Urteil vom Landgericht Mannheim - 4 S 100/03

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 28.05.2003 (Aktenzeichen: 8 C 41/03) im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, die ... Wohnung, bestehend aus sechs Zimmern, einer Küche, zwei Bädern, einer Diele, einer Toilette, einem Keller, einer Garage, einer Terrasse und einem kleinen Balkon zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis 30.6.2004 bewilligt.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung aus Ziffer 1 dieses Urteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 EUR und ansonsten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

 
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Räumung und Herausgabe einer im 1. Obergeschoss und im Dachgeschoss gelegenen, 175,26 qm großen Wohnung in M.
Der Kläger ist Eigentümer des Zwei-Familien-Hauses, in dem die von der Beklagten innegehaltene Wohnung gelegen ist und das er von seinem verstorbenen Vater erbte. Er selbst bewohnt die Wohnung im Erdgeschoss. Die Beklagte hatte mit Vertrag vom 22.05.1981 die Wohnung vom Vater des Klägers gemietet, jedoch schon seit November 1965 darin gewohnt. Die monatliche Miete beträgt derzeit 1.271,45 EUR. Die Beklagte bewohnt die Wohnung alleine.
Mit Anwaltsschreiben vom 29.01.2002, zugestellt durch den Gerichtsvollzieher am 30.01.2002, ließ der Kläger das Mietverhältnis gemäß § 573 a I BGB (Zweifamilienhausregelung), hilfsweise nach § 573 II Nr. 3 BGB (Verwertungskündigung) zum 31.01.2003 kündigen. Er gab zu letzterem an – und dies ist im Prozess unstreitig geblieben –, das Haus sei in hohem Maße instandsetzungsbedürftig, es solle daher abgerissen und durch ein modernes Sechs-Familien-Haus mit behindertengerechten Wohnungen und Tiefgaragen ersetzt werden. Die Instandsetzung des bestehenden Hauses könne der Kläger im Hinblick auf die zu erwartenden Mieteinnahmen nicht tragen. Eine Genehmigung nach Art 6 § 1 MietRVerbG war der Kündigung nicht beigelegt und zuvor auch nicht eingeholt worden. Auf die Widerspruchsmöglichkeiten nach § 574 BGB und die dazu gehörige Frist wurde im Kündigungsschreiben hingewiesen.
Unter den Parteien wurde im nachfolgenden Schriftverkehr die Möglichkeit erörtert, dass die Beklagte in dem neu zu errichtenden Haus entweder eine Wohnung kaufen oder mieten könne. Zu einer Einigung kam es wegen unterschiedlicher finanzieller Vorstellungen aber nicht. Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Beklagten teilte dem Klägervertreter mit Schreiben vom 21.03.2002 mit, dass seiner Mandantin ganz überwiegend aus gesundheitlichen Erwägungen daran gelegen sei, die derzeitige Wohnung behalten zu können. Die mit einem Umzug verbundenen Einflüsse würden auf die Gesundheit seiner Mandantin negative Auswirkungen haben. Deshalb ließ die Beklagte dem Kläger vorschlagen, dass sie das Hausgrundstück eventuell käuflich erwerben könne.
