Beschluss vom Landgericht München II - 14 T 12593/18

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer zu 1) bis 154) vom 28.08.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München, Insolvenzgericht vom 14.08.2018 (Az. 1511 IN 2637/17) wird im Rahmen des Freigabeverfahrens gem. § 253 Abs. 4 S. 1 InsO zurückgewiesen.

2. Der Beweisbeschluss vom 29.10.2018 wird aufgehoben.

3. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens gesamtschuldnerisch.

Gründe

I.

Mit Beschluss des Amtsgerichts, Insolvenzgericht, vom 1. Dezember 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... Stahl-Metallurgie Holding AG eröffnet, die Eigenverwaltung angeordnet und Dr. Ch. Ge. als Sachwalter bestellt. Der Eröffnungsbeschluss ist rechtskräftig.

Der von der ... Stahl-Metallurgie Holding AG vorgelegte Insolvenzplan wurde im Erörterungs- und Abstimmungstermin am 23.07.2018 von allen Gruppen mit Ausnahme der Gruppe der Aktionäre mit der erforderlichen Mehrheit angenommen.

Durch den Insolvenzplan soll eine weitgehende Entschuldung der ... Stahl-Metallurgie Holding AG erreicht werden. Hierzu sollen laut Insolvenzplan alle Aktien an der Gesellschaft auf die ... S.a.r.l. übertragen werden und das im Wege einer vereinfachten Kapitalherabsetzung auf 0 € herabgesetzte Grundkapital durch eine kombinierte Bar- und Sachkapitalerhöhung auf 1 Million € erhöht werden.

Zu diesem Zweck verpflichtete sich die ... S.a.r.l. in der Verpflichtungserklärung (Anlage 6 des Insolvenzplans) vom 23.07.2018, im Fall der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans bestimmte Maßnahmen vorzunehmen. Insofern wird auf Ziffer II der Verpflichtungserklärung verwiesen. In Ziffer III der Verpflichtungserklärung erklärte die ... S.a.r.l. für den Fall der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans die Annahme der Abtretung aller alten Aktien sowie aller Ansprüche betreffend dieser. Sämtliche Verpflichtungen sowie die Annahmeerklärung wären nach dieser Vereinbarung ursprünglich zum 30.09.2018 entfallen.

Mit Beschluss vom 14.08.2018 bestätigte das Amtsgericht den Insolvenzplan in der Fassung vom 23.07.2018. Die fehlende Zustimmung der Gruppe der Aktionäre ersetzte das Amtsgericht über das Obstruktionsverbot gem. § 245 InsO im Rahmen der Planbestätigung. Insofern wird inhaltlich vollumfänglich auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 14.08.2018 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 28.08.2018 legten die Beschwerdeführer zu 1) bis 154) sofortige Beschwerde ein, Die Beschwerdeführer wenden u.a. ein, dass bis heute keine tatsächlichen Insolvenzgründe vorliegen würden. Der gleichwohl niedergelegte Insolvenzplan sehe zwar theoretisch eine 100 %ige Befriedigung der Gläubiger vor. Die Aktionäre würden jedoch durch den Plan gem. § 225 a Abs. 3 InsO durch eine kompensationslose Übertragung ihrer Anteile auf den ... Industrial Europe Luxemburg S.a.r.l und eine Kapitalherabsetzung auf Null enteignet. Das Amtsgericht habe bei seiner Beurteilung die Feststellungen eines Gutachtens zum Unternehmenswert zugrunde gelegt, welches von der Schuldnerin in Auftrag gegeben worden sei. Die Ersetzung der Zustimmung der Aktionäre sei rechtswidrig gewesen. Es liege ein Verstoß gegen das Schlechterstellungsverbot (§ 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO) und den Grundsatz, dass kein Gläubiger wirtschaftliche Werte erhalten soll, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen (§ 245 Abs. 3 Nr. 1 InsO) vor.

Im Übrigen wird bezüglich der Begründung der sofortigen Beschwerde inhaltlich vollumfänglich Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 28.08.2018.

Mit Schriftsatz vom 07.09.2018 und 11.09.2018 beantragte die Insolvenzschuldnerin, die sofortige Beschwerde gem. § 253 Abs. 4 S. 1 InsO unverzüglich zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz vom 22.10.2018 nahmen die Beschwerdeführer nochmals Stellung.

