Urteil vom Landgericht Münster - 14 O 491/05
Tenor
Das Versäumnisurteil vom 6. Februar 2007 wird aufrechterhalten mit der Maßgabe, dass sich die Vollstreckbarkeit nach diesem Urteil richtet.
Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger, ein Landwirt, nimmt die Beklagten wegen behaupteter Schlechtberatung und behaupteter unterlassener Aufklärung über verdeckte interne Provision (sogenannte Kick-Back-Zahlungen) aus einer Anlageberatung in Anspruch.
3Am 28.04.2000 begab sich der Kläger in die Geschäftsräume der Beklagten zu 1. Er wollte einen Geldbetrag, der sich auf einem Festgeldkonto befand, anlegen. Zu diesem Zweck wurde er von den Zeugen O und U beraten. Das vom Kläger geäußerte Anlageziel und der Inhalt des Beratungsgesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger investierte 200.000,00 DM, sowie weitere 100.000,00 DM in DEKA-Bank Sparkassenfonds. Am 04.09.2000 kam es zur Investition weiterer 100.000,00 DM in die entsprechenden Fonds. Im Folgenden verloren die Fonds an Wert.
4Der Kläger behauptet, er habe bei der Erstberatung am 28.04.2004 zum Ausdruck gebracht, dass er das Geld risikolos anlegen wolle. Hintergrund sei die Tatsache gewesen, dass er einen Kredit zur Finanzierung einer Windkraftanlage aufgenommen habe, den er mit diesem Geld später habe ablösen wollen.
5Des Weiteren behauptet der Kläger, die Beklagte zu 1. habe sich von den Fondgesellschaften Rückvergütungen versprechen lassen (sogenannte "Kick-Back-Provisionen"), die dem Kläger gegenüber nicht offengelegt worden seien. Die unterlassene Information sei vorsätzlich geschehen.
6Der Kläger hat ursprünglich beantragt:
71.
8Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 204.516,75 (DM 400.000,-) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2000 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Inhalte der Depots Wachstum xxxxxxx.xxx und Chance xxxxxxx.xxx bei der Deka-Bank M. auf die leistende Beklagte.
92.
10Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm entstanden ist oder noch entstehen wird im Zusammenhang mit den Geschäftsbeziehungen der Parteien und zur Deka-Bank M..
113.
12Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten hinsichtlich der Übertragung der unter Ziff. 1. bezeichneten Depotinhalte in Annahmeverzug befinden.
13Die Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 2. haben ursprünglich beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Im Termin vom 06.02.2007 ist ein Versäumnisurteil gegen den Kläger ergangen, mit dem die Klage zurückgewiesen worden ist.
16Das Versäumnisurteil wurde dem Kläger am 14.02.2007 zugestellt. Er hat Einspruch eingelegt, der bei Gericht am 27.02.2007 einging.
17Mit Schriftsatz vom 16.07.2007 hat der Kläger die Klage erweitert gegenüber der ehemaligen Beklagten zu 3, der J GmbH. Die Klageerweiterungsschrift konnte vor dem Verhandlungstermin und vor dieser Entscheidung der Beklagten zu 3. nicht zugestellt werden. Der Rechtsstreit ist deshalb im Hinblick auf die ehemalige Beklagte zu 3. mit Beschluss vom 24.07.2007 abgetrennt worden zur getrennten Verhandlung und Entscheidung (AZ: xx O xxx/xx).
18Der Kläger beantragt nunmehr:
191.
20Das Versäumnisurteil wird aufgehoben.
212.
22Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 204.516,75 (DM 400.000,-)
23nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.04.2000 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Inhalte der Depots Wachstum xxxxxxx.xxx und Chance
24xxxxxxx.xxx bei der Deka-Bank M. auf die leistende Beklagte.
253.
26Es wird festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihm entstanden ist oder noch entstehen wird im Zusammenhang mit den Geschäftsbeziehungen der Parteien und zur Deka-Bank M..
274.
28Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten hinsichtlich der Übertragung der unter Ziff. 1. bezeichneten Depotinhalte in Annahmeverzug befinden.
29Die Beklagten zu 1. und 2. beantragen,
30das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten und dem Kläger die weiteren Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
31Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.
32Im Übrigen behaupten sie, dem Kläger seien am 28.04.2000 festverzinsliche Papiere angeboten worden, was er aber wegen zu geringer Zinsen abgelehnt habe. Er habe Aktien erwerben wollen wegen der höheren Rendite. Zur Risikominimierung habe man ihm dann einen Fond empfohlen statt einer Direktinvestition in Aktien. Über die Kauf- und Bestandsprovisionen sei der Kläger vollständig aufgeklärt worden.
33Im Hinblick auf die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu Protokoll gegebenen Erklärungen Bezug genommen.
