Urteil vom Landgericht Münster - 110 O 31/13
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 20 % vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Kläger verlangen Schadensersatz wegen Schlechterfüllung eines Steuerberatervertrages für entstandene Beratungsmehrkosten und eines Steuerschadens im Sinne eines Zinsschadens.
3Der Beklagte war seit 2005 Steuerberater der Kläger. Er erledigte insbesondere sämtliche Steuerangelegenheiten für die Jahre 2009 und 2010 (Gewinnermittlung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, der Fotovoltaikanlage und Einkommens-, Gewerbe- und Umsatzsteuererklärung). Bei Zustellung des Einkommenssteuerbescheides für das Kalenderjahr 2010 meinten die Kläger, die Zuordnung der Betriebsleiterwohnung sei fehlerhaft zum Betriebsvermögen erfolgt. Daraufhin kam es zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu einem Gespräch, dessen Inhalt zwischen den Parteien umstritten ist.
4Im November 2011 kündigten die Kläger das Mandat und beauftragten die C.-GmbH mit der Prüfung und erforderlichenfalls Korrektur der Bescheide für 2009 und 2010. Die C.-GmbH erstellte die Erklärungen neu und beantragte Neufestsetzung der Steuerbescheide, die daraufhin auch erfolgte.
5Die Kläger behaupten, der Beklagte sei nach Zustellung des Einkommenssteuerbescheides für das Kalenderjahr 2010 von der Klägerin telefonisch darauf hingewiesen worden, man habe ein Problem bei der Zuordnung Betriebs- und Privatvermögen bei der Betriebsleiterwohnung. Auf die Frage der Klägerin, „was machen wir denn jetzt?“ habe der Beklagte gesagt: „Ich kann schweigen“.
6Die C.-GmbH habe bei der Überprüfung zahlreiche Mängel im Bereich der Buchführung und umsatzsteuerlichen Behandlung festgestellt, was eine Neuerstellung und Neufestsetzung der Steuern für die Jahre 2009 und 2010 erforderlich gemacht habe. Die Tätigkeit der C.-GmbH habe Kosten in Höhe von 6.512,51 Euro nach sich gezogen. Darüber hinaus sei eine höhere Steuerbelastung eingetreten, was aufgrund der verspäteten Nacherklärung zu einem Zinsschaden in Höhe von 185,00 Euro geführt habe.
7Die Kläger beantragen,
8den Beklagten zu verurteilen, an sie 6.697,51 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 08.01.2013 zu zahlen.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Der Beklagte bestreitet, dass die Äußerung „ich kann schweigen“ als Reaktion von ihm in einem Telefonat mit der Klägern gefallen sei. Des Weiteren bestreitet er, dass in den von ihm gefertigten Steuererklärungen 2009 und 2010 Fehler vorhanden gewesen seien. Er habe die Steuer so erklärt, wie er von den Klägern informiert worden sei. Wahrscheinlich habe es bei einer Betriebsprüfung die Aufdeckung von Falschangaben der Kläger gegeben. Im Übrigen habe er keine Möglichkeit der Nachbesserung erhalten, obwohl eine solche Möglichkeit vertraglich vereinbart gewesen sei.
12Hilfsweise rechnet der Beklagte mit Steuerberaterhonorar auf und behauptet dazu, ihm stünden noch Vergütungsansprüche in Höhe von 12.471,20 Euro gegen die Kläger zu. Im Hinblick auf die Einzelheiten der Vergütungsansprüche wird auf die Vergütungsrechnung vom 21.03.2013, Anlage B 5, verwiesen.
13Das Gericht hat die Klägerin und den Beklagten im Verhandlungstermin vom 04.12.2013 persönlich angehört.
14Entscheidungsgründe:
15Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus Schlechterfüllung des Steuerberatervertrages.
16Ein Anspruch auf Erstattung der behaupteten Kosten für die Korrektur der Bescheide für die Jahre 2009 und 2010 durch die C.-GmbH besteht nicht. Ob sich die behaupteten Mängel in den Erklärungen des Beklagten befanden, kann dahinstehen, denn im vorliegenden Fall war dem Beklagten vertraglich ein Nachbesserungsrecht eingeräumt worden, welches ihm durch die Kläger verwehrt worden war. Wenn ein Mandant das Nachbesserungsrecht des Steuerberaters umgeht, steht ihm ein Schadensersatzanspruch nicht zu.
