1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 346.612,44 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit 05.10.2001 zu bezahlen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil vorbehalten.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages.
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Die Klägerin begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung.
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Die am 14.01.1996 geborene Klägerin war vom 24.04.2001 bis 29.04.2001 wegen vergrößerter Gaumenmandeln bei der Beklagten in stationärer Behandlung. Am 27.04.2001 wurden der Klägerin operativ die Mandeln entfernt.
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Am 29.04.2001 kam es bei der Klägerin zu Nachblutungen. Infolge zumindest fahrlässiger Versäumnisse auf der Seite der Beklagten kam es zu Komplikationen, die letztlich zu einem lang andauernden Herzstillstand und in dessen Folge zu schwersten zerebralen Schädigungen der Klägerin führten.
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Mit Schreiben vom 20.09.2001 erkannte die Haftpflichtversicherung der Beklagten für diese die Haftung dem Grunde nach an. Auf die Anlage K 1 wird Bezug genommen.
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Die Klägerin befindet sich heute aufgrund der eingetretenen Komplikationen im Wachkoma. Die Klägerin ist geistig und körperlich schwerstbehindert. Es besteht eine tetraspastische Bewegungsstörung, so dass die Klägerin bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens auf Hilfe Dritter angewiesen ist.
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Die Klägerin war vor der Operation ein fröhliches und gesundes Kind.
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Nunmehr ist die Klägerin auf die Pflege von Dritten zumindest in einem unstreitigen Umfang von 16 Stunden pro Tag angewiesen, z. B. für das notwendige Absaugen ihres Speichelsekrets. Sie wird über eine Magensonde künstlich ernährt, da sie nicht imstande ist, Nahrung zu sich zu nehmen. Selbständige Lageveränderungen sind der Klägerin nicht möglich. Die Klägerin ist stuhl- und harninkontinent.
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Die Klägerin befand sich vom 29.04.2001 bis zum 28.05.2001 auf der Intensivstation der Beklagten. Vom 29.05.2001 bis 06.03.2002 befand sich die Klägerin in Begleitung ihrer Mutter stationär zur Rehabilitation in einem Kinderkrankenhaus in K. Seit dem 07.03.2002 befindet sich die Klägerin in häuslicher Pflege im Haus ihrer Eltern, in welchem sie zumindest 16 Stunden am Tag durch Krankenschwestern, welche durch die Krankenkasse der Klägerin finanziert werden, gepflegt wird.
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Mit Schreiben vom 22.08.2001 forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 04.10.2001 zur Zahlung von Schmerzensgeld auf.
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Die Beklagte zahlte vorgerichtlich auf den immateriellen Schaden einen Betrag in Höhe von 153.387,56 Euro (300.000,00 DM). Auf den materiellen Schaden der Klägerin zahlte die Beklagte einen Betrag von 50.855,59 Euro.
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Die Klägerin behauptet, dass ihre Situation auf einen groben ärztlichen Behandlungs- oder Organisationsfehler zurückzuführen ist.
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Sie trägt vor, dass sie in der Zeit vom 29.04.2001 bis 28.05.2001 permanent durch ihre Eltern und Großeltern im Wechsel gepflegt worden sei. Die permanente Anwesenheit sei aufgrund des notwendigen Absaugens des Speichelsekrets im Rachenraum erforderlich gewesen, da sonst die Gefahr des Aussetzens der Atmung bestanden hätte. Die fortlaufende, d. h. 24-stündige Überwachung am Tag sei medizinisch geboten gewesen und sei in der Klinik in anderer Form nicht leistbar gewesen. Auch im Kinderkrankenhaus in Kassel seien notwendige Betreuungsleistungen in einem Umfang von mindestens 20 Stunden pro Tag durch die Mutter der Klägerin geleistet worden. Im Rahmen der häuslichen Pflege im Haus der Eltern würden durch diese zusätzlich zur Pflege durch die Krankenschwestern weitere 11 Stunden an notwendigen Pflegeleistungen erbracht.
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Durch die Eltern der Klägerin sei demnach bis zum 31.12.2002 ein Betreuungsaufwand von 9.247,5 Stunden erbracht worden, der marktadäquat mit einem Stundenlohn von 9,50 Euro zu vergüten sei. Bei Anrechnung der Leistung der Pflegekasse in Höhe von 410,00 Euro monatlich und den Leistungen der Beklagten verbliebe ein Mehrbedarf in Höhe von 64.606,40 Euro. Hinsichtlich der vorgenommenen Pflegeleistungen und der Berechnung des Schadensersatzanspruchs und der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift (AS. 11-25) Bezug genommen.