Auf einen vom Kläger unterbreiteten Vergleichsvorschlag, nämlich die Wohnung zum 31.01.2003 gegen Zahlung einer Umzugsbeihilfe in Höhe einer Jahreskaltmiete und Erstattung der tatsächlichen Umzugskosten bis zur Höhe von 2.000 EUR reagierte die Beklagte nicht. Die Beklagte hat die Wohnung nicht geräumt.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die nach § 573 a BGB ausgesprochene Kündigung das Mietverhältnis beendet habe, da sich die Wohnung in einem Zwei-Familien-Haus befinde. Die Kündigung sei darüber hinaus auch mit der Hilfsbegründung gerechtfertigt, da die im Kündigungsschreiben genannten Gründe vorliegen. Die Beklagte habe der Kündigung nicht rechtzeitig widersprochen, der Inhalt des Schreibens vom 21.03.2002 sei nicht als Widerspruch zu werten. Im Übrigen stelle die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagte keine unzumutbare Härte dar.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Räumung und Herausgabe der Wohnung zu verurteilen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte war der Ansicht, der Kündigung mit Schreiben vom 21.03.2003 wirksam widersprochen zu haben. Sie hat geltend gemacht, ungeachtet der Wirksamkeit der Kündigung nach § 573 a Abs. 1 BGB einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses zu haben, da sie in der Umgebung verwurzelt sei und auch nachteilige Folgen für ihre Gesundheit drohten, wenn sie umziehen müsse. Möglicherweise könne sich der Kläger auf § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB berufen, allerdings habe die Beklagte ihm immer angeboten, das Haus zu einem fairen Preis abzukaufen. Der Kläger habe noch keine konkreten Schritte unternommen, um seine Pläne zu realisieren, weder eine Abriss- noch eine Baugenehmigung läge vor.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berechtigung zur Kündigung ergebe sich nicht aus § 573 a BGB, da feststehe, dass der Kläger das Haus nicht in seiner ursprünglichen Form als Zwei-Familien-Haus erhalten, sondern in ein Sechs-Familien-Haus umwandeln will. Solch ein Fall könne nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht unter die – eng auszulegende – Zweifamilienhausregelung fallen. Auch die hilfsweise erklärte Kündigung nach § 573 II Nr. 3 BGB habe das Mietverhältnis nicht beendet, weil bei Ausspruch der Kündigung eine Genehmigung nach Art 6 § 1 MietRVerbG nicht vorgelegen habe, die nach der 7. Verordnung der Landesregierung über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 7.11.2001 erforderlich sei.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er hält die Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim für rechtsfehlerhaft. § 573 a BGB erfordere nur, dass das Zwei-Familien-Haus noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorhanden sein müsse. Rechtsmissbräuchlich habe sich der Kläger, der seine Planung offengelegt habe, nicht verhalten. Auch die Kündigung nach § 573 II Nr. 3 sei entgegen der Ansicht des Amtsgerichtes wirksam, da die ratio legis des Zweckentfremdungsgesetzes den vorliegenden Sachverhalt nicht erfasse und die Genehmigung nun – mit Bescheid vom 6.8.2003 – auch vorläge. Auf Bedenken hinsichtlich der Voraussetzungen des § 573 II Nr.3 BGB habe das Amtsgericht nicht hingewiesen. Der Kläger ist der Ansicht, dass zugunsten der Beklagten auch keine Härtegründe vorlägen, sie sei noch sehr rüstig und in der Lage, sich selbständig zu versorgen. Die vorgetragene Krankheit stelle keine Härte im Sinne von § 574 BGB dar.
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Der Kläger beantragt:
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Unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, die in ... gelegene Wohnung bestehend aus sechs Zimmern, einer Küche, zwei Bädern, einer Diele, einer Toilette, einem Keller, einer Garage, einer Terrasse und einem kleinen Balkon zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte meint, die Kündigungen des Klägers seien unwirksam. Die Entscheidung des Amtsgerichts zu § 573 a Abs. 1 BGB sei nicht zu beanstanden. Auf § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB könne sich der Kläger schon deshalb nicht berufen, weil er ausdrücklich nach § 573 a Abs. 1 BGB gekündigt habe. Dieser Kündigungsgrund könne auch nicht vorliegen, weil es sich mangels näherer Angaben des Klägers zum Stand seiner Planungen eher um eine Vorratskündigung gehandelt habe, die ihm alle Dispositionen habe eröffnen sollen. Selbst wenn eine Kündigung wirksam sein sollte, sei das Mietverhältnis fortzusetzen. Der Kündigung sei rechtzeitig widersprochen worden, es seien gesundheitliche Gründe dafür geltend gemacht worden.
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Im übrigen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung und den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
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Die Berufung ist zulässig und begründet.
