Urteil vom Landgericht Münster - 9 S 224/06 LG Münster, 13 C 81/06 AG Tecklenburg
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts U (Az: ## C ##/##) vom 17. November 2006 abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.026,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.917,13 € seit dem 25. Februar 2006 und aus 109,05 € seit dem 19. Juli 2006 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass der Kläger dem Beklagten für die angemietete Wohnung C-Straße, ####1 M eine monatliche Nettomiete für eine Wohnfläche von 49,47 qm schuldet.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des gesamten Rechtsstreit tragen der Kläger 1/3 und der Beklagte 2/3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e :
2I.
3Wegen des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalts verweist die Kammer zunächst auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).
4Der Kläger ist Mieter der Wohnung des Beklagten C-Straße in M. Mit dem Zahlungsantrag hat der Kläger erstinstanzlich Rückzahlung zuviel gezahlter Miete verlangt mit der Behauptung, die streitgegenständliche Wohnung weise entgegen der im Mietvertrag mit "ca. 55 m²" angegebenen Wohnfläche tatsächlich nur eine Wohnfläche von 46,71 m² auf, so dass sich bei einem Nettomietzins von 4,93 € pro m² eine monatliche Überzahlung von 40,87 €, mithin auf 111 Monate gerechnet, insgesamt ein Erstattungsbetrag in Höhe von 4.536,57 € ergebe. Weiterhin hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass auf der Grundlage seiner Berechnung die monatliche Nettomiete lediglich 230,13 € beträgt.
5Der Beklagte, der außergerichtlich einen Sachverständigen mit der Wohnflächenberechnung beauftragte, behauptet, dass die tatsächlich dem Mietvertrag zugrunde zu legende Wohnfläche 50,11 m² betrage und es deshalb an einem erheblichen Sachmangel der Mietwohnung fehle.
6Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger schon nicht in ausreichendem Maße dargelegt habe, dass durch eine etwaige Abweichung der tatsächlichen von der vereinbarten Wohnfläche auch die Gebrauchstauglichkeit erheblich beeinträchtigt sei.
7Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Das Amtsgericht habe die tatsächliche Wohnfläche der streitgegenständlichen Wohnung feststellen müssen. Bei einer Abweichung von mehr als 10 % komme es auf eine tatsächliche Gebrauchsbeeinträchtigung nicht an.
8Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Diplom-Ingenieurs C vom 24.07.2007 und im Hinblick auf die Stellungnahmen der Parteien zum Gutachten vom 24.08.2007 und vom 03.09.2007 durch ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 12.09.2007.
9II.
10Die zulässige Berufung hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.
11Der Kläger kann vom Beklagten aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB Rückzahlung zuviel gezahlter Miete in Höhe von insgesamt 3.026,18 € verlangen. Dieser Rückzahlungsanspruch steht dem Kläger aufgrund eines seit Mietbeginn bestehenden Sachmangels der Wohnung und des darauf beruhenden gesetzlichen Minderungsrechts aus § 536 BGB zu.
12Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass ein Sachmangel der streitgegenständlichen Wohnung gegeben ist. Nach dem Gutachten des Sachverständigen C beträgt die Gesamtwohnfläche der Wohnung 49,47 m², liegt mithin 10,05 % unter der vertraglich vereinbarten Gesamtwohnfläche. Diese Abweichung ist erheblich im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB und stellt damit einen Sachmangel dar. Weist eine gemietete Wohnung tatsächlich eine Wohnfläche auf, die erheblich unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt, so kann dieser Umstand einen Mangel der Mietsache darstellen. Bei einem erheblichen Flächenmangel spricht bereits eine tatsächliche Vermutung für eine Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit, die der Mieter nicht gesondert belegen muss. Die vereinbarte Fläche ist ein wesentliches Merkmal für den Nutzwert der angemieteten Wohnung. So wird bereits bei der Inserierung in aller Regel die Wohnungsgröße der angegebenen Wohnung angegeben, um Interessenten eine Vergleichbarkeit verschiedener Wohnungen zu erleichtern und die Miete pro m² errechnen zu können. Hat ein Wohnungssuchender mehrere Wohnungen, deren Mietzins und Ausstattung ähnlich sind, zur Auswahl, wird er sich in vielen Fällen für die größere Wohnung entscheiden. Während des Mietverhältnisses ist die Wohnfläche in aller Regel - so auch im vorliegenden Fall – Berechnungsgrundlage für die Verteilung von Betriebskosten und deren Erhöhung. Ebenso ist die Wohnungsgröße ein Faktor bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete im Rahmen eines Mieterhöhungsverlangens. Schon aus diesen Gründen kann dem Mieter durch die Angabe einer überhöhten Wohnfläche im Mietvertrag ein unmittelbarer wirtschaftlicher Schaden entstehen; dies ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass er möglicherweise nachträglich eine Neuberechnung der Betriebskosten unter Berücksichtigung der geringeren Wohnfläche verlangen kann. Liegt die tatsächliche Wohnfläche daher erheblich unter der vertraglich vereinbarten, so ist auch die Tauglichkeit der Wohnung gemindert, ohne dass es auf einen Nachweis einer konkreten Beeinträchtigung des Mieters durch die Flächenabweichung ankommt. Denn die Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch setzt voraus, dass die Wohnung mit der vertraglich vereinbarten Größe nutzbar ist. Auch ist unerheblich, wenn dem Mieter die geringere Wohnfläche nicht aufgefallen ist (vgl. zu Vorstehendem: BGH Urteil vom 24.03.2004, Az.: VIIII 295/03, NJW 2004, 1947).
13Mit seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12.09.2007 hat der Sachverständige sämtliche von den Parteien vorgebrachten Einwände gegen seine zuvor getroffenen Feststellungen ausgeräumt. So ist auch der Abstellraum Bestandteil der Wohnung, da er sich innerhalb der Wohnung befindet und somit anzurechnende Wohnfläche darstellt. Lediglich Abstellräume außerhalb der Wohnung müssten ggf. bei der Wohnflächenberechnung unberücksichtigt bleiben. Abstellräume innerhalb der Wohnung sind nach DIN 283 Abs. 2.3 Nebenräume. Da es sich bei der aufgemessenen Wohnung um eine frei finanzierte Wohnung handelt und nicht um eine Wohnung, die den Richtlinien des sozialen Wohnungsbaus unterliegt, konnte der Sachverständige die Wohnflächenberechnung auch nach der DIN 283 durchführen. Diese Berechnungsmethode ist nach seinen Angaben durchaus ortsüblich. Die Berechnungsregeln für den Wohnungsbau nach DIN 283 beziehungsweise §§ 42 bis 44 der II. Berechnungsversordnung und der Wohnflächenverordnung weisen nach den Ausführungen des Sachverständigen auch weitgehend Übereinstimmung auf, mit der Ausnahme der Zugrundelegung von Rohbau- beziehungsweise Fertigbaumaßnahmen. Bei der aufgemessenen streitgegenständlichen Wohnung sind die Ermittlungen der Wohnfläche nach DIN 283, nach der II. Berechnungsverordnung und nach der Wohnflächenverordnung aber identisch, da sich die vorgenannte Ausnahme hier nicht auswirkt.
14Der Sachverständige gibt weiter an, dass er bei keiner der berechneten Werte einen 3 %igen Putzabschlag angesetzt hat. Es sei eben nicht nach Rohbaumaßnahmen ermittelt worden, sondern es seien vor Ort in der bewohnten Wohnung Fertigbaumaße gemessen worden. Somit könne es zu keinen Abweichungen der Ergebnisse nach der Berechnung DIN 283, der II. Berechnungsverordnung oder der Wohnflächenverordnung kommen. Unterschiede könne es nur geben, wenn zum Beispiel Balkone, Terrassen oder Freisitze mit in die Wohnflächenberechnung einfließen würden. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen.
