Urteil vom Landgericht Münster - 025 O 22/12

Tenor

I.

Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen im geschäftlichen Verkehr für Behandlungsverfahren der manuellen Medizin, insbesondere für eine Behandlung des sogenannten KISS-Syndroms zu werben:

1.

„KISS-Syndrom

Krank durch die Geburt?

Es handelt sich um eine Kopfgelenksblockierung, die 1990 unter diesem Namen von den Ärzten Gutmann und Biedermann vorgestellt wurde. Dabei handelt es sich um eine Fehlstellung im Bereich der oberen Halswirbelsäule. Ausgelöst werden soll diese durch den Druck des Kopfes gegen das Becken bei der Geburt. Unbehandelt könne das Syndrom später zu schlechten schulischen Leistungen, Hyperaktivität, Müdigkeit und Kopfschmerzen führen. Alternativmediziner sehen als Quelle all dieser Krankheitserscheinungen die Fehlstellung der oberen Halswirbel, welche verhindert, dass frühkindliche Reflexe durch normale Körperbewegungen abgebaut werden. Bleiben diese Reflexe erhalten, sollten Störungen in der neurologischen Entwicklung die Folge sein“,

2.

„Folgeerkrankungen eines unbehandelten KISS-Syndroms können sein:

- Hyperaktivität

- Konzentrationsstörungen

- Schreib- und Leseschwächen

- Haltungsschwächen

- Kopfschmerzen, Migräne

- Wahrnehmungsstörungen

Symptome, die einer KISS-Erkrankung zugeordnet werden:

- Schiefhaltung des Kopfes

- anhaltendes Schreien (,Schreibaby)

- asymmetrische Schädelform

- Asymmetrie der Augen

- Hyperextension (Überstreckung; C-Form)

- Schluckbeschwerden

- einseitige Stilposition

- Überspringen von Entwicklungsphasen (Krabbeln wird ausgelassen)

- Unreife der Hüftgelenke

- Fehlstellung der Füße“

und/oder

für eines, mehrere oder alle der oben aufgeführten Anwendungsgebiete

3.

„Eine besonders ausgeprägte Form des KISS-Syndroms ist bereits lange bekannt, der Schiefhals (Torticollis). Doch auch ohne dieses stark auffällige Symptom kann die Halswirbelsäule die genannten Probleme verursachen. Verantwortlich für die Beschwerden sind Verschiebungen der ersten beiden Wirbelkörper, Atlas und Axis, wodurch es zu Bewegungs- und Funktionsstörungen im gesamten Körper kommen kann. Auch Erwachsene können Fehlbelastungen ihrer Wirbelkörper, z. B. nach einem langen Tag am PC, deutlich spüren. Krankhaft werden die Fehlbelastungen jedoch erst, wenn sie länger andauern – sollte es zu Folgeschäden kommen ... In der Manualtherapie wird der Begriff verwendet, um deutlich zu machen, dass lediglich eine einzige Sitzung notwendig ist um die Beschwerden des Kindes zu beseitigen“,

4.

„Zur Untersuchung des Säuglings tastet der Arzt die Wirbelsäule ab und löst Blockaden mit sanftem Druck auf. Die Gelenke sind danach wieder beweglich, und die entstandenen Beschwerden können abklingen“,

5.

„Ein unerkanntes und unbehandeltes KISS-Syndrom führt unter Umständen auch in späteren Jahren zu verstärkten Problemen und wird als KDD-Syndrom (kopfgelenkinduzierte Dyspraxie und Dysgnosie) bezeichnet. Sind Vor- und Grundschulkinder betroffen, erkennt man dies häufig an reduzierten fein- und grobmotorischen Fähigkeiten. So fällt vielleicht das Malen mit Buntstiften schwer oder das Spielen mit einem Ball ist ungelenk und unkoordiniert (Dyspraxie = Koordinations- und Entwicklungsstörung). Auch Schulprobleme, verbunden mit Konzentrationsschwierigkeiten, können Sorgen bereiten und bedürfen der genaueren Beobachtung (Dysgnosie = Erkennungs- und Wahrnehmungsstörung).“,

6.

„Schulmediziner und Krankenkassen erkennen das KISS-Syndrom oft nicht an. Die durch Alternativmediziner empfohlene manuelle Therapie zur Behandlung des KISS-Syndroms muss in Eigenleistung finanziert werden. Trotzdem finden sich immer mehr Eltern bei Manualmedizinern ein, und viele berichten im Anschluss von einer grundlegenden Besserung der Symptome ihrer Kinder“,

jeweils sofern dies geschieht wird in Anlage K1 wiedergegeben.

II.

Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen I. ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, angedroht.

III.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 166,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.03.2012 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen in Höhe von 20.000,00 € vorläufig vollstreckbar


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