Urteil vom Landgericht Mainz (3. Zivilkammer) - 3 S 15/06
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Mainz abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 342,91 € und 5 % Zinsen hieraus seit dem 10.05.2005 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall, der sich am 19.04.2005 in Mainz ereignete. Die Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners ist dem Grunde nach unstreitig.
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Nach dem von dem Kläger eingeholten Schadensgutachten des Sachverständigen K. (in Fotokopie Bl. 9 ff.GA) belaufen sich die Kosten für die Reparatur seines Pkw´s vom Typ BMW 520 i Executive, Erstzulassung 12.04.1994, auf netto 2.305,70 €. Hierbei sind die Stundenverrechnungssätze einer Vertragswerkstatt der BMW AG in R., wo der Sachverständige das Fahrzeug besichtigt hatte, zugrunde gelegt, ferner Verbringungskosten für die Verbringung des Fahrzeugs zur Lackiererei. Die Beklagte hat die von dem Kläger auf Basis dieses Gutachtens geltend gemachten Reparaturkosten ausgehend von den Stundenverrechnungssätzen der Firma Karosseriebau Sch. in M., einer nicht markengebundenen Karosserie- und Lackierfachwerkstatt in unmittelbarer Nähe des Wohnsitzes des Klägers, lediglich in Höhe von 1.962,79 € reguliert (Schreiben vom 19.04.2005 mit Anlagen, in Fotokopie Bl. 43 ff GA).
- 3
Der Kläger hat das Fahrzeug nicht in einer Vertragswerkstatt von BMW reparieren lassen. Die Parteien streiten darüber, ob er gleichwohl die dem Schadensgutachten zugrunde liegenden höheren Reparaturkosten einer BMW-Vertragswerkstatt beanspruchen kann.
- 4
Mit der Klage hat der Kläger zunächst Zahlung der Reparaturkostendifferenz von 342,91 € sowie restlicher Anwaltskosten von 119,25 €, zusammen 462,16 € begehrt. Nachdem die Beklagte die Anwaltskosten nach Rechtshängigkeit bezahlt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Mit Urteil vom 20.12.2005 hat das Amtsgericht die Klage, soweit noch anhängig, abgewiesen, zugleich jedoch die Berufung zugelassen. Auf die tatsächlichen Feststellungen und die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
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Gegen das ihm am 28.12.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger schriftsätzlich am 26.01.2006 Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.03.2006 – am 15.03.2006 (jeweils Eingang bei Gericht) begründet. Er ist weiterhin der Auffassung, auch bei Abrechnung fiktiver Reparaturkosten sich nicht auf eine nicht markengebundene Werkstatt verweisen lassen zu müssen.
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Der Kläger beantragt,
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unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an ihn 342,91 € nebst 5 % Zinsen seit dem 10.05.2005 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache vollen Erfolg.
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Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der – allein noch in Streit stehenden – restlichen Reparaturkosten von 342,19 €. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist unstreitig.
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Gem. § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (§ 249 Satz 2 BGB a.F.) hat der Geschädigte Anspruch auf Ersatz der objektiv erforderlichen Reparaturkosten, auch wenn er das beschädigte Fahrzeug nicht repariert hat. Hierbei genügt es im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden (BGH NJW 2003, 2086, 2087 m.w.N.). Das Gutachten des Sachverständigen K. begegnet insoweit keinen Bedenken. Die Beklagte bestreitet nicht, dass die von dem Sachverständigen zugrunde gelegten Stundenverrechnungssätze, Lackier- und Verbringungskosten bei einer Reparatur in einer BMW-Vertragswerkstatt, sei es in R. oder anderswo, tatsächlich anfallen; sie hat auch sonst Mängel des Gutachtens nicht gerügt.
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Was die in Streit stehenden Stundenverrechnungssätze betrifft, so ist mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass der Geschädigte grundsätzlich Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten hat, und zwar unabhängig davon, ob er den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt (BGH a.a.O., m.w.N.). Allerdings muss sich der Geschädigte, der mühelos eine ohne Weiteres zugängliche, günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, auf diese verweisen lassen. Wie der BGH (a.a.O., S. 2087) entschieden hat, genügt hierfür jedoch nicht die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt. Der Beklagte ist der Auffassung, im vorliegenden Fall gelte etwas anderes, weil sie konkret andere Karosserie- und Lackierfachbetriebe in der näheren Umgebung des Klägers, insbesondere die Firma Sch. in M., benannt habe, die in gleicher Weise zu einer fachgerechten Reparatur des in Rede stehenden Schadens in der Lage seien. Der Kläger könne unter diesen Umständen bei Abrechnung fiktiver Reparaturkosten nur deren Stundenverrechnungssätze und Lackierkosten ersetzt verlangen. Ein Interesse an der Übernahme der höheren Kosten einer BMW-Vertragswerkstatt sei bei dem vorliegenden einfachen Blechschaden mit relativ geringen Reparaturkosten unter Berücksichtigung des Alters, der Laufleistung und entsprechend geringem Wiederbeschaffungswert nicht anzuerkennen, zumal der Kläger nicht nachgewiesen habe, dass er auch die üblichen Wartungsarbeiten in einer BMW Vertragswerkstatt habe durchführen lassen. Dem vermag die Kammer aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zu folgen.
