Urteil vom Landgericht Münster - 02 O 494/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 22.10.2011 geltend. Am Samstag, den 22.10.2011, befuhr der Kläger um 20:30 Uhr mit seinem Pkw Mercedes Benz 320 CLK/ Avandgarde, amtliches Kennzeichen XXX, Erstzulassung 19.01.2000, die Westfalenstraße in Münster Fahrtrichtung stadteinwärts. In Höhe der Westfalen-Tankstelle bremste der Kläger ab, sodass der Beklagte zu 1) mit dem Beklagten zu 2) gehörenden und bei der Beklagten zu 3) versicherten PKW BMW 530d, amtliches Kennzeichen XXX, auf das Fahrzeug des Klägers auffuhr. Durch den Unfall wurden beide Pkw erheblich beschädigt. Nach dem Unfall wurde die Polizei verständigt, die den Unfall aufnahm.
3Der Kläger beauftragte das Kfz-Sachverständigenbüro B in X mit der Begutachtung des Schadens. Dieses bezifferte die Reparaturkosten abzüglich Wertverbesserung mit 8.649,37 € netto und stellte angesichts eines angesetzten Wiederbeschaffungswertes von 8.500,00 € die Unwirtschaftlichkeit der Reparatur fest. Der Restwert wurde mit 1.000,00 € angesetzt, bei einer Wiederbeschaffungsdauer von 6 Tagen. Für das Gutachten wurden 796,11 € in Rechnung gestellt.
4Im Gutachten wurde hinsichtlich des Zustandes des Fahrzeugs angegeben:
5 Vorschäden: Rückwand hinten links beschädigt,
6 Altschäden: lt. Fzg.-Halter reparierte Heckschäden und Seitenschaden links,
7 Schadensbeschreibung: Seitenanstoß hinten rechts, Seitenwand, Abschlepphaken, Rückwand und Kofferboden deformiert, Heckklappe beschädigt und klemmt stark.
8Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens wird auf Bl. 6 ff. d.A. verwiesen.
9Die Beklagte zu 3) wurde mit anwaltlichem Schreiben vom 04.11.2011 unter Fristsetzung bis zum 18.11.2011 zur Zahlung aufgefordert. Eine Zahlung erfolgte jedoch auch nach Nachfristsetzung bis zum 14.12.2011 nicht.
10Am 14.11.2011 meldete der Kläger einen etwa baugleichen Mercedes Benz, Erstzulassung 04.05.1999, bei der Zulassungsstelle in Hamm an.
11Der Kläger hatte bereits vor dem Auffahrunfall vom 22.10.2011 am 14.05.2010 und am 26.01.2011 zwei weitere Auffahrunfälle als Geschädigter mit seinem Pkw, die sich jeweils beim Linksabbiegen ereigneten. Am 17.11.2011 wurde er mit seinem ersatzweise angeschafften, baugleichen Fahrzeug erneut in einen Auffahrunfall als Geschädigter verwickelt.
12Der Beklagte zu 3) ist mit Schriftsatz vom 29.02.2012 den Beklagten zu 1) und 2) im Wege der Nebenintervention beigetreten.
13Der Kläger ist der Ansicht, er hätte Anspruch auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten, Ersatz der Gutachterkosten sowie Ersatz für die entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da das Verschulden zu 100 Prozent bei den Beklagten liege. Hilfsweise wird Ersatz des Wiederbeschaffungsauffandes (7.500,00 €) zuzüglich Anmeldekosten (52,50 €), Kosten für Schilder (5,90 €) und Nutzungsausfall für den Zeitraum vom 22.10.2011 bis 14.11.2011 (14 Tage á 65,00 €) geltend gemacht.
14Dazu behauptet er, dass er am 22.10.2011 gemeinsam mit dem Zeugen auf dem Weg zur Kirmes („Send“) in Münster gewesen sei. Während der Fahrt von Hamm nach Münster sei jedoch die Tanklampe angegangen, weshalb er sich vor der linksseitig gelegenen Westfalen-Tankstelle zur Mitte hin eingeordnet, den Blinker gesetzt und auf der Fahrbahn angehalten habe. Der Beklagte zu 1) sei dann aus Unachtsamkeit auf das bereits seit geraumer Zeit (5-7 Sekunden) stehende Fahrzeug aufgefahren. Das beschädigte Fahrzeug habe er am 20.11.2011 für insgesamt 1.200,00 € verkauft.