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Allerdings hat das Amtsgericht zu Recht die Kündigung des Klägers für unwirksam erachtet, so weit sie auf § 573 a BGB gestützt wurde. Insoweit folgt die Kammer nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage den Gründen des angefochtenen Urteils. Soweit der Kläger darauf abhebt, dass die Vorschrift des § 573 a BGB gerade kein Interesse im Sinne des § 573 BGB erfordert, schließt dies nicht aus, die Vorschrift nach ihrem vom Amtsgerichts zutreffend ermittelten Zweck einschränkend auszulegen. Zwar kann davon ausgegangen werden, dass ein Eigentümer unter Umständen berechtigt ist, eine Mietsache nach seinen Wünschen umzugestalten (umzubauen), im vorliegenden Fall geht es jedoch darum, dass der Kläger die Mietsache zunächst beseitigen will, um anschließend ein Mehrfamilienhaus zu errichten. Solche Kündigungen sollte § 573 a BGB nicht erleichtern, sondern sie sind unter den Voraussetzungen des § 573 BGB zulässig. Allerdings hat die Kammer bereits entschieden, dass eine Einliegerkündigung nicht ausgeschlossen ist, wenn der Vermieter durch den Ausbau des bisherigen Dachgeschosses eine weitere (3.) Wohnung schaffen will (Kammer, WuM 1981, 234). Ob daran festzuhalten ist, kann dahingestellt bleiben. Im vorliegenden Fall will der Kläger jedenfalls gleich nach dem Freiwerden der Wohnung der Beklagten das gesamte Gebäude abreißen, um an dessen Stelle ein 6-Familienhaus errichten zu lassen. Er will es also auch nicht länger bewohnen. Damit hat der Zweck, der der Vorschrift zugrundeliegt, jedoch nichts mehr zu tun.
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Die fürsorglich auch auf § 573 BGB gestützte Kündigung des Klägers muss jedoch – entgegen der Ansicht des Amtsgerichts – Erfolg haben. Die Beklagte zieht allerdings in Zweifel, ob der Kläger sich in seinem Kündigungsschreiben vom 29.1.2002 auf § 573 BGB berief. Abgesehen davon, dass es sich insoweit um neues Vorbringen der Beklagten handelt, das erstmals in zweiter Instanz vorgebracht wurde, ergibt sich nach Ansicht der Kammer kein Zweifel daran, dass der Kläger in seinem Kündigungsschreiben in erster Linie eine Kündigung nach § 573 a BGB und nur in zweiter Linie eine Kündigung nach § 573 BGB erklärte, was zulässig ist (OLG Hamburg, Rechtsentscheid vom 7.4.1982, NJW 1983, 182). Die im ersten Absatz der Begründung des Kündigungsschreibens enthaltene Einschränkung bezog sich lediglich auf die nach § 573 a BGB erklärte Kündigung und hatte die Funktion, den Voraussetzungen des § 573a Abs. 3 BGB zu genügen. Auch im Prozess hat der Kläger deutlich gemacht, dass er sein Herausgabeverlangen hauptsächlich auf § 573 a BGB und nur fürsorglich, d. h. nur für den Fall, damit nicht durchzudringen, auf § 573 BGB stütze.
