Urteil vom Landgericht Münster - 011 O 167/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt von der beklagten Gemeinde Schadenersatz wegen einer behaupteten Amtspflichtverletzung.
3Bei der Klägerin handelt es sich um ein Windenergieunternehmen. Die Klägerin errichtet schlüsselfertig Windanlagen, führt Planungen durch und verkauft fertiggestellte Anlagen unter anderem an Fonds.
4Streitgegenständlich ist ein im Gemeindegebiet der Beklagten gelegener Bereich (Gemarkung O, Flur ##, Flurstücke ## und ## sowie Flur ##, Flurstücke # und ##), den die Klägerin von den Eigentümern pachtete um dort einen Windpark zu errichten. Zuvor war dieser Bereich vom Bezirksplanungsrat N2 im Gebietsentwicklungsplan vom 09.06.1997 als für die Nutzung von Windkraft geeignet ausgewiesen worden.
5Im April 2003 gründete die Klägerin die O GmbH & Co. KG und blieb bis zu der im April 2007 erfolgten Veräußerung deren einzige Kommanditistin. Persönlich haftende Gesellschafterin ohne Beteiligung am Gesellschaftsvermögen und am Betriebsergebnis war die W GmbH, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Klägerin. Die Projektgesellschaft trat am 03.07.2007 für die Klägerin in die Pachtverträge mit den Grundstückseigentümern ein. Die Werkverträge zur Errichtung der Windenergieanlagen wurden von der Klägerin abgeschlossen mit Ausnahme eines Vertrages mit der Fa. M1., welcher von der Projektgesellschaft abgeschlossen wurde.
6Der Gemeinderat der Beklagten beschloss am 24.06.2004 den Bebauungsplan Nr. 97 "Sondergebiete für Windkraftanlagen", der am 17.08.2004 bekannt gemacht wurde. Der Teilbereich 2 –Horst- entspricht in etwa dem von der Klägerin gepachteten Gebiet.
7Bei der Aufstellung des Bebauungsplanes ließ sich die Beklagte durch das Planbüro P1. beraten. Dieses Unternehmen begleitete den Prozess der Ausweisung von Vorrangflächen im Gebiet der Beklagten bereits seit dem Jahr 2001 und erstellte den Entwurf des streitgegenständlichen Bebauungsplanes für die Beklagte. Auf die dem Vertrag zwischen der Beklagten und P1. zugrunde liegenden Schreiben (Bl. 450 ff d.A.) wird Bezug genommen. Der Gemeinderat der Beklagte folgte bei seinem Beschluss den Vorschlägen der Firma P1..
8In der gleichzeitig mit dem streitgegenständlichen Bebauungsplan von der Beklagten bekannt gemachten Änderung des Flächennutzungsplanes ist der oben genannte Bereich als Konzentrationszone für die Errichtung von Windkraftanlagen dargestellt.
9Die Klägerin beantragte am 04.11.2004 bei der Bezirksregierung N2 einen Vorbescheid nach § 9 BImSchG für vier Windenergieanlagen des Typs M1. S 77 mit einer maximalen Gesamthöhe von 138,50m. Außerdem beantragte sie gesondert einen Vorbescheid für kleinere Windenergieanlagen mit einer maximalen Gesamthöhe von 100m.
10Die Bezirksregierung hielt das Vorhaben mit den Windenergieanlagen vom Typ M1. zwar grundsätzlich für genehmigungsfähig, sah sich aber wegen der im Bebauungsplan Nr. 97 der Beklagten festgesetzten Höhenbegrenzung auf 100m nicht imstande, die Genehmigung zu erteilen. Mit Schreiben vom 28.04.2005 fragte sie bei der Beklagten an, ob zu dem Antrag der Klägerin eine Befreiung gem. § 31 BauGB von den Festsetzungen des Bebauungsplanes erteilt werde. Da die Beklagte mit Schreiben vom 21.06.2005 der Bezirksregierung mitteilte, dass der zuständige Ausschuss in der Sitzung vom 14.06.2005 eine Befreiung abgelehnt habe, lehnte die Bezirksregierung mit Bescheid vom 05.07.2005 den beantragten Vorbescheid für die Klägerin ab. Die Klägerin legte zwar Widerspruch ein, über diesen wurde aber nicht mehr entschieden.
