Urteil vom Landgericht Münster - 014 O 346/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger macht Ansprüche aus einer Geschäftsverbindung in Gestalt eines Girokontovertrages mit der Beklagten geltend. Der Kläger überwies in mehreren Teilüberweisungen zwischen April 2008 und November 2008 insgesamt 267.456,80 €, die überwiegend aus freiwerdenden langfristigen Anlagen resultierten, auf sein Girokonto bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der E mit Sitz in M.
3Im Oktober 2000 kam es zu einem Gespräch mit einem Anlageberater der Beklagten in der Wohnung des Klägers.
4In der Folgezeit tätigten die Mitarbeiter der Beklagten Wertpapierkäufe für den Kläger. Wie der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 02.11.2010 erklärt hat, erhielt er ungefähr im Herbst 2000 erstmals eine Teil-„Vermögensübersicht“, aus der sich der Kauf mehrerer Wertpapiere ergab. Am 17.09.2001 wurde ihm dann eine vollständige Vermögensübersicht übersandt, aus der sich ergab, dass sich in seinem Depot bei der Beklagten zahlreiche (weitere) Wertpapiere befanden. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Anlage A 3 der Klageschrift (Blatt 16 f. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
5Nach Erhalt dieser Vermögensübersicht kam es zu Gesprächen zwischen dem Kläger und den Mitarbeitern der Beklagten. Der Kläger traf die Entscheidung, dass aufgrund der ausweislich der Vermögensübersicht vom 17.09.2001 erlittenen erheblichen Verluste die Aktienfonds zunächst nicht veräußert werden sollten, da die Hoffnung bestand, dass der Aktienmarkt sich wieder beruhigen würde. Tatsächlich kam es im Frühjahr 2002 auch zu einer solchen Beruhigung, so dass der Verkauf der Wertpapiere weiterhin nicht angeordnet wurde. Im Herbst 2002 brach der Aktienmarkt indes erneut ein und führte zu weiteren erheblichen Verlusten des Klägers. Dies führte dazu, dass der Kläger die Auflösung seines Kontos wünschte. Am 25.10.2002 beziehungsweise 06.01.2003 überwies die Beklagte an den Kläger den verbliebenen Restbetrag in Höhe von insgesamt 101.757,00 €.
6Der Kläger verfolgte zunächst mit einer im Dezember 2005 beim Landgericht Münster vor der hiesigen Kammer erhobenen Klage Schadensersatzansprüche in Höhe von 203.953,54 € wegen angeblicher fehlerhafter Beratung durch die Mitarbeiter der Beklagten beim Kauf der Wertpapiere. Diese Klage wurde mit der Begründung, dass die geltend gemachten Ansprüche verjährt seien, abgewiesen. Die Klageabweisung ist mittlerweise rechtskräftig. Der Kläger verfolgt mit seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten Regressansprüche gegen die damaligen Prozessbevollmächtigten wegen fehlerhafter Prozessführung in dem dortigen Verfahren. Dieses Regressverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.
7Der Kläger behauptet, entgegen seiner früheren – im Verfahren 14 0 914/04 Landgericht Münster geäußerten – Auffassung, habe die Beklagte den Kläger nicht schlecht, sondern vielmehr überhaupt nicht beraten. Es sei gar keine verbindliche Entscheidung zum Kauf von Wertpapieren gefallen und jedenfalls habe der Kläger keinerlei Vollmacht für den Erwerb von Wertpapieren in seinem Namen erteilt.
8Er ist der Ansicht, vor dem Hintergrund, dass er für den Kauf von Wertpapieren und insbesondere für den Kauf von diesen konkreten Wertpapieren keine Vollmacht erteilt habe und die Belastung seines Kontos mit dem Kaufpreis der Wertpapiere daher zu Unrecht erfolgt sei, sei von der Beklagten die Kontobelastung rückgängig zu machen beziehungsweise der sich aus der Korrektur dieser fehlerhaften Buchung ergebende Betrag an ihn auszuzahlen.
