Beschluss vom Landgericht Münster - 5 T 153/08 LG Münster, 8 XVII K 259 AG Dülmen
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 2.475,80 EUR
1
G r ü n d e :
2I.
3Für die inzwischen verstorbene Betroffene war eine rechtliche Betreuung unter anderem für den Bereich der Vermögensangelegenheiten eingerichtet. Im Verlaufe des Betreuungsverfahrens wurde die Frage relevant, ob der hälftige Eigentumsanteil der Betroffenen an einer Immobilie in N dem Wunsch der Miteigentümerin entsprechend veräußert werden sollte. Mit Beschluss des Amtsgerichts E vom 24.11.2005 wurde daraufhin die Beschwerdeführerin zur Verfahrenspflegerin bestellt zur "Wahrnehmung der Rechte der Betroffenen im Verfahren auf Erteilung der Genehmigung der Veräußerung des Grundbesitzes". Dieser Beschluss wurde der Beschwerdeführerin unter Beifügung der Verfahrensakte mit der Bitte um Stellungnahme binnen drei Wochen mit Verfügung vom 24.11.2005 übermittelt. Nach Einsichtnahme sandte die Beschwerdeführerin die Akte zusammen mit einer ersten Stellungnahme, wonach grundsätzliche Bedenken gegen den beabsichtigten Verkauf nicht bestünden, mit Schriftsatz vom 30.12.2005 an das Amtsgericht zurück. In der Folgezeit erhob der Sohn der Betroffenen, der Beteiligte zu 1), Einwendungen gegen den beabsichtigten Verkauf. Es schloss sich ein längerer Schriftwechsel mit wechselseitigen Vorwürfen der Beteiligten zu 1) und zu 2) an. Mit Beschluss vom 04.05.2007 wurde ein vom Betreuer der Betroffenen gestellter Antrag auf Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung zur Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten eines Kaufinteressenten zurückgewiesen. Zu einem Verkauf der Immobilie kam es bis zum Tod der Betroffenen am 23.07.2007 nicht. Alleinerbe der Betroffenen ist ausweislich eines notariellen Testamentes vom 11.06.1964 ihr Sohn, der Beteiligte zu 1).
4Ihre Tätigkeit als Verfahrenspflegerin rechnete die Beschwerdeführerin mit der Begründung, es habe sich um spezifisch anwaltliche Tätigkeit gehandelt, nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) ab, wobei sie einen Geschäftswert von 150.000,00 EUR zugrunde legte. Eine entsprechende Gebührenrechnung über 2.475,80 EUR reichte sie mit Schriftsatz vom 30.10.2007 zur Akte mit dem Antrag, den Betrag gegen die Staatskasse festzusetzen.
5Nach Anhörung der Beteiligten zu 1) und 3) wies das Amtsgericht mit Beschluss vom 18.01.2008 den Festsetzungsantrag vom 30.10.2007 zurück und entschied, dass ein Rückgriff wegen der angemeldeten Ansprüche gegen den Beteiligten zu 1) nicht stattfinde. Zwar sei die Verfahrenspflegerin ausnahmsweise zu einer Abrechnung nach dem RVG berechtigt gewesen, da ihre Tätigkeit im vorliegenden Fall sich als originär anwaltliche Dienstleistung darstelle. Auch der angesetzte Geschäftswert sei angesichts des von einem Sachverständigen ermittelten Wertes der Immobilie nicht zu beanstanden. Die beantragte Festsetzung könne gleichwohl nicht erfolgen, weil die in §§ 67a Absatz 1 FGG, 1835 Absätze 1 und 1a BGB normierte 15monatige Ausschlussfrist abgelaufen sei. Für den Beginn der Frist sei auf die Entstehung des Anspruchs und nicht auf die Fälligkeit des Anspruchs abzustellen. Der Anspruch sei mit der ersten Tätigkeit der Verfahrenspflegerin entstanden, hier mit der Informationsbeschaffung durch Akteneinsicht, die spätestens am Tag der Aktenrücksendung am 30.12.2005 erfolgte. Die Ausschlussfrist sei damit spätestens am 30.03.2007 abgelaufen. Eine nach § 1835 Absatz Ia Satz 3 BGB mögliche Fristverlängerung sei nicht beantragt worden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht möglich. Der Vergütungsanspruch sei nach § 1835 Absatz 1 Satz 3 BGB erloschen. Eine hilfsweise Abrechnung nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) sei nicht eingereicht worden. Der gegen die Landeskasse gerichtete Vergütungsanspruch der Verfahrenspflegerin sei damit zurückzuweisen. Dementsprechend könne auch beim Erben der Betroffenen insoweit nicht nach § 56g Absatz 1 Satz 2 FGG Rückgriff genommen werden, obwohl der Nachlass vermögend sei.