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Weiterhin sei der Klägerin ein Schaden in Form von Fahrtkosten für die Besuche der Klägerin durch ihre Angehörigen in Höhe von 11.083,62 Euro entstanden. Auf die Ausführungen in der Klageschrift (AS. 25-28) wird Bezug genommen.
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An Übernachtungs- und Verpflegungskosten der Angehörigen während der Besuche sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von 2.274,74 Euro entstanden. Auf die Ausführungen in der Klageschrift (AS. 28, 29) wird insoweit Bezug genommen.
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Durch die Anschaffung eines Geräts zur Zubereitung von Sondenkost sei der Klägerin ein Schaden in Höhe von 804,00 Euro entstanden. Auf die Ausführungen in der Klageschrift (AS. 29-30) wird insoweit Bezug genommen.
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Aufgrund des Zustandes der Klägerin sei ein Umzug mit der Familie in ein Einfamilienhaus notwendig gewesen. Der räumliche Mehrbedarf sowie die weiteren Kosten des Umzugs und des Umbaus betrügen abzüglich von der Klägerin hierauf geleisteter 25.000,00 Euro noch 49.356,77 Euro. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf AS. 30-37 Bezug genommen.
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Wegen des Umzugs habe der Vater der Klägerin einen Verdienstausfall in Höhe von 5.048,57 Euro gehabt. Auf die AS. 37 wird insoweit Bezug genommen.
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Der Zustand der Klägerin bedinge weiter noch einen Mehrbedarf an Wasser und Strom in Höhe von 50,00 Euro pro Monat, Abfall in Höhe von 27,29 Euro monatlich, Heizenergie in Höhe von 11,00 Euro monatlich sowie Telefonkosten in Höhe von 15,00 Euro monatlich. Weiter seien zwischen April 2001 und Dezember 2002 Telefonmehrkosten in Höhe von 1.572,62 Euro entstanden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf AS. 38-44 Bezug genommen.
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1. Die Beklagte wird dazu verurteilt, an die Klägerin wegen der fehlerhaften ärztlichen Behandlung am 29.04.2001 ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen – mindestens jedoch 255.645,94 Euro (500.000,00 DM) –, dessen Höhe im übrigen in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, abzüglich eines bereits gezahlten Betrages in Höhe von 153.387,56 Euro (300.000,00 DM), nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 05.10.2001.
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2. Die Beklagte wird dazu verurteilt, an die Klägerin für den infolge der fehlerhaften ärztlichen Behandlung am 29.04.2001 in der Zeit von Mai 2001 bis Dezember 2002 entstandenen materiellen Schaden einen Betrag in Höhe von 130.738,60 Euro zu zahlen, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Klagezustellung.
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3. Die Beklagte wird dazu verurteilt, an die Klägerin wegen der fehlerhaften ärztlichen Behandlung am 29.04.2001 ab dem 01.01.2003 eine monatliche Rente in Höhe von 2.880,54 Euro zu zahlen, für Januar bis März 2003 abzüglich eines anerkannten Betrages in Höhe von 1.823,08 Euro, jeweils für drei Monate im Voraus, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit Klagezustellung.
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Die Beklagte trägt vor, dass jedenfalls nicht von einem groben Behandlungs- oder Organisationsfehler ausgegangen werden könne.
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Ein Anspruch auf die begehrten Pflegekosten bestehe nicht, da keine Pflegemaßnahmen durch die Eltern erbracht würden.
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Fahrtkosten könnten nur mit einem Kilometersatz von 0,20 Euro angesetzt werden.
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Für die Schaffung behindertengerechter Wohnverhältnisse sei der gezahlte Betrag von 25.000,00 Euro ausreichend.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf die AS. 54-56 Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
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Die Klage ist zulässig und hinsichtlich des begehrten Schmerzensgeldes, über welches im Wege des Teil-Urteils gemäß § 301 ZPO zu entscheiden war, in Höhe von 346.612,44 Euro begründet.
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Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 847 BGB a. F. Die Haftung ist dem Grunde nach von der Beklagten anerkannt.
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Für die Bemessung des Schmerzensgeldes orientierte sich die Kammer maßgeblich an der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes.
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Das Schmerzensgeld hat die Funktion, dem Verletzten einen materiellen Ausgleich für den erlittenen Schaden und das ihm zugefügte Leid zu gewähren. Eine billige Entschädigung in Geld steht dem Geschädigten auch dann zu, wenn seine Persönlichkeit weitgehend zerstört ist, selbst wenn seine Empfindungsfähigkeit ganz oder teilweise durch das schadensstiftende Ereignis aufgehoben ist (BGH VersR 1993, 327).