15Der Kläger stellt den Antrag,
161.) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 9.470,48 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2011 zu zahlen,
172.) die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger die außergerichtliche Geschäftsgebühr in Höhe von 631,80 € zu erstatten.
18Der Beklagte zu 1) beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Der Beklagte zu 3) beantragt für sich und für die Beklagten zu 1) und 2) als Nebenintervenient,
21die Klage abzuweisen.
22Die Beklagten sind der Ansicht, eine Haftung scheide vorliegend trotz des Auffahrens auf das vorrausfahrende Fahrzeug aus, da es sich um einen provozierten (Beklagter zu 1) ) bzw. fingierten (Beklagte zu 2) ) Unfall gehandelt habe. Dies ergäbe sich aus einer Gesamtschau der vorliegenden Indizien, so sei der geschilderte Unfallhergang unplausibel, da niemand auf einer absolut geraden und übersichtlichen Straße auf ein 5 bis 7 Sekunden stehendes Fahrzeug auffahre. Zudem wurde eine vermeintlich klare Schuldfrage geschaffen, das Verletzungsrisiko sei aufgrund der niedrigen Aufprallgeschwindigkeit gering gewesen und es sollte aufgrund fiktiver Gutachterbasis abgerechnet werden. Letztlich widerspräche vor allem die große Anzahl von Auffahrunfällen innerhalb kurzer Zeit der (Lebens-)Wahrscheinlichkeit.
23Dazu behauptet der Beklagte zu 1), der Kläger habe in Höhe der Tankstelle abrupt eine Vollbremsung vorgenommen und sei dabei unvermittelt nach links zum Mittelstreifen gezogen. Zuvor habe der Kläger den Beklagten zu 1) durch deutliche Unterschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit am Fortkommen gehindert. So sei er auf der Landstraße mit höchstens 50 km/h gefahren, wo 100 km/h erlaubt waren und Innerorts in Hiltrup habe er auf der Hauptverkehrsstraße eine Geschwindigkeit von 40 bis 45 km/h nicht überschritten, ohne das ein Überholen möglich gewesen wäre.
24Die Beklagte zu 3) behauptet, die geltend gemachten Schäden wären nicht durch den Verkehrsunfall entstanden, es spräche vielmehr vieles dafür, dass die Vorschäden aus den zwei vorhergehenden Unfällen zwischenzeitlich nicht ordnungsgemäß behoben worden seien. Der Kfz-Gutachter B hätte zudem keine Vorschäden erkannt, obwohl unstreitig welche vorhanden gewesen wären, weshalb es sich hier um ein reines Gefälligkeitsgutachten handele. Außerdem seien der Kläger und der Beklagte zu 1) Arbeitskollegen (gewesen) und der Beklagte zu 2) könne als Fahrzeughändler Fahrzeuge provisorisch herrichten.
25Ferner behauptet die Beklagte zu 3), der Kläger habe das Fahrzeug nicht verkauft, sondern es unter einer neuen Fahrgestellnummer am 14.11.2011 bei der Zulassungsstelle der Stadt Hamm erneut zugelassen.
26Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen E sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des öffentlich bestellten und vereidigten Kfz-Sachverständigen vom 09.11.2012 und vom 15.01.2013. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten in der Akte sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 04.06.2012, Bl. 227 ff. der Akten, Bezug genommen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Klage ist unbegründet.
30Dem Kläger steht kein Anspruch aus §§ 7 I, 18 I StVG, § 823 I BGB und § 115 VVG gegenüber den Beklagten aufgrund des Sachschadens zu, der ihm aus Anlass des Ereignisses vom 22.10.2011 in Münster auf der Westfalenstraße entstanden ist.
31Der Mercedes des Klägers ist zwar bei dem Betrieb des Fahrzeugs des Beklagten zu 2) beschädigt worden (§ 7 I StVG) und es liegt ein Verstoß gegen § 4 I StVO vor, denn der Beklagte zu 1) hat nach seinen eigenen Angaben zu dem vorausfahrenden Pkw nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand eingehalten. Dieser Sicherheitsabstand hätte so groß sein müssen, dass er auch dann hinter dem Fahrzeug anhalten können muss, wenn dieses plötzlich abbremst. Doch die Beklagten zu 1) und 3) haben den (Indizien-)Beweis geführt, dass der Kläger haftungsausschließend mit der Beschädigung seines Fahrzeugs einverstanden gewesen ist, weshalb das fahrlässige Verschulden des Beklagten zu 1) vollständig hinter der vorsätzlichen Verursachung durch den Kläger zurücktritt, da bereits die Rechtswidrigkeit der schädigenden Handlung des Beklagten zu 1) entfällt.