9Er beantragt,
10die Beklagte zu verurteilen, an ihn 165.709,80 € nebst 5 Prozentpunkten
11über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere 54.450,73 €
12zu zahlen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie ist der Ansicht, die Klage sei schon unzulässig, da ihr die Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 14 0 914/04 Landgericht Münster entgegenstehe. Im Übrigen behauptet sie, der Kläger sei vor dem Kauf der Wertpapiere ordnungsgemäß aufgeklärt worden und habe auch eine umfassende Vollmacht zum Erwerb dieser erteilt. Im Übrigen beruft sich die Beklagte erneut auf die Einrede der Verjährung.
16Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 02.11.2010 Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Klage ist zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
19Der Klage steht nicht die Rechtskraft der Entscheidung im Verfahren 14 0 914/04 Landgericht Münster entgegen, da letzteres einen anderen Streitgegenstand hatte. Im dortigen Verfahren machte der Kläger Schadensersatzansprüche wegen einer angeblichen fehlerhaften Beratung durch die Beklagte vor dem Kauf der Wertpapiere geltend. Im hiesigen Verfahren hingegen geht es um Ansprüche aus dem zwischen den Parteien seinerzeit bestehenden Girovertrag. Der Kläger macht geltend, das Verrechnungskonto sei zu Unrecht mit dem Kaufpreis für den Wertpapiererwerb belastet worden, so dass sein Auszahlungsanspruch gegen die Beklagte entgegen der fehlerhaften Buchung unberührt geblieben sei.
20Dabei handelt es sich um zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte und somit Streitgegenstände, so dass die Klageabweisung bezüglich des einen keine Auswirkungen auf die Möglichkeit, den zweiten in einem weiteren Rechtsstreit zu verfolgen, hat.
21Der geltend gemachte Anspruch besteht indes nicht, so dass die Klage als unbegründet abzuweisen war.
22Der Kläger hat keinen Anspruch aus § 667 BGB.
23Verfügt die Bank im Rahmen eines Girovertrages über das Guthaben, ohne dass dem ein Auftrag des Kunden oder ein anderweitiger rechtlicher Grund zugrundeliegt, wird dadurch die Forderung des Kontoinhabers zwar nicht berührt. Dieser kann – deklaratorisch – die Rückbuchung des Betrages verlangen oder aber, wenn ein solcher Zahlungsanspruch ohne die rechtsgrundlose Abbuchung bestanden hätte, gemäß § 667 BGB unmittelbar die Auszahlung verlangen. Einen solchen Anspruch macht der Kläger hier geltend. Die Belastung des Kontos mit dem Kaufpreis der Wertpapiere sei zu Unrecht erfolgt, da eine Vollmacht für den Kauf der Papiere nicht vorgelegen habe und somit das Konto des Klägers nicht mit dem Kaufpreis hätte belastet werden dürfen. Vor dem Hintergrund, dass das Girokonto bereits im Jahr 2003 aufgelöst wurde, bestünde dann tatsächlich ein unmittelbarer Auszahlungsanspruch gemäß § 667 BGB.
24Die Voraussetzungen für einen derartigen Zahlungsanspruch liegen hier jedoch nicht vor, weil die Belastung des Kontos des Klägers mit dem Kaufpreis der Wertpapiere nicht zu Unrecht erfolgt ist.
