Urteil vom Landgericht Münster - 012 O 268/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von dem Kläger kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils insgesamt vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger nimmt die Beklagte wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht auf einem städtischen Spielplatz in Anspruch.
3Der zu dieser Zeit 69-jährige Kläger zog sich am 19.04.2007 auf einem von der Beklagten unterhaltenen öffentlichen Kinderspielplatz an der C.-straβe in N. eine Fraktur des ersten Lendenwirbels zu. Der Kläger besuchte den Spielplatz an diesem Tag gemeinsam mit seinem 5-jährigen Enkelsohn.Auf dem Spielplatz befindet sich eine sogenannte Röhrenrutsche. Zur Veranschaulichung wird insofern auf die zu Bl. 14 bei der Akte befindlichen Lichtbilder Bezug genommen. Nach dem Enkel des Klägers benutzte auch der Kläger auf Bitten seines Enkels die Rutsche. Zum Unfallzeitpunkt befand sich am Fuß der Rutsche ein mit Sand bedecktes Kiesbetonfundament, das über den Auslaufbereich der Rutsche hinausragte.
4Seitens der Beklagten werden wöchentliche Kontrollen des Spielplatzes durchgeführt, so auch am Vortag des Unfalls. Zudem erfolgte am 14.03.2007 die jährliche Hauptprüfung des Spielplatzes durch das Ingenieurbüro C1. Dabei wurde festgestellt, dass das Auslaufteil der Rutsche sich höher als 40 cm über dem Sandniveau befindet und der Sand aufzufüllen ist.
5Der Kläger behauptet, am Ende des in zurückgelehnter Haltung durchgeführten Rutschvorganges mit dem Gesäβ auf dem Betonsockel am Fuβe der Rutsche gelandet zu sein. Der Betonsockel sei zum Zeitpunkt des Unfalls lediglich mit einer geringen Sandschicht bedeckt gewesen. Der Höhenunterschied zwischen Auslauffläche und Sandniveau habe ca. 60 cm betragen. Infolge des harten Aufpralls sei es zu der Verletzung des Lendenwirbelkörpers gekommen, in deren Folge er noch heute bei bestimmten Belastungen unter Schmerzen und Beschwerden leide.
6Er ist der Auffassung, dass die Beklagte ihren Verkehrssicherungspflichten auf dem Spielplatz nicht ausreichend nachgekommen sei und hält wegen der erlittenen Verletzung und deren Folgen die Zahlung eines Schmerzensgeldes von 5.000,00 € für angemessen.
7Der Kläger beantragt,
81) die Beklagte zu verurteilen, an ihn aufgrund des Unfalls vom 19.04.2007
9ein angemessenes, der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 %- Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2008 zu zahlen,
102) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm jedweden materiellen
11und künftigen immateriellen Schaden aufgrund des Unfalls vom 19.04.2007 zu ersetzen,
123) die Beklagte weiter zu verurteilen, ihn von vorprozessualen
13Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546, 69 €, zahlbar an die klägerischen Prozessbevollmächtigten, freizustellen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte ist der Auffassung wegen der regelmäßig durchgeführten Kontrollen ihrer Verkehrssicherungspflicht in ausreichendem Umfang nachgekommen zu sein. Noch bei der Kontrolle am Vortag habe sich eine ausreichende Sandschicht unter dem Auslauf der Rutsche befunden. Sie meint zudem, schon deshalb dem Kläger nicht ersatzpflichtig zu sein, weil dieser als Erwachsener nicht zu dem unter dem Gesichtspunkt der Risikoverteilung der Verkehrssicherungspflicht geschützten Personenkreis gehöre.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.Die Kammer hat den Kläger sowie Vertreter der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 15.09.2008 Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die zulässige Klage ist nicht begründet.
20Der Kläger hat gegen die beklagte Stadt keinen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gemäß §§ 823 Abs. 1 i.V.m. 253 Abs. 2 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte.