Mit Beweisschluss vom 29.10.2018 beauftragte der Einzelrichter der Kammer den Sachverständigen Dipl.-Kfm. WP StB Ch. Wo., B.straße 101, 1. B. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Der Beweisbeschluss lautete im Wesentlichen:

„Es wird ein schriftliches Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob

  • 1.die Aktionäre der Schuldnerin durch den Insolvenzplan in der Fassung vom 23.07.2018 voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden. Hierbei ist auf den Bewertungsstichtag zum 31.03.2018 abzustellen. Eine etwaige seit dem Stichtag eingetretene wesentliche Entwicklung ist jedoch zu berücksichtigen und gegebenenfalls gesondert darzustellen.

    1.Der vorzunehmenden Vergleichsrechnung sind mangels Vorliegens konkrete Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Veräußerung en bloc („going-concern“) die Zerschlagungswerte für die einzelnen Gegenstände des schuldnerischen Vermögens zugrunde zu legen.

  • 2.die Gläubigerin ... S.a.r.l. aufgrund des Plans wirtschaftliche Werte erhält, die den vollen Betrag ihres Anspruchs übersteigen. Für den Bewertungsstichtag sowie eine etwaige Entwicklung gilt das zu Ziffer I. 1. Gesagte.“

Zuletzt hat die ...S.a.r.t. am 30.10.2018 gegenüber dem Sachwalter und der Insolvenzschuldnerin die Erklärung abgegeben, dass sämtliche Verpflichtungen aus der Verpflichtungserklärung nicht am 31.10.2018, sondern am 30.11.2018 entfallen, sofern zu diesem Datum der Beschluss über die Bestätigung des Insolvenzplans noch nicht rechtskräftig ist.

Mit Antrag des Sachwalters vom 16.11.2018, bei der Kammer eingegangen am 26.11.2018, beantragte dieser u.a., die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer zu 1) bis 154) vom 28.08.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München, Insolvenzgericht vom 14.08.2018 im Rahmen des Freigabeverfahrens gem. § 253 Abs. 4 S. 1 InsO zurückzuweisen.

Mit Schriftsatz der ... Stahl-Metallurgie Holding AG vom 23.11.2018 beantragte diese erneut, unverzüglich über den Freigabeantrag der Schuldnerin vom 07.09.2018 zu entscheiden und die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen den Insolvenzplan gem. § 253 Abs. 4 S. 1 InsO unverzüglich zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten wird inhaltlich vollumfänglich Bezug auf sämtliche genannte Schriftsätze genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer zu 1) bis 154) vom 28.08.2018 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München, Insolvenzgericht vom 14.08.2018 war im Rahmen des Freigabeverfahrens gem. § 253 Abs. 4 S. 1 InsO zurückzuweisen.

Bei der Prüfung der Begründetheit des Freigabeantrags nach § 253 Abs. 4 S. 1 InsO ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. Abzuwägen ist, ob das alsbaldige Wirksamwerden des Insolvenzplans gegenüber der Suspensivwirkung der sofortigen Beschwerde vorrangig erscheint, da Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs die Nachteile des Planvollzugs für den Beschwerdeführer überwiegen (BGH, Beschl. V 17.09.2014, IX ZB 26/14, NZI 2014, 904, Rn. 9). Demgegenüber wird grundsätzlich nicht über die Begründetheit der gegen den Plan vorgebrachten Einwendungen entschieden, welche mit der sofortigen Beschwerde geltend gemacht wurden (LG Berlin, Beschl. v. 20.10.2014, 51 T 696/14, ZIP 2014, 2197, 2199).

Der Maßstab, welcher bei der Prüfung des Freigabeantrags nach § 253 Abs. 4 insO Anwendung findet, unterscheidet sich von dem Maßstab, der im Rahmen der Beschwerde gegen den Planbestätigungsbeschiuss anzulegen ist. Die in § 253 Abs. 4 S. 3 InsO normierte Schadensersatzpflicht setzt voraus, dass ein Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde im Freigabeverfahren erfolgreich sein kann, obwohl die Beschwerde zulässig und begründet war (Fischer, NZI 2013, 513 (517)).

Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde kann hier dahinstehen. Kommt das Beschwerdegericht - wie vorliegend - zu dem Ergebnis, dass der Freigabeantrag jedenfalls begründet ist, weil das Interesse am Planvollzug überwiegt, so weist es die Beschwerde unverzüglich als unbegründet zurück. Über die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde muss in diesen Fällen nicht vorab entschieden werden, wenn ihre Klärung (insb. zu § 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO) mit einem unverhältnismäßigen Zeitaufwand verbunden wäre (MüKolnsO/Sinz Inso § 253 Rn. 66).

Ein besonders schwerer Rechtsverstoß ist nicht erkennbar. Das alsbaldige Wirksamwerden des Insolvenzplans erscheint vorliegend vorrangig, da die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für die Beschwerdeführer überwiegen.

1. Antragsrecht der Schuldnerin und des Sachwalters

Im hier vorliegenden Fall der Eigenverwaltung waren sowohl der Schuldner als auch der Sachwalter antragsberechtigt, den Freigabeantrag zu stellen (LB Berlin v. 20.10.2014, 51 T 696/14, NZI 2015, 66,67 m MüKo-InsO/Sinz, § 253 Rn 60). Dieses Antragsrecht wird - soweit ersichtlich - von den Beschwerdeführern auch nicht in Abrede gestellt.

2. Kein Vorliegen eines besonders schweren Rechtsverstoßes

Bei den in den Schriftsätzen vom 28.08.2018 und 22.10.2018 von den Beschwerdeführern dargestellten Rechtsverstößen handelt es sich nicht um einen schweren Rechtsverstoß i.S.v. § 253 Abs. 4 S. 2 InsO, der einer unverzüglichen Zurückweisung der Beschwerde entgegenstünde.

Die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde ist nicht von vornherein gem. § 253 Abs. 4 S. 2 InsO ausgeschlossen, da kein besonders schwerer Rechtsverstoß vorliegt. Die Beschwerdeführer trifft für das Vorliegen eines besonders schweren Rechtsverstoß die Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast (MüKolnsO/Sinz Inso § 253 Rn. 66). Der unbestimmte Rechtsbegriff des besonders schweren Rechtsverstoßes ist wie bei § 246 a AktG eng auszulegen (K. Schmidt/Spliedt § 253 Rn 18). Erforderlich ist ein besonders schwerer Rechtsverstoß, wie er sich bei § 246 a AktG entweder aus der Art oder dem Ausmaß der Rechtsverletzung ergeben kann (Burmeister/Schmidt-Hern in Kübler, HRI, § 43 Rn. 174). Die Rechtsverletzung muss ohne vertiefte Prüfung sofort als unerträglich erkennbar sein (MüKolnsO/Sinz Inso § 253 Rn. 66).

Vorliegend konnte die Kammer keinen besonders schweren Rechtsverstoß erkennen. Insbesondere weder die Ersetzung der Zustimmung der Gruppe der Aktionäre gem. § 245 InsO im Rahmen der Planbestätigung noch die Zugrundelegung der Unternehmensbewertungen von PwC und von E. St. lassen einen solche erkennen. Die von der Beschwerde im Rahmen ihres Schriftsatzes vom 22.10.2018 hierzu vorgebrachten Gründe greifen nicht durch:

a) Ob der Börsenwert der Aktien die Untergrenze der Bewertung darstellt, ist eine Rechtsfrage, die von zwei Gutachtern, denen das Amtsgericht gefolgt ist, verneint wurde. Zu dieser Frage der Unternehmensbewertung gibt es umfangreiche Gutachten des Sachwalters, der Schuldnerin und der Beschwerdeführer. Jedenfalls von zwei Gutachtern wurde der Aktienwert im Ergebnis mir 0,- bewertet. Dass das Amtsgericht dem gefolgt ist, ist nicht schon auf den ersten Blick grob rechtsfehlerhaft, wie es das Gesetz voraussetzen würde.

