Beschluss vom Landgericht Mainz (8. Zivilkammer) - 8 T 106/05
Auf die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters wird der Beschluss des Amtsgerichts Worms vom 21. April 2005 abgeändert.
Dem Insolvenzverwalter, Herrn Rechtsanwalt W. M., wird gestattet, der Insolvenzmasse einen Vorschuss auf seine Auslagen gemäß § 9 InsVV in Höhe von
2.230,20 € nebst 356,83 € 16 % MWSt., insgesamt: 2.587,03 €
zu entnehmen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
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Mit Beschluss vom 01. März 2005 eröffnete das Amtsgericht Worms über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren. Gleichzeitig bestellte es den Beschwerdeführer, Herrn Rechtsanwalt W. M., zum Insolvenzverwalter. Des Weiteren wurde der Insolvenzverwalter mit der Durchführung der Zustellung des Eröffnungsbeschlusses an die Gläubiger und Debitoren gemäß §§ 30 Abs. 2, 8 Abs. 3 InsO beauftragt.
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Mit Schriftsatz vom 22. März 2005 beantragte der Beschwerdeführer, die ihm entstandenen Zustellungsauslagen gemäß § 4 Abs. 2 InsVV festzusetzen und ihm die Entnahme vom Treuhandkonto zu gestatten.
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Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass dem Insolvenzverwalter, dem originäre gerichtliche Aufgaben, wie beispielsweise das Zustellungswesen, übertragen worden seien, die damit verbundenen Kosten gesondert zu erstatten und der damit verbundene Aufwand gesondert zu vergüten sei. Denn umgekehrt werde dieser monetäre und zeitliche Aufwand von der an sich zuständigen Geschäftsstelle des Insolvenzgerichts ferngehalten und führe dort zu einer spürbaren Zeit- und Kostenersparnis. Bei dem zu erstattenden Aufwand handele es sich nicht um Vorschusszahlungen auf die Vergütung und Auslagenerstattung, sodass § 9 InsVV nicht einschlägig sei.
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Vorliegend sei bereits nachgewiesen worden, dass 606 Zustellungen an bekannte Kreditoren (Anschreiben, Eröffnungsbeschluss, Aufforderung, Gläubigermerkblatt und Formular zu je sechs Seiten) sowie 220 Zustellungen an bekannte Debitoren (Anschreiben, Eröffnungsbeschluss, Schuldnermerkblatt, jeweils mindestens fünf Seiten) erfolgt seien. Die Zustellungen seien durch Aufgabe zur Post erfolgt, sodass das Zustellungswesen abgeschlossen und endgültig abrechnungsfähig sei. Die entstandenen Aufwendungen seien ihm gemäß § 4 Abs. 2 InsVV zu erstatten. Bei den Zustellungskosten handele es sich nicht um Auslagen im Sinne von § 8 Abs. 3 InsVV.
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An Sachkosten seien je Zustellung insgesamt mindestens 1,13 € entstanden. Daneben seien die Kosten des Personaleinsatzes zu erstatten. Die für die Zustellung erforderlichen Tätigkeiten seien das Kopieren der Schriftstücke, das Anfertigen der Adressetiketten, das Zusammenstellen der Kopien, das Falten und Kuvertieren der Schriftstücke, die Erstellung der Zustellungsurkunden, der eigentliche Postversand sowie die Nachweisführung der Zustellung für das Gericht. Diese Tätigkeiten seien nach der InsO nicht originär dem Insolvenzverwalter zugeschrieben.
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Demnach beantrage er die Auslagenerstattung nach § 4 Abs. 2 InsVV von 826 Zustellungen zu je 2,70 €, nämlich insgesamt 2.230,20 € zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer in Höhe von 386,83 €, was einen Gesamtbetrag in Höhe von 2.587,03 € ergebe.
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Dieser Betrag solle dem Treuhandkonto entnommen werden.
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Mit Beschluss vom 21. April 2005 gestattete das Amtsgericht Worms dem Beschwerdeführer gemäß § 9 InsVV der Insolvenzmasse einen Vorschuss auf seine Auslagen in Höhe von insgesamt 1.082,72 € zu entnehmen. Gleichzeitig bestimmte es, dass der Vorschuss auf die endgültige Vergütung und Auslagen anzurechnen sei.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Amtsgericht im Wesentlichen aus, dass der Anspruch des Insolvenzverwalters erst mit der Erledigung der zu honorierenden Tätigkeit fällig sei. Da die Fälligkeit erst mit Beendigung der Tätigkeit eintrete, sei der Vergütungsantrag mit Vorlage der Schlussrechnung einzureichen. Bis zum Einreichen der Schlussrechnung könne dem Insolvenzverwalter für seine bereits erbrachte Arbeitsleistung und dem ihm entstandenen Aufwand ein Vorschuss nach § 9 InsVV gewährt werden. Zu diesem Aufwand zählten auch die besonderen Kosten der Zustellung im Auftrag des Gerichts. Daher werde der Antrag des Insolvenzverwalters umgedeutet in einen Antrag auf Zustimmung zur Vorschussentnahme wegen besonders hoher Auslagen.
