Urteil vom Landgericht Münster - 014 O 203/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufes eines Darlehensvertrages.
3Der Kläger schloss zusammen mit Frau L als gemeinsame Darlehensnehmer mit der Beklagten als Darlehensgeberin unter dem 30.07.2010 / 02.08.2010 einen grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensvertrag mit der Nr. 4444 über 73.308,22 EUR.
4Die Widerrufsinformation zu dem Darlehensvertrag hatte folgenden Wortlaut:
5„Widerrufsrecht
6Der Darlehensnehmer kann seine Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, Email) widerrufen.
7Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für den Darlehensnehmer zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat.
8Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten., wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen.
9Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:
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Widerrufsfolgen
12Der Darlehensnehmer hat innerhalb von 30 Tagen das Darlehen, soweit es bereits ausbezahlt wurde, zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung des Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von
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zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde.
15Wenn der Darlehensnehmer nachweist, dass der Wert seine Gebrauchsvorteils niedriger war als der Vertragszins, muss er nur den niedrigeren Betrag zahlen. Dies kann z.B. in Betracht kommen, wenn der marktübliche Zins geringer war als der Vertragszins.
16Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auch die Aufwendungen zu ersetzen, die der Darlehensgeber gegenüber öffentlichen Stellen erbracht hat und nicht zurückverlangen kann.“
17Die Widerrufsinformation war in einem eigenen, schwarz umrandeten Kasten unter Ziff. 8 im Darlehensvertrag eingefügt und enthielt die fettgedruckte Überschrift „Widerrufsinformation“. Wegen des optischen Erscheinungsbildes der Widerrufsinformation wird auf die als Anlage K1 (Bl. 11 ff. d.A.) eingereichte Kopie des Darlehensvertrages verwiesen.
18Der Vertragsschluss erfolgte in der Form, dass die Beklagte den Darlehensnehmer zwei gleichlautende, von ihr bereits unterzeichnete Darlehensurkunden, zum einen eine „Ausfertigung für die Bank“ sowie zum anderen eine „Ausfertigung für den Kunden“, mit Schreiben vom 30.07.2010 an die Darlehensnehmer sendete und diese die Darlehensurkunde „Ausfertigung für die Bank“ am 02.08.2010 gegenzeichneten und an die Beklagte zurücksendeten. Die Darlehensurkunde „Ausfertigung für den Kunden“ wurde von den Darlehensnehmern nicht unterzeichnet und verblieb bei diesen.
19Gemeinsam mit den Darlehensurkunden erhielten die Darlehensnehmer ein „Europäisches Standardisiertes Merkblatt“ über wohnungswirtschaftliche Kredite. Wegen des Inhaltes dieses Merkblattes wird auf die als Anlage HLW 2 (B l. 62 ff. d.A.) eingereichte Kopie.
20Mit Schreiben vom 05.06.2014 erklärten der Kläger und Frau L den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung.
21Der Kläger ist der Ansicht, dass unabhängig vom Inhalt der Widerrufsinformation die Frist schon deswegen nicht zu laufen begonnen habe, da die Darlehensnehmer entgegen § 355 Abs.3 S. 2 BGB a.F. keine Abschrift der Vertragsurkunde bzw. ihres Vertragsantrages erhalten haben, sondern nur eine Abschrift des Antrages der Bank.
22Zusätzlich sei die Information in Bezug auf den Fristbeginn nicht ordnungsgemäß, so dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe und die Darlehensnehmer zum Widerruf berechtigt gewesen seien. Der Fristbeginn ergebe sich aus der Widerrufsinformation nicht eindeutig. Insbesondere sei die Widerrufsinformation unwirksam, da die Beklagte in Satz 2 in der Klammeraufzählung aufgenommen hat „ Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde“. Diese Angabe sei aber gem. § 503 BGB i.V.m. Art. 247 § 9 EGBGB für den streitgegenständlichen Darlehensvertrag nicht zwingend erforderlich gewesen.
