Beschluss vom Landgericht Mönchengladbach - 5 T 70/07
Tenor
1.
Auf die sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 1., 3., 4., 6., 7., 8., 9., 11. und 12. wird der Beschluss des Amtsge-richts Mönchengladbach vom 17.11.2006 abgeändert.
Der in der Gläubigerversammlung vom 19.10.2006 gewählte Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt wird unter gleichzeitiger Abberufung von Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter bestellt.
2.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 13. wird auf seine Kosten verworfen.
Beschwerdewert: 30.000,00 €.
1
G r ü n d e :
2I.
3Am 28.12.2004 eröffnete das Amtsgericht Mönchengladbach das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und setzte Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter ein.
4In dem ersten Berichts- und Prüfungstermin vom 14.03.2005 konnte bezüglich der Festsetzung der Stimmrechte einzelner Gläubiger Einigkeit erzielt werden. Bei der Beteiligten zu 1. kam eine Einigung jedoch zustande, so dass die zuständige Rechtspflegerin ihre Stimmrechte per Beschluss festsetzte. Auch bei den Stimmrechten der Beteiligten zu 6. scheiterte eine Einigung, so dass auch hier die Rechtspflegerin die Festsetzung vornahm. Ebenso kam bezüglich der Stimmrechte der und der Beteiligten zu 7. keine Einigung zustande. Bezüglich der Stimmrechtsentscheidung der Rechtspflegerin für die Beteiligte zu 7. wurde für den Fall, dass sie sich auf die Abstimmungsergebnisse auswirken sollte, ebenfalls eine richterliche Entscheidung nach § 18 Abs. 3 RPflG beantragt. Bezüglich des Beteiligten zu 2. stellte die Rechtspflegerin per Beschluss fest, dass er als nachrangiger Gläubiger nach § 77 InsO nicht abstimmungsberechtigt sei.
5Am 25.04.2005 wählte die Gläubigerversammlung mit Stimmenmehrheit Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter.
6Der Abteilungsrichter setzte durch Beschluss vom 10.05.2005 die Stimmrechte der Beteiligten zu 1., 2., 4. und 6. sowie der unter Ablehnung der Neufestsetzung im Übrigen neu fest und ordnete die Wiederholung der Wahl zum Insolvenzverwalter mit den neuen Stimmrechten an. Die anschließende Wahl mit den neu festgesetzten Anteilen führte zu einer Beibehaltung des eingesetzten Insolvenzverwalters, Rechtsanwalt , da die Wahl von Rechtsanwalt nunmehr nicht mehr die nach § 57 InsO erforderliche Mehrheit brachte. Für die Wahl von Rechtsanwalt hatten sich zwar nach wie vor dieselben Gläubiger ausgesprochen, entscheidend war jedoch, dass nunmehr dem Beteiligten zu 2., der bislang kein Stimmrecht hatte, ein Stimmrecht von 4.487.927,45 € zuerkannt wurde, während sich das Stimmrecht der Beteiligten zu 6. von 202.710,00 € auf 43.518,56 € und das der Beteiligten zu 1. von 5.250.000,00 € auf 4.544.509,45 € verringert hatte.
7Mit Schriftsatz vom 25.05.2005 legten die Beteiligten zu 6. und 12. gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 10.05.2005, in welchem dem Beteiligten zu 2. ein Stimmrecht in Höhe von 4.487.927,45 € zugebilligt wurde, Gehörsrüge nach § 321 a ZPO ein. Ebenso legten die Beteiligte zu 1. und die am 24.05.2005, ergänzt am 25.05.2005 Gehörsrüge sowie Rechtsmittel gegen den Beschluss vom 10.05.2005 ein.
8Mit Beschluss vom 20.06.2005 verwarf die Kammer die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 10.05.2005 als unzulässig.
9Am 29.11.2005 änderte die Abteilungsrichterin auf die erhobene Gehörsrüge den Beschluss vom 10.05.2005 dahingehend ab, dass dem Beteiligten zu 2. ein Stimmrecht in Höhe von 8.975.854,97 € und der Beteiligten zu 1. ein solches in Höhe von 6.048.323,00 € zustehe.
