Urteil vom Landgericht Münster - 010 O 229/14
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.109,12 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2014 zu zahlen.
Die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 116,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.07.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 84 % und die Beklagten zu 16 %.
Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger als Eigentümer und Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen 2222, nimmt den Beklagten zu 1) als Fahrer und Halter des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen 7777 sowie die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1) auf materiellen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallereignis vom 17.03.2014 gegen 20.15 Uhr in den Niederlanden in Anspruch.
3Zur fraglichen Zeit befuhr der Sohn des Klägers, Herr M, mit dem Pkw des Klägers die Winterswijker Straße in Fahrtrichtung Oeding. Beifahrerin in seinem Fahrzeug war Frau O. Herr M beabsichtigte, ausgangs einer langgezogenen Rechtskurve nach links in den Fakkingweg abzubiegen, wobei es sich um eine öffentliche Verkehrsstraße handelt, die ihrerseits, wie in den Niederlanden üblich, von einer parallel zur Winterswijker Straße verlaufenden Straße gekreuzt wird.
4Hinter dem Pkw des Klägers, welcher von Herrn M geführt wurde, befand sich ein weiteres Fahrzeug, wohl ein VW Polo, dessen Fahrer und Halter unbekannt geblieben sind. Noch weiter dahinter fuhr der Beklagte zu 1) mit seinem Pkw. Als Herr M sodann sein Fahrzeug nach links zur Fahrbahnmitte hin lenkte, näherte sich seinem Fahrzeug in diesem Moment von hinten der Beklagte zu 1) mit seinem Pkw, wobei es sodann unter im einzelnen streitigen Umständen zur Kollision beider Fahrzeuge kam und der Beklagte zu 1) mit seinem Fahrzeug den Pkw des Klägers schwerpunktmäßig in Höhe der Fahrertür traf und erheblicher Sachschaden am Fahrzeug des Klägers entstand.
5Der Kläger berechnet seinen Schaden entsprechend Blatt 3 und 4 der Klageschrift.
6Er macht geltend, dass sein Sohn beim beabsichtigten Abbiegen in den Fakkingweg alles richtig gemacht habe, nämlich bereits eingangs der Rechtskurve seinen Fahrtrichtungsanzeiger links gesetzt habe, seine Geschwindigkeit sodann verlangsamt habe, sein Fahrzeug nach links in die Fahrbahnmitte gelenkt habe, seiner doppelten Rückschauverpflichtung durch Blicke in den Spiegel und über die Schulter nachgekommen sei, um sodann den Abbiegevorgang einzuleiten. Dabei habe er den auf der Überholspur herannahenden, vom Beklagten zu 1) geführten, Pkw nicht erkennen können.
7Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der Beklagte zu 1) für den Unfall allein verantwortlich sei, zumal er ein ausdrückliches Anerkenntnis abgegeben habe, wegen dessen Inhalt auf Blatt 6 der Akten Bezug genommen wird.
8Der Kläger beantragt,
9die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner 7.017,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (02.07.2014) an ihn, den Kläger, zu zahlen,
10die Beklagten ferner zu verurteilen, als Gesamtschuldner 729,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an ihn, den Kläger, zu zahlen.
11Die Beklagten beantragen,
12die Klage abzuweisen.
13Sie machen geltend, dass der Sohn des Klägers den im Überholvorgang befindlichen Beklagten zu 1) mit seinem Pkw bei Erfüllung seiner zweiten Rückschaupflicht habe erkennen müssen. Sie bestreiten weiter, dass der Sohn des Klägers seine Linksabbiegeabsicht bereits eingangs der Rechtskurve durch Setzen des linken Fahrtrichtungsanzeigers angezeigt, seine Geschwindigkeit verlangsamt und das Fahrzeug nach links zur Fahrbahnmitte eingeordnet habe.
14Die Beklagten bestreiten im Übrigen die Schadenshöhe. Im Einzelnen wird auf Blatt 5 ff. ihrer Klageerwiderung vom 04.08.2014 (Bl. 50 ff. d. A.) Bezug genommen.