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
35Das die Klage abweisende Versäumnisurteil war aufrechtzuerhalten.
36Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Zahlungsanspruch gegenüber den Beklagten.
37Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen Falschberatung gegen die Beklagte. Ob der Kläger von den Mitarbeitern der Beklagten zu 1.fehlerhaft beraten wurde, insbesondere ihm gegenüber behauptet wurde, die Geldanlage in DEKA-Fonds sei risikolos, kann dahinstehen. Denkbare Ansprüche sind jedenfalls verjährt und die Beklagten haben sich auf Verjährung berufen. Etwaige Ansprüche unterfallen der dreijährigen Verjährungsfrist gemäss § 37 a WpHG. Die dreijährige Verjährungsfrist dieser Vorschrift beginnt mit Schadenseintritt, also dem Erwerb der Fondanteile am 28.04. und 04.09.2000. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Schadenseintritt nicht erst in den späteren Kursverlusten zu sehen (so BGH, Urteil vom 08. März 2005 XX ZR xxx/xx JURIS). Auch ein etwaiger deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 31 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WpHG wegen fahrlässiger Beratungspflichtverletzung unterliegt der Verjährungsregelung des § 37 a WpHG (vgl. BGH a.a.O. mit ausführlicher Begründung nach dem Gesetzeszweck). Die Frist, die spätestens mit der letzten Investition am 04.09.2000 zu laufen begann, lief damit Ende 2003 ab. Da der Mahnbescheid erst Ende 2004 beantragt wurde, sind etwaige Ansprüche des Klägers aus fahrlässiger Falschberatung damit verjährt.
38Dem Kläger stehen gegen die Beklagten auch keine Ansprüche aus unerlaubter Handlung wegen vorsätzlicher Beratungspflichtverletzung bzw. arglistiger Täuschung zu, die von einer Verjährung nach § 37 a WpHG unberührt bleiben. Dass die Mitarbeiter der Beklagten zu 1. den Kläger vorsätzlich dahingehend falsch beraten haben, eine Investition in Deka-Fonds sei risikolos, ist schon nicht vorgetragen worden.
39Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch wegen des behaupteten vorsätzlichen Verschweigens von Innenprovisionen (sogenannten Kick-Back-Provisionen). Ob es solche Vereinbarungen über verdeckte Innenprovisionen überhaupt gab, was die Beklagten vehement bestreiten und die Ansicht vertreten, der Kläger habe eine solche Vereinbarung noch nicht einmal substantiiert vorgetragen, kann im vorliegenden Fall dahinstehen. Voraussetzung für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist, dass die unterbliebene Aufklärung des Klägers über die behaupteten Innenprovisionen ursächlich für einen etwaigen Schaden gewesen sind. Der geschädigte Anleger ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er bei richtiger Beratung über Innenprovisionen den Geschäftskontakt abgebrochen hätte (BGH Urteil vom 19.12.2006, XX ZR xx/xx Rdz. 27 JURIS). Ein Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung setzt stets voraus, dass der Schaden auf das schädigende Ereignis zurückzuführen ist, also im vorliegenden Fall nicht eingetreten wäre, wenn die Beklagten den Kläger zutreffend über die behaupteten Innenprovisionen aufgeklärt hätten (BGH Urteil vom 19.12.2000 XX ZR xxx/xx Rdz. 19 JURIS). Ebenfalls kann hier im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob es eine tatsächliche Vermutung dahingehend geben kann, dass ein Anleger, der über derartige Innenprovisionen informiert wird, regelmäßig den Geschäftskontakt zu einem derartigen Anlagevermittler/Bank abbricht und anderweitige Investitionen tätigt. Denn das Gericht hat im vorliegenden Fall aufgrund der Einlassung des Klägers im Verhandlungstermin keinen Zweifel daran, dass er in die streitgegenständlichen Fonds auch dann investiert hätte, wenn er über eventuelle Innenprovisionen zwischen der Bekl. zu 1) und der Fondgesellschaft oder der Bekl. zu 2) aufgeklärt worden wäre. Der Kläger hat bei seiner Anhörung im Verhandlungstermin vom 05.09.2006 in erstaunlicher Offenheit eingeräumt, sich für den Inhalt des Beratungsgespräches nicht besonders interessiert zu haben. Vielmehr habe er dem Herrn O vertraut. Selbst seinem eigenen Anwalt, den er wegen der Einräumung einer Sicherheit auf seinem Grundstück aufgesucht habe, habe er "gar nicht richtig zugehört". Er habe ihm gesagt, er bräuchte ihm dazu gar nichts zu erzählen. Er habe Herrn O vertraut und geglaubt. Auch im Hinblick auf Kosten und Provisionen war der Kläger seiner eigenen Einlassung nach uninteressiert. Erst der Steuerberater habe ihn später darauf aufmerksam gemacht, dass die Bank relativ hohe Gebühren für die Verwaltung des Fonds nehme, der ständig Verluste mache. Er selbst müsse gestehen, dass er die Formulare gar nicht so lesen könne, dass er die Zusammenhänge diesbezüglich verstehe. Auch bei der Nachinvestition der weiteren 100.000,00 DM am 04.09.2000 hat er sich für die Kosten nicht interessiert gezeigt. Er hat erklärt, der Zeuge U habe ihm gesagt, man verzichte auf irgendwelche Prozente. Es solle jedenfalls für ihn billiger werden. So richtig habe er nicht hingehört.
