Teil-Anerkenntnis- und Schlussurteil vom Landgericht Münster - 014 O 67/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 203,23 € sowie 83,54 € außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.04.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 97,5 % und die Beklagte zu 2,5 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt Rückzahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 7.940,22 EURO aus einem gekündigten Darlehnsvertrag. Die Beklagte hat den Anspruch in Höhe von 203,23 EURO anerkannt.
3Die Parteien schlossen am 20.11.1997 einen Vertrag über ein grundpfandrechtlich gesichertes Darlehen in Höhe von 350.000,00 DM ab. Weitere Darlehnsnehmerin war die Ehefrau des Klägers, Frau C.S.
4Mit Schreiben vom 21.05.2010 übersandte die Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau ein Schreiben, in dem es unter anderem heißt:
5„Zum bevorstehenden Zins-Anpassungstermin haben Sie die Möglichkeit, Ihren Kredit gemäß kreditvertraglicher Vereinbarung durch Annahme des folgenden Zinsangebotes bei uns zu verlängern oder zurückzuzahlen (Bitte gewünschtes Feld ankreuzen und gegebenenfalls ergänzen)“.
6Angekreuzt ist dann „Zinssatz 3,75 % jährlich, fest bis 31.05.2015“.
7Ebenfalls übersandt wurde eine Widerrufsbelehrung mit folgendem Inhalt:
8„Der Kreditnehmer kann seine auf den Abschluss des Vertrages zur Zinsanpassung gerichtete Willenserklärung innerhalb von 2 Wochen ohne Angaben von Gründen in Textform (zum Beispiel Brief, Telefax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt einen Tag nach Absenden der Annahme des Zinsanpassungsangebotes, dem diese Belehrung in Textform beiliegt.“
9Mit Datum vom 25.05.2010 unterzeichnete der Kläger sowohl das Zinsanpassungsangebot als auch die Widerrufsbelehrung. Wegen des genauen Wortlauts dieses Schreibens wird auf Anlage K 2, Blatt 15 bis 18 d.A.)
10Im Jahr 2012 kam es zu Zahlungsrückständen durch den Kläger, sodass das Darlehen mit Schreiben vom 19.04.2012 zum 31.05.2012 gekündigt wurde. Die Beklagte forderte den Kläger zur Rückzahlung von 125.484,19 Euro zuzüglich Tageszinsen von 17,85 Euro ab dem 01.06.2012 auf. In der diesem Schreiben beigefügten Abrechnung ist per 31.08.2012 eine Vorfälligkeitsentschädigung von 7.940,22 Euro aufgeführt. Der Kläger beglich mit Zahlungseingang vom 02.01.2013 die Forderung der Beklagten einschließlich der Vorfälligkeitsentschädigung.
11Mit Schreiben vom 25.11.2013, richtig dürfte der 25.10.2013 sein, forderte der Kläger die Beklagte unter Berufung auf das Urteil vom 17.01.2013, Aktenzeichen:XI ZR 512/11, auf die Vorfälligkeitsentschädigung bis zum 10.11.2013 zurückzuzahlen.
12Des Weiteren erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers namens und in Vollmacht des Klägers in der Klageschrift den Widerruf des Darlehnsvertrages mit der Begründung, die Widerrufsbelehrung im Zusammenhang mit der Kreditverlängerung nach Auslaufen der Zinsbindung sei fehlerhaft, sodass die Frist zum Widerruf noch nicht abgelaufen sei.
13Der Kläger vertritt die Auffassung, aus den Aussagen des Vorsitzenden Richters V. X. des 11. Senats des Bundesgerichtshofs im Rahmen der mündlichen Verhandlung zum Verfahren XI ZR 512/11 ergebe sich, dass nach Kündigung eines Darlehnsvertrages dem Kreditinstitut zusätzlich zu Zahlungsrückständen und Restschuld nur noch Verzugszinsen zustehen würden und daneben kein Raum sei für die Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Das Verfahren sei nach diesen Äußerungen durch Anerkenntnis-Urteil beendet worden und das beklagte Kreditinstitut habe die Vorfälligkeitsentschädigung zu erstatten gehabt. Der Darlehensgeber dürfe gegenüber dem Darlehensnehmer gemäß § 288 Abs.1 BGb grundsätzlich einen Verzugsschaden in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz berechnen. Allerdings bestimme § 503 Abs. 2 BGB, dass in Bezug auf Immobiliendarlehen eine Ausnahme dahingehend gelte, dass der Verzugszins auf 2,5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beschränkt sei. Für einen darüber hinausgehenden höheren Schaden im Sinne einer Vorfälligkeitsentschädigung lasse § 503 Abs. 2 BGB als lex specialis keinen Raum. Für die Forderung einer Vorfälligkeitsentschädigung bestehe damit keine rechtliche Grundlage.
14Ferner halte die Widerrufsbelehrung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, so dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe.
15Der Kläger beantragt,
16die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.940,22 Euro sowie die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 729,23 Euro nebstZinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2014 zu zahlen.
17Die Beklagte hat die Klageforderung in Höhe eines Betrages von 203,23 Euro anerkannt und im Übrigen beantragt die Beklagte,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte hat nach Rechtshängigkeit eine Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachgeholt mit der Folge, dass sie ihren Anspruch nur in Höhe von 7.739,99 Euro beziffert und den Differenzbetrag von 200,23 Euro anerkennt.
