Urteil vom Landgericht Münster - 2 O 260/02
Tenor
Der Beschluß des Landgerichts N2 vom 24.05.2002 wird aufgehoben.
Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung vom 23.05.2002 wird zurückgewiesen.
Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Verfügungskläger darf die Vollstreckung durch Sicher-heitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstre-ckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Verfügungsbeklag-te vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leis-tet.
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(T a t b e s t a n d :
2Die Parteien streiten um das Besitzrecht der hochträchtigten Stute R, einem ehemals sehr erfolgreichen Springpferd. Der Verfügungskläger ist Inhaber des größten Privatgestüts Europas in L (B). Der Verfügungsbeklagte ist der frühere Reiter der Stute R. Das Pferd befindet sich auf der Reitanlage des Verfügungsbeklagten in R1, welche durch Pachtvertrag vom 10.10.1996 an die B + T GmbH verpachtet wurde. Alleiniger Geschäftsführer der B + T GmbH ist der Verfügungsbeklagte.
3Die Stute wird voraussichtlich im Zeitraum zwischen dem 10.06.2002 und dem 25.06.2002 abfohlen.
4Am 23.11.1998 vereinbarte der Verfügungskläger mit der B + T GmbH, vertreten durch den Verfügungsbeklagten, R in B 1999 aus dem aktiven Sport zu verabschieden. Unter Ziffer 2 der Vereinbarung heißt es: "Herr N wird die Stute nur bis zum Jahre 2001 in der Zucht einsetzen, daß heißt mit Deckung bis spätestens Juli 2000" Ferner heißt es unter Ziffer 3 der Vereinbarung vom 23.11.1998: "In Abänderung der ursprünglichen Vereinbarung erhält L R nach dem Bedecken zurück in seinen Stall in R1."
5Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in Kopie zur Akte gereichte Vertragsurkunde vom 23.11.1998 Bezug genommen.
6In der Folgezeit fanden zwischen den Parteien noch weitere Gespräche im Hinblick auf die Zuchtplanung statt.
7Der Verfügungskläger übersandte dem Verfügungsbeklagten sodann ein Schreiben vom 10. Juli 2000. In diesem Schreiben heißt es unter anderem: "Es freut mich, daß wir bezüglich R endgültig Absprachen haben machen können. Ich will diese gerne wie folgt bestätigen. Wir werden R baldmöglich nach Z kommen lassen, um sie von A bedecken zu lassen. Sobald ihre Trächtigkeit feststeht, wird R zu deinem I2 gebracht werden und bei dir bleiben bis zu einem angemessenen Zeitpunkt bevor sie abfohlen wird. Dann kommt sie wieder nach Z zurück, wo wir sie anschließend noch einmal bedecken lassen." Das Schreiben hat der Verfügungsbeklagte mit folgenden handschriftlichen Zusatz versehen: "P. S. Während der zweiten Trächtigkeit kommt R nochmal für eine Zeit nach R1 (nach Absprache)." Diesen handschriftlichen Zusatz hat der Verfügungsbeklagte unterzeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das in Kopie zur Akte gereichte Schreiben vom 10.07.2000 Bezug genommen.
8Im April 2002 meldete sich der Verfügungskläger telefonisch beim Verfügungsbeklagten und fragte an, ob er R abholen solle oder der Verfügungsbeklagte R nach B zum Abfohlen bringen werde. Der Verfügungsbeklagte verweigerte die Herausgabe des Pferdes mit der Begründung, daß eine Verbringung des Tieres nach B zu diesem späten Zeitpunkt zu gefährlich sei. Mit Fax vom 02.05.2002 bat der Verfügungskläger den Verfügungsbeklagten um Bestätigung, daß R aufgrund der Vereinbarung vom 10.07.2000 in der zweiten Maiwoche zum Abfohlen auf dem Gestüt Z in B abgeholt werden kann oder vom Verfügungsbeklagten nach Z gebracht wird. Mit Schreiben vom 06.05.2002 der B + T GmbH verweigerte der Verfügungsbeklagte unter Bezugnahme auf das Fax des Verführungsklägers vom 02.05.2002 die Herausgabe des Pferdes. In dem Schreiben heißt es unter anderem: "Hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, daß R weder nach Z gebracht noch abgeholt werden soll, sondern hier in R1 bleibt."
9Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das in Kopie zur Akte gereichte Schreiben vom 06.05.2002 Bezug genommen.