11Die Klägerin hatte nämlich unter dem 29.08.2005 beim OVG N2 einen Normenkontrollantrag hinsichtlich des streitgegenständlichen Bebauungsplanes gestellt. Das OVG N2 erklärte mit Beschluss vom 18.07.2006 den streitgegenständlichen Bebauungsplan bezüglich des Teilbereiches 2 für unwirksam. Auf den Inhalt des Beschlusses Bl. 44 d.A. wird Bezug genommen.
12Im Anschluss an die Entscheidung wandte sich die Bezirksregierung N2 abermals an die Beklagte mit der Bitte um Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens. Die Beklagte reagierte darauf in der Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 S. 2 BauGB nicht.
13Auf den Genehmigungsantrag der Klägerin vom 27.09.2006 hin erteilte die Bezirksregierung N2 unter dem 28.02.2007 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb von vier Windenergieanlagen des Typy M1. S 77.
14Die Klägerin errichtete in der Folgezeit entsprechend der Genehmigung eine Windfarm und veräußerte im Wege des Unternehmensverkaufes die errichtete Projektgesellschaft an die O2 GmbH.
15Trotz vorheriger Genehmigung wurden keine Windräder mit einer Höhe von 100m errichtet.
16Soweit die Klägerin entgangenen Gewinn geltend macht, wird hinsichtlich der Höhe auf die Ausführungen Seite 12 ff der Klageschrift und Seite 13 ff des Schriftsatzes vom 16.01.2009 Bezug genommen.
17Im Hinblick auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wird auf die Aufstellung auf Seite 24 der Klageschrift Bezug genommen.
18Die Klägerin behauptet, bei einer Höhenbegrenzung auf 100m sei ein wirtschaftlicher Anlagenbetrieb nicht möglich gewesen. Darauf habe sie bereits im Planaufstellungsverfahren hingewiesen. Dies habe der Beklagten bekannt sein müssen. Entsprechende Vermarktungsbemühungen bezüglich der genehmigten Windräder mit bis zu 100m Höhe seien gescheitert.
19Sofern die Beklagte im Juni 2005 das gemeindliche Einvernehmen erteilt hätte, hätten die Windräder bereits bis März 2006 betriebsbereit errichtet werden können.
20Die Klägerin meint, sie habe einen Schadenersatzanspruch gegen die Beklagten nach § 839 BGB iVm. Art. 34 GG sowie nach § 39 Abs. 1 b) OBG. Die Beklagte sei dafür verantwortlich, dass sie so spät die Genehmigung zum Bau der Windräder des Typs M1. erhalten habe. Dadurch sei ihr ein erheblicher Gewinnausfall entstanden, weil zwischenzeitlich die Investitionskosten gestiegen, dagegen aber die Stromvergütung nach dem EEG gesunken sei.
21Die Beklagte habe amtspflichtwidrig den Bebauungsplan Nr. 97 erlassen. Die Gemeinderäte seien Beamte im haftungsrechtlichen Sinne. Aus § 1 Abs. 6 BauGB ergäbe sich eine gegenüber K wirkende drittbezogene Amtspflicht. Bei sorgfältiger Prüfung hätten die Gemeinderäte erkennen müssen, dass die Höhenbegrenzung mangelhaft sei. Allgemeine Gründe seien für die Festschreibung einer Höhenbegrenzung nicht ausreichend.
22Es sei nicht dargelegt, wieso sich die Gemeinderäte auf das eingeschaltete Planungsbüro hätten verlassen dürfen. Die Abwägung sei nicht delegierbar. Soweit P1. Rechtsberatung vorgenommen habe, läge auf Seiten der Beklagten Auswahlverschulden vor.
23Auch wenn das OVG seinen Beschluss nicht mit der fehlerhaften Höhenbegrenzung begründet habe, sei auch ein diesbezüglicher Mangel den Terminprotokollen der Verhandlungen beim OVG (vgl. Bl. 358 d.A.) zu entnehmen.