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In Rechtsprechung und Literatur ist, soweit ersichtlich, anerkannt, dass der Geschädigte bei tatsächlich durchgeführter Reparatur die hierbei entstehenden Kosten, mithin auch die in der Regel höheren Stundenverrechnungssätze einer Vertragswerkstatt ohne Rücksicht auf die vorstehend genannten Gesichtspunkte ersetzt verlangen kann. Hiervon geht ersichtlich auch die Beklagte aus; in der Klageerwiderung (Schriftsatz vom 29.09.2005, Bl. 5, Bl. 36 GA) wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass bei Vorlage einer Reparaturkostenrechnung einer Fachwerkstatt des Herstellers diese in voller Höhe ausgeglichen worden wäre. Billigte man dem Geschädigten demgegenüber bei Abrechnung fiktiver Reparaturkosten nur Ersatz der bei Ausführung der Arbeiten in einer „sonstigen“ Fachwerkstatt anfallenden geringeren Kosten zu, so würde damit der Grundsatz unterlaufen, dass der Geschädigte sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist. Hiermit ist es unvereinbar, hinsichtlich der Höhe der ersatzfähigen Reparaturkosten zu differenzieren je nach dem, ob bzw. wie er das Fahrzeug reparieren lässt. Eine entsprechende Differenzierung wäre auch deswegen problematisch, weil – was auch die Beklagte nicht in Abrede stellt – je nach Erfahrung der Werkstatt für die Reparatur der entsprechenden Fahrzeugmarke, Art und Umfang des Schadens, Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs, Bestehen einer Herstellergarantie u.a. der Geschädigte ein berechtigtes Interesse haben kann, eine ihm vertrauenswürdigen und kompetenten erscheinende Vertragswerkstatt mit der Reparatur zu beauftragen, zumal er in der Regel nicht wissen wird, ob eine sonstige Werkstatt über hinreichende Erfahrungen mit der Reparatur der entsprechenden Fahrzeugmarke verfügt (zu letzterem Gesichtspunkt s. BGH a.a.O. unter II.2.b.a.a.). Es liegt auf der Hand, dass das Einbeziehen derartiger Kriterien vielfach zu Streit und Ungewissheit darüber führen kann, ob der Geschädigte sich im konkreten Fall auf eine ihm von dem Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung benannte günstigere Werkstatt verweisen lassen muss. Dies ist mit dem Bedürfnis nach klaren Kriterien für die Abwicklung von Schadensfällen im Straßenverkehr als Massenphänomen unvereinbar.
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Anerkennt man aus den vorstehend genannten grundsätzlichen Erwägungen einen Anspruch des Klägers auf Abrechnung der bei der Reparatur in einer markengebundenen Vertragswerkstatt entstehenden Kosten, so ergibt sich hieraus zugleich, dass auch die weiter in Streit stehenden Verbringungskosten – für die Verbringung des Fahrzeugs von der Vertragswerkstatt zur Lackiererei und zurück – zu ersetzen sind. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich unstreitig gestellt, dass sowohl die in dem Schadensgutachten erwähnte Vertragswerkstatt von BMW in R. als auch andere Vertragswerkstätten von BMW im Rhein-Main-Gebiet nicht über eine eigene Lackiererei verfügen. Die Verbringungskosten selbst sind der Höhe nach unstreitig.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Höhere Zinsen sind nicht geltend gemacht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 91 a ZPO.
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Der Beklagten waren gem. § 91 a ZPO die Kosten des ersten Rechtszugs auch insoweit aufzuerlegen, als sich der Rechtsstreit durch die nach Rechtshängigkeit erfolgte Zahlung der restlichen Anwaltskosten in der Hauptsache teilweise erledigt hat. Die Klage hätte auch insoweit Erfolg gehabt; die Beklagte hat diesbezüglich Einwendungen auch nicht erhoben.
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Gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO wird die Revision zugelassen. Die Frage, ob der Geschädigte bei Abrechnung fiktiver Reparaturkosten auch dann Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Kosten hat, wenn der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer konkret auf eine günstigere sonstige Fachwerkstatt hingewiesen hat, kann sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen ergeben; sie ist, soweit ersichtlich, höchstrichterlich bislang nicht entschieden, insbesondere nicht in der mehrfach zitierten Entscheidung BGH NJW 2003, 2086 ff..
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