Urteil vom Landgericht Mainz (3. Kammer für Handelssachen) - 10 HK.O 31/05, 10 HKO 31/05
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin, eine Kommanditistin der von dem Beklagten zu 1) als Komplementär vertretenen Beklagten zu 2), beansprucht von beiden Beklagten gesamtschuldnerisch die Auszahlung von Zinsen in Höhe von 1% über dem Basiszinssatz hinsichtlich ihrer Kommanditeinlage und hinsichtlich ihres bei der Beklagten zu 2) geführten Kapitalsonderkontos für die Jahre 2000, 2001 und 2002 im Gesamtbetrag von 39.583,68 € zuzüglich Verzugszinsen, hilfsweise Gutschrift der eingeklagten Beträge auf ihrem Kapitalsonderkonto.
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Die Beklagte zu 2) hatte am 1.1.1927 als Kommanditgesellschaft begonnen. Sie ist heute nur noch eine Vermögensverwaltungsgesellschaft, zu deren Vermögen unter anderem 4 Grundstücke in M. gehören. Vertragliche Grundlage der Beklagten zu 2) sind der Gesellschaftsvertrag vom 22.8.1931 sowie 4 Zusätze vom 22.8.1931, vom 11.10.1931, vom 19.1.1933 und vom 17.9.1960 sowie die in dem Übertragungsvertrag vom 10.8.1993 unter Ziff. 5 im Vorgriff auf eine künftige Neufassung des Gesellschaftsvertrages vereinbarten Änderungen und Ergänzungen (vgl. Anlagenheft zum Schriftsatz der Klägerin vom 11.2.2005).
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Die Klägerin stützt sich auf Ziff. 12 des Gesellschaftsvertrages vom 22.8.1931, der eine Verzinsung in Höhe von 1% über Reichsbank-Diskont, jedoch nicht über 5%, für die Kapitaleinlagen und alle sonstigen Guthaben und Ansprüche der Gesellschafter vorsieht.
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Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Gesellschafter der Beklagten zu 2) bereits vor Jahrzehnten und seit dem Jahr 1931 (Bl. 99 d.A.) einstimmig beschlossen haben, dass eine Verzinsung der Kapitalsonderkonten und der Kapitaleinlagen der Gesellschafter unterbleibe.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 39.583,68 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
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aus 2.676,98 € seit dem 01.04.2000, aus weiteren 3.063,78 € seit dem 01.07.2000, aus weiteren 3.422,13 € seit dem 01.10.2000, aus weiteren 3.751,74 € seit dem 01.01.2001, aus weiteren 3.850,64 € seit dem 01.04.2001, aus weiteren 3.898,77 € seit dem 01.07.2001, aus weiteren 3.847,50 € seit dem 01.10.2001, aus weiteren 3.691,93 € seit dem 01.01.2002, aus weiteren 2.847,65 € seit dem 01.04.2002, aus weiteren 2.873,07 € seit dem 01.07.2002, aus weiteren 2.817,52 € seit dem 01.10.2002, aus weiteren 2.841,96 € seit dem 01.01.2003,
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zu zahlen;
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hilfsweise,
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die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ihrem Kapitalsonderkonto bei der Beklagten zu 2) 39.583,68 € nebst den im Klageantrag genannten Verzugszinsen gutzuschreiben.
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Die Beklagten beantragen,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsprotokolle vom 19.7.2005 und 18.10.2005 Bezug genommen.
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Die Kammer hat gemäß Beweisbeschluss vom 19.7.2005 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen G. -genannt G.- H.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift im Sitzungsprotokoll vom 18.10.2005 Bezug genommen (Bl. 100-104 d.A.). Auf die Vernehmung der zunächst ebenfalls benannten Zeugin I. H. haben beide Parteien für die landgerichtliche Instanz verzichtet (Bl. 103 d.A.).
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist im Haupt- und Hilfsantrag unbegründet.
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Der Klägerin steht weder ein gesellschaftsvertraglicher Anspruch gemäß Ziff. 12 des Gesellschaftsvertrages vom 22.8.1931 auf Zinsen für ihre Kommanditeinlage und ihr Kapitalsonderkonto zu, noch der hilfsweise verfolgte Anspruch auf Gutschrift der eingeklagten Beträge, denn die Gesellschafter der Beklagten zu 2) haben -wie die Beweisaufnahme ergeben hat- die Regelung in Ziff. 12 des Gesellschaftsvertrages in der Vergangenheit einvernehmlich -bereits vor 1955/1956 und ohne eine heute noch feststellbare schriftliche Niederlegung- unter Verzicht auf eine dahingehende Verzinsung aufgehoben.
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1. Für die rechtliche Beurteilung ist dabei nicht entscheidend, dass ein schriftlicher Änderungsvertrag oder ein schriftliches Protokoll über einen in der Vergangenheit gefassten Beschluss der Gesellschafter der Beklagten zu 2) hinsichtlich der Aufhebung der Verzinsung (§ 12 des Gesellschaftsvertrages) heute nicht mehr festgestellt werden kann. Von dem Schriftformerfordernis kann auch bei konkludenten Änderungen des Gesellschaftsvertrages, soweit nicht zwingendes Handelsrecht entgegensteht, von den Gesellschaftern jederzeit einstimmig ohne Wahrung der vorgeschriebenen Form abgesehen werden (vgl. BGHZ 132, 263/270 f; Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 105, Rn. 62-63). Zwingende handelsrechtliche Vorschriften, soweit die Verzinsung der Kommanditeinlage und des Kapitalsonderkontos betroffen sind, stehen dem nicht entgegen. Die Verzinsung einer Kommanditeinlage und sonstiger Guthaben der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft ist kein zwingendes Handelsrecht. Der Gesellschaftsvertrag der Parteien regelt im Übrigen bis heute unverändert eine Gewinnbeteiligung sämtlicher Gesellschafter. Wie sich aus den vorgelegten Bilanzen für die Jahre 2000 bis 2002 ergibt, beträgt die prozentuale Gewinnbeteiligung der Klägerin 8,33% des Restgewinnes.
