Urteil vom Landgericht Münster - 015 O 59/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Korrektur von insgesamt 14 Rechnungen, um diese beim Finanzamt L zur Geltendmachung des Vorsteuerabzugs einreichen zu können.
3Zwischen der Klägerin und der Gemeinschuldnerin, der mittlerweile insolventen Firma F GmbH (im Folgenden: Gemeinschuldnerin), bestanden längerfristige Geschäftsbeziehungen. Die Gemeinschuldnerin lieferte der Klägerin Waren und stellte sie sodann in Rechnung. Darunter befinden sich u. a. die im Klageantrag näher bezeichneten Rechnungen, wegen deren genauen Inhalts auf Blatt 12 bis 24 und 96 der Gerichtsakte sowie die Anlage K 13 (Anlagenordner 1) verwiesen wird.
4Nachdem sich durch eine von der Gemeinschuldnerin erteilte Gutschrift der Gesamtjahresrechnungsbetrag für das Jahr 2006 verringert hatte, wurden die zeitlich vorangegangenen Rechnungen geändert. Diese Änderungen – im Einzelnen handelte es sich dabei um die Eintragung einer Rechnungsnummer ###### bis ###### – wurden vom damaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin, Herrn X, vorgenommen. Die so korrigierten Rechnungen sandte er mit Schreiben vom 6. Juni 2008, wegen dessen genauen Inhalts auf Blatt 35 der Gerichtsakte verwiesen wird, an die Klägerin zurück. Nachdem die Klägerin die so korrigierten Rechnungen aber beim Finanzamt L eingereicht hatte, um den Vorsteuerabzug geltend zu machen, wurde seitens der Finanzverwaltung bemängelt, dass der Korrekturvermerk auf den Rechnungen unvollständig sei. Weil durch Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 30. Januar 2008 (Az.: 87 IN 91/07) zwischenzeitlich das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma F GmbH eröffnet worden war, konnte der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin die von der Klägerin daraufhin begehrte Rechnungskorrektur jedoch nicht mehr durchführen. Die Klägerin wandte sich deswegen an den Beklagten, der zum Insolvenzverwalter bestellt worden war, und forderte diesen unter gleichzeitiger Übersendung der Originalrechnungen auf, diese zu korrigieren. Nach mehrfachem Schriftwechsel lehnte der Beklagte eine Rechnungskorrektur Anfang Februar 2009 letztlich ab. Einen Vorsteuerabzug aus den vorgelegten 14 Rechnungen hat die Klägerin nicht erlangt.
5Die Klägerin behauptet, die in den Rechnungen ausgewiesenen Waren seien von der Gemeinschuldnerin tatsächlich geliefert und von ihr, der Klägerin, einschließlich der ausgewiesenen Umsatzsteuer auch tatsächlich bezahlt worden. Eine weitere Konkretisierung der Umsätze, als sie es mit den in den als Anlage zum Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 überreichten Ordnern 1 bis 4 enthaltenen Unterlagen bereits getan habe, sei ihr weder möglich noch zumutbar. Die einzelnen Warenbewegungen, die den streitigen Rechnungen zugrunde gelegen hätten, ließen sich anhand der in den Ordnern befindlichen Unterlagen nachvollziehen, wie sie an einzelnen Beispielen erläutert. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 (Bl. 187 bis 192 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
6Die Klägerin beantragt,
7den Beklagten zu verurteilen, die Rechnungen der Firma F GmbH
8· ###### vom 31.01.2006
9· ###### vom 31.01.2006
10· ###### vom 31.03.2006
11· ###### vom 30.04.2006
12· ###### vom 31.05.2006
13· ###### vom 30.06.2006
14· ###### vom 31.07.2006
15· ###### vom 31.08.2006
16· ###### vom 30.09.2006
17· ###### vom 31.10.2006
18· ###### vom 30.11.2006
19· ###### vom 31.12.2006
20· ###### vom 31.12.2006
21· ###### vom 31.12.2006
22mit einem aktuellen Korrekturvermerk nebst dem aktuellen Datum zu versehen.