6Gegen den ihr am 23.01.2008 zugestellten Beschluss legte die Verfahrenspflegerin mit Schriftsatz vom 23.01.2008, bei Gericht eingegangen am 25.01.2008, sofortige Beschwerde ein. Vorsorglich reichte sie unter dem 08.04.2008 eine Vergütungsabrechnung nach dem VBVG ein, in der sie ihren Zeitaufwand und ihre Auslagen mit insgesamt 332,09 EUR bezifferte und Festsetzung gegen die Landeskasse beantragte. Zur Beschwerdebegründung führte die Verfahrenspflegerin aus: Die Ausschlussfrist sei nicht abgelaufen. Vergütungsansprüche nach dem RVG entstünden zwar grundsätzlich mit Übernahme des Amtes. Im vorliegenden Fall sei aber in keiner Weise absehbar gewesen, in welchem Umfang diese entstehen würden, welche verschiedenen Gebühren in Ansatz zu bringen seien und welche Höhe dafür als Geschäftswert zu berücksichtigen sei. Der Anspruch habe vorzeitig deshalb gar nicht geltend gemacht werden können und könne darum auch nicht im Sinne des § 1835 BGB entstanden sein. Die Geltendmachung anwaltlicher Vergütungsansprüche sei erst nach Mandatsbeendigung möglich, so dass für die Fristberechnung auf diesen Zeitpunkt abzustellen sei. Hinzu komme, dass das Amtsgericht sie – die Verfahrenspflegerin – nicht zeitnah informiert habe. Erst als man ihr auf ihre Sachstandsanfrage vom 07.08.2007 hin Mitteilung vom Tod der Betreuten gemacht habe, sei eine Abrechnung möglich gewesen. Das Verfahren sei zögerlich bearbeitet worden, worauf sie – die Verfahrenspflegerin – keinen Einfluss gehabt habe. Es sei unbillig, wenn das Amtsgericht einerseits selbst zeitverzögert arbeite, ihr aber andererseits vorwerfe, den Vergütungsantrag verspätet eingereicht zu haben.
7II.
8Die sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin ist zulässig, §§ 67a Absatz 5, 56g Absatz 5 Satz 1 FGG, insbesondere wurde sie fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
9Der einem Verfahrenspfleger zustehende Aufwendungsersatz, der gemäß § 67a Absatz 5 Satz 1 FGG stets aus der Staatskasse zu zahlen ist, bestimmt sich gemäß § 67a Absatz 1 Satz 1 FGG nach § 1835 Absatz 1 bis 2 BGB. Gemäß § 1835 Absatz 3 BGB zählen zu den erstattungsfähigen Aufwendungen eines Verfahrenspflegers auch solche Dienste, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, wobei in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt ist, dass die Vorschrift als Ausnahmevorschrift nur auf solche Tätigkeiten anzuwenden ist, die üblicherweise einem hierauf spezialisierten Dritten übertragen werden und die vom Verfahrenspfleger gerade aufgrund seiner Ausbildung selbst erledigt werden können (vgl. z.B. OLG Frankfurt FGPrax 2004, 121 m.w.N.). Gemäß § 1 Absatz 2 Satz 1 RVG kann ein berufsmäßig zum Pfleger bestellter Rechtsanwalt seine Tätigkeit grundsätzlich nicht nach dem RVG liquidieren. Gemäß § 1 Absatz 2 Satz 2 RVG in Verbindung mit § 1835 Absatz 3 BGB kommt aber ausnahmsweise eine Honorierung bestimmter Einzelaufgaben auf der Grundlage des RVG dann in Betracht, wenn deren Erledigung sich als eine für den Beruf des Rechtsanwaltes spezifische Tätigkeit im Sinne einer vertieften Befassung mit schwierigen Rechtsfragen darstellt.
10Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Amtsgericht zu Recht (und von der Beschwerde unangefochten) zunächst davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall bei der Prüfung des beabsichtigten Immobilienverkaufs typisch anwaltliche Tätigkeit entfaltet hat, für die ein nicht anwaltlicher Verfahrenspfleger wegen der anstehenden Rechtsfragen vernünftigerweise einen Anwalt hinzugezogen hätte, und dass sie demzufolge ausnahmsweise eine Abrechnung nach dem RVG vornehmen durfte. Nicht zu beanstanden ist auch der von der Beschwerdeführerin angesetzte Geschäftswert, denn im zur Akte gereichten Sachverständigengutachten wird der Verkehrswert der zu veräußernden Immobilie mit 300.000,00 EUR angegeben, so dass der hälftige Miteigentumsanteil der Betreuten, dessen Verkauf Gegenstand der anwaltlichen Überprüfung war, zutreffend mit 150.000,00 EUR angenommen wurde.
11Ebenfalls zu Recht hat das Amtsgericht sodann aber die Festsetzung der Vergütung mit der Begründung abgelehnt, der Vergütungsanspruch sei gemäß § 1835 Absatz 1 Satz 3 BGB erloschen, nachdem die Ausschlussfrist der §§ 67a Absatz 1 FGG, 1835 Absätze 1 und 1a BGB abgelaufen sei.