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Die Voraussetzungen des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB sind erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen wenn er durch die Fortsetzung desselben an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde. Im vorliegenden Fall ist unstreitig gewesen, dass das Anwesen, in dem die Wohnung der Beklagten gelegen ist, in erheblichem Umfang sanierungsbedürftig ist, wodurch Kosten von ca. 205.000 EUR verursacht werden. Diese Kosten kann der Kläger nicht finanzieren, zumal das Grundstück noch mit zwei Hypotheken, valutiert in Höhe von 153.388 EUR, belastet ist. Eine weitere Hypothek über 205.000 EUR kann der Kläger mit seinem Einkommen als Realschullehrer nicht bedienen, die zum Zeitpunkt der Kündigung erzielbaren Mieteinnahmen von 1900 DM (rd. 971 EUR) ermöglichten ihm dies auch nicht. Deshalb möchte der Kläger sein Grundstück so nutzen, dass er das Wohnhaus abreißen und an dessen Stelle ein 6 – Familienhaus errichten will. Bei diesem Vorhaben handelt es sich um eine anderweitige Verwertung des Grundstücks (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 573 Rdnr. 147 für den Fall des Abrisses), die im Hinblick auf die hier vorliegenden Umstände (Schaffung neuen Wohnraums – auch für den Vermieter –) ohne weiteres angemessen ist, was die Beklagte auch nicht in Zweifel zog. Ohne Kündigung des Mietverhältnisses mit der Beklagten lässt sich das Vorhaben des Klägers aber nicht verwirklichen. Die Höhe der andernfalls notwendigen Instandsetzungskosten macht deutlich, dass eine grundlegende Sanierung erforderlich ist, die dem Kläger im Bestand jedoch nicht möglich ist. Wenn der Abriss unterbleibt, entstehen dem Kläger erhebliche wirtschaftliche Nachteile, weil durch die eingehende Miete und das laufende Einkommen des Klägers die Sanierung nicht finanziert werden kann. All dies hat die Beklagte im Verfahren auch nicht infrage gestellt.
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Sie hebt allerdings darauf ab, dass es sich bei der Kündigung des Klägers eher um eine Vorratskündigung handele, mit der bezweckt worden sei, das Mietverhältnis mit ihr zu beenden, um so dem Kläger alle Dispositionen zu ermöglichen. Diese Ansicht teilt die Kammer angesichts der Umstände des Falles jedoch nicht.
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Allerdings ist richtig, dass der Kläger in seinem Kündigungsschreiben den genauen Stand seiner Planungen nicht anführte. Außerdem wurde eine Genehmigung nach Art 6 § 1 MietRVerbG darin nicht erwähnt. Eine solche lag sogar bis zum Ende der Kündigungsfrist noch gar nicht vor. Damit ist einerseits das Begründungserfordernis des § 573 Abs. 3 BGB und andererseits die Frage angesprochen, ob nach öffentlichem Recht erforderliche Genehmigungen bereits bei Wirksamwerden der Kündigung oder zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist vorliegen müssen.
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Zweck des Begründungserfordernisses des § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB ist es, dass der Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition erlangt, und so in die Lage versetzt wird, rechtzeitig alle erforderlichen Schritte zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Außerdem soll die Vorschrift den Vermieter zwingen, sich selbst über die Rechtslage und die Aussichten der Kündigung klar zu werden. Schließlich wird durch die Vorschrift bestimmt, welche Gründe dem Gericht zur Berücksichtigung und Würdigung unterbreitet werden (Schmidt-Futterer/Blank, a. a. O., Rdnr. 210). Im vorliegenden Falle hat der Kläger der Beklagten im Kündigungsschreiben die Tatsachen mitgeteilt, weshalb das Gebäude abgerissen und ein neues Gebäude erstellt werden soll und seine wirtschaftlichen Nachteile dargestellt. Dies sind die Tatsachen, die nach dem Wortlaut des Gesetzes erforderlich sind, damit eine Kündigung Erfolg haben kann. Daran haben sich nach Ansicht der Kammer die Anforderungen auszurichten, die an die Erfüllung des Begründungserfordernisses gestellt werden dürfen. Nicht erforderlich ist es, das der Kläger der Beklagten mitteilt, wie weit seine Planungen bereits gediehen sind, insbesondere ob bereits baurechtliche oder sonstige erforderliche öffentlichrechtliche Genehmigungen beantragt wurden oder sogar vorliegen. Das Begründungserfordernis des § 573 Abs.3 BGB bezieht sich auf das Verwertungsvorhaben des Vermieters und die Gründe, die ihn dazu veranlasst haben. Davon, dass das Vorhaben verwirklicht werden kann, geht der Vermieter bereits deshalb aus, weil er die ersten Schritte zu dessen Verwirklichung mit der Kündigung des Mietverhältnisses unternommen hat. Deshalb kann auch der Kündigungsempfänger – der Mieter – davon ausgehen, dass der Vermieter jedenfalls alle Voraussetzungen als erfüllt ansieht, die zur Verwirklichung seines Vorhabens erforderlich sind. Damit ist auch dem Zweck des Begründungserfordernisses. Genüge getan.