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Die verfassungsrechtliche Wertentscheidung des Art. 1 GG verbietet eine lediglich symbolhafte Bewertung.
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Die Klägerin ist vorliegend durch das Verschulden der Beklagten in denkbar schwerstem Ausmaß geschädigt worden. Die Klägerin befindet sich im wachkomatösen Zustand. Sie erlitt durch das Verschulden der Beklagten eine tetraspastische Bewegungsstörung bei schwersten zerebralen Schäden. Die Klägerin, welche zuvor ein gesundes Kind im Alter von 5 Jahren war, bietet das Bild einer völlig hilflosen Person, die ihr Leben lang auf die Hilfe Dritter angewiesen sein wird. Die Klägerin ist weder in der Lage, selbständig Nahrung zu sich zu nehmen, so dass sie mittels einer Sonde künstlich ernährt werden muss, noch sich selbständig zu bewegen. Die Persönlichkeit der Klägerin, die auch bei einem 5-jährigen Kind schon entwickelt ist, wurde vollständig zerstört. Der Klägerin wurde die Möglichkeit der weiteren Entwicklung ihrer Persönlichkeit und der Führung eines "normalen" Lebens genommen.
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Unabhängig des tatsächlichen Umfangs der noch verbliebenen Wahrnehmungsfähigkeit der Klägerin ist unter Berücksichtigung des in Art. 1 und Art. 2 GG verankerten hohen Wertes der Persönlichkeit und der Würde des Menschen ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000,00 Euro als angemessen anzusehen, da es sich vorliegend um die schwerste Schädigung eines Menschen handelt, die überhaupt vorstellbar ist.
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Durch die Zerstörung ihrer bisherigen Existenz und Persönlichkeit ist die Klägerin an der Wurzel ihres Seins getroffen.
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Das Leiden der Klägerin wird auf unabsehbare Zeit, d. h. über viele Jahre bis zum Tode der Klägerin andauern, was zwischen den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2003 unstreitig war. Die Klägerin wird nie in der Lage sein, einen Beruf auszuüben oder sich sportlich zu betätigen. Vielmehr wird ihr Leben von Hilflosigkeit, Einsamkeit, dem Angewiesensein auf fremde Hilfe und dem Kampf gegen Krankheiten und Schmerzen geprägt sein. Die Klägerin wird nie eine eigene Intimsphäre oder Beziehung zu Personen außerhalb ihres helfenden und betreuenden Umfeldes aufbauen können.
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Soweit die Beklagte auf die Ausführungen des OLG Düsseldorf (8 U 147/99) verweist, ist es zutreffend, dass Fälle der vorliegenden Art einer eigenständigen Bewertung zugeführt werden müssen. Maßgeblich muss jedoch der Grad der Einbuße an personaler Qualität sein.
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Würde es zu jeweils größeren Abstufungen beim Schmerzensgeld kommen, je stärker die Empfindens- und Leidensfähigkeit geschädigt worden ist, so wäre dies im Ergebnis die Rückkehr zur alten Rechtsprechung, wonach in Fällen schwerster Hirnschädigungen nur eine symbolhafte Wiedergutmachung geschuldet wäre.
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|
Auch wenn die Beklagte ein grob fahrlässiges Verhalten auf ihrer Seite bestreitet, so wird zumindest ein fahrlässiges Fehlverhalten auf ihrer Seite eingeräumt. Das Bestreiten der Beklagten ist nicht dahingehend zu werten, dass sie jegliches Fehlverhalten von sich weist. Ansonsten wäre auch das abgegebene Anerkenntnis wenig verständlich.
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Der Grad des Verschuldens kann im Fahrlässigkeitsbereich bei schwersten Schädigungen – wie im vorliegenden Fall – nur eine untergeordnete Rolle bei der Bemessung des Schmerzensgeldes spielen (vgl. BGH, VersR 1993, 327).
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Genugtuung kann die Klägerin durch das zuerkannte Schmerzensgeld nicht empfinden, jedoch muss die Genugtuungsfunktion hinter der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes in den Fällen schwerster Schädigungen völlig zurücktreten. Auch bei sehr eingeschränkter bzw. kaum noch vorhandener Wahrnehmungsfähigkeit vermag das Schmerzensgeld dem Geschädigten dennoch einen gewissen Ausgleich zu verschaffen, indem dem Geschädigten zumindest die bestmögliche Versorgung und Betreuung zuteil werden kann und somit wenigstens für das körperliche Wohlbefinden gesorgt ist.
