Urteil vom Landgericht Mannheim - 1 S 60/07

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 30.03.2007 11 C 30/07 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
I.
Der klagende Verein erbringt oder vermittelt als „Serviceanbieter“ des Seniorenzentrums in M. ambulante und soziale Dienstleistungen. Hierzu schließt er mit den Mietern der Eigentumswohnungen, die das Seniorenzentrum bilden, jeweils einen Service- und Betreuungsvertrag, in welchem Grund- und Wahlleistungen beschrieben sind. Die Beklagte hat sich mit Vertrag vom 23.06./23.07.2002 zur Zahlung einer Vergütung für den Grundservice in Höhe von monatlich EUR 115,08 verpflichtet. § 8 Abs. 5 des Vertrages enthält folgende Regelung:
„Der Serviceanbieter ist berechtigt, die Vergütung für den Grundservice zu erhöhen, wenn bei ihm entsprechende Kostenerhöhungen eingetreten sind. Dies wird er durch Nachweis einer entsprechenden Kalkulation darlegen. Die Erhöhung darf nur einmal im Kalenderjahr erfolgen und ist mindestens einen Monat vor Inkrafttreten schriftlich anzukündigen.“
Mit Schreiben vom 28.07.2006 hat der Kläger die Erhöhung der Service-Pauschale zum 01.09.2006 auf monatlich EUR 131,- angekündigt und eine Übersicht „Seniorenzentrum .“ vorgelegt, die die Einnahmen und Ausgaben der Jahre 2004 und 2005 sowie des ersten Halbjahres 2006 und die hochgerechneten Zahlen für die Jahre 2006 und 2007 enthält. Die Beklagte zahlt an den Kläger monatlich EUR 115,-.
Der Kläger begehrt die Zahlung des Erhöhungsbetrages der Servicepauschale von monatlich EUR 16,- für die Monate September bis Dezember 2006.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, da die Klausel des § 8 Abs. 5 wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB unwirksam sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Entscheidungsgründe

