Urteil vom Landgericht Münster - 02 O 161/09
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.979,82 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2007 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der H GmbH & Co. KG macht Ansprüche auf Rückzahlung von an den Beklagten gezahlten Geschäftsführergehälter in Höhe von 12.979,82 € nebst Zinsen seit Insolvenzeröffnung geltend.
3Der Beklagte war ab Juli 2006 Alleingeschäftsführer der H GmbH, der Komplementärin der Insolvenzschuldnerin, mit der er im Mai 2006 einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag schloss, GA 7 ff. Für den Zeitraum seiner Anstellung von Juli 2006 bis Januar 2007 zahlte ihm nicht die H GmbH, sondern vielmehr die Insolvenzschuldnerin (die wiederum alleinige Gesellschafterin der H GmbH & Co. KG war, GA 16) sein Gehalt von 1.854,26 € monatlich, insgesamt die Klageforderung. Der Beklagte hat Schreiben der Kommanditisten der H GmbH & Co. KG vorgelegt, in denen diese bestätigen, das eine Handhabung der Zahlung auch in der Vergangenheit üblich war, ihrer Ansicht nach dem Gesellschaftsvertrag entsprach und lediglich der Abkürzung des Zahlungsweges diente (Bestätigungen der X. und der Herren H2, I. und L. GA 35 ff). Am 30.01.2007 wurde der Insolvenzeröffnungsantrag über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin gestellt. Das Verfahren wurde am 01.05.2007 eröffnet, der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt (EÖB GA 5).
4Alleiniger Geschäftsgegenstand der H GmbH (der Komplementärin der Gemeinschuldnerin) war die Führung der Geschäfte und die Übernahme der persönlichen Haftung der Insolvenzschuldnerin. Im Rahmen eines Anfang 2007 gestellten Insolvenzantrags über das Vermögen auch der H GmbH erstellte der Kläger Anfang 2008 ein Insolvenzgutachten, in dem er u.a. zu dem Ergebnis kam, dass die Gesellschaft zahlungsunfähig und überschuldet war. Aus dem Gutachten ergibt sich, dass die H GmbH ihre Stammeinlagen bereits zum Ende des Jahres 2001 ohne Gegenleistung an die Insolvenzschuldnerin abgetreten hatte. Es ergibt sich weiter, dass die GmbH auch keine eigene Betriebstätigkeit entwickelt und keine Arbeitnehmer beschäftigt hatte (Gutachten GA 14 ff).
5Vorprozessual hat der Kläger den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben fruchtlos zur Rückzahlung der ihm von der Insolvenzschuldnerin gezahlten Gehälter aufgefordert. Diesen Anspruch verfolgt er mit der Klage weiter.
6Der Kläger ist der Auffassung, ihm stünde ein Anspruch gegen den Beklagten aus § 134 InsO zu, da, so meint er, eigene Ansprüche des Beklagten gegen die Insolvenzschuldnerin nicht bestanden hätten und, so behauptet er, die Ansprüche gegen die H GmbH wertlos gewesen seien. Diese, so behauptet der Kläger weiter, sei nämlich vermögenslos gewesen.
7Der Kläger beantragt,
8den Beklagten zu verurteilen, an ihn 12.979,82 € zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 01.05.2007 zu zahlen.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Der Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stünde kein Anspruch zu. Er meint, die Zahlungen an ihn, den Beklagten, seien nicht unentgeltlich erfolgt. Hierzu behauptet er, die Insolvenzschuldnerin sei ihrer Komplementärin aus dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet gewesen, die – streitigen - Gehaltszahlungen an ihn, den Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, zu leisten. Die Verpflichtung entnimmt er dem Gesellschaftsvertrag der KG und ihrer Komplementärin. Hierzu legt er die Kopie u.a. eines § 6 vor, der nach seiner Behauptung aus dem Gesellschaftsvertrag stammt. Dort heißt es wie folgt:
12" § 6 Vergütung der persönlich haftenden Gesellschafterin
13(1) Solange die Komplementärin ausschließlich für die Gesellschaft tätig ist, werden ihr von dieser sämtliche Aufwendungen für die Gesellschaft ersetzt, sobald sie entstehen.
14...".
15(siehe im Einzelnen hierzu auch den zu den Akten gereichten Vertragsauszug GA 34 und den Vertrag GA 62 ff).