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Unter Berücksichtigung der vorgenannten Faktoren war das Schmerzensgeld deutlich überhalb des von der Klägerin geforderten Mindestbetrages anzusetzen. An den genannten Mindestbetrag war die Kammer im Rahmen des § 308 ZPO nicht gebunden (vgl. BGH NJW 1996, 2425). Die Kammer orientierte sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes an den vergleichbaren fällen des OLG Hamm (VersR 2002, 1163 und 3 U 112/02), des LG Münster (11 0 1004/03), des OLG Augsburg (13 U 122/02) und des LG Flensburg (4 0 263/98).
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Von der Zuerkennung einer Schmerzensgeldrente sah die Kammer ab, da diese von der Klägerin nicht beantragt wurde. Zudem streiten die Parteien weiter über den tatsächlichen Pflegebedarf der Klägerin, welcher im Falle der Zuerkennung in Form einer Rente von der Beklagten gezahlt werden müsste.
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Auf das angemessene Schmerzensgeld hat die Beklagte bereits einen Betrag in Höhe von 153.387,56 Euro (300.000,00 DM) erbracht.
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Unstreitig mahnt die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 04.10.2001 zur Zahlung des Schmerzensgeldes an. Da der angemessene Schmerzensgeldbetrag als von Anfang an geschuldet gilt (vgl. BGH VersR 1965, 380) und Verzug sowie Zinshöhe zwischen den Parteien unstreitig sind, war der Betrag von 346.612,44 Euro seit 05.10.2001 zu verzinsen. Wann die Zahlung des Schmerzensgeldes in Höhe von 153.387,56 Euro durch die Beklagte erfolgte, wurde von der Klägerin nicht dargelegt.
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Eine Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil vorbehalten.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
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Die Klage ist zulässig und hinsichtlich des begehrten Schmerzensgeldes, über welches im Wege des Teil-Urteils gemäß § 301 ZPO zu entscheiden war, in Höhe von 346.612,44 Euro begründet.
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Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 847 BGB a. F. Die Haftung ist dem Grunde nach von der Beklagten anerkannt.
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Für die Bemessung des Schmerzensgeldes orientierte sich die Kammer maßgeblich an der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes.
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Das Schmerzensgeld hat die Funktion, dem Verletzten einen materiellen Ausgleich für den erlittenen Schaden und das ihm zugefügte Leid zu gewähren. Eine billige Entschädigung in Geld steht dem Geschädigten auch dann zu, wenn seine Persönlichkeit weitgehend zerstört ist, selbst wenn seine Empfindungsfähigkeit ganz oder teilweise durch das schadensstiftende Ereignis aufgehoben ist (BGH VersR 1993, 327).
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Die verfassungsrechtliche Wertentscheidung des Art. 1 GG verbietet eine lediglich symbolhafte Bewertung.
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Die Klägerin ist vorliegend durch das Verschulden der Beklagten in denkbar schwerstem Ausmaß geschädigt worden. Die Klägerin befindet sich im wachkomatösen Zustand. Sie erlitt durch das Verschulden der Beklagten eine tetraspastische Bewegungsstörung bei schwersten zerebralen Schäden. Die Klägerin, welche zuvor ein gesundes Kind im Alter von 5 Jahren war, bietet das Bild einer völlig hilflosen Person, die ihr Leben lang auf die Hilfe Dritter angewiesen sein wird. Die Klägerin ist weder in der Lage, selbständig Nahrung zu sich zu nehmen, so dass sie mittels einer Sonde künstlich ernährt werden muss, noch sich selbständig zu bewegen. Die Persönlichkeit der Klägerin, die auch bei einem 5-jährigen Kind schon entwickelt ist, wurde vollständig zerstört. Der Klägerin wurde die Möglichkeit der weiteren Entwicklung ihrer Persönlichkeit und der Führung eines "normalen" Lebens genommen.
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Unabhängig des tatsächlichen Umfangs der noch verbliebenen Wahrnehmungsfähigkeit der Klägerin ist unter Berücksichtigung des in Art. 1 und Art. 2 GG verankerten hohen Wertes der Persönlichkeit und der Würde des Menschen ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000,00 Euro als angemessen anzusehen, da es sich vorliegend um die schwerste Schädigung eines Menschen handelt, die überhaupt vorstellbar ist.