17Ob dem Steuerberater grundsätzlich – also auch ohne besondere Vereinbarung – ein Nachbesserungsrecht zusteht (bejahend: OLG Hamm, Urteil vom 11.12.1998, 25 U 75/98, Juris; BGH, Urteil vom 07.03.2002, III ZR 12/01, Juris; Gräfe/Lenzen, 4. Auflage A., Rd.-Nr. 541; verneinend jedenfalls, wenn der Auftraggeber das Mandat bereits beendet hatte und der Fehler erst von einem neu beauftragten Steuerberater entdeckt worden ist: BGH, Urteil vom 11.05.2006, IX ZR 63/05, Juris), kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Denn die Parteien haben hier ein solches Nachbesserungsrecht vereinbart. Sowohl für das Kalenderjahr 2009, als auch für das Kalenderjahr 2010 haben die Kläger eine sogenannte „Vollständigkeitserklärung für die Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 3 Einkommenssteuergesetzt“ unterschrieben, in der ausdrücklich Allgemeine Auftragsbedingungen für Steuerberater des Beklagten einbezogen und denen sie auch beigefügt waren. Dort ist unter 4. dem Beklagten ein Anspruch auf Beseitigung etwaiger Mängel eingeräumt worden (Anlagen B 1 und B 2 zur Klageerwiderung). Eine solche vertragliche Vereinbarung ist auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen bedenkenlos möglich. Die Regelung ist weder überraschend noch benachteiligt sie den Mandanten eines Steuerberaters unangemessen. Überraschend ist sie schon deshalb nicht, weil ein Großteil der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur sowieso von einem Nachbesserungsrecht des Steuerberaters ausgeht (vgl. Nachweise bei OLG Hamm, Urteil vom 11.12.1998, 25 U 75/98, Juris). Die Regelung ist auch nicht unangemessen benachteiligend, sondern vielmehr praxisgerecht. Im Bereich der Buchführung wird regelmäßig eine Vielzahl von Geschäftsvorfällen der Mandanten erfasst, bei denen der Steuerberater nicht selbst beteiligt war und der auf – vielfach auslegungsbedürftige – Unterlagen seines Mandanten angewiesen ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass hier Geschäftsvorfälle auch bei sorgfältiger Arbeit fehlerhaft zugeordnet werden können und/oder sich Fehler in künftigen Erklärungen fortsetzen. Für den eingearbeiteten Steuerberater ist eine Korrektur der selbst erstellten Buchführung/Steuererklärung in der Regel auch problemlos und mit wenig Aufwand möglich, während die Nachbesserung durch einen Nachfolger zwangsläufig aufwändiger und kostenträchtiger ist (vgl. OLG Hamm a.a.O.).
18Das Nachbesserungsrecht des Beklagten ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil das steuerliche Mandat zum Beklagten bereits beendet war und die behaupteten Fehler erst vom Nachfolger entdeckt worden sein sollen. Ob die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.05.2006, IX ZR 63/05, überhaupt auf den Fall anwendbar ist, wo einem Steuerberater vertraglich ein Nachbesserungsrecht eingeräumt wurde, erscheint eher zweifelhaft. Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen, in die der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung für ein Erlöschen des Nachbesserungsrechts aufgestellt hat, im vorliegenden Fall nicht vor. Hier war es eben nicht so, dass alle Beteiligten von einer fehlerfreien Erstellung ausgegangen sind und erst ein Nachfolger Fehler festgestellt haben soll. Vielmehr ist im vorliegenden Fall es gerade über die Frage, ob Fehler in den Erklärungen vorliegen (Zuordnung zum Privat- oder Betriebsvermögen) zum Bruch gekommen. Wenn ein Mandant aber – wie hier – gerade wegen angeblicher Fehler kündigt, kann er damit das Nachbesserungsrecht nicht zum Erlöschen bringen. Denn sonst hätte es der Mandant in der Hand, wenn ihm mögliche Mängel auffallen, das Nachbesserungsrecht durch Kündigung des Steuerberatervertrages und Wechsel zu einem Nachfolger zum Erlöschen zu bringen.
