Beschluss vom Landgericht Münster - 05 T 385/09
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Schuldners zurückgewie-sen.
Wert. 280.000,00 €
1
G r ü n d e
2Mit Beschluss vom 21.02.2008 ordnete das Amtsgericht die Zwangsversteigerung des im Rubrum bezeichneten Grundstücks an.
3Mit Beschluss vom 23.04.2008 beauftragte es den Sachverständigen F mit der Erstattung eines Gutachtens zur Ermittlung des Verkehrswertes.
4Dieses Gutachten erstattete der Sachverständige unter dem 11.07.2008. Er kam zu dem Ergebnis, dass der Verkehrswert 250.000,00 € betrage.
5Mit Schreiben vom 14.07.2008 teilte das Amtsgericht den zu diesem Zeitpunkt an dem Verfahren Beteiligten mit, dass es beabsichtige, den Verkehrswert entsprechend dem Sachverständigengutachten festzusetzen und gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme.
6Mit Schreiben vom 30.07.2008 wandte sich der Schuldner an das Gericht. In diesem Schreiben heißt es, dass "er mit dem festgesetzten Verkehrswert einverstanden" sei, da einige in dem Schreiben näher bezeichnete werterhöhende Faktoren nicht hinreichend berücksichtigt worden seien.
7Das Amtsgericht hat dieses Schreiben dahin ausgelegt, dass der Schuldner mit dem festgesetzten Verkehrswert gerade nicht einverstanden sei und von dem Sachverständigen eine ergänzende Stellungnahme angefordert.
8Diese reichte der Sachverständige mit Schreiben vom 04.08.2008 zu den Akten.
9Mit Beschluss vom 11.08.2009 setzte das Amtsgericht den Verkehrswert auf 250.000,00 € fest. Dieser wurde dem Schuldner am 14.08.2009 zugestellt.
10Am selben Tage teilte der Schuldner der Geschäftsstelle telefonisch mit, dass er mit der Verkehrswertfestsetzung nicht einverstanden sei. Er werde sich am nächsten Morgen gegen 8.00 Uhr mit dem Rechtspfleger telefonisch in Verbindung setzen.
11Dieser angekündigte Anruf erfolgte nicht.
12Im Versteigerungstermin vom 06.05.2009 blieb der Ersteher mit einem Gebot in Höhe von 280.000,00 € Meistbietender. Mit angefochtenem Beschluss vom gleichen Tage erteilte ihm das Amtsgericht den Zuschlag.
13Hiergegen wendet sich der Schuldner mit seiner sofortigen Beschwerde. Er meint, der Verkehrswertbeschluss sei bei Erteilung des Zuschlags nicht rechtskräftig gewesen, da er gegen ihn zu Protokoll der Geschäftsstelle sofortige Beschwerde eingelegt gehabt habe.
14Weiter stützt er sich darauf, dass, die Formunwirksamkeit seiner Beschwerde unterstellt, das Gericht ihn nicht auf die fehlende Beachtung der Formvorschriften hingewiesen habe. Er meint, damit habe es seine Aufklärungspflicht verletzt, was einen Versagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG darstelle.
15Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie nebst Sachakten der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
16Der Ersteher hat im Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 17.06. und 22.06.2009 Stellung genommen und beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die genannten Schreiben Bezug genommen.
17Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 95, 96 ZVG in Verbindung mit §§ 567, 569 ZPO zulässig.
18In der Sache kann sie jedoch keinen Erfolg haben.
19Zutreffend ist, dass die fehlende Rechtskraft des Verkehrswertfestsetzungsbeschlusses bei Erteilung des Zuschlags einen Versagungsgrund im Sinne des § 83 ZVG darstellt (vgl. OLG Hamm, RPfleger 2000, 120).
20Hier ist der Verkehrswertfestsetzungsbeschluss jedoch nach Auffassung der Kammer rechtskräftig geworden, weil der Schuldner gegen ihn nicht wirksam das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eingelegt hat.
21Im Schreiben des Schuldners vom 30.07.2008 kann schon deshalb keine sofortige Beschwerde erblickt werden, weil der Beschluss, gegen den sie sich hätte richten sollen, zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch nicht ergangen war, denn der Verkehrswertfestsetzungsbeschluss erging erst am 11.08.2008.
22In diesem Punkt unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von dem der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (RPfleger 2000, 120) zugrunde liegenden Sachverhalt, denn dort war das Schreiben, bei dem es darum ging, ob es als sofortige Beschwerde auszulegen sei, erst nach der Zustellung des Verkehrswertfestsetzungsbeschlusses an das Gericht abgesandt worden.
23Auch die telefonische Mitteilung des Schuldners vom 14.08.2008, dass er mit der Verkehrswertfestsetzung nicht einverstanden sei, ist nicht als wirksame sofortige Beschwerde zu werten, denn sie ist nicht in der Form des § 569 ZPO eingelegt worden.
24In Betracht käme hier allenfalls eine Einlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle im Sinne des § 569 Abs. 3 ZPO.
