Urteil vom Landgericht Münster - 110 O 28/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist bezüglich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d
2Die Kläger nehmen die Beklagten aus Steuerberaterhaftung auf Schadensersatz in Anspruch.
3Die Beklagte zu 1) war bis 2003 als Steuerberatungsgesellschaft unter der Firmierung K. Steuerberatungsgesellschaft mbH tätig und unterhielt bis dahin eine Zweigniederlassung in I. Im Laufe des Jahres 2003 schieden bis auf die Beklagte zu 3)) sämtliche übrigen Steuerberater und Geschäftsführer der Gesellschaft aus und die Beklagte zu 1) stellte ihre Geschäftstätigkeit zum Jahresende 2003 vollständig ein, wobei sie umfirmierte und zunächst lediglich als Unternehmenshülle unter neuer Geschäftsführung fungierte. Die letzte verbleibende Geschäftsführerin der Beklagten zu 1), die Beklagte zu 3), gründete zum 01.01.2004 mit einer neuen Partnerin, der Beklagten zu 4), eine neue Steuerberatungs-GbR, welche mit der Beklagten zu 1) nicht identisch ist und bei welcher es sich um die Beklagte zu 2) handelt. Die Zweigstelle der neuen Gesellschaft in I. übernahm dabei die neue Gesellschafterin, die Beklagte zu 4), während die Beklagte zu 3) in H. tätig wurde.
4Im Zusammenhang mit dieser Firmenneugründung wechselten Mandanten der Beklagten zu 1) zur Beklagten zu 2), wobei ein Mandat, welches die Kläger der Beklagten zu 1) erteilt hatten, bei der Kanzleineugründung versehentlich nicht von der neu gegründeten Beklagten zu 2) übernommen wurde.
5Die Kläger waren seit dem 09.09.1996 zu je ½ Eigentümer eines Grundstückes, welches am 05.03.2000 veräußert worden war. Mit Feststellungsbescheid vom 05.03.2003 war für die aus den Klägern bestehende Grundstücksgemeinschaft vom Finanzamt I1 als Veräußerungsgewinn ein Betrag in Höhe von 373.012,00 DM = 190.718,01 € festgesetzt worden. Die Beklagte zu 1) war daraufhin mit der Erhebung des Einspruchs gegen den Bescheid beauftragt worden. Sie begründete das Einspruchsschreiben vom 31.03.2003 damit, dass die Steuerpflicht nur deswegen entstanden sei, weil das Steuerentlastungsgesetz die sogenannte Spekulationsfrist für Grundstücke rückwirkend von zwei auf zehn Jahre verlängert hatte und wegen Verstoßes gegen das Rückwirkungsverbot verfassungswidrig sei. Jedoch hatte dieses Einspruchsschreiben vom 31.03.2003 das zuständige Finanzamt als Empfängerin zu keinem Zeitpunkt erreicht. Nur die Kläger selbst hatten eine Kopie des Einspruchsschreibens erhalten.
6Insoweit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass es bei der Beklagten zu 1) bzw. bei der für sie haltenden Beklagten zu 3) zu einer Pflichtverletzung im Rahmen des Steuerberaterverhältnisses gekommen war.
7Das Bundesverfassungsgericht stellte im Übrigen in seinem Beschluss vom 07.07.2010 fest, dass die rückwirkende Verlängerung des Spekulationszeitraumes von zwei auf zehn Jahren jedenfalls insoweit verfassungswidrig sei, als die kurze Spekulationsfrist im Zeitpunkt der Grundstücksveräußerung bereits abgelaufen gewesen sei. Im Zeitpunkt der Veräußerung des Grundstücks durch die Grundstücksgemeinschaft der Kläger war die kurze Spekulationsfrist von zwei Jahren bereits abgelaufen, so dass ohne die spätere – verfassungswidrige – Regelung keine Steuerschuld in der Höhe des Bescheids entstanden wäre. Der Einkommenssteuerbescheid vom 05.03.2003 wäre bei rechtzeitigem Eingang des Einspruchs zumindest teilweise aufgehoben worden. Den Klägern wäre insoweit ein Schaden jedenfalls teilweise nicht entstanden.
8Die Kläger berechnen nunmehr ihren Schaden entsprechend Bl. 9 der Klageschrift.