10Am 19.12.2005 fand erneut eine Gläubigerversammlung statt. In dieser wurde für die Wahl des Gläubigerausschusses das Stimmrecht festgelegt. Die Rechtspflegerin legte das Stimmrecht der Beteiligten zu 1. auf 6.048.323,00 € fest. Das Stimmrecht des Beteiligten zu 2. legte die Rechtspflegerin auf 0,00 € fest. Sie begründete dies damit, dass es sich um eine Forderung handele, die einer Rückforderung eines kapitalersetzenden Darlehens gleichzustellen sei, zudem um eine solche, hinsichtlich derer Rangrücktrittserklärungen vorlägen.
11Mit der entsprechenden Stimmrechtsverteilung wurde ein Gläubigerausschuss bestellt, in den die Rechtsanwälte und (für die Beteiligte zu 1. ) und Rechtsanwalt (für die Beteiligten zu 4., 7., und 9.) gewählt wurden.
12Auf die Gehörsrügen der Beteiligten zu 1., 6., 10. und 12. hob der Abteilungsrichter mit Beschluss vom 10.09.2006 den Beschluss vom 29.11.2005 u.a. insoweit auf, als dem Beteiligten zu 2. ein Stimmrecht gewährt wurde. Er ordnete die Neudurchführung der Abstimmungen der Gläubigerversammlung an, in der der Insolvenzverwalter gewählt wurde.
13Am 19.10.2006 fand eine erneute Gläubigerversammlung statt, in der Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter gewählt wurde. Die Versammlung wurde am 17.11.2006 fortgesetzt. In diesem Termin verkündete das Amtsgericht – Abteilungsrichter – einen Beschluss, in dem dem gewählten Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt , die Bestätigung versagt wurde. Das Amtsgericht führt im wesentlichen aus, dem Beteiligten zu 13. fehle die praktische Erfahrung auf dem Feld der Insolvenzverwaltung. Der konkrete Fall setze dies voraus, da es sich um ein schwieriges und komplexes Insolvenzverfahren handele. Er habe nicht nachgewiesen, dass er Regelinsolvenzen als Insolvenzverwalter betreut habe.
14Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1., 3., 4., 6., 7., 8., 9., 11., 12. und 13. mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. Sie machen im wesentlichen geltend, es handele sich nicht um ein schwieriges Insolvenzverfahren, da es nur knapp über 10 Gläubiger und keine Betriebsfortführung gebe. Die zu beurteilenden insolvenzrechtlichen Fragen seien durchschnittlicher Natur. Im übrigen sei das Verfahren bereits fortgeschritten und zu großen Teilen abgewickelt. Der Beteiligte zu 13. verfüge als Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und vereidigter Buchprüfer über die fachliche Eignung, das Verfahren zu führen. Gegebenenfalls könne er Rechtsanwälte mit der Durchsetzung von Rechten, wie dies etwa bei Klageverfahren üblich sei, beauftragen. Er sei bislang in 13 Regelinsolvenzverfahren als Insolvenzverwalter tätig gewesen.
15Das Amtsgericht – Abteilungsrichter – hat den Rechtsmitteln nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
16II.
17Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 13. ist unzulässig, im Übrigen sind die sofortigen Beschwerden zulässig und haben in der Sache Erfolg.
18Gemäß § 57 Satz 4 InsO steht jedem Insolvenzgläubiger gegen die Versagung der Bestellung des gewählten Insolvenzverwalters die sofortige Beschwerde zu. Der Beteiligte zu 13. ist kein Insolvenzgläubiger, sondern der von der Gläubigerversammlung gewählte Insolvenzverwalter. Nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der in § 57 Satz 4 InsO zum Ausdruck kommt, ist es Sache der Insolvenzgläubiger im Wege der sofortigen Beschwerde die Versagung der Bestellung wegen fehlender Eignung zu rügen und überprüfen zu lassen, denn die Wahl des neuen Verwalters ist letztlich ihre Entscheidung. Es geht alleine um die Durchsetzung einer Entscheidung der Gläubiger, so dass der Gesetzgeber dem gewählten Insolvenzverwalter bewusst kein Beschwerderecht eingeräumt hat (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 57 Rn. 23).
19Die sofortigen Beschwerden der übrigen Beteiligten sind gemäß § 57 Satz 4 InsO zulässig, da sie Insolvenzgläubiger sind. In der Sache selbst führen die Rechtsmittel zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Bestellung des Beteiligten zu 13. zum Insolvenzverwalter unter gleichzeitiger Abberufung von Rechtsanwalt.