24Die Beklagte habe zudem amtspflichtwidrig mit Schreiben vom 21.06.2005 das gemeindliche Einvernehmen nicht erteilt. Die Anfrage der Bezirksregierung habe konkludent auch das Einvernehmen zur Erteilung des beantragten Vorbescheides zum Inhalt gehabt. Das Vorhaben sei wegen der Unwirksamkeit des Bebauungsplanes zulässig gewesen. Durch Befreiung von der Höhenbegrenzung seien nicht die Grundzüge der Planung betroffen gewesen. Wenn die Beklagte nicht vom rechtswidrigen Bebauungsplan hätte abweichen wollen, hätte sie ein Planaufhebungsverfahren einleiten müssen. Grundsätzlich sei die Prüfung des gemeindlichen Einvernehmens umfassend durchzuführen. Nach den anwendbaren Maßstäben hätten die Ausschussmitglieder der Beklagten schuldhaft gehandelt. Als wirtschaftlicher Träger des Projekts unterfalle die Klägerin auch dem Schutzbereich der Amtspflichten. Die Voraussetzungen eines Eilantrages im Normenkontrollverfahren hätten nicht vorgelegen, so dass der Anspruch nicht an § 839 Abs. 3 BGB scheitere.
25Gegenstand der Verletzungshandlung sei auch eine drittgerichtete Amtspflicht. Dies ergebe sich bereits aus § 1 Abs. 7 BauGB.
26Zudem bestehe der verschuldensunabhängige Anspruch nach § 39 Abs. 1 b) OBG. Die Gemeinde handele bei der Versagung des gemeindlichen Einvernehmens als Sonderordnungsbehörde.
27Die Klägerin beantragt,
28die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.000.568,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 7.211,16 € zu zahlen.
29Die Beklagte beantragt,
30die Klage abzuweisen.
31Sie behauptet, die Klägerin habe im Planaufstellungsverfahren nicht auf den Zusammenhang zwischen Höhenbegrenzung und wirtschaftlicher Realisierbarkeit hingewiesen.
32Sie meint, nicht als Ordnungsbehörde gehandelt zu haben.
33Bei der Aufstellung des Bebauungsplanes habe es keine offensichtlichen Mängel des Abwägungsprozesses gegeben, insbesondere seien keine abwägungserheblichen Interessen der Klägerin verletzt worden. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Abwägung unter der Berücksichtigung optimaler Gewinnerzielungsmöglichkeiten.
34Die Beklagte habe bei der Abwägungsentscheidung die Möglichkeit der Gewinnerzielung mit Windenergieanlagen nicht von sich aus berücksichtigen müssen.
35Die Rechtswidrigkeit sei nicht erkennbar gewesen, jedenfalls aber sei keine drittbezogene Amtspflicht verletzt worden. Das OVG habe sich in seinem Beschluss nicht mit der Höhenfestsetzung auseinandergesetzt, die Begrenzung auf 100m sei nicht rechtlich nicht zu beanstanden gewesen. Erst recht komme kein Verschulden in Betracht, weil sich die Beklagte fachkundig beraten lassen habe.
36Da die Klägerin nicht Betreiberin der Windräder habe sein wollen, habe sie lediglich ein Provisionsinteresse gehabt, ihre Stellung sei mit der eines Architekten im Rahmen der Baureifmachung eines fremden Grundstücks vergleichbar.
37Das gemeindliche Einvernehmen habe wegen der Festsetzungen des Bebauungsplanes nach § 21 Abs. 2 BauGB nicht erteilt werden können. Die von der Klägerin beantragte Gesamthöhe habe die Grundzüge der Planung betroffen. Die Anfrage der Bezirksregierung habe sich nur auf § 31 BauGB bezogen. Bei der damaligen Prüfung habe die Beklagte die Wirksamkeit des Bebauungsplanes zugrunde legen müssen. Der Ausschuss habe keine Verwerfungskompetenz hinsichtlich des Bebauungsplanes gehabt.
38Selbst wenn man bereits vor dem Beschluss des OVG seitens der Beklagten die Rechtswidrigkeit des Bebauungsplanes angenommen hätte, so hätte man durch die Durchführung eines Zielabweichungsverfahrens und das Instrument der Veränderungssperre ein mit dem Inhalt des Bebauungsplanes vergleichbares Ergebnis erzielt. Insofern sei ein Anspruch wegen rechtmäßigen Alternativverhaltens ausgeschlossen. Allerdings habe man das vom OVG gerügte fehlende Zielabweichungsverfahren nicht schuldhaft vor der Aufstellung des Bebauungsplanes unterlassen. Das OVG habe im Jahr 2005 unvorhersehbar nach Planaufstellung seine Rechtsprechung zum Erfordernis eines Zielabweichungsverfahrens geändert.