9Sie machen geltend, dass eine Verjährung ihrer Schadensersatzansprüche entgegen dem Vorbringen der Beklagten nicht eingetreten sei, weil sie erst im Herbst 2010 Kenntnis von dem Schadenseintritt erlangt hätten, das Steuerberaterverhältnis zur Beklagten zu 1) auch erst in diesem Zeitpunkt beendet hätten und bei dieser Sachlage jedenfalls die Frist für eine sogenannte Sekundärverjährung nicht abgelaufen gewesen sei, bevor sie sie durch Klage vor Ablauf der Verjährung gehemmt hätten. Hierzu machen sie weiter geltend, dass sie von einer Angestellten der Beklagten zu 1) über Jahre auf jeweilige Anfragen hin vertröstet worden seien unter Hinweis darauf, dass das Bundesverfassungsgericht noch keine Entscheidung getroffen habe. Insoweit sei sogar von einer bewussten Hinderung an einer Verjährungsunterbrechung auszugehen. Unabhängig hiervon sei die Kanzlei der Beklagten zu 1) auch dadurch, dass z.B. keine Fristenkontrolle vorgesehen gewesen sei, so schlecht organisiert gewesen, dass sie sich auf die Einrede der Verjährung nach Treu und Glauben nicht berufen dürfe.
10Nachdem die Kläger Kenntnis von der Umorganisation der Gesellschaften auf Seiten der Beklagten erlangt haben, haben sie die Klage auf die Beklagten zu 2) bis 4) erweitert, wobei sie geltend machen, dass die Beklagte zu 2) als neu gegründete Steuerberatergesellschaft sehr wohl ihr Mandat übernommen habe und insoweit ebenso wie die Beklagte zu 1) für die eingetretene Pflichtverletzung verantwortlich sei.
11Die Kläger beantragen,
12die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zu 1) als Gesamtschuldner 44.281,50 € nebst 6 Prozentpunkten Zinsen aus 44.000,00 € seit dem 01.04.2002 zu zahlen,
13die Beklagten ferner zu verurteilen, an den Kläger zu 2) als Gesamtschuldner 43.511,18 € nebst 6 Prozentpunkten Zinsen aus 43.500,00 € seit dem 01.04.2002 zu zahlen,
14die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an beide Kläger als Gesamtgläubiger einen weiteren Betrag in Höhe 1.239,550 € als Verzugsschaden zu zahlen.
15Die Beklagten beantragen,
16die Klage abzuweisen.
17Die Beklagten zu 1) und 3) berufen sich auf Verjährung.
18Sie vertreten ferner die Auffassung, dass die Schadensberechnung unschlüssig sei, wobei sie darauf hinweisen, dass der Wertzuwachs nach dem 31.03.1999 des Grundstücks der Kläger sehr wohl steuerpflichtig sei.
19Die Beklagten zu 2) und 4) berufen sich ebenfalls auf Verjährung.
20Zudem bestreiten sie eine Pflichtverletzung ihrerseits, wobei sie darauf hinweisen, dass zu ihnen zu keinem Zeitpunkt ein Vertragsverhältnis bestanden habe. Darüber hinaus bestreiten sie die Aktivlegitimation der Kläger unter Hinweis darauf, dass die Grundstücksgemeinschaft bisher nicht auseinandergesetzt sei und bestreiten letztendlich eine Kausalität einer angeblichen Pflichtverletzung unter Hinweis darauf, dass es die Kläger selbst übernommen hätten, das Einspruchsschreiben dem Finanzamt zu übermitteln.
21Die Beklagten zu 1) und 3) machen sich das Verteidigungsvorbringen der Beklagten zu 2) und 4) ebenfalls zu eigen.
22Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze sowie der hierzu überreichten Anlagen Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24Die Klage ist unbegründet. Nach dem unstreitigen Sachverhalt steht den Klägern gegenüber den Beklagten kein Anspruch aus Steuerberaterhaftung zu.
25Es kann zunächst dahingestellt bleiben, ob die Kläger zur Durchsetzung der von ihnen geltend gemachten Schadensersatzansprüche aktiv legitimiert sind. Dem könnte entgegenstehen, dass die Kläger einen eigenen Schaden geltend machen, wohingegen Schaden allenfalls bei der nicht auseinandergesetzten Grundstücksgemeinschaft eingetreten sein kann.
26Es kann ferner dahinstehen, ob die Schadensberechnung der Kläger in Anbetracht des Gegenvorbringens der Beklagten schlüssig ist und ob die Kläger nicht gehalten sind, eine zeitlich differenzierte Berechnung vorzunehmen, unter Berücksichtigung von Wertsteigerungen und Zeitpunkten, an die das Bundesverfassungsgericht angeknüpft hat.
27Jedenfalls sind angebliche Ansprüche der Kläger verjährt, nachdem sich die Beklagten sämtlich auf Verjährung berufen haben.