23Ferner könne sich die Beklagte nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters in Anlage 6 zu Art 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB berufen. Sie habe dieses Muster inhaltlich dadurch verändert, dass sie in Satz 2 „Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe des effektiven Jahreszinses, Angaben zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags, Angabe der für den Darlehensnehmer zuständigen Aufsichtsbehörde) erhalten hat.“ in der Klammeraufzählung nicht die im Muster vorgesehene Aufzählung „(z.B. Angabe des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit)“ verwendet hat.
24Er beantragt,
25- 26
1. festzustellen, dass der zwischen den Klägern und der Beklagten geschlossene Darlehensvertrag zu Nr. 4444 infolge des durch die Kläger mit Schreiben vom 05.06.2014 erklärten Widerrufs hinsichtlich ihrer auf den Abschluss des Darlehnsvertrages zu Nr. 4444 gerichteten Willenserklärungen rückabzuwickeln ist,
- 28
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rückabwicklung des Darlehensvertrages zu Nr. 4444 seit dem 12.07.2014 in Verzug befindet,
- 30
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihnen daraus entsteht, dass die Beklagte die Durchführung der Rückabwicklung des Darlehensvertrages zu Nr. 4444 verweigert,
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4. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 2.879,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
34die Klage abzuweisen.
35Sie ist der Auffassung, die Klage sei bereits hinsichtlich der Anträge zu 1.) und 3.) unzulässig.
36Ferner sei die Widerrufsinformation ordnungsgemäß erfolgt. Dabei sei es für die Wirksamkeit der Information nicht erforderlich gewesen, dass die Darlehensnehmer die für sie bestimmte Ausfertigung der Darlehensurkunde unterzeichnen. Entscheiden sei allein, dass die Darlehensnehmer ihre auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung zeitgleich mit Erhalt der Widerrufsinformation abgegeben haben.
37Wegen der Einzelheiten des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen vollinhaltlich Bezug genommen.
38Entscheidungsgründe
39I.
40Die Klage ist jedenfalls unbegründet.
41Der Kläger und die weitere Darlehensnehmerin konnten den hier streitgegenständlichen Darlehensvertrag mit der Beklagten unter dem 05.06.2014 nicht mehr wirksam widerrufen. Zu diesem Zeitpunkt war die 14 - tägige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. bereits abgelaufen.
42Entgegen der Auffassung der Kläger hat die Widerrufsfrist durch Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen zu laufen begonnen und war im Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs bereits verstrichen.
431.) Die Widerrufsfrist betrug im vorliegenden Falle gem. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. 14 Tage, da die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation den sich aus § 495 Abs. 2 S.1 Nr. 1 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB ergebenden gesetzlichen Anforderungen im Rahmen der erforderlichen inhaltlichen und gestalterischen Prüfung entsprach.
44a) Die streitgegenständliche Widerrufsinformation entspricht den an sie gestellten, inhaltlichen Vorgaben.
45Hiernach muss eine Information über das Widerrufsrecht vollständig und inhaltlich zutreffend sein. Hierzu muss sie möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht des Verbrauchers eindeutig sein. (BGH, Urteil vom 13.01.2009, XI ZR 118/08)
46aa) Sie enthält zum Einen die nach § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB erforderlichen Angaben. Hiernach muss die Widerrufsinformation Angaben zu Frist, zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs, einen Hinweis auf die Verpflichtung, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und zu verzinsen sowie die Angabe des täglich zu zahlenden Zinsbetrages enthalten. Diese vorgeschrieben Angaben sind sämtlich in der hier streitgegenständlichen Widerrufsinformation zu finden.
