Beschluss vom Landgericht Mainz (8. Zivilkammer) - 8 T 184/16

Tenor

1. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Worms vom 20. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

2. Die weitere Beteiligte zu 1. hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Für die Betroffene ist mit Beschluss vom 21. Mai 2013 eine rechtliche Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Vertretung vor Behörden und Sozialleistungsträgern angeordnet worden und die Beschwerdeführerin - eine Großcousine der Betroffenen - zur Betreuerin bestellt worden.

2

Mit Schreiben vom 18. September 2013, welches von der Betroffenen und der Beteiligten zu 1) unterzeichnet ist, teilte die Betroffene mit, dass sie anlässlich ihres 92. Geburtstages 7 Personen mit je 20.000 € aus ihrem Investmentvermögen beschenken wolle. Außerdem teilte sie mit weiterem Schreiben vom 18.09.2013 mit, dass sie der Beteiligten zu 1) von ihrem Tagesgeldkonto 15.000,00 € schenken wolle. Nachdem das Betreuungsgericht die Beteiligte zu 1) um Vereinbarung eines Termins gebeten hatte, teilte diese mit, dass beabsichtigt sei eine notarielle Generalvollmacht zu errichten. Mit Datum vom 20. Dezember 2013 unterzeichnete die Betroffene eine umfassende privatschriftliche Vorsorgevollmacht (Bl. 116 ff. d.A.), in der die Beteiligte zu 1) als Bevollmächtigte eingesetzt ist. Die Betroffene und die Beteiligte zu 1) beantragten im Hinblick hierauf die Betreuung aufzuheben. Das vom Amtsgericht beauftragte Gesundheitsamt der Kreisverwaltung Alzey-Worms stellte mit amtsärztlichem Gutachten vom 14. Februar 2014 (Bl. 140 d.A.) fest, dass die Betroffene zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Amtsarzt am 4. Februar 2014 nicht mehr in der Lage war, einfache Sachzusammenhänge oder Handlungen zu reproduzieren und auch die Vollmachterteilung als solche zu erkennen. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass die Betroffene Inhalt und Tragweite einer Vollmacht am 20. Dezember 2013 erfassen konnte. In einem weiteren vom Amtsgericht Worms eingeholten Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. P. vom 26. März 2014 (BL. 130 ff. d.A.) ist ausgeführt, dass ärztlicherseits von Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen auszugehen sei und diese bereits am 20. Dezember 2013 vorgelegen habe.

3

Das Amtsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 10. April 2014 die Anträge der Betroffenen und der Beteiligten zu 1) auf Aufhebung der Betreuung zurückgewiesen.

4

In der Folgezeit kam es wiederholt zu Beanstandungen der Rechnungslegung durch die Beteiligte zu 1). Mit Schreiben vom 13. November 2014 (Bl. 190 d.A.) teilte die Rechtspflegerin der Beteiligten zu 1) mit, dass die Verwendung der Gelder anhand von Kontenbelegen und entsprechenden Rechnungen nachgewiesen werden müsse. Die Art und Weise der Rechnungslegung sei der Beteiligen zu 1) bereits mehrfach erläutert worden.

5

Mit E-Mail vom 16. Juni 2015 (Bl. 235 d.A.) beantragte die Beteiligte zu 1) die Freigabe von Vermögen der Betroffenen in Höhe von 235.476,41 € mit der Begründung, die Betroffene wolle neu bauen. Auf die Fragen der vom Amtsgericht daraufhin bestellten Verfahrenspflegerin teilte die Beteiligte zu 1) mit, dass die Betroffene nach dem Umbau mit ihr und ihrer Familie zusammen ziehen solle. Die Pflege würde durch ihre Familie und eine Pflegekraft gewährleistet werden, eventuelle Mehrkosten würde sie tragen. In den Anbau komme auch der 89jährige Vater der Beteiligten zu 1), den sie ebenfalls betreue. Die Verfahrenspflegerin regte daher mit Schriftsatz vom 1. August 2015 einen Wechsel des Betreuers im Bereich der Vermögenssorge an, da unabhängig von der Beendung des Neubaus die Gefahr eines Interessenkonflikts bestehe. Der beabsichtigte Neubau tangiere sowohl die finanziellen Interessen der Betreuten als auch der Betreuerin, zumal das gesamte Vermögen der Betroffenen für den Neubau eingesetzt werden solle.

