Urteil vom Landgericht Münster - 014 O 82/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage der Beklagten werden die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte 1.312.534,02 € nebst 2,5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Kläger sind bzw. waren Eigentümer des Objektes U in E. Zur Finanzierung des Objektes schlossen die Kläger mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der M, am 09.11.1995 zwei Darlehensverträge über eine Gesamtnettokreditsumme von 2.696.150,-- DM mit den Kontonummern ######## und ########.
3Der Darlehensbetrag wurde ausgezahlt und ist von den Klägern zur Finanzierung des eingangs genannten Objektes verwandt worden.
4Nach den Darlehensbedingungen waren die Darlehen nicht kündbar; es wurde eine Festzinsperiode bis zum 30.11.2005 vereinbart. Wegen der Einzelheiten der Kreditverträge wird auf die Fotokopie Bl. 14 ff. d. A. Bezug genommen.
5In der Folgezeit kamen die Kläger ihren Verpflichtungen aus den Darlehensverträgen hinsichtlich der Zins- und Tilgungsleistungen nach.
6Mit Schreiben vom 01.06.2005 kündigte die Beklagte das Darlehensverhältnis zum 30.11.2005 und bot den Klägern an, ein neues Darlehensverhältnis zu dem Kooperationspartner J zu begründen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass sie durch Landesgesetz mit Wirkung ab dem 01.03.2004 in eine Struktur und Förderbank für das Land O umgewandelt worden sei und sie ihre Aktivitäten im Wettbewerbsgeschäft einstellen müsste. Durch Vermittlung der Beklagten erfolgte von Seiten der J ein entsprechendes Angebot unter dem 18.06.2005. Wegen der Einzelheiten dieses Angebotes wird auf die Fotokopie des Schreibens Bl. 23 ff. d. A. Bezug genommen.
7Da die J unter anderem eine Mitverpflichtung der Ehefrauen der Kläger sowie eine weitere Sicherheit forderte, nahmen die Kläger dieses Angebot nicht an.
8Die Kläger sind der Auffassung, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 01.06.2005 unwirksam sei.
9Inzwischen hat die Beklagte die Darlehensverträge erneut außerordentlich aus wichtigem Grund wegen Zahlungsverzuges gekündigt. Die aktuelle Kapitalforderung beläuft sich für das Darlehen Konto-Nr. ######## auf einen Betrag in Höhe von 838.709,16 Euro und für das Darlehen Konto-Nr. ######## auf einen Betrag in Höhe von 473.824,86 Euro.
10Die Kläger vertreten die Auffassung, dass die Kündigung der Darlehensverträge am 01.06.2005 schon deshalb unwirksam sei, weil die Verträge nach den Bedingungen nicht kündbar waren. Auch halten sie die Voraussetzungen für ein außerordentliches Kündigungsrecht nicht für gegeben, und zwar unter anderem schon deshalb, weil die Änderung der europarechtlichen Vorschriften in den Risikobereich der Beklagten fallen würde.
11Auch halten die Kläger die außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzuges für unwirksam, weil durch die rechtswidrige Aufkündigung des Darlehensverhältnisses im Jahre 2005 die Vermögensverhältnisse der Kläger desolat und sie dadurch in den Ruin getrieben worden seien. Sie räumen ein, dass sie zwischenzeitlich nicht mehr in der Lage seien, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.
12Die Kläger beantragen,
13festzustellen, dass die Darlehen Konto-Nr. ######## sowie Konto-Nr. ####### der Kläger bei der Beklagten durch Schreiben der Beklagten vom 01.06.2005 nicht wirksam gekündigt wurden, sondern über den 30.11.2005 hinaus ungekündigt auf der Grundlage des Kreditvertrages vom 09.11.1995 fortbestehen und die Klägerin verpflichtet ist, das Darlehensverhältnis fortzuführen.
14Hilfsweise beantragen sie, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern alle aus der vorzeitigen Kündigung der Darlehens Konto-Nr. ####### sowie ######## entstehenden Schäden zu ersetzen.
