Urteil vom Landgericht Münster - 014 O 473/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Kläger schlossen mit der Beklagten unter dem 15.06.2011 einen Darlehensvertrag mit der Nr. 5555 über nominal 140.000,- EUR. Die Parteien vereinbarten eine Zinsfestschreibung bis zum 30.06.2021 mit einem Zinssatz von 4,25 % p.a. Das Darlehen wurde mit einer Grundschuld über 140.000,- EUR abgesichert.
3In den Darlehensvertragsbedingungen fand sich unter Ziff. 11 die folgende, mit „Widerrufsinformation“ überschriebene und mit einem schwarzen Kasten umrandete Passage:
4„Widerrufsrecht
5Der Darlehensnehmer kann sein Vertragserklärung innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen.
6Die Frist beginnt nach Abschluss dieses Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z.B. Angabe zu Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.
7Der Darlehensnehmer hat alle Pflichtangaben erhalten, wenn sie in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung seines Antrags oder in der für den Darlehensnehmer bestimmten Ausfertigung der Vertragsurkunde oder in einer für den Darlehensnehmer bestimmten Abschrift seines Antrags oder der Vertragsurkunde enthalten sind und dem Darlehensnehmer eine solche Unterlage zur Verfügung gestellt worden ist. Über in den Vertragstext nicht aufgenommene Pflichtangaben kann der Darlehensnehmer nachträglich in Textform informiert werden; die Widerrufsfrist beträgt dann einen Monat. Der Darlehensnehmer ist mit den nachgeholten Pflichtangaben nochmals auf den Beginn der Widerrufsfrist hinzuweisen.
8Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:
910
Widerrufsfolgen
11Der Darlehensnehmer hat innerhalb von 30 Tagen das Darlehen, soweit es bereits ausbezahlt wurde, zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von
1213
Zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde.“
14Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage K 1 eingereichte Kopie des Darlehensvertrages vom 15.06.2011 verwiesen (Bl. 19 ff. d.A.).
15Gemeinsam mit den Vertragsunterlagen erhielten die Kläger am 15.06.2011 ein vierseitiges Schriftstück mit der Überschrift „Europäisches Standardisiertes Merkblatt“. Dieses Schriftstück enthielt alle nach § 492 Abs. 2 BGB erforderlichen Pflichtangaben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlage B 1 eingereichte Kopie verwiesen (Bl. 85 ff. d. A.).
16Mit Schreiben vom 22.07.2014 erklärten die Kläger den Widerruf ihrer auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 28.07.2014 zurück.
17Im Zeitpunkt der Einreichung der Klage bei Gericht unter dem 16.10.2015 betrugen die von den Klägern gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen insgesamt einen Betrag in Höhe von 41.700,- EUR.
18Die Kläger sind der Auffassung, sie haben den Widerruf unter dem 22.07.2014 noch wirksam erklären können, da die Beklagte sie nicht ordnungsgemäß über ihr Recht zum Widerruf belehrt habe. Die Widerrufsinformation sei hinsichtlich der Belehrung über den Fristbeginn fehlerhaft, da die Darlehensnehmer als Verbraucher selbst haben prüfen müssen, ob sie alle Pflichtangaben erhalten haben. Dies könne vom Verbraucher nicht verlangt werden. Ferner sei die Widerrufsinformation deswegen fehlerhaft, da sie im Rahmen der Widerrufsfolgen nur über Pflichten der Darlehensnehmer, nicht über deren Rechte belehre. Es fehle der Hinweis, dass die Darlehensnehmer einen geringeren Nutzen als den Vertragszins nachweisen können. Weiter könne sich die Beklagte nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen, da die streitgegenständliche Widerrufsinformation sowohl inhaltlich als auch im Hinblick auf die äußere Form vom Muster abweiche.