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Durch die Zerstörung ihrer bisherigen Existenz und Persönlichkeit ist die Klägerin an der Wurzel ihres Seins getroffen.
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Das Leiden der Klägerin wird auf unabsehbare Zeit, d. h. über viele Jahre bis zum Tode der Klägerin andauern, was zwischen den Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 11.12.2003 unstreitig war. Die Klägerin wird nie in der Lage sein, einen Beruf auszuüben oder sich sportlich zu betätigen. Vielmehr wird ihr Leben von Hilflosigkeit, Einsamkeit, dem Angewiesensein auf fremde Hilfe und dem Kampf gegen Krankheiten und Schmerzen geprägt sein. Die Klägerin wird nie eine eigene Intimsphäre oder Beziehung zu Personen außerhalb ihres helfenden und betreuenden Umfeldes aufbauen können.
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Soweit die Beklagte auf die Ausführungen des OLG Düsseldorf (8 U 147/99) verweist, ist es zutreffend, dass Fälle der vorliegenden Art einer eigenständigen Bewertung zugeführt werden müssen. Maßgeblich muss jedoch der Grad der Einbuße an personaler Qualität sein.
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Würde es zu jeweils größeren Abstufungen beim Schmerzensgeld kommen, je stärker die Empfindens- und Leidensfähigkeit geschädigt worden ist, so wäre dies im Ergebnis die Rückkehr zur alten Rechtsprechung, wonach in Fällen schwerster Hirnschädigungen nur eine symbolhafte Wiedergutmachung geschuldet wäre.
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Auch wenn die Beklagte ein grob fahrlässiges Verhalten auf ihrer Seite bestreitet, so wird zumindest ein fahrlässiges Fehlverhalten auf ihrer Seite eingeräumt. Das Bestreiten der Beklagten ist nicht dahingehend zu werten, dass sie jegliches Fehlverhalten von sich weist. Ansonsten wäre auch das abgegebene Anerkenntnis wenig verständlich.
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Der Grad des Verschuldens kann im Fahrlässigkeitsbereich bei schwersten Schädigungen – wie im vorliegenden Fall – nur eine untergeordnete Rolle bei der Bemessung des Schmerzensgeldes spielen (vgl. BGH, VersR 1993, 327).
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Genugtuung kann die Klägerin durch das zuerkannte Schmerzensgeld nicht empfinden, jedoch muss die Genugtuungsfunktion hinter der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes in den Fällen schwerster Schädigungen völlig zurücktreten. Auch bei sehr eingeschränkter bzw. kaum noch vorhandener Wahrnehmungsfähigkeit vermag das Schmerzensgeld dem Geschädigten dennoch einen gewissen Ausgleich zu verschaffen, indem dem Geschädigten zumindest die bestmögliche Versorgung und Betreuung zuteil werden kann und somit wenigstens für das körperliche Wohlbefinden gesorgt ist.
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Unter Berücksichtigung der vorgenannten Faktoren war das Schmerzensgeld deutlich überhalb des von der Klägerin geforderten Mindestbetrages anzusetzen. An den genannten Mindestbetrag war die Kammer im Rahmen des § 308 ZPO nicht gebunden (vgl. BGH NJW 1996, 2425). Die Kammer orientierte sich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes an den vergleichbaren fällen des OLG Hamm (VersR 2002, 1163 und 3 U 112/02), des LG Münster (11 0 1004/03), des OLG Augsburg (13 U 122/02) und des LG Flensburg (4 0 263/98).
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Von der Zuerkennung einer Schmerzensgeldrente sah die Kammer ab, da diese von der Klägerin nicht beantragt wurde. Zudem streiten die Parteien weiter über den tatsächlichen Pflegebedarf der Klägerin, welcher im Falle der Zuerkennung in Form einer Rente von der Beklagten gezahlt werden müsste.
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Auf das angemessene Schmerzensgeld hat die Beklagte bereits einen Betrag in Höhe von 153.387,56 Euro (300.000,00 DM) erbracht.
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Unstreitig mahnt die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 04.10.2001 zur Zahlung des Schmerzensgeldes an. Da der angemessene Schmerzensgeldbetrag als von Anfang an geschuldet gilt (vgl. BGH VersR 1965, 380) und Verzug sowie Zinshöhe zwischen den Parteien unstreitig sind, war der Betrag von 346.612,44 Euro seit 05.10.2001 zu verzinsen. Wann die Zahlung des Schmerzensgeldes in Höhe von 153.387,56 Euro durch die Beklagte erfolgte, wurde von der Klägerin nicht dargelegt.
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Eine Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil vorbehalten.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
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