16Der Beklagte meint, bei der Direktzahlung des Gehaltes von der Insolvenzschuldnerin an den Komplementärgeschäftsführer habe es sich lediglich um einen abgekürzten Zahlungsweg gehandelt, der, so behauptet er, im Einvernehmen der Beteiligten und auch in der Vergangenheit vor seiner Bestellung gewählt worden sei. Durch eine solche Zahlung im abgekürzten Zahlungsweg werde aber, so meint er weiter, die Insolvenzschuldnerin von ihrer eigenen Verbindlichkeit befreit weshalb, so schließt der Beklagte, die Verfügungen auch nicht unentgeltlich erfolgt seien. Ferner ist er der Auffassung, durch die jahrelange Zahlung des Geschäftsführergehalts durch die KG sei jedenfalls eine konkludente Vertragsänderung erfolgt, so dass die Insolvenzschuldnerin im Ergebnis jedenfalls (auch) auf eine eigene Verbindlichkeit gezahlt habe. Er meint weiter, die Unentgeltlichkeit der Zahlungen entfalle auch deshalb, weil auch die Insolvenzschuldnerin direkt von der Geschäftsführertätigkeit des Beklagten profitiert habe und zudem, weil weitere Leistungen seinerseits noch offen gestanden hätten.
17Hilfsweise bestreitet der Beklagte, dass die H GmbH vermögenslos gewesen sei. Sie habe nämlich, so behauptet er, noch aus dem Gesellschaftsvertrag folgende Aufwendungsersatzansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin gehabt, die, so behauptet er weiter, bis zu letzt werthaltig gewesen seien. Denn, so der Beklagte, die Insolvenz der Insolvenzschuldnerin sei auf Grund eines plötzlichen Ereignisses eingetreten. Im Übrigen, so der Beklagte, sei ihm nicht bekannt, ob nicht seitens der H GmbH ggfs. auch noch Ansprüche auf rückständiges Stammkapital oder ähnliches bestanden hätten aus denen sich, so meint er, die Werthaltigkeit seiner Forderung gegen die GmbH ergeben würden. Er verweist darauf, dass darlegungs- und beweisbelastet für die Frage der Vermögenslosigkeit auch der GmbH bzw. der fehlenden Werthaltigkeit der Forderung der Kläger ist und meint, der diesbezügliche Vortrag des Klägers sei nicht ausreichend. Abschließend vertritt der Beklagte die Auffassung, ein Anspruch des Klägers sei nach den Grundsätzen des Bargeschäfts, § 142 InsO, ausgeschlossen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
19Die Klage ist in vollem Umfang begründet.
20I.
21Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der von der Insolvenzschuldnerin an den Beklagten gezahlten Geschäftsführergehälter in Höhe von 12.979,82 € aus den §§ 134, 143 InsO zu.
221. Eine Leistung im Sinne des § 134 InsO lag mit den – unstreitigen - Zahlungen der Insolvenzschuldnerin an den Beklagten unproblematisch vor. Die möglichen Leistungen sind weit zu verstehen, umfasst sind z.B. auch Erfüllungshandlungen (vgl. Münch-Komm-Kirchhof, InsO, § 134 Rz. 5 ff). Auch der Zeitraum des § 134 InsO (vier Jahre vor Eröffnung) ist erfüllt.
232. Die Verfügungen der Insolvenzschuldnerin waren darüber hinaus unentgeltlich.
24a. Für die Frage, ob die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an den Beklagten unentgeltlich war, kommt es zunächst nicht darauf an, ob die Insolvenzschuldnerin wiederum der Komplementär-GmbH zur Zahlung des Gehaltes des Beklagten verpflichtet war.
25Für die Beurteilung der Unentgeltlichkeit ist nämlich allein auf das Verhältnis zwischen dem verfügenden Gemeinschuldner und dem (tatsächlichen) Zuwendungsempfänger abzustellen (siehe hierzu BGHZ 141, 96; BGH ZIP 2005, 767; ausdrücklich auch BGH ZIP 2006, 957).
26b. Maßgelblich ist damit vorliegend (allein) das Verhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten. In diesem Verhältnis waren die Zahlungen aber – entgegen der von dem Beklagten vertreten Ansicht – unentgeltlich.