10Der Verfügungskläger verlangt nunmehr von dem Verfügungsbeklagten die Herausgabe der Stute R. Das Pferd soll entsprechend der Vereinbarung vom 10.07.2000 auf dem Gestüt Z abfohlen und sodann soll die erste Empfängnisbereitschaft ca. 8 Tage nach dem Abfohlen zur weiteren Bedeckung des Pferdes ausgenutzt werden. Auf dem Gestüt des Verfügungsklägers wird das Verfahren einer Endoskopbefruchtung praktiziert, welches gute Chancen für eine erneute Trächtigkeit eröffnet.
11Der Verfügungskläger behauptet, der Transport der Stute R nach B sei mit keinerlei Gefahren für das Pferd verbunden.
12Weiterhin behauptet der Verfügungskläger, das noch ungeborene Fohlen habe aufgrund der außergewöhnlich erfolgreichen Stute bereits jetzt einen Wert von mindestens 250.000,- €, da es sich um eine absolute Rarität handele.
13Durch Beschluß vom 24.05.2002 hat das erkennende Gericht auf Antrag des Verfügungsklägers vom 23.05.2002 dem Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung ohne vorherige mündliche Verhandlung aufgegeben, das streitgegenständliche Pferd R herauszugeben. Dagegen hat der Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 24.05.2002, bei Gericht eingegangen am 27.05.2002, Widerspruch eingelegt.
14Der Verfügungskläger beantragt nunmehr,
15die einstweilige Verfügung des Landgerichts N2 vom 24.05.2002 zu bestätigen.
16Der Verfügungsbeklagte beantragt,
17den Beschluß des Landgerichts N2 vom 24.05.2002 aufzuheben und den Antag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung vom 23.05.2002 zurückzuweisen.
18Der Verfügungsbeklagte behauptet unter Berufung auf schriftliche Stellungnahmen des Herrn Dr. u der Tierärztlichen Klinik für Pferde in U vom 28.05.2002, des Herrn Dr. Q vom 24.05.2002, des Herrn Prof. Dr. U2 der Klinik für Pferde der tierärztlichen Hochschule I vom 27.05.2002 sowie des Kreiskommunaltierarztes Dr. G vom 29.05.2002, die Stute R sei nicht mehr transportfähig. Ein Transport der hochtragenden Stute nach Z habe lebensbedrohliche Konsequenzen und sei aus tierschützerischer Sicht nicht zu verantworten.
19Ferner behauptet der Verfügungsbeklagte der Wert des zu erwartenden Fohlens sei mit 250.000,- € als völlig überhöht anzugeben. Durch Angabe dieses völlig überhöhten Wertes habe der Verfügungskläger lediglich einer nicht bestehenden Eilbedürftigkeit Nachdruck verleihen wollen.
20Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des vom Verfügungskläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Zeugen D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 29.05.2002 Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
22Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet. Der Verfügungskläger hat einen Verfügungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht.
23Zwar war der Verfügungsbeklagte aufgrund der Vereinbarung vom 10.07.2000 verpflichtet, die Stute R zum Zwecke des Abfohlens in Z an den Verfügungskläger herauszugeben. Eine Erfüllung des Herausgabeanspruchs kommt jedoch aus tierschutzrechtlichen Gründen nicht in Betracht.
24Der Verfügungsbeklagte hat zur Überzeugung des Gerichts hinreichend glaubhaft gemacht, daß der Transport der Stute R über eine Entfernung von ca. 300 Kilometern mit erheblichen Gefahren für Stute und Fohlen verbunden ist.
25Der Gesetzgeber hat durch die Einführung der Vorschriften der §§ 903 Satz 2, 90 a BGB sowie das §§ 765 a Abs. 1 Satz 3 ZPO zu erkennen gegeben, daß die Ausübung eigentumsrechtlicher Befugnisse beschränkt wird durch tierschutzrechtliche Vorschriften. Insbesondere vor dem Hintergrund, daß der Tierschutz nunmehr auch Verfassungsrang erlangt, kann nichts anderes gelten für die Ausübung besitzrechtlicher Ansprüche sowie vertraglicher Herausgabeansprüche betreffend Tiere.
26Die Stellungnahmen des Herrn Prof. Dr. U2 vom 27.05.2002 und des Dr. Q vom 24.05.2002 haben lediglich einen eingeschränkten Beweiswert, da beide Tiermediziner die Stute nicht persönlich untersucht haben. Beiden Stellungnahmen läßt sich jedoch zumindest entnehmen, daß der Transport der hochtragenden Stute mit erheblichem Streß für das Tier verbunden ist, welcher in letzter Konsequenz die Gefahr einer Verfohlung und damit des Todes des Fohlens in sich trägt.