19Darüber hinaus geht es im vorliegenden Fall auch um behauptete Mängel im Bereich der Buchführung und der Umsatzsteuererklärung. Im Bereich dieser eher werkvertraglich erscheinenden Steuerberatungsleistungen ist ein Nachbesserungsrecht vom Bundesgerichtshof ausdrücklich anerkannt worden (BGH, Urteil vom 07.03.2002, III ZR 12/01, Juris). Davon ist der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 11.05.2006 auch nicht ausdrücklich abgerückt. Er hat vielmehr ein Nachbesserungsrecht abgelehnt in Anwendung des Rechtsgedankens des § 627 Abs. 1 BGB für Tätigkeiten des Steuerberaters, die ein besonderes Vertrauensverhältnis erfordern. Eine Nachbesserung rein im Bereich der Buchführung und umsatzsteuerlicher Angaben erfordert ein solches besonderes Vertrauensverhältnis jedoch nicht. Der Gedanke des Bundesgerichtshofs, dem bereits gekündigten Steuerberater müsse sein Mandant nicht erneuten und weiteren Einblick in vertrauliche Einzelheiten der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit gewähren, steht im vorliegenden Fall einem Nachbesserungsrecht auch nicht entgegen. Denn der Beklagte hatte in den Zeiträumen 2009 und 2010 bereits umfassenden Einblick, da er schließlich die Buchführung selbst erledigt hat. Weitere - tiefergehende - Einblicke sind für die Korrektur einzelner etwaiger Fehlbuchungen oder Nichtberücksichtigung von Umsatzsteueranteilen nicht erforderlich. Anders wäre dies sicherlich im klassisch steuerberatenden Bereich, wo im Hinblick auf die Wahl verschiedener denkbarer Handlungsoptionen ein besonderes Vertrauen in den Rat des Steuerberaters erforderlich ist.
20Selbst wenn man im vorliegenden Fall den Rechtsgedanken des § 627 Abs. 1 BGB hinzuziehen würde, wäre dieser durch die Vereinbarung des Rechts zur Nachbesserung wirksam eingeschränkt. Die Möglichkeit zur fristlosen Kündigung bei Vertrauensstellung im Sinne des § 624 BGB ist grundsätzlich beschränkbar, wenn sie nicht eine fristlose Kündigung vollständig ausschließt (OLG München, Urteil vom 8. November 2000,7 U4 4730/98, juris; Palandt/Weidenkaff 72. Auflage 2013 § 627 Rn. 5). Im vorliegenden Fall stellt die Einräumung eines Nachbesserungsrechts für vergangene Zeiträume eine moderate Beschränkung des Rechts aus § 627 BGB dar, die einen Auftraggeber nicht unangemessen benachteiligt.
21Der Beklagte hat im vorliegenden Fall die Nachbesserungsarbeiten auch nicht verweigert oder sie den Klägern unzumutbar gemacht. Selbst wenn er in einem Telefonat gegenüber der Klägerin auf die Frage, was man denn jetzt machen solle, geantwortet hätte „ich kann schweigen“, würde dies keine Verweigerung der Nachbesserung darstellen oder eine Unzumutbarkeit auf Seiten der Kläger auslösen. Er hätte damit lediglich auf seine sowieso gesetzlich bestehende Verpflichtung zur Verschwiegenheit hingewiesen. Irgendeinen Bedeutungsgehalt dahingehend, dass er sich weigern will, etwaige Fehler zu korrigieren, könnte einer solchen Äußerung nicht entnommen werden. Der Steuerberater hätte mit einer derartigen Äußerung eher darauf hingewiesen, dass er es in die Entscheidungsgewalt der Steuerverpflichteten liegt, wie sie mit der Situation umgehen wollen.
22Dass bereits für die Feststellung etwaiger Fehler in der Buchführung (erstattungsfähige) Kosten entstanden sind, haben die Kläger schon nicht dargelegt. Ein neu beauftragter Steuerberater hat sich – ohne dass dies besondere Kosten nach der Gebührenverordnung auslösen könnte – sowieso wegen des Grundsatzes der Bilanzidentität und Bilanzkontinuität in die Bilanz des vorangegangenen Geschäftsjahres einzudenken (vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2006, IX ZR 63/05, Rd.-Ziff. 11).
23Den Klägern steht auch der geltend gemachte behauptete Zinsschaden in Höhe von 180,00 Euro nicht zu. Diesbezüglich fehlt es an jeglicher Schadensdarlegung. Zwar haben die Kläger an die Finanzverwaltung Zinsen zahlen müssen. Ob dies einen Schaden darstellt, ist aber nach dem Vortrag der Kläger nicht erkennbar. Denn schließlich haben sie auch die höheren Steuern erst später zahlen müssen.
24Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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