Urteil vom Landgericht Münster - 016 O 142/09
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 8.884,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. April 2009 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger, ein Steuerberater, macht mit seiner Klage die Rückzahlung eines Darlehens geltend, welches er den Beklagten im Jahre 2002 gewährt hat.
3Die Beklagten hatten sich im Jahre 2002 dazu entschlossen, der H Grundstücks- und Wohnungsgenossenschaft E eG beizutreten. Diese Anlage war ihnen von ihrem damaligen Versicherungsvertreter, Herrn L, empfohlen worden. Zur Finanzierung des Erwerbs ihrer Genossenschaftsanteile unterzeichneten sie am 20. Dezember 2002 in ihrer Wohnung den Darlehensvertrag mit dem Kläger über einen Betrag von 8.835,- €; das Formular hatte Herr L mitgebracht. Der Darlehensbetrag sollte mit 6,75 % p. a. verzinst werden; jeweils am 31. März eines jeden Jahres sollte eine Zins- und Tilgungsleistung in Höhe von 1.013,- € gezahlt werden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertrages wird auf Blatt 5 und 6 der Gerichtsakte Bezug genommen. Gleichzeitig erhielten die Beklagten eine "Information über das Recht zum Widerruf", wegen deren genauen Inhaltes auf Blatt 7 der Akte Bezug genommen wird.
4Am gleichen Tag – also ebenfalls am 20. Dezember 2002 – erklärte die Beklagte ihren Beitritt zur H. Wegen der Einzelheiten ihrer Beitrittserklärung wird auf Blatt 34 der Gerichtsakte Bezug genommen.
5Der Darlehensbetrag wurde am 30. Dezember 2002 ausbezahlt. In den folgenden Jahren wurden die vereinbarten Zins- und Tilgungsleistungen von den Beklagten auch zunächst erbracht.
6Nachdem die H im Jahre 2006 Insolvenz angemeldet hatte, zahlten die Beklagten in den Jahren 2007 und 2008 die vereinbarten Zins- und Tilgungsleistungen nicht mehr. Daraufhin wandte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 10. März 2009 an die Beklagten und forderte sie auf, den damals ausstehenden Betrag von 7.546,53 € sowie die ihm entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 661,16 € zu zahlen; er setzte hierfür eine Frist bis zum 15. April 2009. Wegen des genauen Inhalts dieses Schreibens sowie der beigefügten Anlage wird auf Blatt 8 bis 12 der Gerichtsakte verwiesen.
7Die Beklagten leisteten jedoch auch auf dieses Schreiben hin keinerlei Zahlungen mehr, sondern erklärten durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 20. März 2009, wegen dessen weiteren Inhaltes auf Blatt 13 und 14 der Gerichtsakte Bezug genommen wird, dass sie den Darlehensvertrag vom 20. Dezember 2002 widerriefen, weil er nicht mit einer rechtlich zulässigen Widerrufsbelehrung versehen gewesen sei.
8Der Kläger erklärte hierauf mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 23. März 2009, wegen dessen genauen Inhaltes auf Blatt 15 bis 19 der Akte Bezug genommen wird, die fristlose Kündigung des Darlehensvertrages und forderte die Beklagten auf, den sich aus der beigefügten Aufstellung ergebenden Darlehenssaldo in Höhe von 7.561,86 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 1.322,32 € an ihn auszuzahlen. Er setzte hierfür nunmehr eine Zahlungsfrist bis zum 30. März 2009; Zahlungen seitens der Beklagten erfolgten hierauf jedoch nicht.
9Der Kläger ist der Ansicht, ein Widerrufsrecht habe den Beklagten nicht zugestanden. Die Vorschriften über das verbundene Geschäft (§ 358 BGB) seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien und der Darlehensvertrag und der Beitritt der Beklagten zur H auch kein verbundenes Geschäft darstellten. Zudem behauptet der Kläger, dass es sich bei dem Darlehen nicht um ein Verbraucherdarlehen an die Beklagten gehandelt habe, da er das Darlehen nicht als Teil seiner beruflichen Tätigkeit als Steuerberater gewährt habe, sondern als Privatperson.
10Mit seiner Klage macht er nicht nur den ausstehenden Darlehensbetrag einschließlich Zinsen (7.561,86 €), sondern auch seine vorgerichtlichen Anwaltskosten (1.322,32 €) geltend.
11Der Kläger beantragt,
12die Beklagten zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner 8.884,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. April 2009 zu zahlen.
13Die Beklagen beantragen,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagten sind der Ansicht, auf Grund der fehlerhaften Widerrufsbelehrung, die ihnen bei Abschluss des Darlehensvertrages erteilt worden sei, seien sie zum Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung berechtigt gewesen. Bei dem Beitritt zur H und dem Abschluss des vom Kläger gewährten Darlehens handele es sich um ein verbundenes Geschäft, weil der Darlehensbetrag zweckgebunden gewesen sei und ausschließlich dazu gedient habe, den Erwerb von Genossenschaftsanteilen an der H zu finanzieren. Darüber hinaus handele es sich bei dem Darlehensvertrag um ein Verbraucherdarlehen; der Kläger habe nach ihren Informationen mehr als 30 Darlehen an Anlageinteressenten der H ausgereicht.
16Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 1. Dezember 2008 (Az. 9 U 77/08) vertreten die Beklagten zudem die Auffassung, dass dem Kläger eine besondere Pflicht zur Aufklärung über die Risiken ihres Beitritts zur H oblegen habe, da er auf Grund eines Wissensvorsprunges um die besonderen Risiken dieses Beitritts gewusst habe. Sie behaupten hierzu, bei Abschluss des Darlehensvertrages im Dezember 2002 sei die H bereits zahlungsunfähig gewesen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Darlehenssaldos von 7.561,86 € sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.322,32 € zu.
191.
20Ob sich dieser Anspruch aus §§ 488 Abs. 1 Satz 2, 490 Abs. 3, 314 BGB ergibt, erscheint dabei zweifelhaft.
21Den Beklagten dürfte ein Recht zum Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrages vom 20. Dezember 2002 gerichteten Willenserklärung zugestanden haben. Der Kläger war und ist als selbständiger Steuerberater tätig, so dass zunächst eine Vermutung dafür spricht, dass die Darlehensvergabe im Rahmen dieser Tätigkeit erfolgte (vgl. MüKo/Schürnbrand, BGB, § 491, Rn. 18). Auch die Widerrufsfrist war am 20. März 2009 wohl noch nicht abgelaufen. Zwar ist die nach § 495 BGB grundsätzlich erforderliche Widerrufsbelehrung den Beklagten zwar erteilt worden, doch durfte darin eine Einschränkung dergestalt, dass der Widerruf als nicht erfolgt gelte, wenn der Darlehensbetrag nicht binnen zwei Wochen zurückgezahlt wird, nicht enthalten sein, da es sich nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten um ein Haustürgeschäft gehandelt hat (§ 506 Abs. 2 Satz 2 BGB in der bis zum 30. Juni 2005 geltenden Fassung). Auf die Frage, ob der Abschluss des Darlehensvertrages und der Beitritt der Beklagten zu H ein verbundenes Geschäft im Sinne des § 358 BGB darstellten, kommt es hiernach nicht mehr an.
222. Die Frage, ob der Widerruf tatsächlich wirksam ausgeübt worden ist, muss allerdings nicht abschließend geklärt werden. Denn auch im Falle eines wirksam ausgeübten Widerrufsrechtes wären die Beklagten zur Rückzahlung des geltend gemachten Betrages an den Kläger gemäß §§ 355, 357, 346 Abs. 2 Satz 2 BGB verpflichtet. Der Anspruch des Klägers richtet sich dabei nicht allein auf Rückzahlung des Darlehensbetrages, sondern auch auf Erstattung der Gebrauchsvorteile, d. h. der geltend gemachten Zinsen. Den ihnen möglichen Nachweis, dass das Darlehen einen niedrigeren Gebrauchsvorteil als den vereinbarten Zinssatz hatte, haben die Beklagten nicht erbracht.
233. Eigene Ansprüche, die ihnen im Zusammenhang mit dem Abschluss des Darlehensvertrages gegen den Kläger entstanden sein sollen, stehen den Beklagten nicht zu. Insbesondere hat der Kläger keine ihm obliegenden Beratungs- oder Aufklärungspflichten verletzt.
24Es gehört nicht zu den Aufgaben des Kreditgebers, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des finanzierten Geschäftes zu prüfen; vielmehr darf der Kreditgeber regelmäßig davon ausgehen, dass der Darlehensnehmer sich über die wirtschaftlichen Risiken dieses Geschäftes selbständig informiert hat. Auch die vom BGH entwickelten Voraussetzungen für besondere Aufklärungs- und Hinweispflichten des Kreditgebers (vgl. BGH NJW 2006, 2099) liegen nicht vor. Einen konkreten Wissensvorsprung des Klägers, der ihn dazu verpflichtet hätte, auf besondere Risiken des finanzierten Geschäftes hinzuweisen, haben die Beklagten nicht dargelegt. Ihre – vom Kläger bestrittene – Behauptung, die H sei bereits bei Abschluss des Darlehensvertrages, also im Dezember 2002, zahlungsunfähig gewesen, haben die Beklagten nicht bewiesen; die Bezugnahme auf den Bericht des Insolvenzverwalters C vom 31. Oktober 2006 (Blatt 150 bis 192 der Gerichtsakte) genügte insoweit nicht. Aus diesem Bericht ergeben sich keinerlei Umstände, die einen Beitritt zur H im Dezember 2002 besonders risikoreich gemacht hätten und damit den Kläger zu einer weitergehenden, umfassenderen Aufklärung der Beklagten über die damit verbundenen Risiken verpflichtet hätten.
254.
26Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der geltend gemachten Anwaltsgebühren ergibt sich aus §§ 280, 286 BGB. Die erste Anwaltsgebühr entstand für das Aufforderungsschreiben vom 10. März 2009; zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Beklagten mit der Zahlung der vereinbarten Zins- und Tilgungsleistungen im Zahlungsverzug. Hieran änderte auch der am 20. März 2009 erklärte Widerruf nichts, weil dieser nur ex nunc wirkte (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., § 357, Rn. 2). Eine weitere Anwaltsgebühr entstand sodann durch das Schreiben vom 23. März 2009, durch welches die Beklagten zur Rückzahlung des Darlehensbetrages einschließlich Zinsen aufgefordert wurden. Es handelte sich bei den anwaltlichen Tätigkeiten nicht um "dieselbe" Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 RVG, so dass sie gesondert zu vergüten sind.
27Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
285.
29Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 4 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
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