27Die Stute wurde durch den Leiter der internistischen Abteilung der Tierärztlichen Klinik für Pferde in U, Herrn Dr. O, am 22.05.2002 untersucht. Herr Dr. O, an dessen Sachkunde das Gericht keinen Zweifel hat, hat unter anderem eine leichte Öffnung des Zervikalkanals diagnostiziert. Beruhend auf dieser Diagnose hat Herr Dr. T2 eine kurzfristig eintretende Geburt in Folge der leichten Öffnung des Zervikalkanals als möglich angesehen. Zwar hat er ausgeführt, daß sich die Zervix auch wieder schließen kann. Gleichwohl sieht er es als notwendig an, jede Form von Streß wie Stallumstellung, Transport sowie Zuordnung zu einer anderen Pferdegruppe zu vermeiden. Einen Transport hält er medizinisch und tierschützerisch in diesem spezifischen Zustand für Stute und Fohlen für unverantwortlich. Diese Einschätzung wird bestätigt durch den Kreiskommunaltierarzt des Kreises T3 Dr. G. Dieser hat das Tier am 28.05.2002 in Augenschein genommen. Er hat bestätigt, daß aufgrund der Untersuchungsergebnisse des Herrn Dr. O vom 22.05.2002 eine kurzfristig eintretende Geburt möglich ist und die Stute zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr transportiert werden sollte.
28Zwar hat der Zeuge D in seiner Vernehmung ausgesagt, daß er davon ausgehe, daß sich die Zervix wieder geschlossen habe, da es noch nicht zur Geburt des Fohlens gekommen sei. Er hat aber zugleich eingeräumt, daß er dies erst sicher nach einer neuen Untersuchung feststellen könne. Der Zeuge D hat bestätigt, daß im Falle der von Herrn Dr. O diagnostizierten Öffnung des Zervikalkanals ein Transport der Stute aus medizinischer Sicht nicht in Betracht kommt. Hierfür müssten sämtliche medizinische Parameter in Ordnung sein.
29Im Hinblick auf den zu erwartenden Streß für das Tier hat der Zeuge D erklärt, daß R Transporte aufgrund ihrer sportlichen Karriere gewohnt sei. In Folge dieser Erfahrung sei der Transport nicht mit viel Streß für das Pferd verbunden.
30An dieser Einschätzung hat das Gericht zumindest deshalb Zweifel, weil R zwar schon vielfach über weite Strecken transportiert wurde, nicht jedoch in hochträchtigem Zustand.
31Im Rahmen der Beweiswürdigung ist ferner zu beachten, daß der Zeuge D die Stute R nicht persönlich untersucht hat. Er hat seiner Einschätzung zur Transportfähigkeit des Tieres daher ausdrücklich auch immer unter den Vorbehalt einer zuvor erforderlichen Untersuchung gestellt.
32Schließlich geht der Verfügungskläger in seiner Antragsschrift vom 23.05.2002 selbst davon aus, daß es sich aufgrund des bereits fortgeschrittenen Alters der Stute um eine Risikoträchtigkeit handelt, bei der es zu erheblichen Komplikationen während der Geburt kommen kann. Auch vor diesem Hintergrund ist es als hinreichend glaubhaft anzusehen, daß die Stute R zum jetzigen Zeitpunkt nicht transportfähig ist.
33Da eine frühzeitige Geburt des Fohlens während des Transports nicht ausgeschlossen werden kann, ist ein solcher Transport zudem bereits gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 der Tierschutztransportverordnung unzulässig.
34Auch eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter führt dazu, daß dem Tierschutz Vorrang zu gewähren ist. Entgegen den Behauptungen in der Antragsschrift vom 23.05.2002 hat der Verfügungskläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich erklärt, daß die Fachkenntnis auf dem Gestüt des Verfügungsbeklagten nicht bestritten werde. Der Verfügungskläger hat erklärt, daß er glaube, es seien gute Leute vor Ort. Mithin ist entgegen den Ausführungen in der Antragsschrift nicht davon auszugehen, daß eine sachgerechte Geburtshilfe durch spezialisierte Fachkräfte auf dem Gestüt des Verfügungsbeklagten nicht möglich ist. Letztlich verbleibt lediglich das Interesse des Verfügungsklägers an einer neuen Trächtigkeit der Stute, die sieben bis acht Tage nach dem Abfohlen mit hoher Wahrscheinlichkeit herbeigeführt werden kann. Dieses Interesse hat jedoch hinter der Gesundheit des Pferdes und des noch ungeborenen Fohlens zurückzustehen.
35Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.
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