47Zum Anderen enthält die streitgegenständliche Widerrufsinformation auch die erforderlichen Hinweise aus § 360 Abs. 1 S. 2 BGB zu Beginn, Dauer und Fristwahrung sowie zum Empfänger, zur Form und zur Entbehrlichkeit einer Begründung. Diese sind gem. §§ 495 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB aufzunehmen, da es aus Gründen der funktionalen Parallelität zur Widerrufsbelehrung erforderlich ist, die sich aus Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB ergebenden Vorgaben zur Frist dahingehend zu konkretisieren sind (vgl. Schürnbrand in MüKo-BGB, 6. Auflage, § 492 Rn. 28; BT-Drucks. 16/11643, S. 128). Auch diese Vorgaben finden sich in den streitgegenständlichen Widerrufsinformationen wieder.
48bb) Die Widerrufsinformation ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deswegen verwirrend und missverständlich damit außerhalb der gesetzlichen Vorgaben, da die Beklagte im Hinblick auf den Fristbeginn eine lediglich beispielhafte Aufzählung der Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB vorgenommen hat, welche sich nicht mit der beispielhaften Aufzählung des Musters der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB deckt und zudem eine Angabe enthält, die gem. § 503 BGB i.V.m. Art. 247 § 9 EGBGB nicht „zwingend“ ist.
49(1) Nach Auffassung des Gerichtes wird der Verbraucher durch die Verweisung auf § 492 Abs. 2 BGB und die damit verbundene beispielhafte Aufzählung in die Lage versetzt, durch einen Blick in das Gesetz die weiteren Voraussetzungen bzw. weiteren Verweisungen in Erfahrung zu bringen. In Bezug darauf, dass noch weitere Pflichtangaben neben den aufgezählten bestehen, ist die Widerrufsinformation eindeutig und unmissverständlich, da die Aufzählung in der Widerrufsinformation durch die Verwendung des Kürzels „z.B.“ deutlich erkennbar nicht abschließend ist. Zweck dieser beispielhaften Aufzählung ist dabei, dem Verbraucher verständlich darzustellen, was dieser sich unter einer „Pflichtangabe nach § 492 Abs. 2 BGB“ vorzustellen hat.
50Diese dem Verbraucher auferlegte Aufgabe, zum Erfahren weiterer Einzelheiten einem unter Umständen komplizierten Normverweis nachzugehen, ist nach Auffassung des Gerichtes für einen mündigen Verbraucher zumutbar (vgl. Masuch in NJW 2008, 1700).
51Eine solche Auferlegung ist dem Umstand geschuldet, dass durch die Umsetzung zahlreicher europarechtlicher Vorgaben für das Verbraucherschutzrecht die entsprechenden Regelungen des BGB in einem hohen Maße differenziert und damit unter Umständen auch kompliziert ausgestaltet sind.
52Eine vollständige Übernahme sämtlicher Normverweisungen und erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB in die Widerrufsinformation würde diese vollkommen überfrachten. Hierdurch würde nicht nur der Unternehmer im Hinblick auf die gestalterische Umsetzung sondern auch der Verbraucher im Bezug auf das Verständnis überfordert werden (vgl. Masuch in MüKo-BGB, 6. Auflage, § 360 Rn 16 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung).
53Im Falle einer solchen Überforderung wäre aber der Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechtes erst Recht verfehlt, da der Verbraucher aufgrund der Vielzahl von Angaben verwirrt wäre und die Voraussetzungen seines Rechtes und dessen Ausübung noch schwieriger hätte nachvollziehen können.
54Vor diesem Hintergrund ist die hier gewählte Form der Normverweisung unter Verwendung einer beispielhaften Aufzählung nach Auffassung des Gerichtes diejenige Variante, die dem Verbraucher sein Recht zum Widerrufs in einem hohen Maß umfassend und zugleich verständlich erklärt.
55(2) Unschädlich ist nach Auffassung des Gerichtes, dass die Beklagte sich beim Abfassen der Widerrufsinformation im Zusammenhang mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nicht an die Vorgabe des Musters der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB gehalten hat, sondern andere als die dort vorgesehen Pflichtangaben benannt hat.