39Es habe der Klägerin oblegen, etwaigen Schaden durch Gebrauch einstweiligen Rechtsschutzes selbst abzuwenden. Insofern stünde § 839 Abs. 3 BGB einem Anspruch jedenfalls entgegen.
40Zu den Einwendungen gegen die geltend gemachte Schadenshöhe wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 26.09.08, Seite 20 ff und vom 30.01.2009, Seite 41 f Bezug genommen.
41Auf den Akteninhalt, insbesondere auf den Inhalt der Schriftsätze und den Inhalt des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 06.02.2009 wird Bezug genommen.
42Entscheidungsgründe
43Die Klage ist nicht begründet, weil die Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch gegen die Beklagte hat.
441. Die Klägerin hat keinen Anspruch wegen der Aufstellung des am 17.08.2004 bekannt gemachten und später vom OVG für unwirksam erklärten Bebauungsplanes. Zwar werden Gemeinderatsmitglieder bei der Beschlussfassung über einen Bebauungsplan als Beamte im haftungsrechtlichen Sinn tätig (vgl. Staudinger/Wurm, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2007, Rdnr. 549 zu § 839), so dass § 839 BGB grundsätzlich für den Bereich der Bauleitplanung anwendbar ist.
45a) Ein etwaiger Anspruch der Klägerin aus Amtshaftung scheitert jedoch bereits daran, dass die Klägerin nicht zum personell geschützten Personenkreis gehört. Dieser ist im Bereich der Bauleitplanung auf die durch einen Bauleitplan betroffenen Grundstückseigentümer oder sonst dinglich Berechtigten begrenzt (vgl. Staudinger/Wurm, a.a.O., Rdnr. 549 zu § 839), weil nur dinglich Berechtigte zum Adressatenkreis eines Bebauungsplanes gehören (vgl. Degenhart, Die Haftung der Gemeinde für verfahrensfehlerhafte Bauleitplanung, NJW 1981, 2666 ff). Soweit die Klägerin geltend macht, durch die Aufstellung des später vom OVG für unwirksam erklärten Planes in ihren Rechten verletzt worden zu sein, unterfällt sie diesbezüglich somit bereits nicht dem personellen Schutzbereich von § 839 BGB.
46b) Zudem hat die Klägerin bereits keinen Anspruch, weil ein Verschulden der beklagten Gemeinde nicht zu erkennen ist.
47Nicht jeder objektive Rechtsirrtum begründet einen Schuldvorwurf. Es obliegt den Mitgliedern von Gemeinderäten, sich auf ihre Entscheidungen sorgfältig vorzubereiten und soweit ihnen die eigene Sachkunde fehlt, den Rat der Verwaltung oder sogar den Rat von außerhalb der Verwaltung stehender Sachverständiger einzuholen (vgl. OLG des Landes Sachsen Anhalt, Urteil vom 27.11.2008, 1 U 43/08; Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 10. Auflage 2007, Rdnr. 10a zu § 36).
48Vor diesem Hintergrund ist kein Verschulden der Beklagten beim Erlass des später für unwirksam erklärten Bebauungsplan zu erkennen. Unstreitig hat die Beklagte das Planungsbüro P1. mit umfassender Beratung und Vorbereitung im Zusammenhang mit der Aufstellung des streitgegenständlichen Bebauungsplanes beauftragt. Die Fa. P1. hatte das Ausweisungsverfahren seit der ersten Beauftragung durch das Schreiben der Beklagten vom 07.06.2001 (Bl. 457 d.A) und damit zur Zeit des maßgeblichen Ratsbeschlusses seit über drei Jahren begleitet und war daher mit den örtlichen Gegenbenheiten bestens vertraut.
