Urteil vom Landgericht Münster - 012 O 192/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d :
2Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch.
3Der Versicherungsnehmer Q der Klägerin und seine Ehefrau sowie der Beklagte und seine Ehefrau sind seit 2002 Nachbarn in T. Sie pflegen sowohl ein gutes nachbarschaftliches als auch ein freundschaftliches Verhältnis miteinander. Seit dem Jahre 2003 kümmern sie sich gegenseitig um den Garten der anderen, wenn diese urlaubsbedingt abwesend sind.
4Am 07.08.2013 goss der Beklagte absprachegemäß, da die Eheleute Q verreist waren, die Blumen auf deren Grundstück und füllte anschließend den Teich, aus dem das Wasser entnommen worden war, wieder auf. Aus einem geöffneten Außenanschluss mit Wasserschlauch lief in der darauffolgenden Nacht längere Zeit Wasser in den Keller der Eheleute Q und richtete dort einige Schäden an Gebäude und Hausrat an.
5Wie es zu dem geöffneten Wasserhahn gekommen ist, ist zwischen den Parteien streitig.
6Die Klägerin als Versicherer kam für die entstandenen Schäden auf, wobei die Höhe des Schadens streitig ist.
7Sie verlangt nunmehr aus übergegangenem Recht im Wege des Regresses Ersatz von dem Beklagten.
8Sie behauptet, der Beklagte habe nach dem Blumengießen vergessen, den Wasserhahn an der Außenzapfstelle wieder zu schließen, wodurch der Teich übergelaufen und so das Wasser in den Keller gelangt sei. Die Verantwortlichkeit eines Dritten komme nicht in Betracht. Dem Versicherungsnehmer Q sei dadurch ein Schaden in Höhe von insgesamt 9.166,99 € entstanden, der von ihr erstattet worden sei, und zwar ein Hausratschaden in Höhe von 2.850,00 € und ein Gebäudeschaden in Höhe von 6.316,99 €. Hinsichtlich des Hausratschadens macht sie im Wege des Regresses den Zeitwert geltend, den sie mit 50 %, also 1.425,00 € ansetzt.
9Wegen der Schadensberechnung im Einzelnen wird auf die Klageschrift verwiesen.
10Die Klägerin beantragt,
11den Beklagten zu verurteilen, an sie 7.741,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.11.2013 zu zahlen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Er bestreitet den Vortrag der Klägerin, insbesondere seine Verantwortlichkeit für den Vorfall sowie die Höhe des eingetretenen Schadens.
15Weiterhin ist er der Ansicht, auf Grund des nachbarschaftlichen Gefälligkeitsverhältnisses könne ohnehin kein Regress genommen werden, da bei der unentgeltlichen Tätigkeit aus Gefälligkeit von einem stillschweigenden Haftungsverzicht auszugehen sei.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
17Entscheidungsgründe:
18Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
19Der Klägerin steht kein Anspruch auf Ersatz ihres Schadens aus dem Schadensfall des Versicherungsnehmers Q gegen den Beklagten zu.
20Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob der Beklagte für den Schadensfall verantwortlich und welcher Schaden im Einzelnen durch den Wassereintritt in den Keller verursacht bzw. als ausgleichspflichtiger Schaden ersatzfähig ist. Denn jedenfalls ist auf Grund der Tatsache, dass der Beklagte sich nur aus Gefälligkeit unentgeltlich um die Blumen des Nachbarn gekümmert hat, von einem stillschweigenden Haftungsverzicht auszugehen.
21Es ist anerkannt, dass bei solchen Gefälligkeitstätigkeiten eine Haftung normalerweise auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist. Dass diese Haftungsbeschränkung nicht gelten soll, wenn auf Seiten des Schädigers eine Haftpflichtversicherung besteht, wird zwar vielfach angenommen (z.B. BGH VersR 2009,558; a.A. OLG Celle MDR 2014,775), ist aber nach Auffassung der Kammer insoweit wieder einzuschränken, dass diese Ausnahme nicht gelten kann, wenn auf Seiten des Geschädigten – wie hier - eine Gebäude- und Hausratversicherung besteht, die den Schaden ausgeglichen hat.
22Die Interessenlage ist in solchen Fällen – wie im Termin ausführlich erörtert - nach Ansicht der Kammer vergleichbar mit der Situation, wenn ein Mieter leicht fahrlässig einen Schaden an dem Gebäude des Vermieters verursacht hat. In diesen Fällen ist anerkannt, dass der Gebäudeversicherer, wenn er den Schaden ausgleicht, nicht bei dem Mieter Regress nehmen kann, weil nach der Interessenlage von einem stillschweigend konkludent vereinbarten Haftungsverzicht auszugehen ist (BGHZ 145, 393; BGH VersR 2002, 433; BGH VersR 2006, 1530; BGH VersR 2006, 1533; BGH VersR 2006, 1536).