 
II.
Die vom Amtsgericht zugelassene Berufung ist nicht begründet.
1. Die Berufungskammer geht mit dem Amtsgericht davon aus, dass die Klausel des § 8 Abs. 5 des Service- und Betreuungsvertrages die Kunden des Klägers unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB benachteiligt und deshalb unwirksam ist.
Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger nach der Klausel berechtigt ist, alle Kostenerhöhungen an seine Vertragspartner weiterzugeben, unabhängig davon, wodurch sie entstanden sind. Solche Kostensteigerungen können auf äußeren, vom Kläger nicht beeinflussbaren Umständen (z.B. allgemeine Preissteigerungen der für die Leistungen eingesetzten Materialien, Erhöhung der Tariflöhne,...) beruhen. Der Begriff der Kosten erfasst aber auch Aufwendungen, die allein durch unternehmerische Entscheidungen entstehen. Die Kopplung der Preisänderungsbefugnis an die Entwicklung der beim Kläger entstehenden Kosten benachteiligt dessen Vertragspartner vor allem deswegen unangemessen, weil es sich dabei - anders als bei Marktpreisen oder Tariflöhnen - um betriebsinterne Berechnungsgrößen handelt, die die Kunden des Klägers weder kennen noch mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung bringen können. Ob, wann, wodurch und in welchem Maße bei diesen Kosten Änderungen eintreten, bleibt den Kunden verborgen. Damit gibt die Klausel dem Kläger einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum, der auch zur Erzielung von Gewinnen genutzt werden kann oder ein unwirtschaftliches Handeln zulasten der Kunden zulässt (siehe BGH NJW-RR 2005, 1717f m.w.N.).
10 
Eine unangemessene Benachteiligung folgt auch daraus, dass der Kläger berechtigt ist, Kostenerhöhungen an die Kunden weiter zu geben, bei Kostenreduzierungen jedoch hierzu nicht verpflichtet ist, sondern einen zusätzlichen Gewinn erzielen kann.
11 
2. Die Unwirksamkeit der Vertragsklausel führt jedoch nicht dazu, dass der Kläger für die gesamte Vertragslaufzeit an den ursprünglich vereinbarten Preis gebunden bleibt.
12 
Fällt - wie hier - eine gesetzesergänzende Regelung wegen Verstoßes gegen § 307 BGB weg und fehlen dispositive gesetzliche Bestimmungen, die sie ersetzen könnten (§ 306 Abs. 2 BGB), so kann die Regelungslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gem. §§ 157, 133 BGB geschlossen werden, wenn der Regelungsplan der Parteien vervollständigungsbedürftig ist, das Unterbleiben einer Vervollständigung also keine angemessene, den typischen Interessen des Klauselverwenders und des Kunden Rechnung tragende Lösung böte (BGH NJW 1990, 115f m.w.N.).
13 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Infolge der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel ist in den Verträgen eine vervollständigungsbedürftige Lücke entstanden. Es ergibt sich schon aus der langfristigen Natur des Vertrages, dass die Kosten des Klägers äußeren Einflüssen ausgesetzt sind, die nicht sicher vorhergesagt werden können. In der unwirksamen Klausel haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass sie sich bewusst waren und in ihren Willen aufgenommen hatten, dass das zunächst vereinbarte Entgelt nicht während der gesamten Vertragsdauer gelten sollte, sondern sich zum Zwecke eines angemessenen Wertausgleiches ändern sollte, wenn die Kostenentwicklung es erforderte.
14 
Bei der sonach gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung ist gem. § 157 BGB darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die - nicht bedachte - Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (BGH a.a.O.).
15 
Im vorliegenden Fall hätten die Parteien eine Anpassungsregelung gewählt, die eine Erhöhung des Entgelts dann und soweit zugelassen hätte, wie der Kläger durch Vorlage einer geordneten Aufstellung der bisher entstandenen Kosten und der auf den Erhöhungszeitpunkt kalkulierten Kosten nachweist, dass durch externe Faktoren (Tariferhöhung, gestiegene Einkaufspreise, durch gesetzliche Bestimmungen notwendige höhere Aufwände,...) die Kosten des Grundservice gestiegen sind, bzw. Steigerungen zu erwarten sind.
16 
3. Es kann im vorliegenden Rechtsstreit offen bleiben, ob sich ein solches Erhöhungsverlangen an der Vorschrift des - hier nicht unmittelbar geltenden - § 7 Abs. 3 HeimG zu orientieren hätte, oder welche anderen konkreten Ausgestaltungen zu einem billigen Interessenausgleich im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung geboten erscheinen, denn das Erhöhungsverlangen ist - auch im Berufungsverfahren - nicht schlüssig begründet.
17 
Der Kläger hat sich jetzt zwar bemüht, die Kosten des Grundservice von den übrigen Kosten im Seniorenzentrum abzugrenzen. Es fehlt jedoch an der Gegenüberstellung der Kosten im Jahr des Vertragsschlusses und an der konkreten Darlegung der Ursachen der jeweiligen Kostensteigerungen. Die Beklagte kann deshalb nicht nur die Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit nicht nachvollziehen, sondern auch nicht überprüfen, ob diese Steigerungen ausschließlich auf äußeren vom Kläger nicht zu verantwortenden Umständen beruhen.
III.
18 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
19 
Beschluss
20 
Gemäß § 63 Abs. 2 GKG wird der Streitwert auf EUR 64,- festgesetzt.