49Nach den von der Beklagten zur Akte gereichten Unterlagen (Bl. 458 ff d.A.) sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum die Firma P1. nicht mit der Vorbereitung der Aufstellung des streitgegenständlichen Bebauungsplanes beauftragt hätte werden dürfen. Insbesondere ist kein Auswahlverschulden erkennbar. Die Beklagte hat die mit Schreiben der Fa. P1. vom 21.02.2001 überreichte Referenzliste (Bl. 448 d.A.) vorgelegt, woraus ersichtlich ist, dass die Fa. P1. bereits im Jahr 2001 umfangreiche Erfahrungen mit der landschaftspflegerischen Begleitung von Planungen im Bereich von Windenergieanlagen vorweisen konnte. Entgegen der Ansicht der Klägerin geht es im Rahmen der Bauleitplanung auch nicht um isolierte juristische Fragen, so dass zwingend ein Jurist mit der Erstellung der Entwürfe beauftragt hätte werden müssen. Es ist gerichtsbekannt, dass es wegen der Komplexität und der erforderlichen landschaftsplanerischen Ressourcen nicht unüblich ist, Planungsbüros mit der Begleitung von Bauleitplanungen zu beauftragen. Schwerpunkt der Fachplanung ist dabei die Bewertung der betroffenen Flächen. Dies stellt in erster Linie eine planerische und nicht eine juristische Tätigkeit dar.
50Es ist zudem unstreitig, dass die Gemeinderäte der Beklagten ihre Beschlüsse maßgeblich auf der Grundlage der Vorschläge der Firma P1. gefasst haben. Die Klägerin hat bezüglich des von ihr behaupteten Verschuldens nur pauschal vorgetragen, die Gemeinderatsmitglieder hätten sich nicht auf die Vorgaben der Firma P1. verlassen dürfen, sondern eine eigene Abwägungsentscheidung zu treffen gehabt, weil die Abwägung an sich nicht zu delegieren sei. Damit jedoch eine Haftung der Beklagten nach § 839 BGB in Betracht kommt, bedarf es konkreter Anhaltspunkte, wonach die Gemeinderatsmitglieder sich nicht auf die Richtigkeit der Ausführungen und Entwürfe der Firma P1. hätten verlassen dürfen (vgl. BGH, MDR 1994, 1091 ff; OLG München, NuR 2006, 734 ff). Gerade die Beteiligung von außenstehenden Personen mit planerischem Sachverstand spricht nämlich für eine sorgfältige Beschlussfassung.
51Objektive Anhaltspunkte, die aus Sicht eines Gemeinderatsmitgliedes mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zum Zeitpunkt der Entscheidung Zweifel an der Richtigkeit der von der Fa. P1. gefertigten Entwürfe und Begründungen hätten begründen müssen, sind weder von der Klägerin dargelegt noch ersichtlich. Ebenfalls nicht ersichtlich ist, auf welcher Entscheidungsgrundlage die Gemeinderatsmitglieder der Beklagten von den Vorschlägen der Firma P1. hätten abweichen sollen. Eine solche Abweichung wäre den Gemeinderatsmitgliedern im Hinblick auf die Komplexität einer Bauleitplanung nur aufgrund fachlicher Beratung möglich gewesen. Es hätte bei einer Abweichung durch die Gemeinderatsmitglieder ohne Grundlage einer fachlichen Beratung erst recht die Gefahr einer schuldhaften Amtspflichtverletzung bestanden, denn das Abweichen von fachlichen Empfehlungen dürfte für das durchschnittliche Gemeinderatsmitglied ohne landschaftsplanerische Vorkenntnisse und ohne entsprechende fachliche Beratung nicht auf einer sorgfältigen Vorbereitung beruhen (vgl. OLG des Landes Sachsen Anhalt, a.a.O.).
522. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch wegen der Nichterteilung des gemeindlichen Einvernehmens zum Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides nach dem BImSchG. Dabei kann dahin stehen, ob die Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens verhindert hat, dass die Bezirksregierung der Klägerin den beantragten Vorbescheid erteilt hätte.
53a) Entgegen der Ansicht der Klägerin stellen die Entscheidungen einer Gemeinde über das gemeindliche Einvernehmen keine Maßnahmen im Sinne von § 39 Abs. 1 b) OBG NRW dar. Die Gemeinde wird insoweit vielmehr im Bereich ihrer Planungshoheit tätig (vgl. Staudinger/Wurm, a.a.O., Rdnr. 592 zu § 839).
