Beschluss vom Landgericht Münster - 5 T 771/02
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewie-sen.
Wert: 185,01 EUR.
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G r ü n d e :
2Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 02.05.02, AZ: 02-2138732-0-1 wegen einer Hauptforderung i.H.v. 185,01 EUR nebst Zinsen und Kosten. Auf Antrag der Gläubigerin hatte das Amtsgericht am 05.08.02 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, durch den Ansprüche des Schuldners gegen die im Rubrum aufgeführten Drittschuldner gepfändet wurde, und zwar
3hinsichtlich des Drittschuldners zu 2)
4auf Erstattung der Einkommens- und Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag für die abgelaufenen Kalenderjahre 1999, 2000 und 2001, sowie
5hinsichtlich der Drittschuldnerin zu 3)
6alle angeblichen gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners aus bestehenden Verträgen (Giro-, Festgeld, Spar-, Kredit-, Termingeld- und Treuhandverträgen), insbesondere betreffend das Girokonto des Schuldners Nr. 28816300.
7Hinsichtlich der Drittschuldnerin zu 2)
8hat die Gläubigerin gleichzeitig den Erlass einer Herausgabeanordnung nach § 836 Abs. 3 ZPO begehrt, wonach der Schuldner verpflichtet werden sollte, die Lohnsteuerkarten, Urkunden über Kapitalerträge, Urkunden über Lohnersatzleistungen sowie Zahlungsbelege über evtl. Werbungskosten und Sonderausgaben des Schuldners in den genannten Veranlagungszeiträumen wie Prämienrechnungen von Versicherungen, Spenden, Mitgliederbeiträge, Krankheits- und Kurkosten, Steuerberatungskosten, Kinderbetreuungskosten, Unterstützungsleistungen für bedürfige Personen, Unterhaltszahlungen an getrenntlebende oder geschiedene Ehegatten bzw. Kinder, Berufs- oder Weiterbildungskosten, an den Gläubiger bzw. den Gerichtsvollzieher herauszugeben.
9Hinsichtlich der Drittschuldnerin 3)
10hat die Gläubigerin beantragt, anzuordnen, dass die Pfändung sich auch beziehe auf Ansprüche aus zu Gunsten des Schuldners bestehenden Kreditverträgen, Kreditzusagen bzw. Kreditversprechen (= Anspruch auf Kreditgewährung) insbesondere auf Auszahlung von Kreditmitteln (= Anspruch auf Abruf des Kredites und Anspruch auf den durch Abruf entstehenden Zahlungsanspruch).
11Im gleichzeitig mit dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassenen angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht es abgelehnt, die hinsichtlich der Drittschuldnerin zu 2) begehrte Herausgabeanordnung nach § 836 Abs. 3 ZPO zu erlassen. Hinsichtlich der Drittschuldnerin zu 3) hat das Amtsgericht es im angefochtenen Beschluss gleichzeitig abgelehnt, wegen angeblicher Ansprüche des Schuldners aus zu seinen Gunsten bestehenden Kreditverträgen Ansprüche aus Kreditzusagen bzw. Kreditversprechen sowie auf Abruf eines Kredits zu pfänden. Das Amtsgericht hat den Anspruch auf Herausgabe der Lohnsteuerkarte und sonstigen Steuerbelege für nicht pfändbar gehalten, da die Gläubigerin nicht am Steuerfestsetzungsverfahren beteiligt sei. Die Gläubigerin kann ebenso aber auch nicht vom Schuldner nach § 836 Abs. 3 ZPO die Herausgabe dieser Beweismittel des Steuerfestsetzungsverfahrens verlangen (Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rnr. 389).
12Hinsichtlich der Drittschuldnerin zu 3) hat das Amtsgericht ausgeführt, dass der Anspruch aus Kreditzusagen bzw. Kreditversprechen sowie der Anspruch auf Abrufung eines Kredits nicht pfändbar sei, da der Abschluss des entsprechenden Rechtsgeschäfts ein höchstpersönliches Recht des Schuldners sei (Stöber, Forderungspfändung, 13. Aufl., Rnr. 116).
13Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde, welche als Durchsgriffserinnerung nach § 11 Abs. 2 RpflG zulässig ist und mit der die Gläubigerin weiterhin auch die Pfändung der oben beschriebenen Ansprüche bzw. den Erlass der Herausgabeanordnung begehrt, hat keinen Erfolg.
14I. Herausgabe der Lohnsteuerkarte und der sonstigen Steuerbelege:
15Die Frage, ob bei Pfändung eines angeblichen Steuererstattungsanspruchs eines Schuldners beim Finanzamt vom Schuldner die Herausgabe der Lohnsteuerkarte gem. § 836 Abs. 3 ZPO verlangt werden kann, ist in der Rechtsprechung seit langem streitig. Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 18.08.1998 hat sich die Kammer nunmehr nach ständiger Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 10.02.2000, 5 T 99/00) auf den Standpunkt gestellt, dass die Herausgabe der Lohnsteuerkarte durch den Schuldner an den Gläubiger nicht mehr verlangt werden kann. Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes ist der Pfändungsgläubiger eines Lohnsteuererstattungsanspruchs nicht berechtigt, durch Abgabe einer von ihm selbst oder seinem Bevollmächtigten für den Vollstreckungsschuldner ausgefertigten oder unterschriebenen Einkommenssteuererklärung für diesen die Veranlagung zur Einkommenssteuer zu beantragen. Der Bundesfinanzhof führt unter anderem aus, dass das Recht zur Abgabe einer Einkommenssteuererklärung, die verfahrensrechtlich mit dem Antrag auf Veranlagung zu einer Rechtshandlung zusammengefasst ist, ein höchstpersönliches steuerliches Gestaltungsrecht darstellt, in das einzugreifen der Pfändungsgläubiger nicht befugt ist. Wenn aber der Pfändungsgläubiger den Antrag auf Steuererstattung nicht selbst stellen kann, besteht auch kein Anspruch, die Lohnsteuerkarte vom Schuldner herauszuverlangen. Gleiches muss auch für die im vorliegenden Fall zusätzlich von der Gläubigerin herausverlangten Steuerbelege über steuermindernde Werbunskosten und Sonderausgaben gelten.
16Das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Argument, sie beabsichtige nicht, anstelle des Schuldners einen Steuererstattungsanspruch zu stellen, sondern wolle erreichen, dass sie durch die Herausgabe der genannten Urkunden und Belege in die Lage versetzt werde, für den Schuldner die Steuererklärung zu fertigen, um so dann den Schuldner den Steuererstattungsanspruch durch Unterschrift unter die Steuererklärung stellen zu lassen bzw, den Schuldner notfalls im Wege der Klage dazu zu zwingen, kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Die Gläubigerin will nicht die Herausgabe der Urkunden und Belege angeordnet wissen, um den gepfändeten angeblichen Steuererstattungsanspruch urkundlich zu belegen, wie es bei einem Sparbuch, dem typischen Fall einer Urkunde i.S.d. § 836 Abs. 3 ZPO, der Fall ist, sondern will die Herausgabe der Belege, um ein Verfahren vorzubereiten, durch das der Schuldner gezwungen werden soll, ein höchstpersönliches Recht im Interesse des Gläubigers geltend zu machen, nämlich die Stellung des Erstattungsanspruchs gegenüber dem Finanzamt. Dies ist nicht Sinn und Zweck des § 836 Abs. 3 ZPO. Die Vorschrift will zwar einem Gläubiger den direkten Zugriff auf die von ihm gepfändete Forderung erleichtern und soll den Gläubiger in die Lage versetzen, Art und Höhe der ihm überwiesenen Forderung schnell und zutreffend bestimmen zu können, sie stützt jedoch nicht das Begehren der Gläubigerin, ein anderes Verfahren zu ermöglichen, durch den ein Schuldner zur Aufgabe eines höchstpersönlichen Rechtes gezwungen werden soll. Der Bundesfinanzhof hat in seiner oben genannten Entscheidung ausdrücklich offengelassen, ob ein Gläubiger evtl. auf zivilrechtlichem Wege den Schuldner verpflichten kann, seinerseits den Anspruch auf Steuererstattung zu stellen, etwa als Nebenpflicht zur Pflicht zur Erfüllung des titulierten Anspruchs. Es muss daher auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Gläubigerin dabei verbleiben, dass die Gläubigerin den Steuererstattungsanspruch selbst nicht geltend machen kann und dafür auch nicht die Lohnsteuerkarte sowie die übrigen verlangten Belege benötigt.