15Weiter beantragen sie hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihnen allen Schaden zu ersetzen, der ihnen aus der Aufkündigung des Darlehensverhältnisses entstanden ist.
16Die Beklagte beantragt,
17die Klage abzuweisen.
18Widerklagend beantragt die Beklagte,
19die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 1.312,534,02 Euro nebst 2,5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2005 zu zahlen.
20Die Kläger beantragen, die Widerklage abzuweisen.
21Die Beklagte ist der Auffassung, dass sowohl die außerordentliche Kündigung aus dem Jahre 2005 als auch die wegen Zahlungsverzuges ausgesprochenen Kündigungen wirksam seien. Insoweit tragen sie unter anderem vor, dass sie sich nach ihrer Umstrukturierung zur Förderbank des Landes O gehindert sah, das Kreditgeschäft mit den Klägern fortzusetzen.
22Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe:
24Die Klage ist unbegründet, während die Widerklage begründet ist.
25Die Beklagte hat die hier in Frage stehenden Darlehen wirksam am 01.06.2005 mit Wirkung zum 30.11.2005 gekündigt. Die außerordentliche Kündigung ist gem. § 314 BGB berechtigt erfolgt, da ein wichtiger Grund für die Kündigung vorlag. Aufgrund der europarechtlichen Vorgaben und der Umsetzung in Landesrecht war es der Beklagten rechtlich nicht möglich, das Darlehensengagement mit den Klägern fortzuführen. Denn durch das Gesetz zur Umstrukturierung der Landesbank O vom 16.03.2004 zählten zu den Aufgaben der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht mehr die gewerbliche Immobilienfinanzierung als Wettbewerbsgeschäft (§ 3 Abs. 2 bis 5 des Gesetzes). Nach § 3 Abs. 7 dieses Gesetzes mussten Tätigkeiten, die nicht unter die genannten Bereiche fallen, und die dort aufgeführten Bedingungen nicht erfüllen, spätestens nach dem 18. Juli 2005 von rechtlich selbständigen Unternehmen ohne öffentliche Unterstützung durchgeführt werden. Hintergrund dieser Regelung war, dass die Europäische Kommission in dem Betreiben von Wettbewerbsgeschäften durch Landesbanken mit Gewährträgerhaftung und Anstaltslast einen Verstoß gegen Artikel 87 bis 89 des EG-Vertrages sah (unzulässige Beihilfen mit Wettbewerbsvorteil gegenüber privaten Banken) und die Bundesrepublik aufgefordert hatte, das zu unterbinden.
26Entgegen der Auffassung der Kläger fällt dieser Umstand auch nicht allein in den Risikobereich der Beklagten. Auch war die tatsächliche Entwicklung für die Beklagte im Zeitpunkt des Abschlusses der Darlehensverträge nicht vorhersehbar.
27Zwar trifft es zu, dass das Problem, ob Anstaltslast und Gewährträgerhaftung bei öffentlich rechtlichen Instituten als Beihilfen nach EU-Wettbewerbsrecht zu bewerten sind, zwischen Europakommission und der Bundesrepublik Deutschland streitig war. Allein daraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass die Beklagte Darlehensverträge der vorliegenden Art nicht mehr hätte abschließen dürften. Eine entsprechende Beschwerde der Bankenvereinigung lag der Europäischen Union erst im Dezember 1999 vor, wie sich aus dem Schreiben der Europäischen Kommission vom 27.03.2002 ergibt (vgl. Anlage B 7). Ob und wie die Streitigkeit letztlich europarechtlich entschieden werden würde, war im Jahre 1995 nicht vorhersehbar und damit nicht absehbar.
28Die Voraussetzungen für ein außerordentliches Kündigungsrecht im Sinne des § 314 Abs. 1 BGB lagen mithin vor.