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Dieser Vorschussentnahme könne nicht in voller Höhe zugestimmt werden. Gemäß § 4 Abs. 1 InsVV würden mit der Vergütung die allgemeinen Geschäftskosten, einschließlich der Gehälter der Angestellten abgegolten. Lediglich besondere Kosten, die dem Verwalter im Einzelfall für das betreffende Verfahren entstanden seien, seien als Auslagen zu erstatten. Dies seien vorliegend die Portokosten, die Kosten für das verwendete Papier und den Briefumschlag. Insgesamt seien somit die Kosten in Höhe von 1.13 € pro Zustellung erstattungsfähig. Die Kosten für das Personal blieben unberücksichtigt. Für 826 Zustellungen ergebe sich folglich ein Betrag von 933,38 €. Der Vorschuss sei auf die endgültige Vergütung und Auslagen anzurechnen.
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Im Übrigen hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Insolvenzverwalter zwischen der Geltendmachung der tatsächlichen Auslagen oder der vereinfachten Beantragung des Pauschsatzes wählen könne. Sei eine Form der Auslagenerstattung gewählt, schließe sie die andere Form aus. Insoweit könne bei Geltendmachung der tatsächlichen Zustellkosten keine Auslagenpauschalierung gewählt werden. Die Auslagen seien dann stets im Einzelnen darzustellen und zu belegen. Sofern durch die Übertragung von Zustellungen auf den Insolvenzverwalter eine erhebliche Mehrbelastung eingetreten sei, rechtfertige dies einen Zuschlag zur Regelvergütung nach § 3 InsVV.
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Gegen den vorgenannten Beschluss hat der Insolvenzverwalter mit Schriftsatz vom 28. April 2005 Rechtsmittel eingelegt mit dem Antrag, unter Aufhebung des Beschlusses vom 21. April 2005 einen Betrag von 2.587,03 € als endgültige Auslagenerstattung für die insoweit abgeschlossene Zustellung von Eröffnungsbeschlüssen nebst Anlagen an 826 Gläubiger und Schuldner festzusetzen.
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Zur Begründung des Rechtsmittels ist im Wesentlichen ergänzend vorgetragen worden, dass der Aufwand des Verwalters für die gerichtlich delegierten Zustellungen als besondere Kosten gesondert zu erstatten seien. Hierin seien auch zusätzliche Personalkosten einzubeziehen. Der vorliegend gewählte Satz halte sich im unteren Bereich.
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Die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters ist gemäß §§ 6 Abs. 1, 64 Abs. 3 InsO zulässig und hat auch in der Sache zum ganz überwiegenden Teil Erfolg.
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Daher waren dem Insolvenzverwalter die von ihm geltend gemachten besonderen Kosten als Auslagen zu erstatten, wobei die Kammer die Auffassung des Amtsgerichts teilt, dass die Erstattung nur im Wege der Gewährung eines Vorschusses nach § 9 InsVV erfolgen kann.
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Soweit sich der Beschwerdeführer hiergegen wendet, hatte sein Rechtsmittel keinen Erfolg.
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Nach § 9 InsVV kann der Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse einen Vorschuss auf die Vergütung und die Auslagen entnehmen, wenn das Insolvenzgericht zustimmt. Die Zustimmung soll erteilt werden, wenn das Insolvenzverfahren länger als sechs Monate dauert oder, wie vorliegend, wenn besonders hohe Auslagen erforderlich werden.
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Im hier zu entscheidenden Fall macht der Insolvenzverwalter Auslagen für die ihm durch das Gericht übertragenen Zustellungen an Kreditoren und Debitoren geltend. Hierbei handelt es sich insgesamt um 826 Zustellungen, die der Insolvenzverwalter vorgenommen und dem Gericht durch entsprechende Auflistung nachgewiesen hat. Bei diesen Zustellungen handelt es sich nach § 4 Abs. 2 InsVV um besondere Kosten, die dem Verwalter im Einzelfall als Auslagen zu erstatten sind. Bei umfangreichen Zustellungen ist dem Verwalter zu gestatten, der Masse einen Vorschuss auf diese Auslagen zu entnehmen, wenn es sich um besonders hohe Auslagen handelt (vgl. Hameier / Wutzke / Förster, Vergütung in Insolvenzverfahren, § 4 RdNr. 6 InsVV ).