23Der Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Der Beklagte vertritt die Auffassung, die Klage sei unzulässig. Weder dem angekündigten Antrag noch der Klagebegründung sei zu entnehmen, worin der „aktuelle Korrekturvermerk“ bestehen soll und wie er bei den einzelnen Rechnungen lauten soll.
26Daneben sei die Klage aber auch unbegründet. Ein Rechnungskorrekturanspruch gegen ihn, den Beklagten, bestehe nicht. Bezüglich der beiden Rechnungen vom 31. Januar 2006 mit den Nummern ###### und ###### bestehe ein solcher Anspruch schon deshalb nicht, weil diese beiden Rechnungen bereits mit ordnungsgemäßer Rechnungsnummer ausgestellt gewesen seien und deshalb nicht geändert werden müssten.
27Die Gemeinschuldnerin habe, so trägt der Beklagte weiter vor, keine nachprüfbare Buchhaltung geführt. Weder stünden ihm betriebswirtschaftliche Auswertungen für die hier maßgeblichen Zeiträume zur Verfügung, nicht einmal Jahresbilanzen, noch könne er vom damaligen Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin weitere Auskünfte einholen. Dieser Geschäftsführer, Herr X, habe nämlich einen Schlaganfall erlitten und deshalb ab dem 3. Mai 2005 keine Geschäftsführertätigkeit mehr ausgeübt; dies sei lediglich nicht im Handelsregister vermerkt worden. Zur Untermauerung dieser Behauptung legt der Beklagte ein Schreiben vor, das von Herrn X stammen soll und wegen dessen genauen Inhalts auf Blatt 236 der Gerichtsakte Bezug genommen wird. Bei dieser Sachlage sei er, der Beklagte, schon aus tatsächlichen Gründen nicht in der Lage, irgendwelche Feststellungen zu angeblichen Lieferungen der Gemeinschuldnerin an die Klägerin zu treffen, schon gar nicht zu angeblichen Zahlungen. Es sei jedoch erforderlich, die Warenlieferungen und die Rechnungsstellung im Einzelnen nachzuvollziehen, um sich nicht durch eine – möglicherweise nicht den Tatsachen entsprechende – Rechnungskorrektur der Teilnahme an steuerstrafrechtlich relevanten Taten strafbar zu machen.
28Auch nach eingehender Sichtung der Geschäftsbücher der Insolvenzschuldnerin sei er zu einer weiteren Sachaufklärung nicht in der Lage. Erkundigungen bei den Organen und Mitarbeitern der Gemeinschuldnerin hätten zu keinem Ergebnis geführt, was sich durch das zeitliche Zurückliegen der Vorgänge erklären lasse. Dies könne ihm, dem Insolvenzverwalter, aber nicht angelastet werden, weil sich seine Pflichten auf die Verwaltung der Insolvenzmasse beschränkten und er zur Abgabe nur solcher Erklärungen verpflichtet sei, zu denen er die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen könne. Dies sei im vorliegenden Fall aber unmöglich. Hingegen müsste es der Klägerin ohne Weiteres möglich sein, die einzelnen Umsätze zu spezifizieren.
29Die Klägerin, so die Auffassung des Beklagten, sei ihrer Substantiierungspflicht jedoch nicht nachgekommen, und zwar auch nicht durch Vorlage ihrer Buchhaltungsunterlagen in den Ordnern 1 bis 4. Die Verkaufsstatistiken der Klägerin, mit denen sie die Umsätze präzisieren will, beträfen nämlich ihre Ausgangsumsätze; daraus auf einen in diesem Rechtsstreit gegenständlichen konkreten Eingangsumsatz zu schließen, sei ausgeschlossen.