23Die Interessenlage der Beteiligten, wie sie der BGH in den genannten Urteilen dargelegt hat, trifft auch in vollem Umfang auf die Interessenlage der Beteiligten in dem vorliegenden Verfahren zu, so dass die Grundsätze auch hier entsprechend anzuwenden sind. Das mag zwar nicht für jedes Gefälligkeitsverhältnis gelten, jedenfalls aber in einem Fall wie hier, wo zwischen Geschädigtem und potentiellem Schädiger ein langandauerndes freundschaftliches nachbarschaftliches Verhältnis besteht. Ebenso wie einem Vermieter daran gelegen ist, das in der Regel auf längere Zeit angelegte Vertragsverhältnis zu seinem Mieter so weit wie möglich unbelastet zu lassen, gilt dies auch im freundschaftlichen nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis. Oft ist dieses Nachbarschaftsverhältnis noch wesentlich enger und langandauernder als zwischen Vermieter und Mieter. Nicht nur zu Urlaubszeiten, sondern auch bei Unglücksfällen, Unwetterkatastrophen wie im Juli dieses Jahres in Münster etc. ist man auf die schnelle, unkomplizierte und unentgeltliche Hilfe von Nachbarn und Freunden dringend angewiesen. Solche Unterstützungsmaßnahmen sind in einem funktionierenden Gemeinwesen häufig unverzichtbar und sollten nicht durch vermeidbare versicherungsrechtliche Probleme unnötig belastet werden. Wie der BGH die Situation geschildert hat, dass eine Vertragsbeziehung zwischen Vermieter und Mieter dadurch erheblich belastet werden kann, dass den Vermieter in seiner Eigenschaft als Versicherungsnehmer die Obliegenheit trifft, den Versicherer bei der Durchsetzung der Regressforderung zu unterstützen, und die Erfüllung dieser Obliegenheit notwendig zu einem Konflikt mit den Interessen des Mieters führt, der im Verhältnis zu seiner Haftpflichtversicherung als Obliegenheit bemüht sein sollte, den Regress des Versicherers abzuwenden, so ist dies im vorliegenden Fall auch nicht anders. Das Gericht hatte die Beteiligten vorsorglich zum Termin geladen, um zunächst aufzuklären, ob der Beklagte überhaupt für den Schadensfall verantwortlich war. Nach der Anhörung des Beklagten sollte ggfls. eine Vernehmung des Zeugen Q als Geschädigten und Versicherungsnehmer der Klägerin erfolgen, da die Klägerin behauptete, der Beklagte habe diesem gegenüber die Verantwortlichkeit, nämlich das Offenlassen der Wasserzuleitung, zugegeben. Es liegt für die Kammer auf der Hand, dass diese Anhörung und Beweisaufnahme für die Beteiligten eine ganz erhebliche Belastung des freundschaftlichen Nachbarschaftsverhältnisses bedeutet hätte. Die Beteiligten haben bereits im Termin angegeben, dass schon der Schadensfall als solcher und der vorliegende Prozess für die Beteiligten eine deutliche Belastung darstellte. Dies wäre wahrscheinlich noch erheblich mehr geworden, wenn es zu der ursprünglich vorgesehenen Anhörung und Beweisaufnahme gekommen wäre. Deshalb hat die Kammer davon abgesehen, dieses auf Vertrauen und Freundschaft beruhende Verhältnis nicht unnötig weiter zu belasten. Der Klägerin ist diese Interessenlage der Beteiligten bekannt und sie muss sich redlicherweise darauf einlassen, insbesondere aus Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen ihres Versicherungsnehmers.
24Wie der BGH zutreffend ausgeführt hat, kann die allgemeine ergänzende Vertragsauslegung eines Regressverzichts für leichte Fahrlässigkeit nicht davon abhängen, ob der Mieter im Einzelfall eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat oder nicht. Dies muss aber genauso für den vorliegenden Fall gelten. Der Regressverzicht kann nicht davon abhängen, ob der Beklagte haftpflichtversichert ist oder nicht. Gerade wenn eine solche Versicherung besteht, geht es nur darum, dass der Schaden von einem Versicherer auf den anderen verlagert wird. Problematisch wird die Situation von der Interessenlage insbesondere dann, wenn nur eine begrenzte Versicherungssumme zur Verfügung steht oder eine Selbstbeteiligung vereinbart ist. Zwar bestehen dafür im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte, aber es erscheint wenig sachgerecht, die Möglichkeit des Regresses vom Bestand und Umfang der Haftpflichtversicherung des Nachbarn abhängig zu machen.
25Das von der Klägerin zitierte Urteil des Landgerichts Magdeburg betraf keinen Fall eines Regresses des Versicherers, sondern eines Geschädigten selbst und ist deshalb mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. Das Landgericht Magdeburg brauchte sich deshalb mit der vorliegenden Problematik auch nicht auseinanderzusetzen.
26Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
27Unterschrift
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