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2. Die Kammer hat sich aufgrund der Bekundungen des Zeugen G. H. davon überzeugt, dass die Gesellschafter der Beklagten zu 2) in der Vergangenheit die Regelung in Ziff. 12 des Gesellschaftsvertrages einvernehmlich -bereits vor dem Jahr 1955/56- unter Verzicht auf eine dahingehende Verzinsung aufgehoben haben.
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Der für die rechtliche Beurteilung maßgebende Kern der Aussage des Zeugen ist glaubhaft. Auch in Erwägung der prozessbedingten Angriffe der Klägerin (Zwillingsschwester des Zeugen) im Schriftsatz vom 31.10.2005 hält die Kammer den Zeugen uneingeschränkt für glaubwürdig.
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Der im Jahre 1935 geborene Zeuge hat nach seiner Bekundung als Kommanditist an den Gesellschafterversammlungen etwa seit dem Jahr 1955/56 teilgenommen. Über die gesellschaftsvertraglichen Vorgänge kann er daher für die Zeit ab etwa 1955/56 aus eigener Kenntnis eine Aussage abgeben. Für die zurückliegende Zeit vor 1955/56 kann er dagegen nur eine Aussage als Zeuge vom Hörensagen wiedergeben, weil er dabei nur entsprechende Informationen von seinem Vater (als Vertreter der minderjährigen Kinder in der Gesellschafterversammlung) und den übrigen damals anwesenden Gesellschaftern wiedergeben kann. Der Zeuge hat bekundet, dass ihm in der ersten Gesellschafterversammlung, an der er etwa im Jahr 1955/56 teilgenommen hatte, auf seine ausdrückliche Frage von den übrigen Gesellschaftern damals unmissverständlich erläutert und gesagt worden sei, dass noch nie Zinsen gezahlt worden seien und dass auch keine Zinsen gezahlt würden. Wie der Zeuge weiter bekundete, sind auch in den folgenden Gesellschafterversammlungen ab dem Jahre 1955/56 die Zinsen auf Konten der Gesellschafter nicht mehr weiter thematisiert worden.
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Die Kammer hat, auch wenn es sich um Aussagen über zeitlich lange zurückliegende Ereignisse handelt, keinen vernünftigen Anhalt, den maßgebenden Kern der Aussage des Zeugen als falsch zu bewerten oder aus sonstigen Gründen anzuzweifeln. Der Zeuge ist als früherer Steuerberater intellektuell sehr wohl in der Lage, die wirtschaftlichen Zusammenhänge zu verstehen und die Bedeutung seiner Aussage zu erfassen. Es besteht auch kein Anhalt für Erinnerungsfehler des Zeugen, zumal die Klägerin, die als Zwillingsschwester des Zeugen selbst seit dem Jahr 1941 Kommanditistin ist und deren Rechte in der Gesellschafterversammlung bis zur Volljährigkeit damals von ihrem Vater ausgeübt worden waren, zur Widerlegung der Aussage des Zeugen keinen einzigen Beleg über eine dem § 12 des Gesellschaftsvertrages entsprechende Verzinsung seit dem Jahr 1931 oder zumindest für die Zeit ab 1955/56 bis zum Jahre 2002 hat vorlegen können. Soweit infolge der kriegsbedingten Zerstörungen von Grundstücken der Beklagten zu 2) die Kapitalsonderkonten ihrer Gesellschafter mit Ende des Zweiten Weltkrieges auf Null Reichsmark gestellt worden waren und möglicherweise auch in der unmittelbaren Zeit danach kein Guthaben der Gesellschafter auf Sonderkonten vorhanden war, ist das für die Bewertung der Zeugenaussage unerheblich, denn vor dem Zweiten Weltkrieg müssen Guthaben der Gesellschafter auf Kapitalsonderkonten bestanden haben, wie sich mittelbar aus Ziff. 41 des Ergänzungsvertrages vom 19.1.1933 zum Gesellschaftsvertrag ergibt. Die Kommanditeinlage war als solche im Übrigen stets vorhanden.
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Wie aus den Bekundungen des Zeugen und den übrigen Prozessergebnissen zusammengefasst folgt, sind danach, selbst wenn dies wirtschaftlich möglich gewesen wäre, noch niemals Zinsen auf Kommanditeinlagen oder Kapitalsonderkonten der Gesellschafter verbucht oder tatsächlich ausgezahlt worden.
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Nach der Rechtsprechung besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine langdauernde tatsächliche Abweichung vom Gesellschaftsvertrag dessen einvernehmliche Änderung bewirkt hat (BGHZ 132, 263/271). Wie die Beweisaufnahme vorliegend ergeben hat, haben die Gesellschafter der Beklagten zu 2) bereits lange vor 1955/56 bewusst und gewollt sowie einvernehmlich die Regelung über die Zinsen in § 12 des Gesellschaftsvertrages abbedungen. Demgemäß liegt nicht nur eine (konkludente) langjährige Übung der Gesellschafter vor, sondern eine einvernehmliche vertragliche Änderung des Gesellschaftsvertrages zu § 12.
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Die Klage ist folglich insgesamt abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Satz 2 ZPO.
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Der Streitwert wird auf 39.583,68 € festgesetzt.
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