b) Zu Recht hat das Amtsgericht im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit im Insolvenzplanverfahren von der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens abgesehen, sich mit der sachlichen Richtigkeit der Gutachten auseinandergesetzt und ausführlich dargelegt, weshalb es in seiner Entscheidung den gutachterlichen Ausführungen von ... und E. St. folgt. Soweit die Beschwerdeführer die Auffassung vertreten, der behauptete Verstoß gegen das Schlechterstellungsverbot (§ 245 Abs. 3 Nr. 1 InsO) und den Grundsatz, dass kein Gläubiger wirtschaftliche Werte erhalte, die den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigen (§ 253 Abs. 3 Nr. 3 InsO), würde einen besonders schweren Rechtsverstoß i.S.d. § 253 Abs. 4 S. 2 InsO darstellen, dringen sie hiermit nicht durch. Es existierten hierzu ausführliche Gutachten des Sachwalters und der Schuldnerin. Die Rechtsverletzung ist insoweit ohne vertiefte Prüfung gerade nicht sofort als unerträglich erkennbar. Das Amtsgericht hat indes schlüssig dargelegt, weshalb die Angehörigen der Gruppe 5 der Aktionäre durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als ohne Plan, § 245 Abs. 1 Nr. 1 insO und dass die Gruppe 5 am wirtschaftlichen Wert angemessen beteiligt wird. Zutreffend hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat, § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Ebenso hat es zu Recht den Antrag des Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt Prof. Dr. Sch. auf Versagung der Planbestätigung zurückgewiesen, da nach der Überzeugung des Amtsgerichts eine Glaubhaftmachung der voraussichtlichen Schlechterstellung durch den Insolvenzplan nicht vorlag. Durch zwei Gutachten hat sich ergeben, dass der Aktienwert der Beschwerdeführer gleich Null ist. Insbesondere bei dem Gutachten von E. St. handelt es sich um ein vom Sachwalter beauftragtes unabhängiges Gutachten.

Aufgrund der Eilbedürftigkeit des Beschwerdeverfahrens waren die Gutachten vom Beschwerdegericht nicht ausführlich zu prüfen. Die Gutachten von ... und E. St. gelangen übereinstimmend auf einen wirtschaftlichen Wert je Aktie in Höhe von 0,- EUR. Laut den gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. Ha. verbleibe ein Wert je Aktie von 18,69 EUR.

Ob die gutachterlichen Ausführungen von Prof. Dr. Ha. zutreffend sind oder nicht, kann von der Kammer daher nicht abschließend beurteilt werden. Jedenfalls wird durch zwei ausführliche Gutachten dargelegt, der sich der Aktienwert auf Null beläuft. In dem Umstand, dass das Amtsgericht nach eigener Prüfung den Gutachten ... und von E. St. folgt, ist kein offensichtlicher besonders schwerer Rechtsverstoß zu erkennen. Insbesondere hat das Amtsgericht sich mit der sachlichen Richtigkeit der Gutachten auseinandergesetzt und ausführlich dargelegt, weshalb es seiner Entscheidung die gutachterlichen Ausführungen von ... und E. St. folge. Dieser Bewertung schließt sich die Kammer im Rahmen ihrer freien Überzeugung an. Ein gerichtliches Gutachten war auch deshalb nicht zu erholen, weil es dem Zweck des Freigabeverfahrens nach § 253 Abs. 3 InsO als Eilverfahren zuwider laufen würde. Die Beschwerdeführer hätten es ansonsten stets in der Hand, mit einem von ihnen beauftragen Parteigutachten eine Schlechterstellung und einen besonders schweren Rechtsverstoß zu behaupten und hierdurch einen sofortigen Vollzug des Insolvenzplans zu vereiteln. Zur Vermeidung einer „Sachverständigenschlacht“ dürfen die Voraussetzungen des § 245 InsO daher im Rahmen des Freigabeverfahrens nicht durch langwierige Sachverständigengutachten geprüft werden (Nerlich/Römermann § 245 InsO Rn 36).

c) Auch der Einwand, es hätten zu keinem Zeitpunkt Insolvenzgründe vorgelegen, geht im Hinblick auf den rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts über die Eröffnung des insolvenzverfahrens ins Leere. Die unter Ziffer II. des Schriftsatzes vom 22.10.2018 zum wiederholten Male vorgebrachten Behauptungen wurden schon im Insolvenzeröffnungsverfahren abschließend geprüft.