28Da der Schaden der Kläger nur dadurch entstanden sein kann, dass der Einkommensteuerbescheid vom 05.03.2003 nach Ablauf der Einspruchsfrist bestandskräftig geworden ist, ist für die Verjährung noch § 68 StBerG in der Fassung bis zum 14.12.2004 anzuwenden, nicht die Neufassung der Verjährungsvorschriften ab diesem Zeitpunkt. Danach kommt es darauf, wann die Kläger Kenntnis von einem möglichen Schaden erlangt haben, nicht an. Entscheidend ist vielmehr, ob die nach altem Recht anzuwendenden Primär- und Sekundärfristen für eine Steuerberatungshaftung abgelaufen sind.
29Hiernach ist davon auszugehen, dass die Primärverjährungsfrist, die am 08.04.2003 zu laufen begonnen hat, bereits am 08.04.2006 abgelaufen war und die sogenannte Sekundärfrist jedenfalls drei Jahre später am 08.04.2009. Entgegen der Auffassung der Kläger kommt es für den Ablauf der Sekundärfrist nicht darauf an, wann das Mandatsverhältnis zu der Beklagten zu 1) bzw. gegebenenfalls der Beklagten zu 2) endete. Entscheidend ist vielmehr allein der Zeitpunkt der in Betracht kommenden Pflichtverletzung und der Eintritt des Schadens, wobei insoweit davon auszugehen ist, dass dies der Zeitpunkt 08.04.2003 gewesen ist. Die unter dem 11.05.2011 erhobene Klage vermochte bei dieser Sachlage den Eintritt der Verjährung nicht mehr zu verhindern, die bereits am 08.04.2009 vollendet war.
30Entsprechendes gilt nicht nur für die Verjährung von Ansprüchen gegenüber den Beklagten zu1) und 3), sondern auch für Ansprüche gegen die Beklagten zu 2) und 4). Selbst unter Berücksichtigung dessen, dass die Beklagte zu 2) nach dem insoweit bestrittenen Vorbringen der Kläger das Mandat der Kläger Anfang 2004 übernommen hat, ist auch im Verhältnis zu den Beklagten zu 2) und 4) von Verjährung auszugehen. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten zu 2) und 4) es zu unternehmen hatten, eventuelle Fehler der Beklagten zu 1) und 3) bei der Bearbeitung des Mandats der Kläger zu überprüfen. Zum anderen wäre, wenn die Beklagten zu 2) und 4) eine derartige Überprüfung pflichtwidrig nicht vorgenommen hätten, als ihnen das Mandat gegebenenfalls Anfang des Jahres 2004 mit einem entsprechenden Prüfungsauftrag übergeben worden wäre, ein Ablauf der Primär- und Sekundärfristen jedenfalls mit Ablauf des Jahres 2010 eingetreten, so dass auch insoweit die im Jahre 2011 erhobene Klage den Eintritt der Verjährung nicht mehr zu verhindern gemocht hätte.
31Sämtlichen Beklagten ist es nicht verwehrt, sich auf Verjährung zu berufen. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang Organisationsfehler insbesondere bei der Beklagten zu 1) geltend machen, weil dort eine Fristenkontrolle nicht sichergestellt gewesen sei, ergibt sich aus einem derartigen Organisationsverschulden möglicherweise eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1). Nicht hingegen führt diese Pflichtwidrigkeit dazu, dass sich die Beklagte zu 1) und im Übrigen die weiteren Beklagten nicht auf die Verjährung des aus dieser Pflichtwidrigkeit resultierenden Schadens berufen dürfen. Insoweit liegt ein Irrtum der Kläger vor, die offensichtlich die Auffassung vertreten, dass aus der Pflichtwidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zugleich deren Obliegenheit folgt, sich nicht auf Verjährung zu berufen. Darüber hinaus ist die Berufung der Beklagten auf Verjährung auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Kläger angeblich davon abgehalten worden sind, ihre Rechte rechtzeitig geltend zu machen. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang geltend machen wollen, dass die Beklagte zu 1) bzw. deren Geschäftsführerin, die Beklagte zu 3) sie bewusst von der Geltendmachung ihrer Rechte abgehalten habe, ist dieses Vorbringen völlig unsubstantiiert. Derartigen Behauptungen braucht das Gericht nicht nachzugehen. Soweit die Kläger insbesondere durch die Angestellte A. der Beklagten zu 1) abgehalten worden sein wollen, ihre Rechte geltend zu machen, kann nicht festgestellt werden, dass die angeblichen Angaben der Frau A. unrichtig waren und dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht wirklich noch ausstand. Auch bei dieser Sachlage müssen sich die Beklagten nicht nach Treu und Glauben entgegen halten lassen, dass ihre Berufung auf Verjährung rechtsmissbräuchlich ist. Dies könnte allenfalls festgestellt werden, wenn von einem bewussten Abhalten der Kläger ausgegangen werden könnte. Dies lässt sich wie gesagt nicht feststellen.
32Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.
33Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
34Unterschrift
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