6

Nach mündlicher Erörterung des Antrags im Beisein ihres Rechtsanwalts nahm die Beteiligte zu 1) den Antrag auf Geldfreigabe mit Schreiben vom 8. September 2015 zurück (Bl. 258 d.A.).

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Mit Schreiben vom 29. September 2015 teilte die Beteiligte zu 1) mit, dass die Betroffene am 14. Oktober ihren 94. Geburtstag feiere und bat um Überweisung „eines größeren Geldbetrags“ auf das Girokonto der Betroffenen. Am 5. Oktober 2015 teilte die Beteiligte zu 1) telefonisch mit, dass ein Betrag in Höhe von 13.339,56 € auf das Girokonto überwiesen werden müsse, da laufende Kosten zu decken seien und die Betroffene ihren Geburtstag groß feiern wolle.

8

Am 5. Oktober 2015 ging ein von der Betroffenen unterschriebenes Schreiben bei Gericht ein, wonach die Beteiligte zu 1) bevollmächtigt werde, von dem Festgeldkonto 20.000,00 € auf das Girokonto der Betroffenen zu überweisen. Sie wolle ihren Geburtstag etwas größer feiern, außerdem stünden Altbausanierungen an. Nachdem die Beteiligte zu 1) trotz erneuter telefonischer und schriftlicher Aufforderung durch das Amtsgericht keine konkrete Begründung für die Notwendigkeit der Freigabe des gewünschten Betrages mitgeteilt hatte, erteilte das Amtsgericht mit Beschluss vom 21.10 .2015 die Genehmigung zur Überweisung eines Betrags in Höhe von 5.000,00 €.

9

Mit Schreiben vom 18. November 2015 teilte die vom Amtsgericht um Berichterstattung gebetene Betreuungsbehörde mit, dass zur langfristigen Vermeidung von Interessenkonflikten der Einsatz eines Berufsbetreuers für den Aufgabenkreis Vermögenssorge notwendig sei. Das Schreiben wurde der Beteiligten zu 1) und der Verfahrenspflegerin der Betroffenen zur Kenntnis gebracht. Mit Schreiben vom 19. März 2016 beanstandete die Rechtspflegerin die Jahresabrechnung der Beteiligten zu 1) für den Zeitraum 7. Juli 2013 bis 13. Juli 2015. Den Abbuchungen sei zu entnehmen, dass sich die Betreute seit März 2014 im Altenheim befinde. Gleichwohl habe die Beteiligte zu 1) zu 4 Zeitpunkten im April, Mai und Juni 2015 jeweils 1.000,00 € abgehoben. Die Verwendung weiterer Beträge sei nicht nachvollziehbar und erklärungsbedürftig. Außerdem habe am 3. Dezember 2014 eine erklärungsbedürftige Barabhebung in Höhe von 500,00 € in Österreich stattgefunden.

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Mit am 17. Mai 2016 bei Gericht eingegangenem Schreiben teilte die Beteiligte zu 1) mit, bei den umgebuchten 1.000,00 € handele es sich um Kosten für Gartenarbeiten und Hausinstandsetzungen durch ihren Mann. Die Umbuchungen seien im Einverständnis mit der Betroffenen erfolgt. Die „Barabhebung“ von 500,00 € müsste eigentlich eine Überweisung nach Österreich wegen Urlaubs gewesen sein.

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Mit Schreiben vom 27. Juni 2016 nahm die Verfahrenspflegerin dahin Stellung, dass die Entlassung der Beteiligten zu 1) aus dem Aufgabenkreis Vermögenssorge unabdingbar sei, da die Beteiligte zu 1) ihre eigenen Interessen über die Interessen der Betroffenen stelle und die aktuelle Rechnungslegung zeige, dass ihre Eignung nicht mehr gewährleistet sei.

