Urteil vom Landgericht Mönchengladbach - 2 O 36/05
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, den Fahrzeugbrief zu dem Pkw der Marke Ford, Typ Transit, Fahrgestell-Nr. WFOVXXGBFV XXX, erstmals zugelassen mit dem Kennzeichen DO-XXXXX von der Stadt Dort-mund auf die Firma xxx GmbH, im Original an den Kläger herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen eine Si-cherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 €, die auch durch Bankbürgschaft erbracht werden kann.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Kläger suchte im Frühjahr 2004 u.a. über die Internet-Plattformen mobile.de und AutoScout24.de einen gebrauchten Lieferwagen, den er zum Campingbus um- und ausbauen wollte. Auf einer dieser Internetplattformen wurde er auf den streitbefangenen Ford Transit aufmerksam, der dort für 11.900,00 € angeboten wurde.
3Aufgrund telefonischer Vereinbarung traf er sich mit dem Anbieter des Fahrzeugs, der sich ihm gegenüber als ein Herr xxx ausgab, am 25. Juni 2004 in Hamburg. Dieser erklärte ihm unter Vorlage eines auf dieses Fahrzeug lautenden Kfz-Briefes, einer Abmeldebescheinigung und eines Kaufvertrages zwischen ihm – xxx – und der im Kfz-Brief als erster Halter ausgewiesenen Firma xxx GmbH, er habe das Fahrzeug günstig aus einer Insolvenzmasse erworben und wolle es nunmehr, ohne es vorher noch auf sich zuzulassen, weiterveräußern.
4Tatsächlich war – wie sich im Nachhinein herausstellte – der Ford Transit neben zahlreichen weiteren Fahrzeugen von der anscheinend eigens zu diesem Zweck gegründeten Firma xxx GmbH mit dem Ziel geleast worden, das Fahrzeug zu unterschlagen und es, wie die anderen Fahrzeuge auch, unter Nutzung einiger zuvor gestohlener Kfz-Brief-Blankette weiterzuveräußern.
5Der Kläger schloss an diesem Tag einen Kaufvertrag über das Fahrzeug, zahlte den ausgehandelten Kaufpreis von 11.700,00 € und nahm das Fahrzeug nebst Schlüssel und Kfz-Brief sofort mit. Am 14. Juli 2004 wurde das Fahrzeug durch die Zulassungs-stelle der Stadt Schwabach auf den Kläger zugelassen.
6Ende Juli 2004 erfuhr der Kläger durch entsprechende Kontaktaufnahme seitens der örtlichen Kriminalpolizei, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund wegen des von ihm erworbenen und anderer unterschlagener Fahrzeuge gegen die ursprünglich eingetragene Halterin bzw. die hinter dieser stehenden Personen ermittle, sowie, dass die Beklagte im Besitz des Original-Kfz-Briefes für das Fahrzeug sei.
7Der Kläger ist der Auffassung, aufgrund gutgläubigen Erwerbs Eigentümer des Fahrzeugs geworden zu sein, so dass ihm ein Herausgabeanspruch hinsichtlich des Kfz-Briefes zustehe.
8Er beantragt,
9die Beklagte zu verurteilen, den Fahrzeugbrief zu dem Pkw der Marke Ford, Typ Transit, Fahrgestell-Nr. WFOVXXGBFV XXX, erstmals zugelassen mit dem Kennzeichen DO-xxx von der Stadt Dortmund am 29. Dezember 2003 auf die Firma xxx GmbH im Original an den Kläger herauszugeben.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie ist der Auffassung, ein gutgläubiger Erwerb durch den Kläger sei aufgrund der Gesamtumstände des Erwerbs ausgeschlossen.
13Zum einen sei ihm – unstreitig – nicht der Original-Kfz-Brief, sondern lediglich eine Fälschung übergeben worden, zum anderen sei auch in diesem gefälschten Kfz-Brief als einziger bisheriger Halter eine GmbH und nicht die als Verkäufer aufgetretene Person eingetragen gewesen, ohne dass eine Vertretungsbefugnis oder sonstige Berechtigung des "Verkäufers" erkennbar gewesen sei.
14Auch der weitere Umstand, dass der Verkauf von einem Privatmann auf der Straße abgewickelt worden sei, hätte dem Kläger Veranlassung zu Nachforschungen hinsichtlich der Berechtigung des Verkäufers geben müssen; da er diese nicht angestellt habe, scheide ein gutgläubiger Erwerb aus.
15Das Gericht hat die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Dortmund - Js xxx /04 - beigezogen; der den Kläger bzw. das streitbefangene Fahrzeug betreffende Teil der Ermittlungsakte lag im Termin zur mündlichen Verhandlung vor und war Gegenstand der Erörterung.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : Die zulässige Klage ist begründet.
18I.
19Dem Kläger steht Anspruch auf Herausgabe des Fahrzeugbriefes gegen die Beklagte gemäß § 985 in Verbindung mit § 952 BGB zu.
201.
21Der Kläger ist Eigentümer des im Urteilsausspruch näher bezeichneten Fahrzeugs Ford Typ Transit geworden; da das Eigentum am Fahrzeugbrief im Sinne des § 25 StVZO dem Eigentum am Kraftfahrzeug folgt und die Beklagte den Originalkraftfahrzeugbrief in Besitz hat, kann der Kläger die Herausgabe des Briefes an sich verlangen.
222.
23Das Eigentum an dem Fahrzeug hat der Kläger gemäß § 929, 932 BGB erworben.
