Urteil vom Landgericht Münster - 014 O 151/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Beklagte ist eine in der Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts betriebene Bausparkasse. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Feststellung in Anspruch, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Bausparverträge nicht durch Kündigungen der Beklagten beendet worden sind.
3Am 29.11.1989 schloss der Kläger mit der Beklagten zwei Bausparverträge (Vertragsnummer 666 bzw. Vertragsnummer 777), Tarif 2 Universaltarif, mit einer Bausparsumme von jeweils 20.000,00 DM und einem Sparzins von 2,5 % ab.
4Grundlage der Bausparverträge waren die Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge der Beklagten (ABB) Stand Januar 1989 (Anlage B2 Bl. 30 ff. d.A.).
5In § 9 Abs. 1 ABB heißt es: „Die Bausparkasse kann den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.“
6Nach § 11 Abs. 1 ABB wird der Bausparvertrag zugeteilt, wenn u.a. seit dem Vertragsabschluss mindestens 18 Monate vergangen sind, ein Bausparguthaben von mindestens 40% der Bausparsumme angespart worden ist.
7Die Bausparverträge waren zum 31. Januar 2000 zuteilungsreif. Der Kläger hat in der Folgezeit die Zuteilung und Auszahlung der Bauspardarlehen nicht in Anspruch genommen. Die beiden Verträge sind bisher nicht vollbespart.
8Mit Schreiben vom 10.11.2014 wandte die Beklagte sich an den Kläger mit der Bitte um Entscheidung und bot zwei Möglichkeiten, die wie folgt formuliert sind:
91. Sie haben Modernisierungsbedarf oder möchten weiterhin am Wohneigentumswunsch festhalten?
10Falls Sie gerade jetzt modernisieren oder in Ihre Wunsch-Immobilie investieren möchten, nutzen Sie Ihr Bausparguthaben aus diesem Vertrag. (...).
112. Haben Sie keinen Bedarf mehr, Ihr Guthaben für eine Modernisierung oder einen Wohungseigentumswunsch einzusetzten?
12Dann sollten Sie sich jetzt Ihr Guthaben auszahlen lassen. (...)
13Für den Fall, dass der Kläger keine der angebotenen Möglichkeiten in Anspruch nimmt, was der Fall war, wurde ihm die Kündigung angedroht. Mit Schreiben vom 12.12.2014 hat die Beklagte die Bausparverträge gemäß § 489 BGB zum 30.06.2015 gekündigt.
14Der Kläger ist der Ansicht, die ausgesprochenen Kündigungen seien unwirksam, da die vereinbarten Bausparsummen noch nicht vollständig angespart sind und damit kein vollständiger Empfang der Darlehen i.S.d. § 489 BGB vorliege. Die Norm des § 489 gelte nicht für die Beklagte.
15Der Kläger beantragt,
16festzustellen, dass die zwischen den Parteien abgeschlossene Bausparverträge Nr. 666 und Nr. 777 über den 30.06.2015 hinaus fortbestehen.
17Die Beklagte beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Sie ist der Ansicht, sie sei nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung der Bausparverträge berechtigt gewesen, da die Zuteilungsreife als vollständiger Empfang des Darlehens i.S. der Vorschrift anzusehen sei.
20Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen vollinhaltlich Bezug genommen.
21E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
22Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
23Die streitgegenständlichen Bausparverträge wurden durch die von der Beklagten am 12.12.2014 erklärten Kündigungen zum 30.06.2015 beendet.
24Die Beklagte war gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zur Kündigung des Bausparvertrages berechtigt. Nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzins nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen.
251.
26Die Vorschriften der §§ 488 ff. BGB sind grundsätzlich auch auf Bausparverträge anwendbar. Bei einem Bausparvertrag handelt es sich nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und Literatur um einen einheitlichen Darlehensvertrag bei dem zunächst der Bausparer als Darlehensgeber anzusehen ist und die Parteien sodann in der zweiten Stufe mit der Inanspruchnahme des Darlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen und der Bausparer Darlehensnehmer wird. Es handelt sich daher um einen einheitlichen Vertrag mit zwei Stufen. Der Bausparer spart bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben an und erhält hierfür die vereinbarte Guthabenverzinsung. Nach Zuteilungsreife kann der Bausparer bestimmungsgemäß das Bauspardarlehen in Höhe der Differenz zwischen der vertraglich vereinbarten Bausparsumme und dem bis zu Zuteilung angesammelten Guthaben in Anspruch nehmen, vertraglich verpflichtet zur Inanspruchnahme ist er allerdings nicht.
27Der Bausparvertrag ist mithin bereits in der Ansparphase als Darlehensvertrag mit dem Bausparer als Darlehensgeber und der Bausparkasse als Darlehensnehmer zu qualifizieren.
