Beschluss vom Landgericht Münster - 015 S 19/09
Tenor
Die Kammer weist die Par¬tei¬en da¬rauf hin, dass be¬ab¬sich¬tigt ist, die Be¬ru¬fung ge¬mäß § 522 Abs. 2 ZPO zu¬rück¬zu¬wei¬sen, weil sie nach dem Vor¬brin¬gen in der Be¬ru¬fungs¬be-grün¬dung aus den im Er¬geb¬nis zu¬treffen¬den Grün¬den der an¬ge¬foch¬te¬nen Ent¬schei-dung kei¬ne Aus¬sicht auf Er¬folg hat. Die Sa¬che hat auch kei¬ne grund¬sätz¬li¬che Be¬deu-tung und eine Ent¬schei¬dung ist zur Fort¬bil¬dung des Rechts oder zur Si¬che¬rung ei¬ner ein¬heit¬li¬chen Recht¬spre¬chung nicht er¬for¬der¬lich.
Die Aus¬füh¬run¬gen in der Be¬ru¬fungs¬be¬grün¬dung füh¬ren nicht zu ei¬ner an¬de¬ren Be¬ur-tei¬lung.
Es ist nicht er¬sicht¬lich, dass die an¬ge¬foch¬te¬ne Ent¬schei¬dung auf ei¬ner Rechts¬ver¬let-zung be¬ruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrun¬de zu legen¬de Tatsa¬chen eine an¬de¬re Ent¬schei¬dung recht¬fer¬ti¬gen (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Dem Berufungskläger wird Ge¬le¬gen¬heit ge¬ge¬ben, binnen drei Wochen nach Zu¬gang die¬ses Be¬schlus¬ses, zu den Hin¬wei¬sen Stel¬lung zu neh¬men und mit¬zu¬tei¬len, ob die Be¬ru¬fung aus Kos¬ten¬grün¬den zu¬rück¬ge¬nom¬men wird.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger verlangt von der Beklagten, mit der er einen Vertrag über eine Reise-Rücktrittskostenversicherung abgeschlossen hat, die Erstattung durch die Stornierung angefallener Kosten.
4Bei dem Kläger wurde erstmals im März 2007 eine Panikstörung diagnostiziert. Von März bis Juni 2007 wurde er wegen dieser Panikstörung ambulant behandelt.
5Vom 18.09. -30.10.2007 erfolgte eine stationäre Behandlung der Panikstörung.
6Der Entlassungsbericht vom 30.10.2007 nennt als Diagnose insbesondere eine Agoraphobie mit Panikstörung, bezeichnet den Patienten als arbeitsfähig und enthält als "Vorschläge für nachfolgende Maßnahmen" die Angabe: "Psychotherapie" und "sonstige Anregung".
7Am 20.11.2007 buchte der Kläger die streitgegenständliche Reise, die am 02.07.2008 beginnen sollte.
8Am 14.06.2008 stornierte er diese Reise.
9Unter dem 16.06.2008 bescheinigte der Allgemeinmediziner N dem Kläger, dass dieser an der zweiten Episode einer Panikstörung leide, die erste Episode habe im März 2007 stattgefunden. Es bestehe keine Arbeitsunfähigkeit und es sei auch keine stationäre Behandlung erforderlich, eine Psychotherapie eingeleitet.
10Weiterhin gab N auf die Frage, ob die Krankheit schon längere Zeit bestanden habe, an, diese habe seit März 2007 bestanden, sei bis Juni 2007 behandelt worden, "dann Heilung". Die Behandlung im Juni 2008 erfolge aufgrund einer Verschlechterung der bestehenden Erkrankung.
11Unter dem 25.08.2008 berichtete N der Beklagten, der Kläger befinde sich seit März 2007 wegen rezidivierender Angst- und Panikattacken in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung. Behandlungen hätten seit März 2007 kontinuierlich stattgefunden und Arbeitsunfähigkeit habe zuletzt im November 2007 bestanden.
12II.
13Das Amtsgericht hat mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, zu Recht einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte unter Verweis auf die Regelung des § 1 Ziff. 2 a) Teil III der dem Vertrag zugrunde liegenden VB-UR 2003 zurückgewiesen, da die Krankheit, derentwegen der Kläger die versicherte Reise nicht angetreten hat, keine "unerwartete" gewesen sei.
14Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz weiterhin die Ansicht vertritt, die Beschränkung der Leistungspflicht der Beklagten auf unerwartete Krankheiten sei unwirksam, teilt die Kammer diese Ansicht nicht.
15Dem Umstand, dass die Einschränkung des Versicherungsschutzes auf unerwartete Erkrankungen die Regelung der §§ 16 ff. VVG unterläuft, die dem Versicherer eine Nachfrage- und Prüfungsobliegenheit auferlegen, wird allgemein und ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass durch die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf "unerwartete schwere Erkrankungen" nur dem Versicherungsnehmer bekannte Krankheiten ausgeschlossen werden können. Hierdurch wird verhindert, dass der Umfang des Versicherungsschutzes für den Versicherungsnehmer unklar bleibt, da nicht einzelne Erkrankungen oder deren Folgen, die vor der Antragsannahme im Rahmen der sonst stattfindenden Risikoprüfung erfragt werden, vertraglich ausdrücklich benannt und ausgeschlossen werden.