Gründe

 
II.
Die vom Amtsgericht zugelassene Berufung ist nicht begründet.
1. Die Berufungskammer geht mit dem Amtsgericht davon aus, dass die Klausel des § 8 Abs. 5 des Service- und Betreuungsvertrages die Kunden des Klägers unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB benachteiligt und deshalb unwirksam ist.
Die unangemessene Benachteiligung ergibt sich bereits daraus, dass der Kläger nach der Klausel berechtigt ist, alle Kostenerhöhungen an seine Vertragspartner weiterzugeben, unabhängig davon, wodurch sie entstanden sind. Solche Kostensteigerungen können auf äußeren, vom Kläger nicht beeinflussbaren Umständen (z.B. allgemeine Preissteigerungen der für die Leistungen eingesetzten Materialien, Erhöhung der Tariflöhne,...) beruhen. Der Begriff der Kosten erfasst aber auch Aufwendungen, die allein durch unternehmerische Entscheidungen entstehen. Die Kopplung der Preisänderungsbefugnis an die Entwicklung der beim Kläger entstehenden Kosten benachteiligt dessen Vertragspartner vor allem deswegen unangemessen, weil es sich dabei - anders als bei Marktpreisen oder Tariflöhnen - um betriebsinterne Berechnungsgrößen handelt, die die Kunden des Klägers weder kennen noch mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung bringen können. Ob, wann, wodurch und in welchem Maße bei diesen Kosten Änderungen eintreten, bleibt den Kunden verborgen. Damit gibt die Klausel dem Kläger einen praktisch unkontrollierbaren Preiserhöhungsspielraum, der auch zur Erzielung von Gewinnen genutzt werden kann oder ein unwirtschaftliches Handeln zulasten der Kunden zulässt (siehe BGH NJW-RR 2005, 1717f m.w.N.).
10 
Eine unangemessene Benachteiligung folgt auch daraus, dass der Kläger berechtigt ist, Kostenerhöhungen an die Kunden weiter zu geben, bei Kostenreduzierungen jedoch hierzu nicht verpflichtet ist, sondern einen zusätzlichen Gewinn erzielen kann.
11 
2. Die Unwirksamkeit der Vertragsklausel führt jedoch nicht dazu, dass der Kläger für die gesamte Vertragslaufzeit an den ursprünglich vereinbarten Preis gebunden bleibt.
12 
Fällt - wie hier - eine gesetzesergänzende Regelung wegen Verstoßes gegen § 307 BGB weg und fehlen dispositive gesetzliche Bestimmungen, die sie ersetzen könnten (§ 306 Abs. 2 BGB), so kann die Regelungslücke im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gem. §§ 157, 133 BGB geschlossen werden, wenn der Regelungsplan der Parteien vervollständigungsbedürftig ist, das Unterbleiben einer Vervollständigung also keine angemessene, den typischen Interessen des Klauselverwenders und des Kunden Rechnung tragende Lösung böte (BGH NJW 1990, 115f m.w.N.).
13 
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Infolge der Unwirksamkeit der Preisänderungsklausel ist in den Verträgen eine vervollständigungsbedürftige Lücke entstanden. Es ergibt sich schon aus der langfristigen Natur des Vertrages, dass die Kosten des Klägers äußeren Einflüssen ausgesetzt sind, die nicht sicher vorhergesagt werden können. In der unwirksamen Klausel haben die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass sie sich bewusst waren und in ihren Willen aufgenommen hatten, dass das zunächst vereinbarte Entgelt nicht während der gesamten Vertragsdauer gelten sollte, sondern sich zum Zwecke eines angemessenen Wertausgleiches ändern sollte, wenn die Kostenentwicklung es erforderte.
14 
Bei der sonach gebotenen ergänzenden Vertragsauslegung ist gem. § 157 BGB darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen, objektiv-generalisierenden Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die - nicht bedachte - Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre (BGH a.a.O.).
15 
Im vorliegenden Fall hätten die Parteien eine Anpassungsregelung gewählt, die eine Erhöhung des Entgelts dann und soweit zugelassen hätte, wie der Kläger durch Vorlage einer geordneten Aufstellung der bisher entstandenen Kosten und der auf den Erhöhungszeitpunkt kalkulierten Kosten nachweist, dass durch externe Faktoren (Tariferhöhung, gestiegene Einkaufspreise, durch gesetzliche Bestimmungen notwendige höhere Aufwände,...) die Kosten des Grundservice gestiegen sind, bzw. Steigerungen zu erwarten sind.
16 
3. Es kann im vorliegenden Rechtsstreit offen bleiben, ob sich ein solches Erhöhungsverlangen an der Vorschrift des - hier nicht unmittelbar geltenden - § 7 Abs. 3 HeimG zu orientieren hätte, oder welche anderen konkreten Ausgestaltungen zu einem billigen Interessenausgleich im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung geboten erscheinen, denn das Erhöhungsverlangen ist - auch im Berufungsverfahren - nicht schlüssig begründet.
17 
Der Kläger hat sich jetzt zwar bemüht, die Kosten des Grundservice von den übrigen Kosten im Seniorenzentrum abzugrenzen. Es fehlt jedoch an der Gegenüberstellung der Kosten im Jahr des Vertragsschlusses und an der konkreten Darlegung der Ursachen der jeweiligen Kostensteigerungen. Die Beklagte kann deshalb nicht nur die Kostensteigerungen während der Vertragslaufzeit nicht nachvollziehen, sondern auch nicht überprüfen, ob diese Steigerungen ausschließlich auf äußeren vom Kläger nicht zu verantwortenden Umständen beruhen.
III.
18 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
19 
Beschluss
20 
Gemäß § 63 Abs. 2 GKG wird der Streitwert auf EUR 64,- festgesetzt.

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