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Ob eine Genehmigung nach Art 6 § 1 MietRVerbG, die hier unstreitig erforderlich ist (vgl. § 1 der 7.VO v. 11.12.2001, GBl. 685), bereits im Zeitpunkt der Kündigung vorliegen muss, wird wegen des mieterschützenden Charakters der ihr zugrundeliegenden Vorschriften bejaht (Rechtsentscheid des OLG Hamburg vom 25.3.1981; abgedr. In NJW 1981, 155; für den Fall einer Baugenehmigung u. a. anders: OLG Frankfurt, abgedr. In NJW 1992, 421). Die Kammer hält diesen Gesichtspunkt nicht für zwingend, weil § 573 BGB – eine Vorschrift mit eindeutig mieterschützendem Charakter – ein solches Erfordernis nicht aufstellt. Mit der Kündigung gibt der Vermieter, der in Fällen der vorliegenden Art in der Regel zuvor geprüft hat, ob er seine Absichten auch verwirklichen kann, dem Mieter zu verstehen, dass die im Kündigungsschreiben genannten Absichten auch tatsächlich zu verwirklichen sind. Wenn dem der Mieter nicht traut, dann liegt es an ihm, daraus die Konsequenzen zu ziehen und sich darüber Gewissheit zu verschaffen. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Kündigung nach dieser Vorschrift tatsächlich vorliegen, muss im Falle des Bestreitens letztlich – wie sonst auch – im Prozess geklärt werden.
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Im übrigen sprechen auch praktische Erwägungen für die Ansicht der Kammer. Es sind angesichts der Länge der Kündigungsfristen ohne weiteres Fälle denkbar, in denen es nicht angezeigt ist, bereits zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung die öffentlich – rechtliche Genehmigung einzuholen, weil diese befristet und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist erloschen sein kann. Darüber hinaus wird sich eine solche Genehmigung als überflüssig herausstellen, wenn das Mietverhältnis aufgrund eines Fortsetzungsverlangens des Mieters verlängert wird, weil dann die Pläne der Vermieters nicht oder jedenfalls erst viel später verwirklicht werden können. Die für die Genehmigung angefallenen Gebühren sind dann vergeblich aufgewandt.
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Demnach ist die Kündigung des Klägers wirksam. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist auch mangels eines rechtzeitigen Fortsetzungsverlangens der Beklagten beendet. Nach § 574 b Abs. 2 BGB kann der Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses ablehnen, wenn der Mieter den Widerspruch nicht spätestens zwei Monate vor der Beendigung des Mietverhältnisses erklärt hat. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte bis zum Ablauf der Kündigungsfrist keinen Widerspruch erklärt, was der Kläger auch rügte. Ein Widerspruch ist auch nicht aus dem Schreiben ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 21.3.2002 herauszulesen. Zwar reicht es für einen Widerspruch aus, wenn der Mieter zum Ausdruck bringt, dass er von der Möglichkeit des § 574 BGB Gebrauch machen will (Schmitt-Futterer/Blank, a.a.O., § 574 b Rdnr. 2). Im Schreiben vom 21.3.2002 hat die Beklagte jedoch nur mitteilen lassen, dass ihr aus gesundheitlichen Gründen am weiteren Wohnen im Hause gelegen sei und ein Umzug negative Auswirkungen haben könnte. Deswegen bat sie den Kläger zu erwägen, ihr das Hausgrundstück zu verkaufen. Einen aus den genannten Gründen auf die Fortsetzung des Mietverhältnisses gerichteten Willen äußerte die Beklagte damit gerade nicht.
27 
Der Beklagten, die im vorgerückten Alter steht und gesundheitliche Probleme hat, ist eine Räumungsfrist bis zum 30.6.2004 zu bewilligen.
28 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 7, 711 ZPO.

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