Urteil vom Landgericht Münster - 012 O 90/15
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 176.900,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Mai 2015 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Wohnmobils Concorde Carver 841 L Barversion Jubiläums Edition 2015, Diesel, 125 kW, Automatik, Fahrgestellnummer: ZCFC70C##########, inklusive Anhängerkupplung und umgebauter Gasanlage aus dem Wohnmobil des Beklagten Hymer Starline Baujahr 2013.
Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme dieser Leistung seit dem 31. Mai 2015 in Verzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Parteien schlossen im Januar 2015 den als Anlage B1 (Bl. 40 der Gerichtsakte) überreichten Kaufvertrag über das im Tenor näher bezeichnete Wohnmobil. Der Kaufpreis betrug 174.900,- €; zudem bestellte der Beklagte eine Anhängerkupplung für das Fahrzeug zum Preis von 3.000,- €, so dass er insgesamt 177.900,- € zu zahlen hatte. Auf die Fahrzeugbeschreibung (Bl. 4 & 5 der Gerichtsakte) wird ergänzend Bezug genommen.
3Der Kaufpreis sollte in der Weise beglichen werden, dass der Beklagte 71.500,- € in bar zahlt und wegen des Restbetrages das Wohnmobil des Beklagten Typ Hymer Starline, Baujahr 2013, in Zahlung genommen wird. Die Frage nach der Unfallfreiheit dieses Fahrzeuges wurde vom Beklagten bejaht. Die Parteien vereinbarten ferner, dass die in diesem gebrauchten Wohnmobil eingebaute Gasanlage in das von der Klägerin erworbene Wohnmobil eingebaut wird. Der Beklagte hat eine Anzahlung von 1.000,- € geleistet.
4Vor der Übergabe des vom Beklagten in Zahlung zu gebenden Wohnmobils erlitt dieses auf der BAB 31 einen erheblichen Unfallschaden. Die Reparaturkosten belaufen sich nach einem ersten Gutachten auf mindestens 14.300,- €; zudem verbleibt eine merkantile Wertminderung von mindestens 5.000,- €. Die Parteien streiten nun darum, ob der Beklagte mit der Inzahlunggabe dieses (unfallbeschädigten) Wohnmobiles seine kaufvertraglichen Verpflichtungen noch erfüllen kann.
5Mit Anwaltsschreiben vom 21. Mai 2015 (Blatt 65 der Gerichtsakte) bot die Klägerin dem Beklagten an, den bei ihr gekauften Wohncaravan mit einer Anhängerkupplung auszustatten und die Gasanlage einzubauen.
6Die Klägerin behauptet, der Beklagte befinde sich aufgrund ihres Schreibens vom 4. März 2015 und dem Ablauf der darin gesetzten Zahlungsfrist bis zum 10. März 2015 seit dem Folgetag in Verzug. Sie ist der Auffassung, dass der Verkäufer eines Neufahrzeuges bei Mangelhaftigkeit des in Zahlung zu gebenden Altfahrzeuges die Zahlung auch desjenigen Kaufpreisanteils verlangen könne, der durch die Inzahlungnahme des Altfahrzeuges getilgt werden sollte. Der Beklagte sei daher verpflichtet, den gesamten Kaufpreis in bar zu entrichten. Sie, die Klägerin, müsse das nun als Unfallfahrzeug geltende Wohnmobil des Beklagten nicht mehr annehmen.
7Die Klägerin beantragt,
81.
9den Beklagten zu verurteilen, an sie 176.900,- € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 11. März 2015 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übertragung des Eigentums am Wohnmobil Concorde Carver 841 L Barversion Jubiläums Edition 2015, Diesel, 125 kW, Automatik, Fahrgestellnummer: ZCFC70C##########;
102.
11festzustellen, dass sich der Beklagte seit dem 11. März 2015 im Annahmeverzug befindet.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte vertritt die Auffassung, aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1967 (BGHZ 46, 338) ergebe sich, dass das Ersetzungsverlangen durch den Käufer nur für den Fall eines verschwiegenen Totalschadens nicht als rechtswidrig angesehen worden wäre. Denn nur dann ergebe die damals ausgesprochene Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht zur weiteren Feststellung, ob ein Totalschaden am Fahrzeug vorgelegen habe, Sinn. Der Klägerin sei aber keinesfalls eine nicht vorhandene Unfallfreiheit des Wohnmobils vorgespielt worden, so dass ihr Ersetzungsverlangen rechtswidrig sei.