25Dabei dürfte schon davon auszugehen sein, dass der Kläger den Beklagten eine Vollmacht für den Erwerb der Wertpapiere erteilt hat. Der anderweitige Vortrag steht bereits im Widerspruch zu seinem Vortrag im Verfahren 14 0 914/04 Landgericht Münster. Dort hat der Kläger ausgeführt, dass er die Wertpapiere erworben habe und seine Klage darauf gestützt, dass er im Vorfeld dieses Erwerbs durch die Beklagte fehlerhaft beraten worden sei. Insbesondere hat der Kläger darüber hinaus im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 02.11.2010 ausdrücklich erklärt, er habe nach den Beratungsgesprächen schon gewusst, dass nunmehr mit seinem Geld etwas passieren werde und sogar auch, dass Aktien gekauft werden. Alles andere wäre auch lebensfremd, da es dem Kläger ja gerade um eine Anlage seines Vermögens ging und es nicht nachvollziehbar gewesen wäre, wenn der Kläger mindestens 16 Monate ins Land gehen ließ, ohne dass seine Vorstellungen in die Tat umgesetzt wurden. Wenn der Kläger aber wusste, dass hinsichtlich seines Vermögens Dispositionen getroffen würden, spricht dies dafür, dass er auch eine entsprechende Vollmacht erteilt hat. Er ist auch durch die erste Mitteilung von dem Erwerb von Wertpapieren im Herbst 2000 nicht insofern überrascht worden, als überhaupt Wertpapiere gekauft wurden, sondern er hat – wie er in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat – lediglich nicht überschaut, in welche Wertpapiere investiert wurde.
26Es kann aber letztlich auch dahinstehen, ob der Kläger der Beklagten für den Erwerb der Wertpapiere eine Vollmacht erteilt hat. Denn selbst dann, wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte – was im deutlichen Widerspruch zu seinem eignen Vortrag in der mündlichen Verhandlung stünde –, hätte der Kläger jedenfalls nachträglich den Erwerb dieser Wertpapiere genehmigt und damit auch die Belastung des Kontos mit dem Kaufpreis der Wertpapiere im Nachhinein legitimiert. Der Kläger hat im Termin vom 02.11.2010 dargelegt, dass er bereits im Herbst 2000 eine erste Übersicht über Wertpapierkäufe erhalten habe. Dass er schon damals Einwendungen gegen den Kauf von Wertpapieren als solches erhoben habe, hat der Kläger schon nicht behauptet. Soweit er vorträgt, er habe dann nach Erhalt der Vermögensübersicht vom 17.09.2001 unverzüglich Kontakt mit der Beklagten aufgenommen und erklärt, er sei nicht einverstanden gewesen, ist diese Haltung – sofern es sich so zugetragen haben sollte – jedenfalls im Nachhinein dadurch überholt worden, dass der Kläger sodann angeordnet hat, dass die Wertpapiere zunächst nicht veräußert werden sollen, um eine Beruhigung des Aktienmarktes abzuwarten. Dadurch, dass der Kläger somit die Wertpapiere zunächst in seinem Besitz halten wollte, hat er den Erwerb der Wertpapiere – sofern er vollmachtlos erfolgt sein sollte – jedenfalls gemäß § 177 Abs. 1 BGB genehmigt. Eine solche Genehmigung muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch durch schlüssiges Handeln erfolgen (vergleiche Palandt, BGB, 69. Auflage, § 177 Rn. 6). Die Anweisung, die Aktien zunächst nicht zu verkaufen, war aus Sicht des (insoweit maßgeblichen) objektiven Empfängerhorizontes eindeutig dahingehend zu verstehen, dass der Erwerb der Wertpapiere jedenfalls hingenommen wird. Entscheidend ist, dass er zu erkennen gegeben hat, dass er damit einverstanden ist, die Wertpapiere in seinem Depot zu haben und dafür auch mit seinem Vermögen einzustehen.