20Das Amtsgericht hat die Bestellung des Beteiligten zu 13. zum Insolvenzverwalter zu Unrecht versagt, da die Voraussetzungen des § 57 Satz 3 InsO nicht vorliegen.
21Die Regelung des § 57 InsO ist Ausfluss der Gläubigerautonomie. Den Gläubigern wird das Recht eingeräumt, mehrheitlich einen ihnen genehmen Insolvenzverwalter zu wählen, der – sofern kein Versagungsgrund im Sinne von § 57 Satz 3 InsO vorliegt – von dem Insolvenzgericht zwingend zu bestellen ist (BGH, Beschuss vom 07.10.2004 – XIX ZB 128/03 – Juris). Das bedeutet, dass die Bestellung des gewählten Insolvenzverwalters der Regelfall und die Versagung der Bestellung die Ausnahme ist. Das Insolvenzgericht kann nach § 57 Satz 3 InsO die Bestellung des in der ersten Gläubigerversammlung Gewählten nur versagen, wenn dieser für die
22Übernahme des Amtes nicht geeignet ist. Das ist dann der Fall, wenn der Verwalter nicht die erforderliche Sachkunde besitzt oder von den Verfahrensbeteiligten irgendwie abhängig ist oder wenn ihm die erforderliche Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit fehlt. Die Merkmale, die den Verwalter für das Amt als ungeeignet erscheinen lassen, sind weitgehend die Negativmerkmale für die Auswahlkriterien des § 56 InsO. Versagungsgründe sind zudem alle Gründe, die zu einer Entlassung aus dem Amt nach § 59 InsO führen können. Mangelnde persönliche oder fachliche Eignung ist im Einzelfall gegeben bei fehlender Unabhängigkeit, mangelnder Geschäftskunde, unzureichenden Rechtskenntnissen, unzulänglicher personeller oder technischer Kanzleiausstattung, Vorstrafen vermögensrechtlicher Art, fehlender Bereitschaft, sich auf die Arbeitsweise des Gerichts einzustellen, oder unzuverlässiger Abrechnungspraxis bei Vergütung und Auslagen. In diesem Zusammenhang reichen ein bloßer Verdacht des Gerichts oder Verdächtigungen sonstiger Verfahrensbeteiligter nicht aus, da die Versagung der Ernennung des Gewählten nicht willkürlich sein darf. Entscheidend ist, ob objektiv Anhaltspunkte vorhanden sind, die Zweifel an der persönlichen oder fachlichen Eignung des gewählten Verwalters rechtfertigen (Uhlenbruck, a.a.O., Rn. 15 f.).
23Vorliegend hat das Amtsgericht die Versagung auf die fachliche Ungeeignetheit des Beteiligten zu 13. gestützt. Dem folgt die Kammer nicht. Der Beteiligte zu 13. ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und vereidigter Buchprüfer. Er verfügt neben seiner allgemeinen juristischen Qualifikation auch über steuerrechtliche und betriebswirtschaftliche Fachkenntnisse. Anders als das Amtsgericht hält die Kammer das vorliegende Insolvenzverfahren nicht für schwierig und komplex, sondern für durchschnittlich. Richtig ist zwar, dass sowohl auf Aktiv- als auch auf Passivseite erhebliche Forderungen zu berücksichtigen sind, Probleme bei der Abgrenzung der Insolvenzgläubiger von nachrangigen Gläubigern bestehen und die Verwaltung durch Klageverfahren belastet wird. Die Lösung solcher Probleme und Rechtsfragen gehört aber zum üblichen Umfang der Tätigkeit eines Insolvenzverwalters. Die Beurteilung, dass es sich um ein Insolvenzverfahren durchschnittlicher Schwierigkeit handelt, gründet sich insbesondere auch auf die begrenzte Anzahl der Gläubiger (12) und auf den Umstand, dass der Betrieb der Schuldnerin nicht fortgeführt wird. Im Übrigen kann sich der Beteiligte zu 13. gegebenenfalls fachlicher Hilfe durch die Beauftragung von Rechtsanwälten, Steuerberatern etc. bedienen. Der Beteiligte zu 13. hat seine fachliche Eignung im Beschwerdeverfahren darüber hinaus dadurch belegt, dass er in 13 Regelinsolvenzverfahren zum Insolvenzverwalter und in 24 Verbraucherinsolvenzverfahren zum Treuhänder bestellt worden ist sowie in 9 Verfahren als Gutachter tätig war. Der Beteiligte zu 13. hat damit zwar nicht nachgewiesen, dass er eine langjährige und besondere Erfahrung als Verwalter von Regelinsolvenzen besitzt. Dies ist jedoch vorliegend wegen der Durchschnittlichkeit des Verfahrens nicht erforderlich.