30Letztlich, so der Beklagte, bestehe eine Forderung der Gemeinschuldnerin gegen die Klägerin in Höhe von 69.993,46 €. Das als Reaktion auf die Geltendmachung dieser Forderung von der Klägerin vorgelegte Schreiben des Herrn X vom 8. April 2009 (Bl. 48 der Gerichtsakte) zeige, mit welcher Beliebigkeit Rechnungen, Gutschriften, Vorsteuern u. ä. gegenseitig bestätigt worden seien.
31Entscheidungsgründe
32I.
33Die Klage ist zulässig.
34Bedenken im Hinblick auf die Fassung des Klageantrages bestehen seitens der Kammer nicht. Die Klägerin hat hinreichend genau bezeichnet, welche Rechnungen welchen Datums mit einem aktuellen Korrekturvermerk nebst dem aktuellen Datum versehen werden sollen. Dass eine weitere Spezifizierung nicht möglich ist, ergibt sich aus der Natur der Sache. Der Klägerin ist nämlich unbekannt, wann der Beklagte die Rechnungen korrigieren wird, so dass der entsprechende Vermerk noch nicht näher eingegrenzt werden kann.
35II.
36Die Klage ist jedoch unbegründet.
371.
38Die Klägerin hat gegen den Beklagten grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass dieser die der Klägerin erteilten Rechnungen mit einem aktuellen Korrekturvermerk nebst aktuellem Datum versieht.
39Dieser Anspruch der Klägerin, der sich ursprünglich gegen die Gemeinschuldnerin richtete, resultiert als Nebenpflicht aus der Geschäftsbeziehung zwischen den beiden Unternehmen. Die Verpflichtung der Gemeinschulderin beschränkte sich nicht darauf, der Klägerin Rechnungen zu erteilen, sondern diese bei Bedarf auch zu korrigieren. Die hier in Rede stehenden Rechnungen sind auch unvollständig, denn sie sind zwar mit einem Korrekturvermerk verstehen, tragen aber kein unzweideutiges Korrekturdatum. Sie müssen deshalb berichtigt werden.
40Diese Verpflichtung der Gemeinschuldnerin trifft nunmehr den Beklagten als Insolvenzverwalter. Als solcher wäre er nämlich sogar zur Erteilung von Rechnungen verpflichtet (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 6. Mai 1981, Az. VIII ZR 45/80), und zwar auch in solchen Fällen, in denen die Lieferung oder sonstige Leistung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkt wurde (Uhländer, Insolvenzen und Steuern, 8. Aufl., Rn. 2071). Erst recht ist der Beklagte deshalb dazu verpflichtet, bereits erteilte Rechnungen zu korrigieren.
412.
42Der Anspruch der Klägerin besteht im vorliegenden Fall aus tatsächlichen Gründen jedoch nicht. Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die in den Rechnungen verzeichneten Waren- und Geldumsätze tatsächlich getätigt worden sind und sie tatsächlich Umsatzsteuerbeträge an die Gemeinschuldnerin gezahlt hat.
43a)
44Im Hinblick auf die beiden Rechnungen vom 31. Januar 2006 dürfte die Klägerin der ihr obliegenden Substantiierungspflicht nachgekommen sein. Aus diesen Rechnungen ergeben sich die im Einzelnen genau bezeichneten Gegenstände, die geliefert worden sein sollen, nebst Einzel- und Gesamtpreis. Mehr kann von der Klägerin in dieser Hinsicht nicht verlangt werden.
45Allerdings hat die Klägerin nicht dargelegt, dass sie die Rechnungsbeträge und die darin ausgewiesene Umsatzsteuer tatsächlich an die Gemeinschulderin gezahlt hat. Aus den zum Beweis dieser Behauptung vorgelegten Buchhaltungsunterlagen (Anlage K 65) ergibt sich nicht eine einzige Zahlung der Klägerin, die sich einer der Rechnungen zweifelsfrei zuordnen ließe, beispielsweise über den Rechnungsbetrag oder die Rechnungsnummer.