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Die Vergütung und die Auslagen sollen nämlich nach § 8 Abs. 1 Satz 3 InsVV mit der Schlussrechnung bei Gericht eingereicht werden. Der Anspruch des Verwalters auf Vergütung und Erstattung der Auslagen entsteht zwar bereits mit der Erbringung der geforderten Arbeitsleistung wird jedoch erst fällig mit der Erledigung der zu honorierenden Tätigkeit. Folglich ist der Antrag grundsätzlich erst mit der Schlussrechnung einzureichen. Da der Insolvenzverwalter die Tätigkeit bereits erbracht hat und ihm ein hoher Aufwand entstanden ist, hat er gemäß § 9 InsVV einen Anspruch auf Vorschusszahlung.
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Dabei hat die Kammer dem Beschwerdeführer einen Vorschuss in Höhe der von ihm geltend gemachten besonderen Kosten bewilligt.
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Hat das Insolvenzgericht nämlich, wie vorliegend, den Insolvenzverwalter damit beauftragt, Zustellungen vorzunehmen, so sind die hierfür entstehenden Aufwendungen nach § 4 Abs. 2 InsVV zu erstatten. Bei den Zustellungskosten handelt es sich daher nicht um Auslagen des Insolvenzverwalters im Sinne des § 8 Abs. 3 InsVV. Vielmehr soll durch die Vorschrift des § 4 Abs. 2 InsVV gewährleistet sein, dass die tatsächlich entstandenen Kosten dem Insolvenzverwalter in vollem Umfang erstattet werden (vgl. Hameier / Wutzke / Förster, Vergütung in Insolvenzverfahren, § 4 RdNr. 50 InsVV). Dies bedeutet, dass bei der Zustellung im Auftrag des Gerichts neben den reinen Porto- und Zustellungskosten auch eine angemessene Bearbeitungspauschale zu gewähren ist. Neben den reinen Sachkosten ist folglich der geltend gemachte Personalaufwand zu berücksichtigen, der ansonsten bei Gericht angefallen wäre. Die Kammer teilt insoweit die Auffassungen des Landgerichts Chemnitz in seinem Beschluss vom 21. Oktober 2003 sowie des Landgerichts Leipzig in seinem Beschluss vom 19. März 2003. Vorliegend macht der Beschwerdeführer neben den Sachkosten zusätzliche Kosten in Höhe von 1,57 € pro Zustellung geltend. Diese Kosten hält die Kammer in Anbetracht des von dem Beschwerdeführer dargelegten Aufwandes für gerechtfertigt. Die Kammer sieht es in Anbetracht der Vielzahl der erfolgten Zustellungen als vertretbar an, den Bearbeitungsaufwand zu schätzen, da der Nachweis des angefallenen Personal-, insbesondere Bearbeitungsaufwandes, nur schwer zu erfassen und zu belegen ist. Der von dem Beschwerdeführer insgesamt für jede Zustellung geltend gemachte Aufwand erscheint nicht unverhältnismäßig und ist daher zu erstatten.
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Da dem Beschwerdeführer der Aufwand im Rahmen einer Vorschusszahlung zu erstatten ist, kann er diese Kosten nicht erneut bei seinem gemeinsam mit der Schlussrechnung eingereichten Antrag auf Erstattung der Vergütung und Auslagen geltend machen. Insoweit ist der Betrag anzurechnen.
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Die Kammer teilt allerdings nicht die Auffassung des Amtsgerichts, dass der Verwalter damit von der Wahl, ob er die tatsächlich entstandenen Auslagen oder den Pauschsatz nach § 8 Abs. 3 InsVV fordern will, Gebrauch gemacht hat. Denn die besonderen Kosten nach § 4 Abs. 2 InsVV unterfallen nicht der Auslagenpauschalierung (vgl. Hess / Weiß / Wienberg, Kommentar zur Insolvenzordnung, § 8 RdNr. 15, Landgericht Leipzig, Beschluss vom 19. März 2003, Landgericht Chemnitz, Beschluss vom 21. Oktober 2003). Die besonderen Kosten nach § 4 Abs. 2 InsVV sind zwar als Auslagen zu erstatten. Bei ihnen handelt es sich aber um besondere Kosten, die nicht als Auslagen im Sinne von § 8 Abs. 3 InsVV anzusehen sind.
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