21Dabei kann im Ergebnis offen bleiben, ob die Beklagte die ihr aufgrund der Verwaltung und Freigabe des öffentlichen Kinderspielplatzes obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat. Denn auch bei Zugrundelegung des klägerischen Sachvortrags zum Unfallgeschehen trifft ihn ein soweit überwiegendes Mitverschulden an dem Zustandekommen seiner Verletzungen, dass eine etwaige schuldhafte Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten gänzlich dahinter zurückträte.
22Zwar wäre bei Zugrundelegung des Klägervortrags eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten durch eine zu geringe Sandaufschüttung auf dem Kiesbetonfundament am Ende des Rutschenauslaufs anzunehmen. Im Rahmen der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflichten hat die Beklagte die städtischen Spielplätze möglichst gefahrlos zu gestalten, wobei sich das Ausmaß der einzuhaltenden Sicherheit an dem Alter der jüngsten Kinder auszurichten hat, die für die Benutzung in Frage kommen. An die Anforderungen der Sicherheit von Spielgeräten sind grundsätzlich besonders strenge Anforderungen zu stellen. Die Kinder müssen sich der Spielgeräte grundsätzlich gefahrlos bedienen können (vgl. OLG Köln, Urt. v. 25.05.00 – 7 U 185/99 – ). Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass der Bodenbelag am Auslaufende einer Rutsche insofern geeignet sein muss, dass für den Fall eines Herüberrutschens über das Auslaufteil eine weiche Landung – sei es auf dem Gesäß oder auch auf den Füßen mit der Gefahr eines schwungbedingten Überkippens – gewährleistet ist. Dies gälte vorliegend um so mehr, sollte der Höhenunterschied zwischen dem Bodenniveau und dem Auslaufende der Rutsche tatsächlich mit 60 cm vergleichsweise groß gewesen sein. Soweit demnach auf dem im Unfallzeitpunkt unstreitig über das Ende des Auslaufteils hinausragenden Betonfundaments nur eine geringe Sandschicht sich befunden haben sollte, so lag hierin eine Gefahrenstelle, zu deren Beseitigung die Beklagte ihm Rahmen der ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verpflichtet war.
23Die Verletzung dieser Pflicht erfolgte gegebenenfalls auch schuldhaft, da bei den wöchentlichen Kontrollen eine zu geringe Sandschicht bei sorgfältiger Nachschau auch hätte auffallen müssen, zumal aufgrund der Ergebnisses der im März 2007 stattgefundenen Prüfung durch das Ingenieurbüro C1. bereits bekannt war, dass – jedenfalls wegen des großen Höhenunterschiedes von zu diesem Zeitpunkt immerhin mehr als 40 cm – Sand aufzuschütten war.
24Eine Haftung der Beklagten scheiterte auch nicht allein daran, dass der Kläger die Rutsche unbefugt benutzte und damit nicht zu dem von der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten umfassten Personenkreis gehörte.
25Davon, dass die Röhrenrutsche, wie auch die übrigen Spielgeräte, erkennbar nur zur Benutzung durch Kinder aufgestellt worden ist und demnach die Benutzung durch den Kläger unbefugt geschah, geht das Gericht unabhängig von der Frage aus, ob auf eine Benutzbarkeit ausschließlich durch Kinder an den Eingängen des Spielplatzes in ausreichendem Umfang hingewiesen worden ist. Bei dem in Rede stehenden Spielplatz handelt es sich gerichtsbekannt um einen typischen Kinderspielplatz mit Rutschen, Schaukeln und Klettermöglichkeiten, bei dem auf den ersten Blick erkennbar ist, dass die aufgestellten Spielgeräte gerade und ausschließlich der Umsetzung des kindlichen Bewegungs- und Spieldrangs dienen.