15Weil das Fahrzeug erst nach Abschluss des Kaufvertrages den Unfallschaden erlitten habe, müsse die Risikoverteilung betrachtet werden. Beiden Parteien sei bewusst gewesen, dass das Fahrzeug noch dem Risiko des Weiterbetriebs von etwa einer Woche ausgesetzt gewesen sei. Vor diesem Hintergrund sei es unredlich, dem Käufer das alleinige Risiko aufzubürden.
16Abgesehen davon sei der mit rund 14.300,- € an Reparaturkosten veranschlagte Schaden zwar beachtlich, in der Relation zum vereinbarten Inzahlungnahmepreis von 106.400,- € jedoch relativ gering, nämlich nicht einmal 15 %.
17Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Klägerin sich mit der sachverständig festgestellten Schadenshöhe begnügen und diese als Erfüllung annehmen müsse. Aus diesem Grund habe er, der Beklagte, der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 20. März 2015, wegen dessen genauen Inhalts auf Blatt 56 & 57 der Gerichtsakte verwiesen wird, angeboten, das Fahrzeug entweder durch eine autorisierte Fachwerkstatt reparieren zu lassen oder aber ihr den Anspruch auf Schadensersatz gegen seinen Unfallgegner abzutreten.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die zulässige Klage ist zum weit überwiegenden Teil begründet.
20I.
21Die Klägerin kann vom Beklagten die Zahlung des restlichen Kaufpreises für das Wohnmobil in Höhe von 176.900,- € verlangen.
221.
23Im Hinblick auf den in bar zu entrichtenden Kaufpreisanteil ergibt sich dies ohne weiteres aus dem Vertrag, den die Parteien im Januar 2015 abgeschlossen haben und nach dem der Beklagte 71.500,- € in bar zahlen sollte.
242.
25Aber auch im Hinblick auf den verbleibenden Kaufpreisrest kann die Klägerin vom Beklagen Barzahlung verlangen.
26a)
27Mit der Inzahlunggabe des gebrauchten Wohnmobils haben die Parteien eine Ersetzungsbefugnis für den Beklagten vereinbart. Er hatte daher ursprünglich das Recht, den festgelegten Kaufpreisanteil (106.400,- €) an Erfüllungs Statt (§ 364 Abs. 1 BGB) dadurch zu leisten, dass er der Klägerin sein Altfahrzeug (Hymer Starline Bj. 2013) übereignet.
28b)
29Die Frage, was passiert, wenn der hinzugebende Gegenstand mangelhaft ist, beantwortet § 365 BGB. Der Beklagte schuldete danach Gewährleistung für das Hymer Wohnmobil, welches er bei der Klägerin in Zahlung zu geben hatte.
30Dass dieses Fahrzeug einen Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB aufweist, steht für die Kammer zweifelsfrei fest. Denn der aktuelle Zustand des Wohnmobils (Unfallfahrzeug) weicht von dem bei Vertragsschluss vereinbarten, wonach es unfallfrei sein sollte, ab. Dies bedeutet, dass das Fahrzeug nicht mehr die vereinbarte Beschaffenheit aufweist und somit mangelhaft i. S. d. § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Die Gewährleistungsrechte sind entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung auch nicht etwa auf einen verschwiegenen Totalschaden beschränkt. Die Vereinbarungen der Parteien enthalten in dieser Hinsicht keinerlei Einschränkungen, so dass der Beklagte umfassende Gewährleistung für das Wohnmobil schuldete. Die vom Beklagten zitierte Entscheidung des BGH (BGHZ 46, 338) steht dem nicht entgegen. Die Zurückverweisung in diesem Fall erfolgte, weil das Berufungsgericht die Beweisaufnahme über eine streitige Tatsache (nämlich den vom damaligen Kläger behaupteten Totalschaden) verfahrensfehlerhaft unterlassen hatte. Der BGH hat in seiner Entscheidung jedoch keine Aussage dazu getroffen, dass ein Neufahrzeugkäufer bei Inzahlunggabe seines Gebrauchtwagens nur für das (möglicherweise arglistige) Verschweigen eines Totalschadens hafte.
