Beschluss vom Landgericht Mönchengladbach - 5 T 16/07
Tenor
Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.09.2006 wird teilweise ab-geändert und wie folgt neu gefasst:
Auf Grund des Beschlusses des Amtsgerichts Viersen vom 21.07.2006 sind von der Antragsgegnerin 593,44 € nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 03.08.2006 an die An-tragsteller zu erstatten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller als Ge-samtschuldner zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 503,43 €
1
I.
2Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin einer Wohnung in der im Rubrum bezeichneten Wohnungseigentumsanlage. Die Antragsteller sind die übrigen Eigentümer. Sie haben zunächst als Eigentümergemeinschaft gegen die Antragsgegnerin einen Mahnbescheid erwirkt, in welchem sie 2.222,79 Euro rückständiges Wohngeld geltend gemacht haben. Mit Schriftsatz vom 29.03.2006 haben sie das Aktivrubrum in der Weise geändert, dass nunmehr die Wohnungseigentümer gem. einer anliegenden Liste den Wohngeldanspruch geltend machen. Außerdem haben sie den Zahlungsantrag auf 3.182,79 Euro erhöht. Nachdem im Laufe des Verfahrens beide Parteien den Hauptanspruch für erledigt erklärt haben, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21.07.2006 der Antragsgegnerin die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller auferlegt. Die Rechtspflegerin des Amtsgerichts hat daraufhin auf Antrag der Antragsteller mit Beschluss vom 11.09.2006 angeordnet, dass die Antragsgegnerin an die Antragsteller 1.096,87 Euro an Kosten zu erstatten habe. Dabei hat sie antragsgemäß 2,0 Erhöhungsgebühren als Mehrvertretungszuschlag gem. Nr. 1008 VV RVG berücksichtigt. Dagegen hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass der Mehrvertretungszuschlag gem. Nr. 1008 VV RVG nicht gerechtfertigt sei, weil die Antragssteller zur kostensparenden Vorgehensweise gem. § 91 ZPO verpflichtet seien und deshalb die Wohnungseigentümergemeinschaft selbst als eine Rechtsperson die Ansprüche hätte geltend machen können. Die Antragsteller sind dem Rechtsmittel mit Rechtsausführungen entgegengetreten. Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
3II.
4Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Der Mehrvertretungszuschlag gem. Nr. 1008 VV RVG steht den Antragstellern nicht zu, weil es sich insoweit nicht um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung gem. § 91 Abs. 1 ZPO handelt.
51.
6Im Beschluss vom 21.07.2006 hat das Amtsgericht der Antragsgegnerin die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller auferlegt. Die Auffassung der Antragsteller, ihnen stehe die Erhöhungsgebühr zu, weil das Amtsgericht ohne jede Einschränkung die Kosten den Antragstellern auferlegt habe, trifft nicht zu. Denn das Amtsgericht hat lediglich eine Kostengrundentscheidung getroffen und damit entschieden, dass sich die Antragsteller nicht an den Kosten des Verfahrens beteiligen müssen, die Antragsgegner vielmehr alle Kosten des Verfahrens zu tragen haben. Die Höhe dieser Kosten, insbesondere welche Kosten angefallen und erstattungsfähig sind, bleibt allein der Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren vorbehalten. In diesem Verfahren ist nicht nur zu prüfen, ob die geltend gemachten Kosten überhaupt entstanden sind, es ist vielmehr gem. § 91 Abs. 1 ZPO auch zu prüfen, ob diese Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Waren sie nicht notwendig, so hat die Partei diese Kosten selbst zu tragen.
7Die Geltendmachung der Wohngeldansprüche durch die einzelnen Wohnungseigentümer war nicht notwendig. Spätestens seit der Entscheidung des BGH vom 02.06.2005 (NJW 2005, 2061f) ist es als geklärt anzusehen, dass eine Wohnungseigentümergemeinschaft rechts- und parteifähig ist, soweit sie bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt. Es brauchen also nicht die einzelnen Miteigentümer klagen, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband kann klagen und verklagt werden. Da jede Partei zur kostensparenden Prozessführung verpflichtet ist, kann sie gem. § 91 Abs. 1 ZPO nur eine Erstattung der notwendigen Kosten verlangen. Es mag – worauf das Amtsgericht hingewiesen hat – gleichwohl zulässig sein, den Anspruch von den einzelnen Miteigentümern geltend zu machen (so BGH, Beschluss vom 18.02.2002, VIII ZB 6/02, NJW 2002, 2958f). Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob dies auch notwendig war. Denn nur dann wären die dadurch entstandenen Kosten gem. § 91 Abs. 1 ZPO erstattungsfähig. Hier war es nach der Entscheidung des BGH vom 02.06.2005 nicht mehr notwendig, den Wohngeldanspruch von den einzelnen Miteigentümern als Gesamtgläubiger geltend zu machen. Da die Antragsgegnerin erstmals am 19.09.2005 gemahnt worden ist, ist davon auszugehen, dass der Auftrag zur gerichtlichen Geltendmachung erst nach diesem Zeitpunkt, also auch nach der Entscheidung vom 02.06.2005, erteilt worden ist. Bei kostensparender Verfahrensweise hätten die Antragsteller, der neuen Rechtsprechung des BGH folgend, ihren Anspruch nicht einzeln sondern als Verband gerichtlich geltend machen können, so dass ein Mehrvertretungszuschlag nicht gerechtfertigt ist.
8Die Richtigkeit dieser Auffassung wird indirekt bestätigt durch die Entscheidung des BGH vom 26.02.2003 (VIII ZB 69/02, JurBüro 2004, 145f). Darin hat der BGH den Mehrvertretungszuschlag nur deshalb für gerechtfertigt angesehen, weil der Klageauftrag vor der Entscheidung des BGH vom 18.02.2002 (NJW 2002, 1207f) erteilt worden war, in welcher der BGH erstmals ausdrücklich die Parteifähigkeit einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts – vergleichbar mit einer Wohnungseigentümergemeinschaft – bejaht hatte. Diese Auffassung teilt im Übrigen auch das Brandenburgische Oberlandesgericht in der von der Antragsgegnerin vorgelegten Entscheidung (6 W 12/06). Darin heißt es: "Der Beklagten ist zuzugeben, dass wegen dieser Entscheidung des BGH alles dafür spricht, dass ein Mehrvertretungszuschlag künftig nicht mehr als erstattungsfähig angesehen werden kann, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft im Prozess als Verband Rechte aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geltend macht."
92.
10Die erstattungsfähigen Kosten sind danach wie folgt zu berechnen:
11
| Verfahrensgebühr Nr. 3100 | 217,00 € * 1,3 | 282,10 € |
| Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG | 20,00 € | |
| Zwischensumme netto | 302,10 € | |
| 16 % MwSt Nr. 7008 VV RVG | 48,34 € | |
| Zwischensumme brutto | 350,44 € | |
| verauslagte Gerichtskosten | 202,50 € | |
| verauslagte Gerichtskosten | 40,50 € | |
| 593,44 € |
12
3.
13Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
14Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, da – soweit ersichtlich – die Frage, ob den Wohnungseigentümern der Mehrvertretungszuschlag auch in den Fällen zusteht, in denen der Wohngeldanspruch auch von der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst geltend gemacht werden kann, höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
15Jopen Fuchs Vogt
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