27Darauf, ob der Kläger die rechtliche Bedeutung der Erteilung einer Vollmacht durchblickt hat, kommt es nicht an. Das insoweit nach der vom Kläger im Schriftsatz vom 15.11.2010 zitierten Rechtsprechung des BGH geforderte Bewusstsein von der schwebenden Unwirksamkeit läge dann, wenn der Kläger tatsächlich keine Vollmacht zum Erwerb von Wertpapieren erteilt hätte, vor. Denn auch wenn man die rechtliche Bedeutung einer Vollmacht nicht in all ihren Einzelheiten versteht, kann darüber, ob man jemandem erlaubt, ihn beauftragt, oder ihm gestattet hat, für einen anderen Wertpapiere zu kaufen, keine fehlerhafte Vorstellung bestehen. Dass der Kläger tatsächlich geglaubt hat, eine Bank dürfe ohne jegliche Art der Zustimmung des Kunden über dessen Geld verfügen, ist ausgeschlossen. Das Bewusstsein, dass eine Bank nicht eigenmächtig über fremdes Geld verfügen kann, hat sicher jede geschäftsfähige Person und ganz bestimmt auch der Kläger, wovon sich das Gericht durch die Anhörung im Termin überzeugen konnte.
28Der Kauf der Wertpapiere ist somit wirksam in seinem Namen und mit Wirkung für und gegen ihn erfolgt, so dass auch die Belastung seines Kontos mit dem Kaufpreis der Wertpapiere jedenfalls nachträglich berechtigt war, so dass ein Anspruch gemäß § 667 BGB nicht gegeben ist.
29Somit kommt es nicht darauf an, dass ein solcher Anspruch des Klägers darüber hinaus verjährt wäre. Ein Anspruch gemäß § 667 BGB unterliegt der Regelverjährung des § 195 BGB. Da das Girokonto im Jahr 2003 aufgelöst wurde, entstand spätestens zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Auszahlung eines etwaigen Kontoguthabens. Die Voraussetzungen für den Beginn der Verjährungsfrist gemäß § 199 Abs. 1 BGB sind erfüllt, da der Kläger auch Kenntnis von den den Anspruch begründenden tatsächlichen Umständen hatte. Wenn dem Kauf der Wertpapiere tatsächlich keine Vollmacht des Klägers vorgelegen haben sollte, kannte der Kläger die diesbezüglichen Umstände. Auch wenn er rechtlich die Bedeutung und Tragweite einer Vollmacht und einer etwaigen schwebenden Unwirksamkeit nicht richtig verstanden haben sollte, wusste er jedenfalls, dass er dann der Beklagten nicht die Anweisung zum Kauf von Wertpapieren gegeben hätte. Die Verjährungsfrist begann daher mit Ende des Jahres 2003 und so dass im Zeitpunkt der Klageerhebung im Juli 2010 ein etwaiger Anspruch schon verjährt war.
30Andere Anspruchsgrundlagen sind nicht ersichtlich. Auch Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem angeblich fehlerhaften Verständnis des Klägers vom Wesen der Vollmacht scheiden aus. Eine diesbezügliche Pflichtverletzung der Beklagten ist schon nicht dargelegt. Sie läge insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Aktien für das Depot des Klägers erworben wurden, auch dann nicht vor, wenn die Mitarbeiter der Beklagten „keinen Zweifel daran gelassen hätten“, dass es sich bei den Wertpapieren um solche des Klägers handelte.
31Im Übrigen hat der Kläger im Termin am 02.11.2010 auch klargestellt, dass es ihm bei seinen Vorwürfen gegen die Beklagte nicht um die Vollmacht als solche, sondern darum ging, dass er die einzelnen Geschäfte nicht hinreichend verstanden habe. Diese Frage war jedoch bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen vorangegangenen Verfahrens.
32Eine Schriftsatzfrist war dem Kläger im Hinblick auf die Erörterungen im Termin vom 02.11.2010 nicht zu bewilligen, da Gegenstand der mündlichen Verhandlung allein rechtliche Gesichtspunkte waren, die bereits Gegenstand der wechselseitigen Schriftsätze waren und somit ausreichend Gelegenheit bestand, sich im Vorfeld oder jedenfalls im Laufe der mündlichen Verhandlung hierzu zu äußern.
33Die Ausführungen im nach Schluss der mündlichen Verhandlung verfassten Schriftsatz vom 15.11.2010 hat das Gericht noch berücksichtigt.
34Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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