d) Auch die - nach dem Vortrag der Beschwerdeführer rechtswidrig - unterbliebene Vorlage an den EuGH stellt ersichtlich keinen schweren Rechtsverstoß nach § 253 Abs. 4 S. 2 InsO dar. Die Beschwerdeführer haben hierzu in ihrer Beschwerdeschrift vom 28.08.2018 selbst vorgetragen, dass „ein Teil“ der Fachliteratur die Rechtsansicht der Beschwerdeführer teilt (Beschwerde Seite 12 oben) und in der Fachliteratur „verbreitet die Auffassung vertreten“ wird, dass die Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2017/1132 für das Insolvenzplanverfahren keine Geltung beanspruchen könne (Beschwerde Seite 38 unten). Weshalb eine Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen zwingendes Europarecht greifbar rechtswidrig sein soll, wenn das Amtsgericht einer überwiegend vertretenen Rechtsauffassung folgt, ist für die Kammer schon nicht im Ansatz ersichtlich.

e) Das Amtsgericht hat den Vortrag der Beschwerdeführer in seiner Entscheidung ersichtlich berücksichtigt, weshalb ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht offensichtlich auf der Hand liegt. Der Insolvenzplan wurde vom Amtsgericht nach Anhörung der Schuldnerin, des Gläubigerausschusses und des Sachwalters bestätigt. Aus dem Umstand, dass den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist, folgt noch keine Parteiöffentlichkeit im Rahmen jeder einzelnen Ermittlung insbesondere bei der Befragung von Privatgutachtern. Dies wäre in Anbetracht der Zahl von Gläubigern und Aktionären auch faktisch kaum durchführbar.

f) Die im Schriftsatz vom 22. Oktober 2018 unter V. 2.- 7 gerügten Verstöße stellen im Wesentlichen - behauptete - Verfahrensverstöße dar, die möglicherweise zu einer Begründetheit der Beschwerde führen können, aber im Rahmen des beschleunigten Freigabeverfahrens nicht geprüft werden. Insoweit sind die Beschwerdeführer auf ihren Schadensersatzanspruch nach § 253 Abs. 4 S. 3 InsO zu verweisen. Verstöße denen der Makel der Rechtswidrigkeit auf den ersten Blick anhaftet, werden hier ersichtlich nicht gerügt.

Ein schwerer Regelverstoß i.S.v. § 253 Abs. 4 S. 2 InsO, der einer unverzüglichen Zurückweisung der Beschwerde entgegenstünde, ist damit im Ergebnis nicht erkennbar.

3. Vorrangigkeit des alsbaldigen Wirksamwerdens des Insolvenzplans

Das alsbaldige Wirksamwerden des Insolvenzplans erscheint vorliegend vorrangig, da die Kammer es für überwiegend wahrscheinlich hält, dass die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs nach freier Überzeugung des Gerichts die Nachteile für die Beschwerdeführer überwiegen. Das Beschwerdegericht hat hierbei auf Antrag nach § 253 Abs. 4 InsO die gegen den Bestätigungsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde selbst dann unverzüglich zurückzuweisen, wenn die Beschwerde zulässig und begründet ist (MüKolnsO/Sinz Inso § 253 Rn. 66 m.w.N.). Verfahrensfehler, die keinen besonders schweren Rechtsverstoß begründen, haben für die Abwägung der beiderseitigen keine Bedeutung, da diese ausschließlich nach wirtschaftlichen Kriterien zu erfolgen hat (MüKoInsO/Sinz Inso § 253 Rn. 70)

Bei dem Freigabeverfahren nach § 253 Abs. 3 InsO handelt es sich um ein Eilverfahren (MüKoInsO/Sinz Inso § 253 Rn, 66, Fischer, NZI 2013, 520). Bei der Prüfung des Antrags nach § 253 Abs. 4 InsO ist im Wege einer summarischen Prüfung eine Abwägung der wechselseitigen wirtschaftlichen Interessen vorzunehmen (BGH, Beschluss v. 17.09.2014, Az.: IX ZB 26/14). Nach der Gesetzesbegründung muss das Gericht das Aufschubinteresse der Beschwerdeführer gegen das in der Regel überwiegende Vollzugsinteresse der übrigen Beteiligten abwägen (Beschlussempfehlung RA, BT/Drucks. 17/7511, 36).