19Nachdem die Kläger mit Schriftsatz vom 13.01.2016 den ursprünglich gestellten Klageantrag zu 2.) sowie im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 01.03.2016 den Klageantrag zu 1.) umgestellt haben, beantragen sie nunmehr,
20- 21
1. festzustellen, dass der von den Klägern mit der Beklagten geschlossene Darlehensvertag mit der Kontonummer 5555 durch den von den Klägern erklärten Widerruf vom 22.07.2014 wirksam beendet worden ist und sich in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt hat,
- 23
2. festzustellen, dass die Kläger der Beklagten zum Abrechnungstag, dem 5. Juli 2015, keine Zahlungen zu leisten haben, die einen Betrag in Höhe von 110.259,08 EUR übersteigen,
- 25
3. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Rückzahlung der Darlehenssumme zum Darlehensvertrag mit der Kontonummer 5555 in Höhe von 140.000,- EUR nebst Nutzungsentschädigung seit dem 17.11.2014 in Verzug befindet,
- 27
4. festzustellen, dass die Beklagte den Klägern sämtliche ab dem 06. Juli 2015 geleisteten Zahlungen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz sei Zahlungseingang zu erstatten hat,
- 29
5. die Beklagte zu verurteilen, die Löschung der Grundschuld über 140.000,- EUR, eingetragen im Grundbuch der Stadt B, Blatt 2222, Abteilung III in grundbuchtauglicher Form zu bewilligen,
- 31
6. die Beklagte zu verurteilen, weitere 3.010,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (vorprozessuale Anwaltskosten) an die Kläger zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
33die Klage abzuweisen.
34Sie ist der Auffassung, dass die Frist zum Widerruf unter dem 22.07.2014 bereits abgelaufen sei. Zudem sei die Ausübung des Widerrufesrechtes verwirkt.
35Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Inhalte gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
36Entscheidungsgründe
37Die Klage ist jedenfalls unbegründet.
38I.
39Die Kläger konnten den hier streitgegenständlichen Darlehensvertrag mit der Beklagten unter dem 22.07.2014 nicht mehr wirksam widerrufen. Zu diesem Zeitpunkt war die 14 - tägige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. bereits abgelaufen.
40Entgegen der Auffassung der Kläger hat die Widerrufsfrist durch Erfüllung sämtlicher gesetzlicher Voraussetzungen zu laufen begonnen und war im Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs bereits verstrichen. Auf die Frage, ob sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB berufen kann, kam es daher nicht an.
411.) Die Widerrufsfrist betrug im vorliegenden Falle gem. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. 14 Tage, da die von
42der Beklagten verwendete Widerrufsinformation den sich aus § 495 Abs. 2 S.1 Nr. 1 BGB i.V.m.
43Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB ergebenden gesetzlichen Anforderungen im Rahmen der erforderlichen inhaltlichen
44und gestalterischen Prüfung entsprach.
45a) Die streitgegenständliche Widerrufsinformation entspricht den an sie gestellten, inhaltlichen Vorgaben.
46Hiernach muss eine Information über das Widerrufsrecht vollständig und inhaltlich zutreffend sein. Hierzu muss sie möglichst umfassend, unmissverständlich und aus der Sicht des Verbrauchers eindeutig sein. (BGH, Urteil vom 13.01.2009, XI ZR 118/08)
47aa)
48Die streitgegenständliche Widerrufsinformation enthält zum Einen die nach § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB erforderlichen Angaben. Hiernach muss die Widerrufsinformation Angaben zu Frist, zu anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs, einen Hinweis auf die Verpflichtung, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und zu verzinsen sowie die Angabe des täglich zu zahlenden Zinsbetrages enthalten. Diese vorgeschrieben Angaben sind sämtlich in der hier streitgegenständlichen Widerrufsinformation zu finden.
49Zum Anderen enthält sie auch die erforderlichen Hinweise aus § 360 Abs. 1 S. 2 BGB zu Beginn, Dauer und Fristwahrung sowie zum Empfänger, zur Form und zur Entbehrlichkeit einer Begründung. Diese sind gem. §§ 495 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 355 Abs. 2 S. 1 BGB aufzunehmen, da es aus Gründen der funktionalen Parallelität zur Widerrufsbelehrung erforderlich ist, die sich aus Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB ergebenden Vorgaben zur Frist dahingehend zu konkretisieren sind (vgl. Schürnbrand in MüKo-BGB, 6. Auflage, § 492 Rn. 28; BT-Drucks. 16/11643, S. 128). Auch diese Vorgaben finden sich in den streitgegenständlichen Widerrufsinformationen wieder.
50bb)
51Die Widerrufsinformation ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deswegen verwirrend und missverständlich und damit außerhalb der gesetzlichen Vorgaben, da die Beklagte im Hinblick auf den Fristbeginn eine lediglich beispielhafte Aufzählung der Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB vorgenommen hat.