56Insoweit handelt es sich nur um eine beispielhafte Aufzählung, die dem Verbraucher durch Nennung von einigen Pflichtangaben aufzeigt, was dieser sich unter einer „Pflichtangabe nach § 492 Abs. 2 BGB“ vorzustellen hat. Dabei ist es nach Auffassung des Gerichtes für das Verständnis des Verbrauchers unerheblich, welche Pflichtangaben der Darlehensgeber für diese Aufzählung verwendet.
57(3) Ferner ist es nach Auffassung des Gerichtes auch nicht missverständlich und verwirrend für den Verbraucher, dass die Beklagte im Rahmen der beispielhaften Klammeraufzählung die „Angabe der für den Darlehensgeber zuständigen Aufsichtsbehörde“ als Beispiel für eine Pflichtangabe aufgezählt hat, obwohl diese Angabe gem. § 503 BGB i.V.m. Art. 247 § 9 EGBGB für die in diesem Fall vorliegende Art von Darlehensvertrag als nicht „zwingend“ vorgeschrieben ist.
58Maßgeblich ist auch hier zunächst auf den Zweck der beispielhaften Aufzählung in der Widerrufsinformation abzustellen. Die beispielhafte Aufzählung von Pflichtangaben soll dem Verbraucher verdeutlichen, was dieser sich grundsätzlich unter einer „Pflichtangabe nach § 492 Abs. 2 BGB“ vorzustellen hat. Ihre Funktion liegt also maßgeblich darin, dem Verbraucher einen Begriff, welcher sich für diesen möglicherweise als Fremdbegriff darstellt, näher zu bringen und dient somit dem Verständnis des Verbrauchers in Bezug auf diesen Begriff. Hingegen soll die Aufzählung dem Verbraucher nicht im Einzelnen aufzeigen, welche Pflichtangaben insgesamt erforderlich sind.
59Sofern nun die Beklagte in ihrer Widerrufsinformation in der beispielhaften Klammeraufzählung eine Pflichtangabe als solche bezeichnet, obwohl sie dies im Fall der vorliegenden Art von Darlehensvertrag nicht ist, so unterwandert dies nach Auffassung des Gerichtes nicht den Zweck der Klammeraufzählung. Denn auch wenn die Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde in dem konkreten Fall keine Pflichtangabe darstellt, so stellt sie aber grundsätzlich eine Pflichtangabe nach Art. 247 EGBGB und kann dementsprechenden zur Erläuterung und zur Förderung des Verständnisses in Bezug auf den Begriff Pflichtangabe herangezogen werden.
60Ungeachtet dessen ist es nach Auffassung des Gerichtes auch nicht verwirrend und missverständlich für den Verbraucher, wenn die Bank mehr Pflichtangaben nach Art. 247 EGBGB erteilt, als sie eigentlich gesetzlich verpflichtet ist. Der durchschnittliche und mündige Verbraucher, dem gesagt wird, er müsse 15 Angaben erhalten, um ordnungsgemäß belehrt worden zu sein, obwohl er tatsächlich nur 12 erhalten muss, kann keinerlei Irrtum über das Vorliegen der erforderlichen Angaben unterliegen, wenn er tatsächlich alle 12 Pflichtangaben sowie die 3 zusätzlich angekündigten Angaben erhält.
61Das dem hier vorliegenden Darlehensvertrag beigefügte und den Darlehensnehmern ausgehändigte „Europäische Standardisierte Merkblatt“ enthielt alle in Betracht kommenden Pflichtangaben nach Art. 247 EGBGB, unabhängig davon, ob diese nach Art 247 § 9 Abs. 1 EGBGB für den streitgegenständlichen Darlehensvertrag „zwingend“ waren oder nicht.