24a)
25Dem gutgläubigen Erwerb steht nicht die Vorschrift des § 935 BGB entgegen, da der Lieferwagen nicht im Sinne dieser Vorschrift "abhanden gekommen" ist; vielmehr hat die Beklagte im Rahmen des mit ihr abgeschlossenen Leasingvertrages den Besitz am Fahrzeug freiwillig aufgegeben, in dem sie diesem dem Leasingnehmer xxx GmbH, ihrem Vertragspartner, zur Nutzung zur Verfügung stellte.
26b)
27Der Kläger ist aber beim Erwerb auch nicht bösgläubig im Sinne von § 932 Abs. 2 BGB gewesen.
28Zunächst stritt für die Berechtigung der Annahme des Klägers, der sich ihm gegenüber als Herr xxx bezeichnende Verkäufer sei Eigentümer des Fahrzeugs, die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB. Der Veräußerer war seinerzeit sowohl im Besitz des Fahrzeuges, so dass der Kläger zu Recht die Vermutung haben konnte, xxx habe als Eigenbesitzer das Eigentum zugleich mit dem Besitz erworben (vgl. Münchener Kommentar/Medicus, § 1006 BGB Rdnr. 13).
29Dabei wurde entgegen der Auffassung des Beklagten der gutgläubige Erwerb auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Verkäufer nicht als letzter eingetragener Halter im Kfz-Brief vermerkt war.
30Der Verkäufer hat dem Kläger nämlich neben dem Kfz-Brief - bei dem es sich unstreitig um ein, wenn auch in seinen Eintragungen von Unbefugten ergänztes, Originalblankett aus einer Reihe gestohlener Kraftfahrzeugbriefblankette handelte, die offensichtlich so gut gefälscht waren, dass auch bei der rund 2 Wochen später erfolgten Zulassung des Fahrzeuges auf den Kläger seitens der Zulassungsstelle der Stadt Schwabach keine Verdachtsmomente aufkamen - sowohl eine Original-Abmeldebescheinigung vom 3. Juni 2004 der Stadt Dortmund als auch (nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers im Termin vom 10.06.2005) einen Kaufvertrag zwischen dem Verkäufer –xxx-- und dem vorher eingetragenen Halter, der Firma xxx GmbH, vorgelegt.
31In diesem Zusammenhang ist zugunsten des Klägers zu würdigen, dass nicht nur bei der Zulassungsstelle in Schwabach, sondern zuvor offensichtlich auch in der Zulassungsstelle der Stadt Dortmund bei Erteilung der Abmeldebescheinigung vom 3. Juni 2004 keine Bedenken gegen die Echtheit des Kfz-Briefes, in dem immerhin die Stilllegung ebenfalls vermerkt werden musste, aufgekommen sind.
323.
33Zwar ist der Hinweis der Beklagten grundsätzlich zutreffend, dass der Käufer eines Fahrzeuges, der von einem anderen Privatmann ein gebrauchtes Kraftfahrzeug erwirbt, selbst bei Vorlage des Kfz-Briefes dann Nachforschungen anzustellen hat, wenn der Verkäufer nicht als letzter Halter im Kfz-Brief eingetragen ist, um dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit und damit der Bösgläubigkeit im Sinne des § 932 Abs. 2 BGB zu entgehen (vgl. Reinking-Eggert, Der Autokauf, 8. Aufl., Rdnr. 1812, m.w.N.).
34Aufgrund der soeben geschilderten besonderen Umstände und der Vielzahl der Dokumente, die seitens des Verkäufers vorgelegt worden sind und auf seine Berechtigung zur Veräußerung des Fahrzeuges hindeuteten, hindert die Unterlassung weiterer Nachforschungen des Klägers seinen gutgläubigen Erwerb hier jedoch ausnahmsweise nicht.
35Hinzu kommt, dass die mangelnde Berechtigung des Verkäufers für ihn auch bei Durchführung der naheliegenden Nachforschungsmöglichkeit, nämlich der Nachfrage bei der eingetragenen letzten Halterin, nicht zur Feststellung der mangelnden Berechtigung des Verkäufers hätte führen können.
36Da nämlich nach dem Ergebnis der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in dem beigezogenen Verfahren der Staatsanwaltschaft Dortmund feststehen dürfte, dass die hinter der Firma xxx GmbH stehenden Personen das hier streitgegenständliche und weitere Fahrzeuge bei der Beklagten und anderen Leasinggesellschaften mit der Absicht einer Unterschlagung und anschließenden Weiterveräußerung an ahnungslose Dritte auf sich zugelassen haben, wäre dem Kläger – wenn er überhaupt unter der alten Firmenanschrift in Dortmund anders als die ermittelnde Polizei jemanden erreicht hätte - die Berechtigung des Verkäufers, der offensichtlich mit den Verantwortlichen der Firma xxx GmbH zusammengearbeitet hat, bestätigt worden.
37Auch eine Rückfrage bei der Polizei hätte ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakte nicht zu dem Ergebnis führen können, dass der gutgläubige Erwerb durch den Kläger gemäß § 935 BGB ausgeschlossen wäre, da das Fahrzeug zu keinem Zeitpunkt als gestohlen gemeldet worden ist.
38Lässt sich jedoch ein Diebstahl nicht nachweisen und wäre auch im Übrigen die fehlende Berechtigung des Verkäufers im Sinne von § 932 Abs. 1 BGB seinerzeit nicht festzustellen gewesen, kann auch die nicht durchgeführte Nachforschung einem gutgläubigen Erwerb des Klägers nicht entgegenstehen (vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.11.1991, OLG-Report 1992, S. 1).
39II.
40Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
41Der Streitwert wird auf bis 6.000,00 € festgesetzt.
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