25Eine telefonische Einlegung einer sofortigen Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle ist jedoch nicht zulässig (BGH, Beschluss vom 12.03.2009, V ZB 71/08).
26Dies liegt zunächst darin begründet, dass die Einlegung eines Rechtsmittels nicht nur zu Beweiszwecken an eine gesetzliche Form gebunden ist. Die Form soll es dem Gericht vielmehr auch ermöglichen, sich Gewissheit über die Person des Erklärenden und den Inhalt der Erklärung zu verschaffen. Schließlich soll sie den Erklärenden von der übereilten Einlegung eines Rechtsmittels abhalten. All das ist nur dann ausreichend gewährleistet, wenn der Erklärende persönlich anwesend ist.
27Im Falle einer telefonischen Einlegung eines Rechtsmittels müsste zunächst geklärt werden, ob der Anrufende tatsächlich mit dem Erklärenden identisch ist, ob ein Rechtsmittel tatsächlich eingelegt oder nur angekündigt werden soll und welches die angefochtene Entscheidung und wer der Rechtsmittelführer ist.
28All diese Fragen lassen sich bei persönlicher Anwesenheit des Erklärenden wesentlich leichter und mit erheblich verringerter Gefahr von Missverständnissen klären als bei einer fernmündlichen Übermittlung.
29Hinzu kommt, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle das Protokoll in Gegenwart des Erklärenden erstellen und es von ihm unterschreiben bzw. genehmigen lassen kann. Dies ist von erheblicher Bedeutung, weil das Protokoll als öffentliche Urkunde vollen Beweis dafür erbringt, dass eine bestimmte Erklärung von der im Protokoll bezeichneten Person abgegeben wurde (§ 415 ZPO).
30Dafür, dass ein Rechtsmittel nicht telefonisch zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden kann, spricht auch die Vorschrift des § 129a ZPO, nach der die Abgabe von Anträgen und Erklärungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden können, vor der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts abgegeben werden können. Schon der Wortlaut dieser Vorschrift legt nahe, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass der Erklärende vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erscheinen, also körperlich anwesend sein muss.
31Gestützt wird diese Auffassung dadurch, dass die Regelung, dass die Erklärung vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts abgegeben werden kann, gerade dann einen Sinn ergibt, wenn man davon ausgeht, dass der Erklärende persönlich erscheinen muss, aber nicht gezwungen werden soll, für die Abgabe einer Erklärung oder das Stellen eines Antrags zu einem möglicherweise weit entfernten Amtsgericht zu reisen. Hätte der Gesetzgeber die telefonische Abgabe der Erklärung für zulässig gehalten, so wäre die genannte Regelung nicht erforderlich, weil die Entfernung bei der telefonischen Übermittlung keine Rolle spielt.
32Auch die Berücksichtigung der Fortentwicklung der Kommunikationsmittel rechtfertigt keine andere Entscheidung, denn der oben erörterte Zweck des Formerfordernisses ist auch bei Berücksichtigung der Fortentwicklung der Telekommunikationsmittel zu beachten und zu gewährleisten.
33Schließlich ist zu berücksichtigen, dass kein Bedürfnis für die Anerkennung der Zulässigkeit einer telefonischen Übermittlung einer Erklärung besteht, denn auch einer nicht anwaltlich vertretenen Partei ist die schriftliche Einlegung der Beschwerde oder das persönliche Erscheinen vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ohne weiteres zumutbar (siehe zum Ganzen auch BGH, a.a.O. m.w.N.).
34Es besteht auch kein Versagungsgrund nach § 83 Nr. 6 ZVG wegen einer Verletzung der Aufklärungspflicht durch das Gericht.
35Es ist schon überaus zweifelhaft, ob einem Gericht zugemutet werden kann, nach jedem Anruf auf der Geschäftsstelle den entsprechenden Verfahrensbeteiligten auf den möglichen weiteren Verfahrensablauf schriftlich oder telefonisch hinzuweisen.
36Diese Frage bedarf hier aber auch keiner näheren Erörterung. In diesem Fall konnte eine Aufklärungspflicht des Gerichts nämlich schon deshalb nicht bestehen, weil der Schuldner geäußert hatte, sich am 15.08.2008 noch einmal telefonisch bei dem das Verfahren bearbeitenden Rechtspfleger melden zu wollen. Damit durfte die Geschäftsstelle davon ausgehen, dass der Schuldner sich selbst über seine weiteren Möglichkeiten kundig machen würde. Wenn er von dieser Möglichkeit, wie hier unstreitig geschehen, keinen Gebrauch macht, so hat er die daraus entstehenden Konsequenzen zu tragen. Eine Aufklärungspflicht des Gerichts besteht in diesen Fällen jedoch nicht.
37Weitere von Amts wegen zu berücksichtigende Versagungsgründe im Sinne des § 83 Nr. 6 und 7 ZVG sind nicht ersichtlich.
38Die Beschwerde war somit mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
39Die Wertfestsetzung beruht auf § 54 Abs. 2 GKG.
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