16Im vorliegenden Fall jedoch war dem Kläger die Krankheit, derentwegen er die Reise später storniert hat, nämlich eine Agoraphobie mit Panikstörung, unstreitig schon bei Reisebuchung bzw. Versicherungsabschluss bekannt.
17Die Kammer hält darüber hinaus in Übereinstimmung mit dem Amtsgericht die Krankheit, derentwegen der Kläger seine Reise storniert hat, nicht für eine unerwartete Erkrankung, so dass die Beklagte nicht leistungspflichtig ist.
18Auch aus der Sicht des Klägers sprach angesichts seiner Kenntnis der bisherigen Entwicklung seiner Erkrankung eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, dass seine Panikstörung einen Reiseantritt verhindern könnte. Insbesondere lagen keine Umstände vor, aufgrund derer der Kläger zuverlässig mit einer Heilung oder auch nur Besserung seiner Erkrankung hätte rechnen können.
19So führt der etwa Umstand, dass der Entlassungsbericht der Psychosomatischen Fachklinik C vom 30.10.2007 den Kläger als arbeitsfähig bezeichnet, entgegen der Ansicht des Berufungsführers nicht dazu, dass der Kläger mit einer Fortdauer oder Verschlechterung seines Leidens mit der Folge einer Reiseunfähigkeit zum Zeitpunkt des Reiseantritts nicht hätte rechnen müssen. Insbesondere konnte der Kläger sich nach der Entlassung vom 30.10.2007 nicht als "geheilt" ansehen. Denn der Entlassungsbericht schlägt vor, in der Folgezeit u.a. eine Psychotherapie durchzuführen. Gemäß Bl.1 dieses ärztlichen Entlassungsberichts wurde dem Kläger darüber hinaus eine "sonstige Anregung" für nachfolgende Maßnahmen gegeben, jedoch sind diese dem Gericht nicht bekannt, da hierzu offenbar Ausführungen auf dem Gericht nicht vorgelegten Unterlagen gemacht wurden. Jedenfalls aber ergibt sich aus dem Entlassungsbericht, dass die Klinik die Durchführung einer weiteren Psychotherapie – wie sie dann auch stattgefunden hat - bei dem Kläger wegen seiner Agoraphobie mit Panikstörung für erforderlich hielt. Der Kläger konnte sich vor diesem Hintergrund bei seiner Entlassung keinesfalls als von dieser Grunderkrankung geheilt betrachten und nur drei Wochen später eine Reise buchen, ohne mit erneuten gesundheitlichen Schwierigkeiten wegen seiner Erkrankung rechnen zu müssen.
20Auch der Arztbericht vom 16.06.2008 spricht zwar von einer "Heilung" der Krankheit nach ihrer Behandlung im Jahr 2007, nimmt diese Äußerung jedoch zurück, indem er angibt, die Behandlung im Juni 2008 erfolge aufgrund einer "Verschlechterung der bestehenden Erkrankung". Eine "geheilte" Erkrankung "besteht" jedoch nicht mehr.
21Vor dem Hintergrund, dass hiernach mehrfach ärztlich bestätigt worden ist, dass der Kläger auch nach dem 30.10.2007 einer Psychotherapie bedurfte, da seine Panikstörung weiterhin "bestand", hat sich das Amtsgericht zu Recht nicht veranlasst gesehen, ein Sachverständigengutachten zu der Behauptung einzuholen, der Kläger sei am 30.10.2007 als geheilt entlassen worden. Denn diese Behauptung ist bereits durch den am gleichen Tag gefertigten Entlassungsbericht eindrucksvoll widerlegt.
22Auch einer Vernehmung des N als sachverständigen Zeugen bedurfte es angesichts dieser Sachlage nicht, zumal sich nach Ansicht der Kammer seine Berichte vom 16.06.2008 und 25.08.2008 gerade nicht widersprechen.
23Soweit der Kläger kritisiert, das Gericht sei im Widerspruch zu dem Entlassungsbericht vom 30.10.2007 fehlerhaft von einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers im November 2007 – dem Monat der Reisebuchung - ausgegangen, sei darauf verwiesen, dass der Arztbericht vom 25.08.2008, auf den sich der Kläger selbst mehrfach beruft, eine Arbeitsunfähigkeit des Klägers "zuletzt November 2007" angibt.
24Soweit der Kläger rügt, das Amtsgericht hätte nicht aus eigener Sachkunde seine psychische Erkrankung als "nur behandelbar, kaum zu heilen" einordnen dürfen, begründet diese Äußerung des Gerichts unabhängig von der Frage, ob das Gericht die Sachkunde hatte, um diese Aussage treffen zu können, nicht einen Erfolg der Berufung.
25Denn das Gericht hat sein Urteil nicht etwa darauf gestützt, dass eine psychische Krankheit seines Erachtens nicht heilbar sei und damit auch eine Heilung des Klägers ausgeschlossen sei. Es hat sich vielmehr umfassend auf die vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Berichte gestützt und die Äußerung über die fehlende Heilbarkeit einer Erkrankung lediglich am Rande im Rahmen eines von mehreren Zitaten vergleichbarer Urteile – hier: Urteil des Landgerichts Halle vom 21. 11. 2002, AZ 2 S 161/02 – getätigt.
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