27(1) Dem Beklagten stand zunächst kein Anspruch auf Zahlung seiner Gehälter gegen die Insolvenzschuldnerin zu. Diese war nicht seine Schuldnerin.
28(a) Vertragspartner des Beklagten war die Komplementärin. Nach dem zwischen ihm und der Komplementärin geschlossenen GmbH-Geschäftsführer-Anstellungsvertrag war die Komplementärin ihm zur Zahlung seines Gehalts verpflichtet (GA 7 ff). Daran hätte – anderes als offenbar der Beklagte meint – auch die Vereinbarung eines "abgekürzten Zahlungsweges" zwischen der GmbH (Insolvenzschuldnerin) und ihrer Komplementärin nichts geändert. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass, wie der Beklagte meint, die jahrelange Übung zu einer Abänderungen der Leistungsverpflichtungen im Verhältnis zu dem Beklagten geführt hätte. Im Gegenteil: Der Vertrag des Beklagten wurde – auch oder gerade – angesichts der von der Beklagtenseite vorgetragenen langjährigen andersartigen Handhabung noch im Mai 2006 eben nicht so ausgestaltet, dass sich der Gehaltsanspruch des Beklagten unmittelbar gegen die Insolvenzschuldnerin richtete. Verpflichtet wurde vielmehr– ausdrücklich – die Komplementärin, die damit rechtlich alleinige Schuldnerin im Verhältnis zu dem Beklagten war.
29(b) Auch die Leistungen, die der Beklagte erbrachte, erbrachte er auf der Grundlage seines Anstellungsvertrages für die Komplementärin. Dass diese wiederum Verpflichtungen gegenüber der Insolvenzschuldnerin erfüllte, und sich dazu (auch) ihres Geschäftsführers, des Beklagten, bediente, änderte nichts an der Tatsache, dass der Beklagte nach dem Vertrag allein der Komplementärin verpflichtet war. Diese Verpflichtung erfüllte er mit seiner Tätigkeit.
30(c) Auch wenn und soweit die von der Beklagtenseite behauptete langjährige Übung der Direktzahlung der Geschäftsführergehälter durch die Insolvenzschuldnerin im Innenverhältnis der Insolvenzschuldnerin zu ihrer Komplementärin eine (direkte) Zahlungsverpflichtung ergeben hätte (was zweifelhaft erscheint), wäre dies für die Frage der Unentgeltlichkeit der Verfügung unerheblich da - wie ausgeführt – im Rahmen des § 134 InsO für die Frage der Unentgeltlichkeit auf das Verhältnis zwischen dem Zuwendenden und dem Zuwendungsempfänger abzustellen ist.
31(2) Maßgeblich ist nach alledem allein die Frage, ob die streitigen Verfügungen/Zahlungen im Verhältnis des Beklagten zur Insolvenzschuldnerin unentgeltlich waren. Eine solche Unentgeltlichkeit war vorliegend gegeben.
32Entgeltlich ist eine Verfügung in einem wie vorliegend gegebenen Dreiecksverhältnis dann, wenn die Forderung, die wiederum der Empfänger (hier: der Beklagte) gegen seinen Schuldner (hier: die Komplementärin) hatte, werthaltig war. Denn die ev. Gegenleistung des Empfängers liegt in der Regel darin, dass er eine werthaltige Forderung gegen seinen Schuldner verliert (siehe BGH ZIP 2006, 957 m.w.N.). Die Werthaltigkeit der Gehaltsforderungen des Beklagten gegen die Komplementärin kann aber nicht festgestellt werden.
33(a) Nach dem klägerischen Vortrag hatte die Komplementär-GmbH kein eigenes Vermögen, so dass die Forderung des Beklagten gegen sie nicht durchsetzbar war. Zwar bestreitet der Beklagte die Vermögenslosigkeit der Komplementär-GmbH. Sein Vortrag diesbezüglicher Vortrag ist aber nicht ausreichend.