29Die Kläger haben auch aus folgendem Grund keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Darlehensverträge vom 09.11.1995 fort bestehen. Denn die Beklagte war nach ihren Darlehensbedingungen nach Ablauf der Zinsbindungsfrist lediglich verpflichtet, den Klägern ein neues Konditionsangebot zu unterbreiten, das von den Klägern hätte angenommen oder auch abgelehnt werden können. Nach Ziffer 5 des Darlehensvertrages war die Beklagte auch berechtigt, dieses Angebot unter Berücksichtigung der Marktlage und des Aufwandes zu unterbreiten. Gem. Ziff. 10 der Darlehensbedingungen hätte die Beklagte zudem aufgrund nachträglich eingetretener Umstände weitere Sicherheiten verlangen können, z.B. in der Art, wie schon von der J mit Schreiben vom 16.08.2005 gefordert. Dieses Angebot haben die Kläger abgelehnt. Aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung und der Grundstückspreisentwicklung auf dem Markt der neuen Bundesländer ist auch nachvollziehbar, dass die Beklagte, wie sie vorträgt, eine Nachbesicherung gefordert hätte. Hierzu haben die Kläger lediglich ausgeführt, dass sie sich einer Nachbesicherung zwar grundsätzlich nicht verweigert hätten, allerdings nicht in dem von der J geforderten Umfang. Insoweit steht gar nicht fest, dass die Darlehensverträge auch ohne die erfolgte außerordentliche Kündigung überhaupt fortgeführt worden wären.
30Auch die hilfsweise gestellten Anträge auf Feststellung zur Verpflichtung zum Schadensersatz sind unbegründet.
31Die Kläger haben schon nicht hinreichend vorgetragen, inwieweit ihnen überhaupt durch die Weigerung der Beklagten, den Darlehensvertrag fortzuführen, ein Schaden entstanden ist. Denn die Beklagte hatte, wie oben dargestellt, nach den Bedingungen der Darlehensverträge das Recht, eine Nachbesicherung zu verlangen. Ausweislich des Schreibens der Beklagten vom 01.09.2005, Bl. 28 ff. d. A., hat die Beklagte sogar schon die Prüfung einer vorübergehenden Aufrechterhaltung ihres Kreditengagement davon abhängig gemacht, dass ein aktualisiertes Verkehrsgutachten beigebracht werden müsste. In diesem Schreiben weist die Beklagte auch ausdrücklich darauf hin, dass vor dem Hintergrund der ungünstigen Entwicklung der Verkehrswerte von Immobilien in Ostdeutschland ein aktuelles Wertgutachten unbedingt erforderlich sei, um die Risikolage zuverlässig beurteilen und gegebenenfalls Risikoerhöhungen in die Zinskonditionen einzupreisen bzw. erforderlichenfalls eine Sicherheitenverstärkung verlangen zu können. Ob unter diesen Voraussetzungen die Kläger überhaupt auf neue Konditionen der Beklagten eingegangen wären und entsprechend die Kreditverträge fortgesetzt hätten, wird von ihnen jedenfalls nicht ausreichend vorgetragen.
32Aufgrund der berechtigt erfolgten Kündigung im Jahre 2005 fehlt es zudem an einer Pflichtverletzung durch die Beklagte, die zu einem Schadensersatzanspruch hätte führen können.
33Die Klage war mithin im vollen Umfang abzuweisen.
34Die Widerklage ist zulässig und begründet.
35Entgegen der Auffassung der Kläger fehlt der Widerklage nicht das Rechtschutzbedürfnis. Obwohl die Kläger in einer notariellen Urkunde eine Grundschuld bestellt, die persönliche Haftung für die Zahlung des Grundschuldbetrages übernommen und sich insoweit der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen haben, bleibt das Rechtschutzinteresse für eine Zahlungsklage bestehen, vgl. BGH, BKR 2007, 156.
36Die Widerklage ist auch gem. § 488 Abs. 1, 490 Abs. 1 BGB begründet.
37Unstreitig haben die Kläger ihre Zahlungen auf die Darlehensforderung eingestellt. Die Beklagte hat die Darlehensverträge daraufhin – erneut – wegen Zahlungsverzuges gekündigt. Die aktuelle Kapitalforderung in Höhe von insgesamt 1.312,534,02 Euro ist zwischen den Parteien unstreitig.
38Die Zinsforderung ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 297 Abs. 1 Satz 2 BGB.
39Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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Referenzen
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