24Keine Bedeutung für die Prüfung der Versagungsgründe hat der Umstand, dass sich ein neu bestellter Insolvenzverwalter erst einarbeiten muss und dass ein Verwalterwechsel mit Zusatzkosten verbunden ist (KG, Beschluss vom 16.10.2001 – 7 W 130/01 – Juris; Uhlenbruck, a.a.O., Rn. 17). Ebenso wenig kommt dem Kriterium der Ortsnähe bzw. Ortskenntnis angesichts der modernen Kommunikationstechnik ein besonderes Gewicht bei der Frage der Eignung zu (OLG Stuttgart, Beschluss vom 05.12.2005 – 19 VA 4/05 – Juris, nur Leitsatz; Uhlenbruck, a.a.O., § 56 Rn. 16).
25Soweit der Beteiligte zu 2. einwendet, dem Beteiligten zu 13. fehle die persönliche Eignung, da ihm die notwendige Unabhängigkeit wegen bestehender Interessenkollision fehle, handelt es sich hierbei lediglich um behauptete, aber unbewiesene Verdachtsmomente, die keine Versagung rechtfertigen. Allein der Umstand, dass sich ein Schriftsatz des Beteiligten zu 13. inhaltlich teilweise mit einem Schriftsatz der Beteiligten zu 6. deckt, rechtfertigt keine Interessenkollision. Der Beteiligte zu 13. hat dies dadurch erklärt, dass er als nicht Verfahrensbeteiligter keine Akteneinsicht hatte und daher Unterlagen von den Beteiligten zu 6. zur Verfügung gestellt bekommen hat. Ein Interessenkonflikt ist dem nicht zu entnehmen, weil nicht ersichtlich ist, dass der Beteiligte zu 13. hierdurch wirtschaftlich gegenläufige Interessen vertreten hat, die der Schuldnerin oder einzelnen Gläubigern einen Schaden zufügen. Im Übrigen entspricht es dem Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 57 InsO, dass das Insolvenzgericht für den Fall, dass sich Verdachtsmomente hinsichtlich der persönlichen Unzuverlässigkeit anhand objektiver Anhaltspunkte erhärten, später die Möglichkeit hat, von Amts wegen gemäß § 59 InsO die Entlassung des Insolvenzverwalters zu beschließen.
26Da der Beteiligte zu 13. von der Gläubigerversammlung am 19.10.2006 ordnungsgemäß zum neuen Insolvenzverwalter gewählt worden ist (§ 57 Satz 2 InsO) und keine Versagungsgründe im Sinne von § 57 Satz 3 InsO vorliegen, war er zum Insolvenzverwalter zu bestellen. Gleichzeitig war der abgewählte Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt , abzuberufen (Uhlenbruck, a.a.O., Rn. 14).
27III.
28In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird darauf hingewiesen, dass dem abgewählten Insolvenzverwalter, Rechtsanwalt , vor der Bestellung des Beteiligten zu 13. zum neuen Insolvenzverwalter kein rechtliches Gehör gewährt werden musste, da der Beschluss für ihn nicht anfechtbar ist (Uhlenbruck, a.a.O., Rn. 24).
29Die Kostenentscheidung hinsichtlich der sofortigen Beschwerde des Beteiligten zu 13. beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 4 InsO.
30Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich insoweit aus §§ 3 ZPO, 28 Abs. 3, 23 Abs. 3 Satz 2 RVG (i.V.m. § 4 InsO). Das wirtschaftliche Interesse des Beteiligten zu 13. besteht in seinem Anspruch auf Insolvenzverwaltervergütung, der auf mindestens 30.000,00 € geschätzt wird.
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