20Die Beklagte vertritt die Auffassung, gemäß Ziffer 11.3 des Darlehnsvertrages habe sie Anspruch auf Ersatz des durch die vorzeitige Rückzahlung entstandenen Schadens in Form der von ihr geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigung. Die erste Zinsfestschreibungsperiode habe bis zum 20.11.2002 gegolten, sodass nach Ziffer 7 des Darlehnsvertrages die Anschlusskonditionen nach Auslauf der Zinsfestschreibungsperiode jeweils zwischen den Parteien neu vereinbart worden sei mit der Folge, dass der Darlehnsvertrag mit den neuen Konditionen fortgesetzt worden sei. Die nach Auslauf der ersten Zinsfestschreibungsperiode erfolgten Zinsanpassungen hätten daher den Darlehnsnehmern kein neues Kapitalnutzungsrecht gewährt, sondern das im Ausgangsvertrag vom 20.11.1997 gewährte Kapitalnutzungsrecht jeweils zu neuen Konditionen fortgeschrieben, sodass es sich um eine sogenannte unechte Abschnittsfinanzierung handele. Die der Anschlussfinanzierung beigefügte Wider- rufsbelehrung sei nicht erforderlich gewesen, da bei einer unechten Abschnittsfinanzierung auch bei einem Verbraucherdarlehnsvertrag kein gesetzliches Widerrufs- recht bestanden habe. Auf das von ihr freiwillig gewährte Widerrufsrecht seien die gesetzlichen Regelungen zur Widerrufsbelehrung hingegen nicht anwendbar.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
22Entscheidungsgründe:
23Die Klage ist lediglich in Höhe des anerkannten Betrages von 200,23 Euro begründet, im Übrigen unbegründet.
24Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt.1 BGB keinen Anspruch auf Rückzahlung des Vorfälligkeitsentschädigungsbetrages von noch 7.739,99 Euro.
25Der Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstreitig, die Parteien streiten vor dem Hintergrund des Anerkenntnis-Urteils des BGH vom 17.01.2013 zum Aktenzeichen XI ZR 512/11 und den hierzu veröffentlichten angeblichen Äußerungen in der mündlichen Verhandlung darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, neben den von ihr geltend gemachten Verzugszinsen auch eine Vorfälligkeitsentschädigung zu berechnen. Gemäß Ziffer 11.3 des Darlehnsvertrages vom 20.11.1997 hat der Darlehnsnehmer der Bank den durch die vorzeitige Rückzahlung entstehenden Schaden zu ersetzen, wenn das Darlehen vor Ablauf einer Festschreibungszeit durch Kündigung seitens der Bank fällig geworden ist. Ihren Schaden hat die Beklagte auf den Zahlungseingang am 02.01.2013 mit 7.739,99 Euro berechnet. Zur Höhe erhebt der Kläger auch keine Einwendungen.
26Der Kläger schuldet Verzugszinsen für das fällige, nicht gezahlte Kapital sowie für den ebenfalls fälligen Schadensersatzanspruch wegen vorzeitiger Beendigung des Darlehnsvertrages. Es liegt auch keinen Verstoß gegen das Verbot der Doppelverzinsung vor, denn der Schadensersatzanspruch wegen vorzeitiger Vertragsbeendigung kompensiert nicht Zahlungsverzögerung, sondern den Schaden, der sich aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung ergibt.
27Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf das Anerkenntnis-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.01.2013 zum Aktenzeichen XI ZR 512/11. Der Bundesgerichtshof hat bisher unter anderem im Urteil vom 08.02.2000, Aktenzeichen: XI ZR 313/98 den Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung zuerkannt, sodass das Gericht in dem ergangenen Anerkenntnis-Urteil vom 17.01.2013 keine Änderung der Rechtsprechung erkennen kann, da es an einer Begründung dieses Anerkenntnis-Urteils fehlt und für das Gericht bisher rechtsdogmatisch nicht erkennbar ist, warum kein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung bestehen soll.
28Der Anspruch auf Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ergibt sich aber auch nicht unter dem Gesichtspunkt des in der Klageschrift erklärten Widerrufs. Eine Widerrufsbelehrung war dem Schreiben vom 21.05.2010 beigefügt und betraf das Zinsanpassungsangebot. Rechtlich handelt es sich, wie die Beklagte zutreffend vorgetragen hat, bei der Anschlussvereinbarung mit den neuen Zinssätzen um eine sogenannte unechte Abschnittsfinanzierung, für die ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht vorgesehen ist. Die beigefügte Widerrufsbelehrung wäre allenfalls als vertragliches Widerrufsrecht einzuordnen, wobei bei einem freiwillig gewährten Widerrufs- recht die gesetzlichen Regelungen zur Widerrufsbelehrung nicht anwendbar sind (vgl. Urteil des BGH vom 22.05.2012, Aktenzeichen: II ZR 88/11). Danach bedarf es konkreter Anhaltspunkte dafür, dass bei Fehlen der Voraussetzung eines gesetzlichen Widerrufsrechts die Frist für die Ausübung des Widerrufsrechts nur dann in Gang gesetzt werden soll, wenn der Unternehmer dem Verbraucher zusätzlich eine Belehrung erteilt hat, die den Anforderungen für ein gesetzliches Widerrufsrecht entspricht. Solche konkreten Anhaltspunkte liegen im vorliegenden Fall nicht vor.
29Dementsprechend waren dem Kläger lediglich die anerkannten 200,23 Euro zu viel gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung zuzuerkennen sowie bei einem Streitwert von 200,23 Euro entsprechend die vorgerichtlichen Anwaltskosten.
30Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
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Referenzen
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