15Das Gericht hat den Beklagten zu 1) zur Sachaufklärung angehört. Es hat ferner Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen M sowie O. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 19.11.2014 (Bl. 63 ff. d. A.) Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist nur teilweise begründet. Aus den §§ 7, 17 StVG haftet der Beklagte zu 1), für den die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer eintrittspflichtig ist, mit einer Haftungsquote von 20 % auf Ersatz des Schadens des Klägers, wobei sich der insoweit zu berechnende Schaden der Höhe nach auf 1.109,12 € beläuft. Weitergehende Ansprüche des Klägers sind demgegenüber wegen Mitverschuldens seines Sohnes gemäß §§ 17 StVG, 823, 254 BGB ausgeschlossen.
18Ein Verschulden des Beklagten zu 1) an der Entstehung des Verkehrsunfalls lassen sich nach dem Ergebnis von Anhörung und Beweisaufnahme nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Zwar hat der Zeuge M bei seiner Vernehmung ausgesagt, dass er bereits am Kurveneingang den linken Blinker gesetzt habe. Er hat weiter ausgesagt, dass er dann die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges reduziert habe und ganz langsam abgebogen sei. Schließlich hat er ausgesagt, dass er sich mehrfach direkt vor dem Abbiegen nach hinten vergewissert habe, dass dort kein Verkehr nahte, wobei er zunächst in den normalen Rückspiegel und dann in den Seitenspiegel geschaut habe und das Fahrzeug des Beklagten zu 1) dabei nicht wahrgenommen habe. Auch hat die Zeugin O bei ihrer Vernehmung ausgesagt, dass die Angaben des Zeugen M im Wesentlichen zutreffend seien und dieser sich insbesondere definitiv nach links umgesehen habe, bevor er abgebogen sei. Demgegenüber hat der Beklagte zu 1) bei seiner Anhörung ausgesagt, dass er beabsichtigt habe, den Pkw des Zeugen M in der Rechtskurve zu überholen. Dabei sei zu diesem Zeitpunkt am VW Golf des Zeugen M der linke Blinker nicht betätigt worden. Er hat weiter ausgesagt, dass er, als er dann bereits an dem hinter dem Zeugen M herfahrenden Pkw Polo vorbei gewesen sei, gesehen habe, dass der Zeuge M plötzlich den Blinker betätigt und dann auch schon nach links hinüber geschert sei. Schließlich hat er ausgesagt, dass er schon fast mit seinem Fahrzeug neben dem VW Golf des Zeugen M gefahren sei, als dieser den linken Blinker betätigt habe, und dass es dann vielleicht eine Zehntelsekunde gedauert habe, bevor der Zeuge nach links hinübergefahren sei.
19Bei dieser Sachlage ist der gegen den Zeugen M als Fahrer des VW Golf sprechende Beweis des ersten Anscheins, dass dieser seiner zweiten Rückschaupflicht nicht genügt hat, nicht erschüttert oder ausgeräumt. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass bei einer Kollision zwischen Überholendem und links Abbiegendem der erste Anschein dafür spricht, dass der Linksabbieger seiner zweiten Rückschaupflicht nicht genügt hat, weil das überholende Fahrzeug eben gerade da ist, nicht angeflogen kommt und von daher bei sorgfältiger Rückschau nicht übersehen werden kann. Darüber hinaus ergibt sich der Beweis des ersten Anscheins auch daraus, dass bei ungenügender Sicht, wenn diese ausnahmsweise gegeben ist, von einem Linksabbiegen Abstand zu nehmen ist. Diesen gegen ihn sprechenden Anschein hat der Zeuge M nicht ausgeräumt. Es ist nämlich schon nicht zu erklären, wie er das herannahende Fahrzeug des Beklagten zu 1) übersehen haben will. Darüber hinaus steht seiner Aussage, dass das Fahrzeug des Beklagten zu 1) nicht zu erkennen gewesen sei, die Aussage des Beklagten zu 1) selbst entgegen, der nicht weniger glaubhaft als der Zeuge angegeben hat, dass der Zeuge abgebogen sei, als er sich praktisch bereits neben dem Fahrzeug des Zeugen befunden habe. Bei dieser Sachlage hat der Zeuge schuldhaft gegen § 9 StVO verstoßen. Ihm ist daher ein Verschulden an der Entstehung des Unfalls zur Last zu legen.