12

Mit Verfügung vom 12. Juli 2016 hat der Rechtspflegerin die Akte der Richterin mit der Bitte um Übernahme der Anhörung der Betroffenen anlässlich der beabsichtigten Entlassung der Beteiligten zu 1) aus dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge und der Bestellung der Beteiligten zu 2) für diesen Aufgabenkreis zugeschrieben. Die richterliche Anhörung der Betroffenen ist  am 20. Juli 2016 erfolgt.

13

Mit Beschluss vom 20. Juli 2016 hat der Rechtspfleger die Beteiligte zu 1) aus dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge entlassen und die Beteiligte zu 2) für diesen Aufgabenkreis als Betreuerin bestellt. Gegen den ihr am 29. Juli 2016 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 1) durch ihren Verfahrensbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 8. August 2016 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung ist in dem Schriftsatz ausgeführt, dass die Geldabhebungen von dem Konto der Betreuten von dieser genehmigt worden seien. Die Beteiligte zu 1) habe zudem einen Anspruch gem. § 1835 a BGB jährlich. Sie habe am 8. Juni 2016 500,00 € auf das Konto der Betroffenen eingezahlt, da das vorhandene Guthaben nicht ausgereicht habe, die laufenden Zahlungen zu erbringen und werde die verbliebenen 10.667,50 € auf das Konto der Betroffenen zurücküberweisen. Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 31. August 2016 nicht abgeholfen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gesamten Akten Bezug genommen.

II.

15

Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss vom 20. Juli 2016, mit dem sie aus dem Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ entlassen und die weitere Beteiligte zu 2. als Betreuerin für diesen Aufgabenkreis bestellt worden ist, ist gem. §§ 58, 59 FamFG statthaft und form- sowie fristgerecht gem. §§ 63 ff. FamFG eingelegt.

16

In der Sache hat sie keinen Erfolg.

17

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die weitere Beteiligte zu 1. aus dem Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ entlassen, weil sie sich insofern als ungeeignet erwiesen hat.

18

Gemäß § 1908 b Abs. 1 BGB ist der Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt. Es genügt zur Entlassung jeder Grund, der den Betreuer als nicht mehr geeignet im Sinn des § 1897 Abs. 1 BGB erscheinen lässt. In der Regel liegt die Ursache für die Nichteignung in der Person oder den Verhältnissen des Betreuers, etwa wenn er den ihm zugewiesenen Aufgabenkreis nur unzulänglich und unter Gefährdung der Interessen des Betreuten bewältigen kann (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 18. Dezember 2002 - 3Z BR 200/02 -, Rn. 15, juris, mit weiteren Nachweisen).

19

So verhält es sich vorliegend. Die weitere Eignung der Beteiligten zu 1) als Betreuerin für den Bereich der Vermögenssorge ist zu verneinen, weil sie wiederholt versucht hat, das Vermögen der Betroffenen auch im eigenen Interesse oder im Interesse ihrer Angehörigen zu verwenden und darüber hinaus - trotz entsprechender Belehrungen durch das Amtsgericht - nicht in der Lage gewesen ist, die Verwendung des Vermögens der Betroffenen in nachvollziehbarer Weise zu belegen, wodurch die Prüfung ihrer Rechnungslegung erschwert worden ist.