52(1)
53Nach Auffassung des Gerichtes wird der Verbraucher durch die Verweisung auf § 492 Abs. 2 BGB und die damit verbundene beispielhafte Aufzählung in die Lage versetzt, durch einen Blick in das Gesetz die weiteren Voraussetzungen bzw. weiteren Verweisungen in Erfahrung zu bringen. In Bezug darauf, dass noch weitere Pflichtangaben neben den aufgezählten bestehen, ist die Widerrufsinformation eindeutig und unmissverständlich, da die Aufzählung in der Widerrufsinformation durch die Verwendung des Kürzels „z.B.“ deutlich erkennbar nicht abschließend ist. Zweck dieser beispielhaften Aufzählung ist dabei, dem Verbraucher verständlich darzustellen, was dieser sich unter einer „Pflichtangabe nach § 492 Abs. 2 BGB“ vorzustellen hat.
54Diese dem Verbraucher auferlegte Aufgabe, zum Erfahren weiterer Einzelheiten einem unter Umständen komplizierten Normverweis nachzugehen, ist nach Auffassung des Gerichtes für einen mündigen Verbraucher zumutbar (vgl. Masuch in NJW 2008, 1700).
55Eine solche Auferlegung ist dem Umstand geschuldet, dass durch die Umsetzung zahlreicher europarechtlicher Vorgaben für das Verbraucherschutzrecht die entsprechenden Regelungen des BGB in einem hohen Maße differenziert und damit unter Umständen auch kompliziert ausgestaltet sind.
56Eine vollständige Übernahme sämtlicher Normverweisungen und erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB in die Widerrufsinformation würde diese vollkommen überfrachten. Hierdurch würde nicht nur der Unternehmer im Hinblick auf die gestalterische Umsetzung sondern auch der Verbraucher im Bezug auf das Verständnis überfordert werden (vgl. Masuch in MüKo-BGB, 6. Auflage, § 360 Rn 16 mit Verweis auf die Gesetzesbegründung).
57Im Falle einer solchen Überforderung wäre aber der Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechtes erst Recht verfehlt, da der Verbraucher aufgrund der Vielzahl von Angaben verwirrt wäre und die Voraussetzungen seines Rechtes und dessen Ausübung noch schwieriger hätte nachvollziehen können.
58Vor diesem Hintergrund ist die hier gewählte Form der Normverweisung unter Verwendung einer beispielhaften Aufzählung nach Auffassung des Gerichtes diejenige Variante, die dem Verbraucher sein Recht zum Widerrufs in einem hohen Maß umfassend und zugleich verständlich erklärt.
59cc)
60Weiter ist die Widerrufinformation auch nicht deswegen verwirrend und missverständlich, dass im Zusammenhang mit den Rechtsfolgen des Widerrufes darauf hingewiesen wird, dass das Darlehen innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen ist.
61Der vorliegende Hinweis setzt zunächst die gesetzliche Vorgabe des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1 EGBGB selbst, dass ein Hinweis auf die Rückzahlungsvepflichtung des Darlehensnehmers dem Grunde nach enthalten sein muss, um.
62Zudem wird durch den Hinweis auch nicht suggeriert, dass eine Rückzahlung nach Ablauf von den konkret benannten 30 Tagen rechtlich nicht mehr möglich wäre. Aus der allein maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers wird durch diesen Hinweis bloß deutlich, dass eine Rückzahlung nach Ablauf von 30 Tagen möglich ist, aber negative Konsequenzen haben kann, auch wenn diese nicht im Einzelnen aufgeführt sind.
63dd)
64Ebenfalls unschädlich ist der Hinweis auf die Möglichkeit der Nachbelehrung mit der Folge einer abweichenden Länge der Widerrufsfrist dar. Hierbei handelt es sich nicht um eine überflüssige Angabe, sondern eine solche –wenn auch nicht zwingende-, die das Widerrufsrecht verdeutlicht und den Verbraucher zutreffend bereits davon in Kenntnis setzt, dass bei Fehlen bestimmter Pflichtangaben die –dann einmonatige- Frist mit der Nachholung der versäumten Angaben beginnt. Es handelt sich dabei nicht um den Versuch einer mit der Erstbelehrung verbundenen Zweitbelehrung, da eine Nachbelehrung über die fehlenden Angaben denklogisch nur erfolgen kann, sofern überhaupt feststeht, dass Angaben im Einzelfall nicht gemacht wurden und welche. Es ist auch nicht zu befürchten, dass der durchschnittliche Verbraucher dadurch der unzutreffende Eindruck vermittelt werden könnte, dass der Fall des Fehlens von Pflichtangaben mit abweichender Frist hier bereits vorliegen würde –im Gegenteil wird er zunächst einmal unterstellen, dass die Angaben gemacht wurden und dies sodann ggf. nachprüfen.