40Die innere Einstellung des Klägers, die dieser offenbarte, ist auch lebensnah. Ein normaler Anleger, der Kapital investiert, ist in erster Linie daran interessiert, wie sich die Kapitalanlage im Ergebnis entwickelt und ob sie die erhoffte Rendite abwirft. Da kann es einem Anleger durchaus egal sein, welche Kosten durch welche Vorgänge entstehen, wenn das Ergebnis der Kapitalanlage trotzdem lukrativ ist. Dem Kläger war die Belastung der Kapitalanlage durch Gebühren oder Provisionen offensichtlich egal. Lediglich das Anlageergebnis war ihm nicht egal und hat ihn enttäuscht. So hatte er ebenfalls sehr lebensnah im Termin vom 05.09.2006 erklärt, im Ergebnis sei es nicht so gelaufen, wie er es sich vorgestellt habe. Er sei deswegen auch in der Bank gewesen und habe dem Herrn O seine Meinung in deutlicher Form gesagt.
41Diese innere Einstellung des Klägers ist auch bei seiner erneuten Anhörung im Verhandlungstermin vom 24.07.2007 zum Ausdruck gebracht. Den "Provisionsverzicht" der Beklagten zu 1. hinsichtlich der am 04.09.2000 investierten weiteren 100.000,00 DM hat der Kläger so verstanden, dass es für ihn "etwas billiger" werden solle. Er habe alles glauben müssen, was "die Kerle" ihm erzählen. Als Bauer sei er darauf angewiesen gewesen, den Leuten zu glauben. Dies zeigt, dass der Kläger sich für Einzelheiten gerade nicht interessierte, da er meinte, diese auch nicht nachvollziehen zu können. Unter diesen Umständen steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass er an seine Anlageentscheidung auch festgehalten hätte, wenn er über die behaupteten internen Rückvergütungen aufgeklärt worden wäre. Zwar hat der Kläger auf die ausdrückliche abschließende Frage, ob er sich nach einer entsprechenden Aufklärung anders verhalten hätte, erklärt, er hätte dann das Geld nicht in DEKA-Fonds angelegt, sondern in die Windkraftanlage investiert. Diese Äußerung glaubt das Gericht dem Kläger aber nicht und hält es für eine rein prozesstaktische Aussage. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger wegen dieser (behaupteten) internen Rückvergütungen das auf einer steuerlichen Beratung basierende Konzept der Kreditfinanzierung der Windkraftanlage und Investitionen des eigenen Geldes vollständig umgestoßen hätte. Dafür gab es auch gar keinen Anlass. Ein kritischer Anleger hätte höchstens überlegt, den Anlageberater zu wechseln, wenn eine interne Gebühren-Rückvergütung ihn an der Unbefangenheit des Beraters zweifeln ließe oder eine gänzlich andere Anlageform zu suchen. Die Reaktion des Klägers offenbart vielmehr, dass er die risikoreiche Investition in Aktien-Fonds an sich bereut. Die Problematik der vom Anwalt des Klägers vorgetragenen Behauptung einer verdeckten Rückvergütung hat der Kläger selbst nach anwaltlicher Beratung und mehrfacher Erörterung während des laufenden Prozesses erkennbar nicht verstanden. Unter diesen Umständen erscheint es unzweifelhaft, dass der Kläger bei seiner Investitionsentscheidung auch dann geblieben wäre, wenn er über interne Rückvergütungen aufgeklärt worden wäre.
42Dem Antrag der Klägerseite vom 14.03.2007 auf Vorlegung von Urkunden und anderen Unterlagen gemäß §§ 422 und 429 ZPO war nicht stattzugeben. Sobald sich ein solcher Anspruch gegen Dritte richtet, muss er gegen diese eingeklagt werden, vgl. § 429 ZPO. Wenn er sich gegen Beklagte in einem Zivilprozess richtet, muss der Kläger gegen die Beklagten einen bürgerlichen-rechtlichen Anspruch auf Vorlage dieser Unterlagen haben. Ein solcher Anspruch ist hier nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich.
43Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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