32Erhebt wie im vorliegenden Fall der Versicherer den Vorwurf der Unfallmanipulation, hat zunächst der Geschädigte den äußeren Tatbestand der Rechtsgutsverletzung, also die Beschädigung des Eigentums durch das gegnerische Fahrzeug sowie das Ausmaß des unfallbedingten Schadens darzulegen und zu beweisen. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zunächst fest, dass es zu einer Berührung zwischen den beteiligten Fahrzeugen gekommen ist und durch diese Berührung die von dem Kläger in dem Gutachten der B vom 27.10.2011 aufgeführten Schäden entstanden sind. Nach den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen H, in seinem Gutachten vom 09.11.2012, sind die in dem Schadensgutachten der Firma B vom 27.10.2011 berücksichtigten Schäden am Fahrzeug des Klägers kompatibel zu den Schäden des Beklagtenfahrzeugs.
33Demgegenüber trifft den Versicherer die Beweislast dafür, dass es sich um einen vorgetäuschten Unfall handelt. Jedoch sind an den von den Beklagten zu führenden Beweis einer Einwilligung des Klägers in den Unfall bzw. eines Zusammenwirkens der Verkehrsteilnehmer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es ist insbesondere kein logischer oder naturwissenschaftlich zwingender Nachweis erforderlich. Im Rahmen des § 286 ZPO kann die Überzeugungsbildung des Gerichts durch eine Häufung unausgeräumt gebliebener, für eine Unfallprovozierung oder -fingierung typischer Anzeichen und eine Häufung von Ungereimtheiten begründet werden.
34Im Streitfall ist das Gericht aufgrund folgender Beweiszeichen von dem Vorliegen einer Unfallprovozierung überzeugt:
35Für die Annahme eines vorsätzlich herbeigeführten Auffahrunfalles spricht zunächst, dass der Schadensablauf typische Merkmale eines provozierten Unfalls aufweist (vgl. OLG Hamm NZV 2001, 374), denn ein Auffahrunfall wird in Fällen der Unfallmanipulation häufig gewählt. Ein solcher Unfall ist leicht produzierbar und beherrschbar, eine Gefährdung der Insassen besteht – bei einer wie hier vorliegenden – geringen Geschwindigkeit nicht. Außerdem ist die Schuldfrage regelmäßig vermeintlich eindeutig feststellbar, weshalb auch bei provozierten Auffahrunfällen häufig zur Schadensfeststellung die Polizei hinzugezogen wird.
36Auch der Zeitpunkt des Unfalls spricht für die Annahme einer Provokation. Auffahrunfälle werden regelmäßig in der Dunkelheit hervorgerufen, da es dann weniger Zeugen gibt, die die unnötige Vollbremsung bestätigen könnten. Außerdem wird ein Auffahren bei ungünstigen Sichtbedingungen wahrscheinlicher.
37Der von dem Kläger und dem Zeugen E geschilderte Unfallhergang ist ferner unplausibel.
38Unplausibel ist zunächst, dass der Beklagte zu 1) überhaupt auf das Fahrzeug des Klägers aufgefahren ist, dass er also das vor der Einfahrt der Tankstelle auf der Fahrbahn stehende Fahrzeug (trotz vermeintlich gesetzten Blinker) nicht gesehen hat. Nach den Erklärungen des Klägers und des Zeugen E stand das Fahrzeug schon ca. vier bis fünf Sekunden, da Gegenverkehr aus der anderen Richtung kam. Wie sich aus den Bildern des Erstgutachtens des Kfz-Sachverständigen H auf Seite 9 und 10 ergibt, verläuft die Westfalenstraße bis zum Unfallort fast gradlinig und kann über eine Länge von ca. 100 m eingesehen werden. Bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h beträgt der Anhalteweg jedoch nur 41,5 m.