15Der Sachverständige erklärte schließlich zu dem Einwand des Beklagten, die Messungen des Sachverständigen C seien im Vergleich zu denen des Architekturbüros N. nicht genau gewesen, dass er mit einem hochpräzisen Lasermessgerät der Firma M2 die Fertigmaße in der Wohnung aufgemessen habe. Um Wandbreiten oder Raumtiefen zu messen, sei kein Lot erforderlich gewesen. Dieses werde allenfalls an Dachschrägen benötigt, um die Ein- beziehungsweise Zwei-Meter-Linie festzulegen. Hierfür habe der Sachverständige statt eines Lotes einen Zollstock benutzt. Für diese Messungen habe er auch die Architektin Frau T beigezogen. Zur Kontrolle der Ein- beziehungsweise Zwei-Meter-Linien sei zudem noch die 1,5-Meter-Linie festgestellt und auch diese Maße genommen worden. Die in den allgemeinen Bedingungen des Gutachtens angegebene Genauigkeit basiere auf den Messtoleranzen von Messgeräten. Jedes Messgerät habe solche Toleranzen, die bei einigen Messgeräten durchaus im 2 %-Bereich lägen. Sie seien bei dem hier beim Aufmaß eingesetzten Lasermessgerät jedoch wesentlich geringer als 1,5 %. Sie würden lediglich 1,5 mm bei Entfernungen bis 30 m betragen.
16An diesen ergänzenden, plausiblen Erklärungen des Sachverständigen hat die Kammer keinerlei Zweifel.
17Die einen Sachmangel begründende Erheblichkeitsgrenze von 10 % ist vorliegend überschritten, wenn auch nur mit 0,05 %. Eine über 10 % hinausgehende Maßtoleranz ist aber nicht anzuerkennen. Sie widerspräche der gesetzlichen Regelung des ohnehin schon als Ausnahme gefassten § 536 Abs. 1 S. 3 BGB. Mit der Festlegung der Wesentlichkeitsgrenze durch den Bundesgerichtshof auf 10 % steht einerseits fest, dass geringere Abweichungen eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit darstellen. Andererseits ergibt sich daraus aber auch, dass größere Differenzen in jedem Fall als erheblich anzusehen sind. Diese Grenze ist im Interesse der Praktikabilität und Rechtssicherheit bei 10 % zu ziehen. Eine zusätzliche Toleranz würde das Problem der Abgrenzung zwischen unwesentlicher und nicht mehr unwesentlicher Tauglichkeitsminderungen nur verlagern (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2004, Aktenzeichen: VIIII ZR 133/03, a.a.O.).
18Auf der Grundlage eines vereinbarten monatlichen Nettomietzinses von 4,93 € pro m² ergibt sich danach bei einer Abweichung von 5,53 m² und einer Mietzeit von 111 Monaten ein Rückzahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 3.026,18€.
19Der Feststellungsantrag ist nur teilweise begründet. Auf die begehrte Feststellung hat der Kläger keinen Anspruch, da dem Beklagten insoweit sein etwaiges Recht auf eine höhere Netto-Miete pro m² genommen werden würde. Der Beklagte stellt auch nur die nach dem Mietvertrag der Berechnung der geschuldeten Miete zugrunde zu legende Mietfläche in Abrede. Daher war dem Feststellungsantrag nur insoweit zu entsprechen, dass die der Bestimmung der Nettomiete zugrunde zu legende Wohnfläche und nicht eine bestimmte Nettomiete festgestellt worden ist.
20Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 280, 286 BGB, nachdem der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 15.02.2006 zur Rückzahlung bis zum 24.02.2006 aufgefordert hat. Verzug bestand insoweit jedoch nur bezogen auf die in diesem Schreiben angemahnten 107 Monatsmieten (2.917,13 €). Wegen der restlichen 4 Monatsmieten (109,05 €) steht dem Kläger lediglich ein Anspruch auf Prozesszinsen zu (§ 291 BGB).
21III.
22Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 92, 708 Ziff. 10 ZPO.
23Den Streitwert für den Feststellungsantrag hat die Kammer analog § 41 Abs. 5 GKG auf 490,20 € festgesetzt.
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