20

Es kann dahinstehen, inwiefern bereits die von der Betroffenen und der Beteiligten zu 1) unterschriebenen Schreiben vom 18. September 2013, in denen die Betroffene mitgeteilt hat, dass sie anlässlich ihres 92. Geburtstages erhebliche Teile ihres Vermögens unter Anderem an die Beteiligte zu 1) verschenken wolle, ein Indiz für die Vermischung der eigenen Interessen der Beteiligten zu 1) mit den Interessen der Betroffenen sind. Jedenfalls seit den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Dr. P. in dem Gutachten vom 26. März 2014 ist der Beteiligten zu 1) aber bekannt, dass die Betroffene mindestens seit dem 20. Dezember 2013 geschäftsunfähig ist. Sie ist ausweislich des Gutachtens nicht mehr in der Lage, Entscheidungen basierend auf zutreffenden Einsichten und vernünftigen Erwägungen zu treffen. Ihre Willensentscheidungen gründen vielmehr aus Überforderung und unmittelbaren Stimmungslagen. Gleichwohl hat die Beteiligte zu 1) von ihr beabsichtigte Vermögensverfügungen - beispielsweise die Verwendung des gesamten Vermögens für den Neubau eines auch von ihr selbst, ihrem Ehemann und ihrem Vaters zu nutzenden Hauses - immer wieder damit begründet, dass es sich um die Umsetzung des Willens der Betroffenen handle. Wie sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, ist die Beteiligte zu 1) offenbar noch immer der Ansicht, die Betroffene könne wirksame Entscheidungen über die Verwendung ihres Vermögens treffen, insbesondere Abbuchungen des Vermögens zu Gunsten der Beteiligten zu 1) und ihres Ehemannes genehmigen, und hierdurch eine ordnungsgemäße Rechnungslegung entbehrlich machen. Auch der Umstand, dass die Beteiligte zu 1) die Betroffene im Oktober 2015 dazu veranlasst hat, erneut eine Vollmacht zur Abbuchung eines Betrages in Höhe von 20.000,00 € zu unterschreiben, verdeutlicht das eigenmächtige und den Gesundheitszustand der Betroffenen ignorierende Verhalten der Beteiligen zu 1).

21

Bereits mit Schreiben vom 13. November 2014 hatte das Amtsgericht die Beteiligte zu 1) zudem darauf hingewiesen, dass bei der Rechnungslegung die Verwendung der Gelder der Betroffenen anhand von Kontenbelegen und entsprechenden Rechnungen nachzuweisen ist. Die Beteiligte zu 1) hat gleichwohl immer wieder Vermögen der Betroffenen ohne entsprechende Belege abgebucht und verwendet, so dass es wiederholt zu Beanstandungen hinsichtlich der Rechnungslegung kam. Bei der letzten Rechnungslegung konnten Barmittel in Höhe von 11.500,00 € und 500,00 € per Überweisung nicht nachvollziehbar belegt werden.

22

Bei dieser Sachlage ist die weitere Eignung der Beteiligten zu 1) zur Wahrnehmung der Vermögenssorge für die Betroffene zu verneinen, wobei es auch nicht darauf ankommt, dass die Beteiligte zu 1) in der Beschwerdebegründung mitgeteilt hat, bereits 500,00 € auf das Konto der Betroffenen eingezahlt zu haben und die Rückzahlung eines Betrags von 10.667,50 € angekündigt hat.

23

Auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist die Entscheidung des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Für die Entscheidung über die Entlassung und Neubestellung eines Betreuers für den Aufgabenkreis Vermögenssorge ist gem. § 19 Abs. 1 Nr. 1 RPflG i.V.m. § 1 der Landesverordnung zur Übertragung von Aufgaben auf den Rechtspfleger und den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 15. Mai 2008 der Rechtspfleger zuständig. Er hat nach § 4 RPflG im Rahmen seiner Zuständigkeit alle maßgeblichen Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Anhörung der Betroffenen ist ausweislich des Protokolls vom 18. Juli 2016 aber nicht durch den Rechtspfleger, sondern durch die Richterin erfolgt. Dies ist jedoch vorliegend schon deshalb unschädlich, weil die Richterin bei der Anhörung lediglich festgestellt hat, dass die Betroffene weder die rechtliche Bedeutung der Betreuung noch die Bedeutung des Betreuerwechsels für den Bereich der Vermögenssorge einschätzen kann. Die richterliche Anhörung hat daher letztlich zur Feststellung der Voraussetzungen geführt, unter denen das Betreuungsgericht gem. § 34 Abs. 2 FamFG von der persönlichen Anhörung hätte absehen können. Da der Betroffenen bereits zuvor gem. § 276 FamFG eine Verfahrenspflegerin bestellt worden war, die zu der beabsichtigten Entlassung und Neubestellung eines Betreuers Stellung genommen hat, ist dem Anspruch der Betroffenen auf rechtliches Gehör in dem gebotenen Maße Rechnung getragen worden.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 59, 61, 36 Abs. 2 GNotKG.

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