39Unplausibel ist auch die Schilderung, das Fahrzeug habe bereits seit einiger Zeit gestanden. Der gerichtlich beauftragte Sachverständige hat in seinem Gutachten – für das Gericht nachvollziehbar – dargelegt, dass der Pkw des Klägers sich noch im Bremsvorgang befand oder allenfalls zeitgleich mit der Kollision zum Stillstand kam. Aufgrund der Höhenzuordnung der Beschädigungen sei aus technischer Sicht ein Stillstand des Klägerfahrzeuges über 4 bis 5 Sekunden vor der Kollision nicht darstellbar. Diesem Ergebnis des Gutachtens kann nicht entgegen gehalten werden, dass das Fahrzeug des Klägers mit dem vom Gutachter herangezogenen Vergleichsfahrzeugen nicht identisch sei, da es tiefergelegt sei und zusätzlich im Kofferraum über einen Gastank verfüge. Zum einen hat der Kläger durch seinen vorzeitigen Verkauf eine Begutachtung verhindert, zum anderen würde ein im Heck schwereres und tieferes Fahrzeug ebenfalls federn, weshalb auch hier aufgrund des Versatzes der Schadensbilder von einem Bremsvorgang des vorausfahrenden Fahrzeugs auszugehen wäre.
40Auch die Schilderung des Unfalls durch den Beklagten zu 1) spricht für die Provokation eines Auffahrunfalls, denn es entspricht dem typischen Ablauf provozierter Auffahrunfälle, dass der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs mit regelmäßig ungewöhnlich niedriger Geschwindigkeit fährt und dabei andere Fahrzeuge am überholen hindert. Indem das vorausfahrende Fahrzeug langsam fährt, verringert sich regelmäßig der Sicherheitsabstand, sodass an einer Ampel oder Einfahrt auf der linken Seite der Hintermann durch eine unvermittelte Vollbremsung überrascht wird.
41Unplausibel ist ferner der Standort der verunfallten Fahrzeuge, wie sie in dem Gutachten des Kfz-Sachverständigen H auf Seite 9 und 15 angegeben ist. Danach stand der Kläger nicht parallel, links zur Mitte eingeordnet auf dem Fahrstreifen, sondern schräk versetzt, sodass nur das vordere Rad den Mittelstreifen berührte, während das Heck des Fahrzeugs des Klägers noch weiter rechts stand. Dies widerspricht der Einlassung des Klägers, dass er sich gerade zur Fahrtrichtung zum abbiegen einordnete. Vielmehr wird die Version des Beklagten zu 1) bestätigt, dass der Kläger abrupt abbremste und dabei unvermittelt nach links zog. Die Fahrzeugpositionen wurde zwar vom Sachverständigen – mangels konkreterer Skizzen vom Unfallort – nur anhand der Aufprallwinkel errechnet, sie decken sich aber insoweit auch mir der Einlassung des Beklagten zu 1). Im Übrigen stellt diese Anordnung die einzig sinnvolle Position der beteiligten Fahrzeuge auf der Fahrspur da.
42Für die Annahme eines vorsätzlich herbeigeführten Auffahrunfalles spricht weiterhin, dass der Kläger unstreitig in (mindestens) vier Auffahrunfälle innerhalb eines Zeitraums von 552 Tagen als Geschädigter verwickelt war und jeweils – wie auch vorliegend – Schadensersatz auf Gutachterbasis von den diversen Versicherungen und Schädigern begehrte. Die Gegebenheiten der vorhergehenden Schadensereignisse decken sich dabei mit dem vorliegenden Streitfall, wobei sich der erste Unfall bereits kurz nach dem Erwerb des Fahrzeugs (Datum der Zulassung 23.04.2010) am 14.05.2010 ereignete.
43Am 14.05.2010 stand der Kläger nach seiner Schilderung mit seinem Fahrzeug in Höhe E1 in Hamm auf der Fahrbahn, um in eine Grundstückseinfahrt einzubiegen, dabei fuhr ein Herr E2 auf das Fahrzeug des Klägers auf.
44Am 26.01.2011 befuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug die Mansfelder Straße in westlicher Richtung. Wiederum setzte der Kläger nach seiner Aussage den Blinker, ordnete sich rechts ein und hielt an, um nach Passieren des Gegenverkehrs links in die Margarethenstraße einzubiegen. Dabei fuhr jemand von hinten ungebremst auf das Fahrzeug auf.