Auf Seiten der Beschwerdeführer sind alle Nachteile zu berücksichtigen, die ihnen entstehen, wenn der Plan vollzogen wird, sich später aber herausstellt, dass er nicht hätte vollzogen werden dürfen. Aus § 253 Abs. 2 Nr. 3 InsO ergibt sich, dass bei der Abwägung allein wirtschaftliche Nachteile der Beschwerdeführer maßgeblich sind. Bei der Interessenabwägung nach § 253 Absatz 4 S. 1 InsO ist im Übrigen zu Gunsten der Schuldnerin zu berücksichtigen, dass den Beschwerdeführern ein Schadensersatzanspruch gem. § 253 Absatz 4 S. 3 InsO zusteht, falls sich die Durchführung des Insolvenzplans als für sie wirtschaftlich nachteilig erweist (LG Berlin, Beschluss vom 20.10.2014, 51 T 696/14, NZI 2015, 66).

Bezüglich der Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs sind die Interessen aller Beteiligten in die Abwägung einzubeziehen, die durch einen Aufschub des Planvollzugs benachteiligt werden. Neben einer geringeren Planquote für die Insolvenzgläubiger und einem schlechteren Verwertungserlös für die Absonderungsberechtigten ist auch eine Verringerung des Fortführungswertes für den Schuldner als potentieller Nachteil zu berücksichtigen (K. Schmidt/Spliedt § 253 Rn, 17). So lange die im Plan vorgesehenen finanz- und leistungswirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen nicht umgesetzt werden können, besteht die Gefahr eines gänzlichen Scheiterns der Sanierung, wodurch auch die bei Vollzug des Plans möglicherweise gesicherten Arbeitsplätze gefährdet sind. In der Abwägung fällt besonders ins Gewicht, wenn es sich um irreversible Nachteile handelt (Burmeister/Schmidt-Hern in Kübler, HRI, § 43 Rn. 176).

Hierbei erfolgt die Interessenabwägung nach freier Überzeugung des Gerichts. Es genügt eine Glaubhaftmachung der entscheidungserheblichen Tatsachen gem. § 294 ZPO, ein Vollbeweis ist nicht notwendig (MüKo InsO/Sinz Inso § 253 Rn. 66). Der Antrag nach § 253 Abs. 4 S. 1 ist begründet, wenn das Gericht es für überwiegend wahrscheinlich hält, dass die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs für die vom Insolvenzplan Betroffenen größer sind als die wirtschaftlichen Nachteile für die Beschwerdeführer im Falle einer Aufrechterhaltung des Bestätigungsbeschlusses (MüKolnsO/Sinz Inso § 253 Rn. 66).

Der vorliegende Insolvenzplan sieht eine Sanierung vor, bei welcher eine 100 %-ige Befriedigung der Gläubiger erfolgen soll. Für den Fall eines weiteren Zuwartens über die Entscheidung der sofortigen Beschwerde ist zu erwarten, dass die Hauptgläubigerin ... S.a.r.l. das Insolvenzplanverfahren nicht mehr abwartend begleiten wird. Sämtliche Verpflichtungen aus der Verpflichtungserklärung sowie die Annahmeerklärung der ... S.a.r.l. werden gemäß der 2. Verpflichtungserklärung der ... S.a.r.l. am 30.11.2018 entfallen, sofern der Beschluss des Amtsgerichts über die Bestätigung des Insolvenzplans noch nicht rechtskräftig ist. Es steht seitens der Schuldnerin und der Gläubiger zu befürchten, dass die Hauptgläubigerin ihre an den wesentlichen operativen Tochter- und Enkelgesellschaften bestellten Pfandrechte selbstständig verwerten bzw. Ansprüche aus Garantieerklärungen der Tochter- und Enkelgesellschaften geltend machen wird. Im Fall einer derartigen Pfandrechtsverwertung durch die absonderungsberechtigte Hauptgläubigerin ... S.a.r.l. wäre kein Massezufluss möglich, da Gesellschaftsanteile keine beweglichen Sachen noch Forderungen im Sinne der §§ 166 ff InsO darstellen. Sofern es zur Geltendmachung der Haftung der Tochtergesellschaften aus den Garantieerklärungen kommen sollte, besteht die Gefahr der Insolvenz der Tochtergesellschaften. Die im Insolvenzplan vorgesehene Befriedigung der Gläubiger zu 100 % wäre im Falle des Regelinsolvenzverfahrens gefährdet.