65ee)
66Entgegen der Auffassung der Kläger ist die streitgegenständliche Widerrufsinformation auch nicht deswegen fehlerhaft und damit für den Verbraucher verwirrend und unmissverständlich, als dass im Rahmen der Passage über die Widerrufsfolgen kein Hinweis über die Möglichkeit der Darlehensnehmer enthalten ist, einen geringeren Nutzen als den Vertragszins nachzuweisen.
67Ein solcher Hinweis ist nach den gesetzlichen Anforderungen schon nicht zwingend vorgesehen.
68Ein Erfordernis nach diesem Hinweis ergibt sich auch nicht aus dem von den Klägern zitierten Urteil des BGH vom 12.04.2007 (VII ZR 122/06). Dort hatte der BGH für eine Widerrufsbelehrung im Rahmen eines Haustürgeschäftes entschieden, dass eine Widerrufsbelehrung dann, wenn sie eine Belehrung über die Rechtsfolgen des Widerrufs enthält, auch über die wesentlichen Rechte der Darlehensnehmer im Rahmen der Rückabwicklung belehren muss.
69Dabei ist schon zweifelhaft, ob diese Entscheidung auf den vorliegenden Fall überhaupt anwendbar ist. (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21.10.2015, 11 O 141/14; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.09.2014, 17 U 239/13) Streitgegenständlich ist eine Widerrufsinformation im Rahmen des Abschluss eines Verbraucherdarlehens. Die Entscheidung des BGH wiederum bezog sich auf eine Widerrufsbelehrung im Rahmen eines Haustürgeschäftes. Insofern sind die Anforderungen an die jeweilige Widerrufsbelehrung bzw. Widerrufsinformation unterschiedlich.
70Im Übrigen stellt nach Auffassung des Gerichtes die Möglichkeit der Darlehensnehmer, einen geringeren Nutzen als den Vertragszins nachzuweisen, kein wesentliches Recht im Rahmen der Rückabwicklung dar. Als ein solches könnte allenfalls der Anspruch auf Nutzungsersatz gegenüber der Bank angesehen werden. Auf diesen Anspruch weist die streitgegenständliche Widerrufsinformation zwar auch nicht hin. Eine Belehrung bzw. Information hierrüber sah aber weder das Muster der Anlage 6 zu Art. 247 § 6 EGBGB noch die gesetzlichen Anforderungen vor.
71b)
72Des Weiteren entspricht die vorliegende Widerrufsinformation auch den gestalterischen Vorgaben des Gesetzgebers. Sie ist optisch derart gestaltet, dass sie dem Verbraucher ins Auge fällt und hierdurch dazu beiträgt, dass dieser in die Lage versetzt wird, sein Widerrufsrecht zu erkennen und gemäß den gesetzlichen Vorgaben auszuüben.
73aa)
74Dabei ist zunächst voranzustellen, dass nach Auffassung des Gerichtes das Widerrufsrecht gem. § 495 BGB im Zusammenhang mit einem Verbraucherdarlehensvertrag im Hinblick auf die Einhaltung eines optischen Deutlichkeitsgebot nicht direkt am strengen Maßstab des für die übrigen Verbraucherwiderrufsrechte geltenden § 360 Abs. 1 BGB und der dazu ergangenen Rechtsprechung zu messen ist.
75Dafür spricht einerseits, dass der die genauen Anforderungen an die Widerrufsinformation regelnde Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB nur im Zusammenhang mit dem Eingreifen der Gesetzlichkeitsfiktion (S. 3) das Deutlichkeitsgebot überhaupt erwähnt.