28Entgegen der Ansicht des Klägers findet auf Bausparverträge auch § 489 BGB Anwendung. Für die Bausparkasse besteht damit zehn Jahre nach vollständigem Empfang der Darlehensvaluta ein Recht zur ordentlichen Kündigung mit sechsmonatiger Kündigungsfrist. Das Gericht schließt sich der u.a. im Urteil des LG Mainz vom 28.07.2014 vertretenen Rechtsauffassung an, wonach im Falle eines Bausparvertrages wegen dessen struktureller Eigenheiten die eingetretene Zuteilungsreife dem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta gleichzusetzen ist, denn Zweck des Bausparvertrages ist nicht die zinsgünstige Geldanlage, sondern die Erlangung eines Bauspardarlehens zu einem günstigen, von Anfang an feststehenden und von den Schwankungen des Kapitalmarktes unabhängigen Zinssatz. Beim Bausparvertrag steht mangels Pflicht der Bausparer zur Abnahme des Bauspardarlehens kein an die Bausparkasse zu entrichtender Darlehensbetrag fest, an dem man sich für den Zeitpunkt nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB orientieren könnte. Dies rechtfertigt aber nicht, die Dauer der Ansparphase in das uneingeschränkte Belieben des Bausparers zu stellen, da eine überlange Besparung nicht dem Zweck des Bausparens entspricht. Das Erreichen der Bausparsumme erscheint daher als zu spät angesiedelt, denn dies würde bedeuten, dass entgegen der zweistufigen Struktur des Bausparvertrages eine Bauspardarlehensgewährung gar nicht mehr in Betracht kommt. (vgl. LG Mainz, Urteil vom 28.07.2014, Az. 5 O 1/14; LG Aachen, Urteil vom 19.05.2015, Az. 10 O 404/14). Anknüpfungspunkt ist daher das Erreichen der Zuteilungsreife, denn die Zuteilungsreife ist das eigentliche Ziel, das ein Bausparer anstrebt, um einige Jahre später einen Immobilienerwerb zinsgünstig finanzieren zu können.
292.
30Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist auch nicht auf Darlehensnehmer, die Verbraucher sind, begrenzt. Eine solche Einschränkung des Kündigungsrechtes ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung der Norm oder dem gesetzgeberischen Willen. Die Norm ist angeordnet unter der Überschrift zu Titel 3: „Darlehensvertrag; Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“. Im Rahmen dieser Titelüberschrift bezieht sich die Verbrauchereigenschaft nicht auf den Begriff des Darlehensvertrages, sondern nur auf die weiteren durch Semikolon abgetrennten Begriffe Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsverträge. Zudem ist § 489 BGB in der Folge nicht bei den §§ 491 ff BGB unter der Überschrift Kapitel 2: „Besondere Vorschriften für Verbraucherdarlehensverträge“ aufgeführt. Vielmehr befindet sich die Norm unter der Überschrift Kapitel 1: „Allgemeine Vorschriften“. Darüber hinaus ergibt sich aus einem Vergleich von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. (nunmehr aufgehoben) und § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. (nunmehr der hier streitgegenständliche § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB), dass der Gesetzgeber zwar für den § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. die Verbrauchereigenschaft des Darlehensnehmers als Voraussetzung vorgesehen hat, nicht jedoch für § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. (nunmehr der hier streitgegenständliche § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB; vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015 – 6 O 1708/15, zitiert nach juris).
313.
32Die Voraussetzungen des § 489 BGB sind vorliegend erfüllt.
33Ein gebundener Sollzins i.S.v. § 489 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 BGB liegt hier bei beiden Verträgen vor, denn die Parteien haben als Sparzins 2,5 % vereinbart.
34Die Erklärung der Kündigung durch die Beklagte jeweils mit Schreiben vom 12.12.2014 unter Fristsetzung von 6 Monaten zum 30.06.2015 erfolgte vorliegend zu einem Zeitpunkt als die Zuteilungsreife zum 31. Januar 2000 schon mehr als 10 Jahre vorlag.
354.
36Das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist auch nicht durch § 9 Abs. 1 ABB vertraglich ausgeschlossen. Dabei kann dahinstehen, ob § 9 Abs. 1 ABB auch das Kündigungsrecht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB einbeziehen soll, denn ein vertraglicher Ausschluss dieses Kündigungsrechtes wäre nach § 489 Abs. 4 BGB in jedem Fall unwirksam. Die Beklagte ist zwar als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechtes eine juristische Person des öffentlichen Rechtes, jedoch keine der in Absatz 4 Satz 2 genannten Gebietskörperschaften. Eine analoge Anwendung des § 489 Abs. 4 BGB auf Anstalten des öffentlichen Rechtes kommt schon nach dem Wortlaut nicht in Betracht, denn der Gesetzgeber hat die Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechtes, auf die § 489 Abs. 4 S. 1 BGB keine Anwendung finden soll, ausdrücklich aufgezählt. Diese Aufzählung hat der Gesetzgeber im Zuge der Schuldrechtsreform grundsätzlich beibehalten und nur um die Europäischen Gemeinschaften und die ausländischen Gebietskörperschaften erweitert. Nachdem der Gesetzgeber im Rahmen dieser Erweiterung aber darauf verzichtet hat, die Ausnahme des § 489 Abs. 4 S. 2 BGB auf sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechtes zu erweitern, erscheint es ausgeschlossen, die Ausnahme nun im Wege der Analogie auch auf andere, nicht benannte juristische Personen des öffentlichen Rechtes zu erweitern (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.08.2015, Az. 6 O 1708/15).
375.
38Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Kündigung auch nicht treuewidrig i.S.d. § 242 BGB, soweit sich die Beklagte auf ein gesetzliches Kündigungsrecht stützen kann. Da § 489 BGB im vorliegenden Fall anwendbar ist und die Voraussetzungen erfüllt sind, erfolgten die Kündigungen der Bausparverträge zu Recht, so dass die Kündigung keine unzulässige Rechtsausübung ist.
39Die Entscheidung über die Kosten beruht § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.
40Unterschrift
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