54b) Zwar kann die rechtswidrige Versagung des Einvernehmens nach § 36 BauGB grundsätzlich eine Haftung der Gemeinde wegen enteignungsgleichen Eingriffs begründen (vgl. Staudinger/Wurm, a.a.O., Rdnr. 595 zu § 839, Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., Rndr. 10a zu § 36). Es ist insoweit nicht Voraussetzung, dass der Anspruchssteller an einem Grundstück dinglich berechtigt ist (vgl. BGH, NJW 1980, 387 ff).
55Ein solcher Anspruch kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn bereits in bestehende konkrete Werte eingegriffen wird. Die erst bevorstehende Errichtung von Windenergieanlagen bildet aber noch keinen vorhandenen konkreten Wert, so dass keine Entschädigung nach Enteignungsgrundsätzen in Betracht kommt (vgl. BGH, a.a.O.). Der Schutz richtet sich nicht auf künftige Chancen und Erwerbsmöglichkeiten, so dass keine Haftung wegen enteignungsgleichen Eingriffs in Betracht kommt (vgl. BGH, BGHZ 92, 34 ff).
56c) Die Versagung des gemeindlichen Einvernehmens gegenüber der Bezirksregierung löst auch keinen Anspruch nach § 839 BGB zugunsten der Klägerin aus.
57Zwar ist anerkannt, dass eine unberechtigte Verweigerung des Einvernehmens eine Amtspflichtverletzung gegenüber einem Bauwilligen darstellt (vgl. BGH, a.a.O.; Battis/Krautzberger/Löhr, a.a.O., Rndr. 10a zu § 36), welcher nicht dinglich berechtigt sein muss (vgl. Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage 1998, S. 64). Da nach den Maßstäben der Zulässigkeitsregeln der §§ 31,33 bis 35 BauGB die Versagung des Einvernehmens im Hinblick auf die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes zu Unrecht erfolgte, war die Versagung des Einvernehmens objektiv rechtswidrig und amtspflichtwidrig. Diesbezüglich kommt es nicht darauf an, aus welchem Rechtsgrund die Beklagte das Einvernehmen verweigert hat (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krauztberger, Baugesetzbuch, 88. Ergänzungslieferung 2008, Rndr. 48 zu § 36).
58Zudem hätte der Ausschuss der Beklagten, sofern er die Fehlerhaftigkeit des Bebauungsplanes erkannt hätte, amtspflichtgemäß ein Aufhebungsverfahren hinsichtlich des Bebauungsplanes einleiten müssen (BVerwG, DÖV 1987, 692 f; OVG für das Land Mecklenburg-Vorpommern, BauR 2007, 515 ff).
59Jedoch fehlt es auch hier am anspruchsbegründenden Verschulden der Beklagten. Auch nach Ansicht der Klägerin kommt ein Verschulden diesbezüglich nur dann in Betracht, wenn der zuständige Ausschuss eine inzidente Prüfung der Wirksamkeit des Bebauungsplanes hätte vornehmen und dabei erkennen müssen, dass der streitgegenständliche Bebauungsplan fehlerhaft erlassen worden ist.
60Selbst wenn man jedoch unterstellt, dass im Rahmen der Prüfung des § 36 BauGB eine inzidente Prüfung der Bauleitplanung hätte erfolgen müssen, kann der Verschuldensmaßstab nicht vom oben dargelegten Maßstab im Bebauungsplan-Aufstellungsverfahren abweichen. Für die Mitglieder des zuständigen Ausschusses kann nichts anderes gelten als für die Gemeinderatsmitglieder.
61Entsprechend hat der Ausschuss für die Beklagte nicht schuldhaft gehandelt als er auf der Grundlage der im Aufstellungsverfahren erfolgten fachlichen Beratung keine Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Bebauungsplanes erkannt hat. Dies gilt umso mehr als der Antrag nach § 47 VwGO von der Klägerin erst nach der Ausschusssitzung am 14.06.2005 gestellt worden ist.
62Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
63Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit resultiert aus § 709 ZPO.
64Der Streitwert wird auf 1.009.568.78 € festgesetzt.
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