26Da hier aber die Beklagte grundsätzlich zur Gewährleistung einer sicheren Benutzbarkeit der Spielgeräte verpflichtet war, kann sie sich nicht schon mit dem Hinweis entlasten, der Geschädigte habe die Rutsche als Erwachsener ohnehin nicht benutzen dürften. Eine solche Entlastungsmöglichkeit erscheint nämlich zumindest dann nicht sachgerecht, wenn es letztlich nur vom Zufall abhängt, dass ein Unbefugter, hier also der Kläger, statt eines befugt die Rutsche benutzenden Kindes verletzt worden ist. Die Frage der Befugnis des Geschädigten spielt dann erst im Rahmen des Mitverschuldens eine Rolle (vgl. Münchner Kommentar-Wagner, BGB, 4. Aufl., § 823 Rn. 263 m. w. N. aus der Rechtsprechung).Auch die sich daraus ergebende Frage, ob sich auf die vom Kläger behauptete Weise ebensogut ein Kind an der Rutsche hätte verletzen können, kann aber letztlich offen bleiben. Eine Haftung der Beklagten scheidet nämlich jedenfalls deshalb aus, weil das den Kläger treffende Mitverschulden am Entstehen seiner Verletzungen – seine Sachdarstellung als richtig zugrunde gelegt – so schwer wiegt, dass die gegebenenfalls in
27der nicht sorgfältigen Überprüfung der Dicke der Sandschicht liegende der Beklagten vorwerfbaren Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht dahinter zurückträte.
28Anzulasten ist dem Kläger insofern zunächst, dass er die zur Benutzung durch Kinder aufgestellte Rutsche überhaupt als Erwachsener und damit unbefugt benutzte. Dies wiegt gerade im Hinblick auch die in Rede stehende Röhrenrutsche schwer, weil schon anhand der Dimensionierung der zu durchrutschenden Röhre erkennbar ist, dass diese für eher kleinere Körpermaße gedacht ist und nicht für einen Erwachsenen mit einer Körpergröße von 1,74 m, wie sie der Kläger für sich angegeben hat. Erkennbar war danach insbesondere, dass ein Rutschen in aufrecht sitzender Position nicht möglich war, vielmehr – wie hier geschehen – in zurückgelehnter, halb liegender Position durch die Röhre gerutscht werden musste. Dass ein Rutschen in einer derartig unnatürlichen Körperhaltung bei einem 69-jährigen bereits für sich genommen die Gefahr von Verletzungen in sich birgt, war bei gehöriger Sorgfalt ebenfalls erkennbar. Vorzuwerfen ist dem Kläger zudem, dass er gerutscht ist, obgleich er erkennen konnte und nach seiner Schilderung im Termin auch erkannt hatte, dass sich das Auslaufende der Rutsche mit ca. 60 cm verhältnismäßig hoch über dem Boden befand. Dass er diese Gefahrenstelle schon vor seinem Rutschen erkannt hatte, ergibt sich schon daraus, dass nach seiner Schilderung auch sein zuvor rutschender Enkelsohn über die Auslauffläche hinaus gerutscht war und wegen der großen Höhe nach seiner Landung auf den Füßen zur Seite gekippt war. Wenn danach der Kläger trotz der erkannten Gefahrenstelle in Form der großen Höhe des Rutschenendes gleichwohl rutsche, so hätte er jedenfalls durch ein entsprechend vorsichtiges Rutschen, gegebenenfalls unter Abstoppen mit den Füßen, dafür Sorge tragen müssen, dass er nicht mit solchem Schwung rutschte, dass er über den Auslauf hinaus gerät und zudem noch statt auf den Füßen auf dem Gesäß landet. Denn schon diese Landung allein barg angesichts der nicht unerheblichen Höhe von über einem halben Meter bei einem 69-jährigen durchaus die Gefahr von nicht unerheblichen Verletzungen. Dies zu vermeiden war demnach angesichts der von ihm erkannten Gefahrenlage in allererster Linie Sache des die Rutsche unbefugt nutzenden Klägers selbst. Anders als von Kindern kann von ihm als Erwachsenen erwartet werden, dass er sein Handeln auf erkennbare und hier sogar erkannte Gefahrenstellen einrichtet und ein selbstgefährdendes Verhalten unterlässt. Angesichts der erheblichen Unvorsichtigkeit des Klägers scheidet eine Mithaftung der Beklagten nach Auffassung der Kammer aus.
29Mangels Haftung der Beklagten waren auch die weiteren Anträge des Klägers abzuweisen.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
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