversicherung aufzuklären.

23

Zwar hat der Versicherungsnehmer grundsätzlich selbst dafür zu sorgen, dass er ausreichend hoch versichert ist. Verlangt er jedoch von der Versicherung bzw. deren Agenten Beratung, weil er sich selbst nicht in der Lage sieht, die ausreichende Höhe der Versicherungssumme zu bestimmen, so hat ihn die Versicherung bzw. deren Agent entsprechend zu unterstützen (OLG Koblenz, VersR 1997, 1226; OLG Celle, VersR 1995, 333; OLG Köln, VersR 1979, 513).

24

Einem ausdrücklichen Beratungswunsch steht es gleich, wenn eine positive Kenntnis der Tatsachen, aus denen die Unterversicherung sich ergibt oder ergeben kann bei dem Agenten oder der Versicherung vorhanden ist (OLG Hamm, VersR 2005, 685). So lag es auch im vorliegenden Fall. In derartigen Fällen muß der Versicherungsagent grundsätzlich davon ausgehen, daß der Versicherungsnehmer eine Unterversicherung vermeiden will, falls aus dessen Verhalten nichts Gegenteiliges hervorgeht. Bei dem Gespräch am 7.11.2002 wusste der Beklagte zu 1), dass die Feuerversicherungspolice einen deutlich höheren "1914er-Wert" enthielt, nämlich 27.710,-- DM als die bei der Beklagten zu 2) bestehende Wohngebäudeversicherung. Er durfte sich deshalb nicht wie von den Beklagten behauptet und durch die Vernehmung des Beklagten zu 1) als "Zeuge" bzw. durch dessen Parteivernehmung unter Beweis gestellt, damit begnügen, "auf die unterschiedlichen Deckungssummen zwischen der bei der Beklagten bestehenden Versicherung und der bei der Sparkassenversicherung geführten Feuerversicherung ausdrücklich hinzuweisen". Auch war es ungenügend, wenn der Beklagte zu 1) bei dem Gespräch mit der Klägerin erklärte, "wie sich eine Unterversicherung im Falle eines Schadens auswirkt" (vgl. Schriftsatz vom 21.7.2005, Seite 2 = Bl. 73 GA). Dieser durch die Beklagten unter Beweis gestellte Sachvortrag wird durch die Kammer als wahr unterstellt. Damit kann die Beklagte zu 2) sich jedoch nicht mit Erfolg gegen die Klage verteidigen.

25

Der Beklagte zu 1) hätte nämlich wesentlich intensiver beraten müssen. Er hätte die Klägerin zunächst einmal darauf aufmerksam machen müssen, dass die unterschiedlichen Werte der Überprüfung bedürften. Denn es ist und war durchaus erwägenswert, ob der in der Feuerversicherungspolice angegebene Wert nicht seinerseits zu hoch angesetzt und die Wertangabe in dem bei der Beklagten zu 2) geführten Vertrag doch der zutreffende war. Dazu hätte der Beklagte zu 1) entweder die Hilfe eines eigenen Fachmannes anbieten oder auf die Notwendigkeit der Einschaltung eines neutralen Gutachters hinweisen müssen (OLG Celle, VersR 1995, 333 ff.). Dass der Beklagte zu 1) dies getan hätte, ist weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich.

26

Daß die Klägerin geäußert hätte, eine Erhöhung der Deckungssumme wünsche sie nicht, behaupten die Beklagten noch nicht einmal. Es widerspricht auch jeder Lebenserfahrung, dass die Klägerin bei einer ausreichenden Aufklärung einfach nur geschwiegen haben sollte, ohne eine Zustimmung oder eine Ablehnung gegenüber dem Beklagten zu 1) zu äußern.

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Nach Auffassung der Kammer wäre die Beklagte zu 2) - bei gehöriger Information durch den Beklagten zu 1) über die Sachlage - darüber hinaus auch verpflichtet gewesen, im Nachtrag zum Versicherungsvertrag oder in einem besonderen Begleitschreiben hierzu auf die Gefahr der Unterversicherung nochmals hinzuweisen. Auch dies ist nicht geschehen.

28

Wegen der somit feststehenden Verletzung ihrer Beratungs- und Hinweispflicht ist es der Beklagten zu 2) verwehrt, sich auf die Unterversicherung - sofern eine solche überhaupt bestehen sollte, denn die höhere Wertangabe in der Feuerversicherungspolice stellt hierfür lediglich ein Indiz dar - zu berufen (OLG Koblenz, VersR 1997, 1226 f.).

29

Da somit die Verletzung der Beratungspflicht feststeht, ist davon auszugehen, dass dies auch ursächlich für eine (mögliche) Unterversicherung ist. Die Beklagte zu 2) hat das Gegenteil - nämlich, daß die Klägerin eine Höherversicherung abgelehnt hätte - nicht bewiesen; sie ist insoweit darlegungs- und beweisbelastet (OLG Koblenz, a.a.O.).

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Auch ein anspruchminderndes Mitverschulden der Klägerin liegt nicht vor. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn sich Anhaltspunkte dafür fänden, dass die Klägerin auch bei erfolgter Beratung die Klärung der "richtigen" Versicherungssumme verhindert und sich deshalb nicht ausreichend versichert hätte (OLG Celle, VersR 1995, 333 f.).

31

Entsprechend dem Antrag der Klägerin ist festzustellen, das der Rechtsstreit bzgl. des Teilbetrages von 288,80 € erledigt ist. Denn auch insoweit war die Klage zunächst begründet, da die Beklagte zu 2) ihren Prämienverlust, also den "Prämienvorteil" der Klägerin erst mit Schriftsatz vom 21.7.2005 im Laufe des anhängigen Rechtsstreits beziffert hat, somit dieser Gegenanspruch erst zu diesem Zeitpunkt fällig wurde und die Klage dadurch in diesem Umfang zu Fall gebracht wurde.

32

Die begehrten Zinsen stehen der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 286, 288 BGB zu.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 100 ZPO.

34

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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