12Aufwendungsersatzansprüche nach § 1835 BGB erlöschen, wenn sie nicht binnen 15 Monaten nach ihrer Entstehung gerichtlich geltend gemacht werden. Bei der insoweit maßgeblichen Vorschrift des
13§ 1835 Absatz 1 Satz 3 BGB handelt es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist, die von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Sie gilt auch für Ansprüche nach § 1835 Absatz 3 BGB und geht als spezialgesetzliche Regelung der allgemeinen Verjährungsregelung des § 195 BGB vor (vgl. Palandt § 1835 BGB Rn. 18 und 20; OLG Frankfurt a.a.O.). Für den Beginn der Ausschlussfrist wird in § 1835 Absatz 1 Satz 3 BGB allein auf das Entstehen der Ersatzanspruchs abgestellt. Weitere Voraussetzungen für den Fristbeginn beinhaltet die Vorschrift nicht. Dementsprechend ist es für den Fristbeginn insbesondere unerheblich, wann der Anspruch auf Vergütung bzw. Aufwendungsersatz fällig wird oder wann es dem Ersatzberechtigten erstmals möglich oder zumutbar ist, seinen Anspruch darzulegen und zu beziffern (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, FGPrax 2002, 175 m.w.N. und weitere Nachweise bei OLG Frankfurt a.a.O.). Die berechtigten Belange des Ersatzberechtigten werden dadurch gewahrt, dass er erforderlichenfalls eine Verlängerung der 15-Monats-Frist nach § 1835 Absatz 1a BGB beantragen kann, wenn ihm zuvor eine Darlegung und Bezifferung seines Anspruchs nicht möglich ist.
14Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass für den Beginn der Ausschlussfrist auf den Zeitpunkt der Akteneinsicht durch die Beschwerdeführerin abzustellen ist, wie es auch das Amtsgericht zutreffend in dem angefochtenen Beschluss getan hat. Es ist zwar richtig, dass zu diesem Zeitpunkt die Beschwerdeführerin noch nicht hätte konkret abrechnen können und insbesondere ihr Gebührenanspruch noch nicht fällig war. Darauf kommt es aber auch nicht an, da nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1835 Absatz 1 Satz 3 BGB auf die Entstehung und nicht auf die Fälligkeit des Anspruchs abzustellen ist. Entgegen dem Beschwerdevorbringen fällt aber beim anwaltlichen Vergütungsanspruch der Zeitpunkt seiner Entstehung nicht mit dem Zeitpunkt seiner Fälligkeit zusammen. Entstehung und Fälligkeit sind voneinander zu unterscheiden. Die anwaltliche Vergütung wird gemäß § 8 RVG erst nach Auftragerledigung oder Beendigung der Angelegenheit fällig. Der Gebührenanspruch entsteht aber bereits mit der ersten Tätigkeit des Anwalts, d.h. in der Regel mit der Entgegennahme der entsprechenden Information (Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert/ Müller-Rabe, § 1 Rn. 68). Erste Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Verfahrens-pflegerin zwecks Informationsbeschaffung war hier die Einsichtnahme in die Gerichtsakte. Diese ist spätestens am 30.12.2005 erfolgt, denn unter diesem Datum hat sie die Akte an das Amtsgericht zurückgesandt. Die Beschwerdeführerin hätte, als die Verfahrenspflegschaft – aus welchen Gründen auch immer - nach Ablauf von 15 Monaten noch nicht beendet war, beim Amtsgericht beantragen können, die 15-Monats-Frist für die Beantragung ihrer Vergütung zu verlängern. Aus welchem Grunde ihr dies nicht möglich oder zumutbar gewesen sein soll, ist nicht ersichtlich und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht dargetan. Gerade wenn, wie die Beschwerdeführerin vorträgt, es schon zu Verzögerungen im Gerichtsverfahren gekommen war, bestand für die Beschwerdeführerin Anlass, an die 15-Monats-Frist zu denken und gegebenenfalls rechtzeitig vor ihrem Ablauf Fristverlängerung zu beantragen.
15Der demnach Ende Dezember 2005 entstandene Anspruch der Beschwerdeführerin erlosch demzufolge nach Ablauf von 15 Monaten Ende März 2007, so dass der erst unter dem Ende Oktober 2007 eingereichte Festsetzungsantrag verspätet war und deshalb zu Recht zurückgewiesen wurde. Folgerichtig war auch die Entscheidung des Amtsgerichts, bei Zurückweisung des Festsetzungsantrages der Beschwerdeführerin gegen die Landeskasse wegen Versäumung der Ausschlussfrist Rückgriffsansprüche gegen den Nachlass bzw. den Erben der Betreuten ebenfalls zu verneinen.
16Nach alldem war die Beschwerde der Verfahrenspflegerin als unbegründet zurückzuweisen.
17Über ihren im Laufe des Beschwerdeverfahrens gestellten Hilfsantrag vom 08.04.2008 und die darin erfolgte Abrechnung nach dem VBVG wird erstinstanzlich noch das Amtsgericht zu entscheiden haben.
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