46Zudem hat die Klägerin nicht bewiesen, dass diese beiden Rechnungen tatsächlich inhaltlich richtig sind und lediglich der Korrekturvermerk berichtigt werden muss. Der Beklagte hat das Klägervorbringen in seinem (nachgelassenen) Schriftsatz vom 7. März 2012 in ausreichender Weise bestritten. Zwar hat er die Lieferung der Gegenstände sowie deren Bezahlung durch die Klägerin lediglich mit Nichtwissen bestritten. Dies war im vorliegenden Fall jedoch zulässig, weil der Beklagte Umstände vorgebracht hat, aufgrund derer es ihm unmöglich war, substantiierter zu bestreiten. So hat er zum einen vorgetragen, dass die bei der Gemeinschuldnerin noch vorhandenen Unterlagen unzureichend seien, um daraus Erkenntnisse im Hinblick auf Lieferungen oder Zahlungen gewinnen zu können; es läge weder eine nachprüfbare Buchhaltung vor, noch seien Jahresbilanzen vorhanden. Zum anderen kann, so der Beklagte weiter, auch der damalige Geschäftsführer der Beklagten, Herr X, keine weiteren Angaben machen, wie dieser durch Schreiben vom 28. April 2008 mitgeteilt habe. Der Beklagte hat daher sämtliche möglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft.
47Die Klägerin hätte ihre Behauptungen deshalb beweisen müssen. Geeignete Beweismittel hat sie jedoch nicht angeboten. Aus den mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2010 vorgelegten Unterlagen ergeben sich zu den hier gegenständlichen Rechnungen und den einzelnen zugrundeliegenden Warenlieferungen keinerlei weiteren Erkenntnisse. Der Einholung des gleichfalls angebotenen Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht, weil auch ein Sachverständiger keine Rückschlüsse aus den Unterlagen auf möglicherweise getätigte, darin aber nicht verzeichnete Umsätze hätte ziehen können (und dürfen).
48b)
49Was die zwölf übrigen Rechnungen anbelangt, ist zweifelhaft, ob die Klägerin ihr Vorbringen hinreichend substantiiert hat. Diese Rechnungen enthalten keinerlei Hinweis darauf, wann was zu welchem Einzelpreis geliefert worden sein soll. Eine solche weitergehende Substantiierung wäre der Klägerin jedoch nach Auffassung der Kammer zumutbar gewesen, weil die Rechnungsstellung auf der Grundlage von Bestellungen durch die Klägerin erfolgte. Es müsste seitens der Klägerin also nachvollziehbar gewesen sein, wann was bestellt worden ist und mit welchem Preis ihr die daraufhin gelieferten Gegenstände in Rechnung gestellt worden sind. Mit den in den Ordnern 1 bis 4 vorgelegten Unterlagen kam die Klägerin dieser Substantiierungspflicht nicht nach. Die von der Klägerin aufgezeigten und mit den vorgelegten Unterlagen belegten Warenbewegungen betreffen nämlich nicht etwa die Lieferungen von der Gemeinschuldnerin an die Klägerin, sondern die Lieferungen der Klägerin an ihre eigenen Kunden, sind also nicht geeignet, die hier maßgeblichen Lieferungen und Zahlungen zu belegen. Ein zwingender Rückschluss aus dem Umstand, dass die Klägerin ihrerseits Waren ausgeliefert hat, darauf, dass sie diese Waren von der Gemeinschuldnerin bezogen hat, lässt sich nicht ziehen. Es ist nämlich ohne weiteres möglich, dass die Klägerin diese Waren von dritter Seite bezogen hat.
50Letztlich kann aber auch hier eine ausreichende Substantiierung zugunsten der Klägerin angenommen werden, weil die Klägerin ihre Behauptungen jedenfalls nicht bewiesen hat. Auf die obigen Ausführungen hierzu wird verwiesen.
51c)
52Darauf, ob der Gemeinschuldnerin gegen die Klägerin tatsächlich noch eine Forderung zusteht, kam es hiernach nicht mehr an.
533.
54Die Klage war hiernach mit der Kostenfolge aus § 91 Abs. 1 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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