62cc) Weiter ist die Widerrufinformation auch nicht deswegen verwirrend und missverständlich, dass im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen des Widerrufes darauf hingewiesen wird, dass das Darlehen innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen ist.
63Der vorliegende Hinweis setzt zunächst die gesetzliche Vorgabe des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 EGBGB selbst, dass ein Hinweis auf die Rückzahlungsvepflichtung des Darlehensnehmers dem Grunde nach enthalten sein muss, um.
64Zudem wird durch den Hinweis auch nicht suggeriert, dass eine Rückzahlung nach Ablauf von den konkret benannten 30 Tagen rechtlich nicht mehr möglich wäre. Aus der allein maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers wird durch diesen Hinweis bloß deutlich, dass eine Rückzahlung nach Ablauf von 30 Tagen möglich ist, aber negative Konsequenzen haben kann, auch wenn diese nicht im Einzelnen aufgeführt sind.
65b) Des Weiteren entspricht die vorliegende Widerrufsinformation auch den gestalterischen Vorgaben des Gesetzgebers. Sie ist optisch derart gestaltet, dass sie dem Verbraucher ins Auge fällt und hierdurch dazu beiträgt, dass dieser in die Lage versetzt wird, sein Widerrufsrecht zu erkennen und gemäß den gesetzlichen Vorgaben auszuüben.
66aa) Dabei ist zunächst voranzustellen, dass nach Auffassung des Gerichtes das Widerrufsrecht gem. § 495 BGB im Zusammenhang mit einem Verbraucherdarlehensvertrag im Hinblick auf die Einhaltung eines optischen Deutlichkeitsgebot nicht direkt am strengen Maßstab des für die übrigen Verbraucherwiderrufsrechte geltenden § 360 Abs. 1 BGB und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu messen ist.
67Dafür spricht einerseits, dass der die genauen Anforderungen an die Widerrufsinformation regelnde Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB nur im Zusammenhang mit dem Eingreifen der Gesetzlichkeitsfiktion (S. 3) das Deutlichkeitsgebot überhaupt erwähnt.
68Andererseits ordnet § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ausdrücklich an, dass an die Stelle der Widerrufsbelehrung die Pflichtangaben aus dem EGBGB treten; dem entspricht es auch, dass sich ausweislich § 495 Abs. 2 S. 1 BGB kein direkter Verweis auf das in § 360 Abs. 1 S. 1 BGB statuierte Deutlichkeitsgebot findet und auch der Gesetzgeber § 360 Abs. 1 BGB nicht angewendet wissen will (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 83). Diese demnach bewusst vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung beruht, wie sich aus der Gesetzesbegründung weiter ergibt, auf dem Umstand, dass die Widerrufsinformation als Pflichtangabe beim Verbraucherdarlehensvertrag in den Vertragstext direkt integriert werden und sich insoweit unauffälliger zwischen den übrigen Klauseln befinden kann.
69Die übrigen gesetzlichen Widerrufsrechte hingegen, für die das Deutlichkeitsgebot in § 360 Abs. 1 S. 1 BGB unmittelbar gilt, haben eine separate Belehrung über das Widerrufsrecht zu enthalten, die insoweit auch optisch gesondert hervorzuheben ist.
70Gleichwohl ist nach Auffassung des Gerichts zumindest aus dem allgemeinen Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts abzuleiten, dass der Verbraucher auch beim Verbraucherdarlehensvertrag in der Lage sein muss, von der Existenz seines Widerrufsrechts Kenntnis zu erlangen. Dafür wird man fordern müssen, dass die Widerrufsinformationen auch optisch in einem gewissen Maß zumindest derart hervorgehoben sind, dass der Darlehensnehmer sie bei Durchsicht des Vertrages ohne Probleme erkennen kann.
71bb) Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation.
72Sie ist zum Einen drucktechnisch von den übrigen Vertragsklauseln dadurch abgegrenzt, als dass sie in einen fett-schwarz umrandeten Kasten abgedruckt ist.