17II. Pfändung der offenen Kreditlinie:
18Die Gläubigerin beruft sich in ihrer Beschwerde zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.03.2001 (Rpfl. 01, S. 357). In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof grundsätzlich die "Ansprüche des Bankkunden gegen das Kreditinstitut aus einem vereinbarten Dispositionskredit" für pfändbar erklärt, aber ausdrücklich nur, "soweit der Kunde den Kredit in Anspruch nimmt". Der Bundesgerichtshof ist auf die Frage, ob das Recht eines Vollstreckungsschuldners auf "Abruf" eines ihm eingeräumten Dispositionskredits pfändbar ist, nicht eingegangen, sondern hat eingangs der Beschlussgründe ausdrücklich ausgeführt, dass viel für die Annahme spreche, dass bei einem derartigen Dispositionskredit bis zum jeweiligen Abruf noch kein Anspruch gegen die Bank bestehe, der einem Abtretungsempfänger oder Pfändungsgläubiger das Recht geben könnte, sich ohne Mitwirkung des Kontoinhabers die für diesen bereit gestellten Kreditmittel auszahlen zu lassen. Der BGH hat weiter ausgeführt, dass aus diesem Grunde im Schrifttum auch überwiegend angenommen werde, dass das Recht zum Abruf eines Dispositionskredits weder selbständig pfändbar sei noch dieses Recht von der Pfändung des Auszahlungsanspruchs erfaßt werde. Eine Pflicht zur Auszahlung des Kredits durch die Bank und somit ein pfändbares Recht des Schuldners besteht lediglich dann, wenn der Kunde den Kredit in Anspruch nimmt, etwa durch Tätigung einer Überweisung oder einer Barabhebung bei debitorischem Konto. Von diesen Grundsätzen ist auch zu Recht das Amtsgericht ausgegangen, denn es hat gepfändet "die Ansprüche aus zu seinen Gunsten bestehenden Kreditverträgen, insbesondere auf Auszahlung von Kreditmitteln und den Anspruch auf den durch Abruf entstehenden Zahlungsanspruch", nicht aber etwaige Ansprüche des Schuldners gegen die Bank aus Kreditzusagen bzw. Kreditversprechen und Ansprüche auf Abruf eines Dispositionskredites. Diese etwaigen Ansprüche sind zu Recht nicht mitgepfändet worden, denn die Entscheidung eines Bankkunden, einen für den Fall des Abrufs zugesagten Kredit überhaupt in Anspruch nehmen zu wollen, ist eine höchstpersönliche Entscheidung, in die ein Gläubiger auch im Wege der Pfändung nicht eingreifen kann. Erst wenn, wie im Falle des BGH, der Vollstreckungsschuldner den Kredit in Anspruch nimmt, realisiert sich der pfändbare Anspruch des Schuldners, so dass in diesem Moment die Pfändung greifen kann. Wäre der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, wie von der Gläubigerin beantragt, erlassen, würde die Gläubigerin die Möglichkeit haben, einen dem Schuldner eingeräumten Dispositionskredit selbst abzuschöpfen ohne Mitwirkung des Schuldners. Dies hält offenbar auch der Bundesgerichtshof für unzulässig.
19Nach alledem war die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
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