31Als primäres Gewährleistungsrecht stand der Klägerin Nacherfüllung zu. Diese war jedoch, da sich die Kaufentscheidung bereits auf das dem Beklagten gehörende Wohnmobil konkretisiert hatte, nicht mehr möglich. Eine Nachbesserung schied ebenso aus, weil sich die mit dem Unfall verbundene Eigenschaft als Unfallwagen durch eine Nachbesserung nicht mehr beseitigen lässt. Somit war eine Nachbesserung des Beklagten unmöglich, weswegen die Klägerin gemäß § 326 Abs. 5 BGB von dem Vertrag über den Ankauf des Wohnmobils Hymer zurücktreten konnte. Die gemäß § 349 BGB erforderliche Rücktrittserklärung ist hier in dem Verlangen der Klägerin auf Zahlung des Gesamtkaufpreises zu sehen (so auch LG Duisburg, Urteil vom 30.10.2007, Az.: 6 O 179/07).
32Das Rücktrittsrecht ist auch nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Die Schwelle der Erheblichkeit ist überschritten, wenn die voraussichtlichen Reparaturkosten 5 % des vereinbarten Fahrzeugwertes überschreiten. Mit knapp 15 % liegen die Reparaturkosten hier deutlich über dieser Schwelle.
33Als Rechtsfolge kann die Klägerin sogleich Zahlung des gesamten Kaufpreises verlangen (vgl. BGH NJW 1967, 553; OLG Frankfurt/Main, NJW 1974, 1823).
343.
35Die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sind nicht anwendbar. Zweifelhaft ist dies bereits deshalb, weil sich die Parteien hier um die Modalitäten der Inzahlungnahme des Wohnmobils streiten, welche Vertragsinhalt geworden war. Der Vertragsinhalt selbst kann jedoch nicht Geschäftsgrundlage sein.
36Unabhängig davon wäre § 313 BGB ohnehin nicht anwendbar, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirklicht, das in den Risikobereich einer Partei fällt. Genau dies war hier jedoch der Fall. Der Beklagte durfte das Wohnmobil bis zur Übergabe an die Klägerin selbst nutzen; die Klägerin hatte während dieser Zeit keinerlei Einflussmöglichkeiten darauf, welche Strecken der Beklagten mit dem Wohnmobil fährt oder wie risikoreich sein Fahrstil während dieser Zeit ist. Etwaige in diesem Zeitraum eintretende Störungen sind daher alleine dem Risikobereich des Beklagten zuzurechnen.
374.
38Die Klägerin kann die Zahlung des Kaufpreises jedoch nur Zug um Zug gegen Erbringung der ihr obliegenden Gegenleistungen verlangen. Dies war zum einen die Übergabe und Übereignung des Wohnmobils an den Beklagten, zum anderen aber auch der Einbau einer Anhängerkupplung sowie der Umbau der Gasanlage aus dem gebrauchten Wohnmobil des Beklagten in das neu gekaufte Wohnmobil. Die letzten beiden Leistungen hat die Klägerin erst durch ihren Anwaltsschriftsatz vom 21. Mai 2015 angeboten, der am Folgetag beim Landgericht eingegangen und am 26. Mai 2015 an den Beklagten weitergeleitet worden ist. Bei üblichen Postlaufzeiten wird er diesen Schriftsatz am 30. Mai 2015 erhalten haben, so dass er sich – weil ein wörtliches Angebot der Klägerin ausreichte, § 295 BGB – erst seit dem 31. Mai 2015 in Zahlungsverzug befindet. Auf den entsprechenden Antrag der Klägerin hin war dies gesondert festzustellen; das Feststellungsinteresse ergibt sich aus den Privilegien in der Zwangsvollstreckung, §§ 756, 765 ZPO. Im Hinblick auf die Feststellung des früheren Verzugseintritts (bereits am 11. März 2015) war die Klage abzuweisen.
395.
40Zinsen stehen der Klägerin nach Maßgabe der §§ 280, 286 BGB zu, jedoch erst ab Eintritt des Annahmeverzuges des Beklagten, mithin ab dem 31. Mai 2015. Die Zinshöhe ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
41II.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Weil die Klage nur wegen eines verhältnismäßig geringen Teils abgewiesen worden ist und dadurch keine besonderen Kosten verursacht worden sind, trägt der Beklagte die gesamten Kosten des Rechtsstreits. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
43Unterschrift
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