34Der Beklagte war Alleingeschäftsführer der Komplementär-GmbH. Als solcher musste er umfassenden Einblick in die Vermögensverhältnisse der Komplementärin haben. Aus dieser Stellung ergibt sich eine erhöhte sekundäre Darlegungslast, die der Beklagte mit den ausgesprochenen und nicht näher unterlegten "Vermutungen", die Gesellschaft hätte ggf. noch Ansprüche auf rückständiges Stammkapital o.ä. gehabt, nicht genüge getan hat. In Anbetracht der Kenntnisse, die der Beklagte als Alleingeschäftsführer hatte, wäre er verpflichtet gewesen, detaillierter zu ev. im Einzelnen bestehenden Vermögenspositionen der Gesellschaft vorzutragen, zumal sich auch aus dem von Klägerseite vorgelegten Gutachten zum Insolvenzverfahren der Komplementär-GmbH ergibt, dass diese keinerlei eigene Geschäftstätigkeit entfaltete.
35(b) Soweit der Beklagte weiter konkret darauf abstellt, dass der von ihm aufgegebene Anspruch gegen die Komplementärin deshalb werthaltig war, weil die GmbH als Vermögensposition ihrerseits aus dem Gesellschaftsvertrag Aufwendungsersatzansprüche gegen die Insolvenzschuldnerin gehabt habe, führt auch dieser Vortrag nicht zu einer anderen Bewertung. Werthaltige Ersatzansprüche sind auch aus diesem Vortrag im Ergebnis nicht ersichtlich.
36Der von der Beklagtenseite (primär) als Grundlage des Erstattungsanspruchs herangezogene § 6 des Gesellschaftsvertrages beinhaltet keinen Anspruch der Komplementärin gegen die Insolvenzschuldnerin auf Erstattung des Geschäftsführergehaltes des Beklagten. Denn bei den Aufwendungen der Komplementär-GmbH für die Gehälter ihres Geschäftsführers handelt es sich um Aufwendungen, die die Komplementärin für die Insolvenzschuldnerin tätigte, sondern vielmehr um Aufwendungen, die sie für eigene Belange, nämlich zur Einsetzung eines für sie selbst notwendigen Geschäftsführers tätigte.
37Auch aus von dem Beklagten weiter vorgetragenen tatsächlichen Übung der Gesellschaften und ihrer Gesellschafter ergibt sich kein für den Beklagten werthaltiger Anspruch gegen die der Komplementärin. Denn selbst wenn die Geschäftsführergehälter des jeweiligen Komplementär-Geschäftsführers jahrelang von der Insolvenzschuldnerin gezahlt wurden, erscheint eine rechtliche durchsetzbare Freistellungs-/Erstattungsverpflichtung der bzw. gegen die Insolvenzschuldnerin jedenfalls so zweifelhaft und unsicher, dass nach Ansicht der Kammer nicht von einer Werthaltigkeit des Anspruchs des von dem Beklagten gegen die GmbH aufgegebenen Anspruchs ausgegangen werden kann.
383. Weiterhin lag – entgegen der Ansicht des Beklagten – mit der Zahlung der Geschäftsführergehälter durch die Insolvenzschuldnerin auch kein einen Anspruch aus § 134 InsO ausschließendes Bargeschäft, § 142 InsO, vor.
39Mit der Zahlung der Insolvenzschuldnerin ist mit der Geschäftsführertätigkeit des Beklagten keine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen der Insolvenzschuldnerin gelangt. Wie dargelegt war der Beklagte aufgrund seines Anstellungsvertrages (allein) der Komplementär-GmbH zur Geschäftsführertätigkeit verpflichtet, der er mithin seine Leistungen auch erbrachte.
404. Auch soweit der Beklagte sich auf ein Leistungsverweigerungsrecht, § 273 BGB, und noch ausstehende Dienste/Vergütungen bezieht, greift dieser Einwand jedenfalls im Verhältnis der vorliegend relevanten Leistungsbeziehung zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten ebenfalls bereits deshalb nicht, weil der Beklagte allein seiner Vertragspartnerin, der Komplementärin, zur Erbringung ev. Dienste bzw. Arbeitsleistungen verpflichtet war.
41Da die Forderung der Höhe nach unstreitig ist, ist der Anfechtungsanspruch des Klägers nach alledem in vollem Umfang aus § 134 InsO begründet.
42II.
43Der Zinsanspruch ab Insolvenzeröffnung ist aus den §§ 143 InsO i.v.m. 819, 291, 288 BGB begründet. Die weiteren Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 91, 709 ZPO.
44III.
45Der Streitwert wird auf 12.979,82 Euro festgesetzt.
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