Soweit im Schriftsatz der Beschwerdeführer vom 22.10.2018 ausgeführt wird, der Planvollzug wäre mit irreversiblen Nachteilen für die Anteilseigner verbunden (Schriftsatz Seite 36 ff,), beruht dies alleine auf der Annahme des Privatgutachtens Ha. Das Gericht ist diesem Gutachten aber gerade nicht gefolgt. Eine abschließende Bewertung ist im Rahmen des Eilverfahrens nicht möglich und auch nicht zulässig. Im Falle des Scheiterns des Insolvenzplans durch die drohende Verfahrensverzögerung wäre die zu erwartende Insolvenzquote aber vermutlich deutlich geringer als im Falle einer umgehenden Umsetzung mit einer Vollbefriedigung aller Gläubiger. Würde der absonderungsberechtige Gläubiger ... die Pfandverwertung an den operativen Gesellschaften der Insolvenzschuldnerin betreiben, würden die Aktionäre mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls keine Zahlungen auf ihre Anteile erhalten und diese gleichfalls vollständig verlieren.

Die Kammer berücksichtigt im Rahmen der Nachteilsabwägung auch, dass die Nachteile durch den Planvollzug auf Seiten der Beschwerdeführer über § 253 Abs. 4 S. 3 InsO ausgeglichen werden können, während die Nachteile im Falle des Aufschubs der Planumsetzung für die übrigen Beteiligten nicht mehr revisibel sein dürften.

Unter Abwägung der widerstreitenden Interessen hält es die Kammer vorliegend für überwiegend wahrscheinlich, dass die Nachteile einer Verzögerung des Planvollzugs für die vom Insolvenzplan Betroffenen größer sind als die wirtschaftlichen Nachteile für die Beschwerdeführer im Falle einer Aufrechterhaltung des Bestätigungsbeschlusses. Im Wege der summarischen Prüfung der Abwägung der wechselseitigen wirtschaftlichen Interessen hatte sich die Kammer auch - jenseits eines besonders schweren Rechtsverstoßes - nicht mit der Richtigkeit der im Verfahren eingereichten Gutachten zu beschäftigen. Die sofortige Beschwerde der Gläubiger war daher im Ergebnis nach § 253 Abs. 4 S. 1 InsO unverzüglich zurückzuweisen.

4. Eilbedürftigkeit

Ein weiteres Zuwarten über die Entscheidung der sofortigen Beschwerde war in Anbetracht der besonderen Eilbedürftigkeit nicht hinnehmbar. Die Beschwerdeführer haben in der Beschwerdebegründung vom 28.08.2018 und im Schriftsatz vom 22.10.2018 ausführlich zum beantragten Freigabeverfahren Stellung genommen. Im Hinblick auf den Ablauf der Verpflichtungserklärung zum 30.11.2018 und den damit verbundenen drohenden irreversiblen Nachteilen für die Gläubiger und Schuldnerin war eine weitere Anhörung vor Erlass dieser Entscheidung nicht geboten, zumal mit dem Erlass eines Beweisbeschlusses durch den Einzelrichter vom 29.10.2018 eine Verbescheidung des Antrags nach § 253 Abs. 4 S. 1 InsO offensichtlich nicht erfolgt war und dies auch für die Beschwerdeführer erkennbar sein musste. Ein Vertrauensschutz auf den Bestand der Entscheidung vom 29.10.2018 besteht daher nicht. Aus den gleichen Gründen war der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzulehnen.

5. Aufhebung des Beweisbeschlusses vom 29.10.2018

Der Beweisbeschluss vom 29.10.2018 war aufzuheben. Wegen des Eilcharakters des Freigabeverfahrens ist eine Beweiserhebung mittels nicht präsenter Beweismittel nicht statthaft. Zulässig wäre sie nur, wenn die Kammer den Antrag nach § 253 IV S. 1 InsO zurückgewiesen hätte.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 4 InsO in Verbindung mit § 97 ZPO.

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