45Jeweils begutachtet wurde das Fahrzeug von dem gleichen Kfz-Sachverständigen (XXX), was ebenfalls in der Rechtsprechung als Indiz für einen provozierten/fingierten Verkehrsunfall gesehen wird (vgl. OLG Hamm Urt. v. 29.09.2003 – 13 U 16/031).
46Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang, dass der Kläger zwar behauptet, die Schäden an dem Fahrzeug seien bei den Vorunfällen fachmännisch repariert worden, hierfür aber keine Reparaturrechnungen vorlegt. Zwar reichte der Kläger zwei Reparaturbestätigungen der Firma B vom 02.09.2010 und vom 28.03.2011 ein, darin wird aber nur die Reparatur anhand von Außenaufnahmen des Fahrzeugs bestätigt. Ob die Reparatur durch eine Fachwerkstatt erfolgte und ob diese nur die sichtbaren Beschädigungen betraf, wird nicht mit hinreichender Sicherheit deutlich. Regelmäßig werden die Auffahrschäden nur notdürftig und oberflächlich ausgebessert, sodass das Kfz äußerlich wieder völlig unversehrt ausschaut. Der Schaden wird dann, wenn der nächste provozierte Auffahrunfall geglückt ist, erneut auf Gutachterbasis abgerechnet.
47Da der Kläger den verunfallten Mercedes unrepariert verkauft hat, kann auch nicht mehr geklärt werden, ob die Schäden aus den Unfällen vom 14.05.2010 und vom 26.02.2011 im Heckbereich zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Verkehrsunfalls wieder ordnungsgemäß und fachgerecht instandgesetzt waren. Der (plötzliche) Verkauf von Fahrzeugen vor einer möglichen Begutachtung durch die gegnerische Kfz-Haftpflichtversicherung ist zudem typisch für provozierte Unfälle, wenn der Schaden auf Gutachterbasis abgerechnet werden soll und etwaige Vorschäden von der Versicherung geltend gemacht werden (vgl. OLG Hamm Urt. v. 29.09.2003 – 13 U 16/031).
48Vorliegend hat der Kläger das Fahrzeug gemäß dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.06.2012 am 20.10.2011 (gemeint war wohl 20.11.2012) verkauft, also unmittelbar nach Ablauf der bis zum 18.11.2011 der Beklagten zu 3) gesetzten Frist zur Schadensregulierung.
49Auch die Art des beteiligten Fahrzeugs des Klägers ist typisch für einen provozierten Unfall, denn regelmäßig verunfallen bei provozierten oder fingierten Unfällen alte, hochpreisige Fahrzeuge mit hoher Laufleistung und diversen Vorschäden (insbesondere auch im jetzt betroffenen Bereich), da bei diesen die veranschlagten Reparaturkosten von den Gutachtern besonders hoch angesetzt werden. Bei dem Fahrzeug des Klägers handelt es sich um ein älteres Fahrzeug der Luxusklasse, nämlich um einen Mercedes 320 CLK/ Avandgarde, Erstzulassung 19.01.2000, mit einem Kilometerstand von 159272 km.
50Als weiteres Indiz für das Vorliegen eines provozierten Unfalls wertet das Gericht im Streitfall zudem das bestehende Missverhältnis zwischen den damaligen Einkommensverhältnissen des Klägers und der Unterhaltung eines Fahrzeugs der Luxusklasse (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 18.12.2008 – 12 U 152/08). Zum Zeitpunkt des Unfalles war er unstreitig arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld II. Dennoch leistete er sich ein in der Anschaffung und Unterhalt teures Fahrzeug und erwarb – gemäß seiner Einlassung – nach dem Unfall als Ersatzwagen erneut ein vergleichbares Fahrzeug der Luxusklasse.
51Auch wenn jedes dieser dargestellten Beweiszeichen für sich gesehen nicht ausreichen würde, den Vorwurf der vorsätzlichen Herbeiführung eines Verkehrsunfalls zwecks Gewinnerzielung zu beweisen, so führen sie doch in ihrer Gesamtheit betrachtet dazu, dass das Gericht es als erwiesen ansieht, dass der Kläger den Unfall mit Wissen und Wollen vorsätzlich herbeigeführt hat. Ob der Unfall auch mit Billigung des Beklagten zu 1) und/oder des Beklagten zu 2) geschah, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.
52Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
53Der Streitwert wird auf 9.470,48 EUR festgesetzt.
54Unterschrift
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