20Andererseits lässt sich ein Verschulden des Beklagten zu 1) nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen. Zwar hat der Zeuge seinerseits angegeben, dass der Beklagte zu 1) sozusagen aus dem Nichts von hinten herangenaht sei. Diese Angabe erscheint aber aus den genannten Gründen nicht nachvollziehbar. Zudem hat der Beklagte zu 1) selbst dies ausdrücklich und nicht weniger glaubhaft als die Zeugen bestritten.
21Bei dieser Sachlage fällt auf Seiten der Beklagten lediglich die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) gemäß § 7 StVG ins Gewicht. Auch wenn das Verschulden an dem Unfall auf Seiten des Zeugen M zu sehen ist, bleibt die Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) nach Auffassung des Gerichts nicht völlig außer Betracht. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 1), auch wenn ihn kein Verschulden an dem Unfall trifft, diesen hätte vermeiden können, wenn er bei äußerster Vorsicht nicht im Bereich einer Kurve bzw. im Einmündungsbereich des Fakkingweges überholt hätte. Bei der nach § 717 StVG vorzunehmenden Abwägung ist das Gericht daher zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner bei einer Quote von 20 % aus der Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Beklagten zu 1) haften.
22Die Beklagten haften auch nicht aus dem „Anerkenntnis“ des Beklagten zu 1). Denn der Beklagte zu 1) hat lediglich angegeben, den Unfall verursacht zu haben. Dies bedeutet aber kein Mitverschulden des Beklagten zu 1), zumal unstreitig ist, dass er indirekt über die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs den Unfalls jedenfalls mitverschuldet hat.
23Der Höhe nach errechnet sich der zu berücksichtigende Schaden des Klägers wie folgt:
24Der Wiederbeschaffungswert beläuft sich entgegen der Auffassung des Klägers lediglich auf 6.640,70 €, weil der Kläger auf fiktiver Basis abrechnet, wobei die Mehrwertsteuer keine Berücksichtigung findet. Bei Abzug des Restwertes von 2.855,-- € ergibt sich damit ein Wiederbeschaffungswert von 3.785,70 €. Unstreitig sind geworden die Sachverständigenkosten in Höhe von 888,81 € sowie die Abschleppkosten in Höhe von 257,10 €. An Nutzungsausfallentschädigung legt das Gericht die geltend gemachten 344,-- € zugrunde, wobei es auch berücksichtigt hat, dass der Sachverständige hiervon ausgeht, und zwar unter Berücksichtigung eines guten Pflegezustandes des verunfallten Fahrzeuges. Danach erscheint ein Abzug wegen des Fahrzeugalters nicht angemessen. Den Wert der Brille, die inzwischen feine Kratzer aufweist, schätzt das Gericht entsprechend den Angaben des Klägers auf 170,-- €. An- und Abmeldekosten schätzt das Gericht ebenfalls auf 75,-- €, was allgemein üblich ist. Die Kostenpauschale beläuft sich auf 25,-- €. Allerdings sind daneben nicht 12,15 € für die Fahrtkosten der Mutter ansetzbar. Dies widerspricht dem Ansatz von pauschalen Nebenkosten. Ggf. hätte der Kläger die Gesamtkosten für Fahrten entsprechend belegen und aufschlüsseln müssen.
25Danach ergibt sich folgende Berechnung:
26Wiederbeschaffungswert 3.785,70 €
27Sachverständigenkosten 888,81 €
28Abschleppkosten 257,10 €
29Nutzungsausfallentschädigung 344,00 €
30Brille 170,00 €
31An- und Abmeldekosten 75,00 €
32Kostenpauschale 25,00 €
33Saldo 5.554,61 €.
34Hiervon 20 % betragen 1.109,12 €.
35Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.
36Die vorgerichtlichen Kosten des Klägers mindern sich entsprechend der Haftungsquote der Beklagten.
37Die Zinsnebenforderungen folgen aus §§ 288, 291 BGB.
38Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 709 ZPO.
39Unterschrift
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