73Zudem enthält sie diverse drucktechnische Hervorhebungen. So sind sowohl die Hauptüberschrift „Widerrufsinformation“ als auch die weiteren Überschriften fett gedruckt.
74Nicht zuletzt ist innerhalb der Widerrufsinformation nochmals die für die Ausübung des Widerrufsrechtes besonders wichtige Angabe der ladungsfähigen Anschrift der Beklagten nochmals mittels einer schwarzen Umrandung und einer größeren Schrift deutlich hervorgehoben. Gleiches gilt für die Angabe des bei vollständiger Inanspruchnahme zu zahlenden Zinsbetrages pro Tag zwischen Aus- und Rückzahlung des Darlehens.
752.) Entgegen der Auffassung des Klägers hat es für den Lauf dieser 14-tägigen Widerrufsfrist im vorliegenden Fall keine Auswirkungen, dass die Darlehensnehmer nur die von der Beklagten unterzeichnete Darlehensurkunde mit dem Hinweis „Ausfertigung für die Bank“ unterzeichnet und an diese zurückgeschickt und im übrigen die nur von der Beklagten unterzeichnete Darlehensurkunde „Ausfertigung für den Kunden“ behalten haben. Insoweit war es nicht erforderlich, dass die Darlehensnehmer noch eine Abschrift der von ihnen unterzeichneten Darlehensurkunde „Ausfertigung für die Bank“ erhalten.
76Sinn und Zweck der Regelung § 355 Abs. 2 S. 3 BGB ist es, dem Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen zu führen. Nur wenn der Verbraucher eine Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich mit der Belehrung abgibt, wenn sich also die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers bezieht, kann er die ihm eingeräumte Überlegungsfrist sachgerecht wahrnehmen (BGH, Urteil vom 4.07.2002, I ZR 55/00, BGH, Urteil vom 10.03.2009, XI ZR 33/08).
77Dieser Zweck ist auch im vorliegenden Fall gewahrt. Die Darlehensnehmer haben ihre Vertragserklärung dadurch abgegeben, dass sie eine der gleichlautenden Vertragsurkunden unterzeichnet haben. Zu beiden Vertragsurkunden erhielten die Darlehensnehmer unstreitig zwei jeweils gleich lautenden Widerrufsinformationen. In dem Moment, in dem die Darlehensnehmer die Vertragsurkunde „Ausfertigung für die Bank“ unterzeichnet und damit ihre Vertragserklärung abgegeben haben, hatten sie demnach bereits die Widerrufsinformationen erhalten. Dem durchschnittlichen, mündigen Verbraucher ist es in einer solchen Konstellation unproblematisch möglich festzustellen, dass sich die Widerrufsinformation auf die zuvor getätigte Vertragserklärung in Form der Unterzeichnung bezieht.
78Der Umstand, dass die Darlehensnehmer vorliegend, aus welchen Gründen auch immer, nur die eine Ausfertigung der Darlehensurkunde unterzeichnet haben, darf in dieser Konstellation nicht zu Lasten der Beklagten als Darlehensgeberin gewertet werden. Denn sonst läge es in Fällen wie dem vorliegenden trotz ordnungsgemäßer Belehrung des Verbrauchers durch die Bank allein in dessen Händen, ob die Widerrufsfrist mit Vertragsschluss zu laufen beginnt oder nicht. Dies würde aber den eigentlichen Sinn des Verbraucherschutzes und der Vorschrift des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. ad absurdum führen.
79II.
80Da die Klage in der Hauptsache erfolglos ist, hat der Kläger schon deswegen auch keinen Anspruch auf Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
81III.
82Die Ausführungen des Klägervertreters im Schriftsatz vom 18.12.2015 gaben keinem Anlass, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, da es insoweit lediglich um rechtliche Ausführungen handelt.
83IV.
84Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in § 709 ZPO.
85Unterschrift
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