76Andererseits ordnet § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB ausdrücklich an, dass an die Stelle der Widerrufsbelehrung die Pflichtangaben aus dem EGBGB treten; dem entspricht es auch, dass sich ausweislich § 495 Abs. 2 S. 1 BGB kein direkter Verweis auf das in § 360 Abs. 1 S. 1 BGB statuierte Deutlichkeitsgebot findet und auch der Gesetzgeber § 360 Abs. 1 BGB nicht angewendet wissen will (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 83). Diese demnach bewusst vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung beruht, wie sich aus der Gesetzesbegründung weiter ergibt, auf dem Umstand, dass die Widerrufsinformation als Pflichtangabe beim Verbraucherdarlehensvertrag in den Vertragstext direkt integriert werden und sich insoweit unauffälliger zwischen den übrigen Klauseln befinden kann.
77Die übrigen gesetzlichen Widerrufsrechte hingegen, für die das Deutlichkeitsgebot in § 360 Abs. 1 S. 1 BGB unmittelbar gilt, haben eine separate Belehrung über das Widerrufsrecht zu enthalten, die insoweit auch optisch gesondert hervorzuheben ist.
78Gleichwohl ist nach Auffassung des Gerichts zumindest aus dem allgemeinen Schutzzweck des Verbraucherwiderrufsrechts abzuleiten, dass der Verbraucher auch beim Verbraucherdarlehensvertrag in der Lage sein muss, von der Existenz seines Widerrufsrechts Kenntnis zu erlangen. Dafür wird man fordern müssen, dass die Widerrufsinformationen auch optisch in einem gewissen Maß zumindest derart hervorgehoben sind, dass der Darlehensnehmer sie bei Durchsicht des Vertrages ohne Probleme erkennen kann.
79bb)
80Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten verwendete Widerrufsinformation.
81Sie ist zum Einen drucktechnisch von den übrigen Vertragsklauseln dadurch abgegrenzt, als dass sie in einen fett-schwarz umrandeten Kasten abgedruckt ist.
82Zudem enthält sie diverse drucktechnische Hervorhebungen. So sind sowohl die Hauptüberschrift „Widerrufsinformation“ als auch die weiteren Überschriften fett gedruckt.
83Nicht zuletzt ist innerhalb der Widerrufsinformation nochmals die für die Ausübung des Widerrufsrechtes besonders wichtige Angabe der ladungsfähigen Anschrift der Beklagten nochmals mittels einer schwarzen Umrandung und einer größeren Schrift deutlich hervorgehoben. Gleiches gilt für die Angabe des bei vollständiger Inanspruchnahme zu zahlenden Zinsbetrages pro Tag zwischen Aus- und Rückzahlung des Darlehens.
842.)
85Die Frist zum Widerruf begann unter dem 15.06.2011 zu laufen. An diesem Tag erhielten die Kläger den von ihnen unterzeichneten Darlehensvertrag sowie das „Europäische Standardisierte Merkmal“, welches alle Pflichtangaben des § 492 Abs. 2 BGB enthält.
86Folglich war die Frist zur Erklärung des Widerrufes unter dem 29.06.2011 abgelaufen.
87II.
88Da die Kläger den Widerruf unter dem 22.07.2014 nicht mehr wirksam haben erklären können, kann die von den Klägern mit dem Antrag zu 2.) begehrte Feststellung nicht getroffen werden. Mit dem Klageantrag zu 2.) verfolgen die Kläger eine Feststellung in Bezug auf den der Beklagten im Rahmen der Rückabwicklung des Darlehensvertrages ihnen gegenüber zustehenden Anspruch.
89III.
90Der Klageantrag zu 3.) ist ebenfalls unbegründet. Mangels Fälligkeit der Rückzahlung des streitgegenständlichen Darlehensbetrages, befindet sich die Beklagte auch nicht im Annahme der Rückzahlung in Verzug.
91IV.
92Weiter ist auch der Klageantrag zu 4.) unbegründet. Da der Darlehensvertrag nicht durch Widerruf beendet worden ist, besteht auch keine Verpflichtung der Beklagten, Zins- und Tilgungsleistungen der Kläger zu erstatten und zu verzinsen.
93V.
94Ferner ist auch der Klageantrag zu 5.) unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Freigabe der Grundschuld. Unstreitig ist die durch die Grundschuld abgesicherte Forderung der Beklagten nicht befriedigt.
95VI.
96Da die Klage in der Hauptsache erfolglos ist, haben die Kläger schon deswegen auch keinen Anspruch auf Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
97VII.
98Der Beklagten war kein Schriftsatznachlass auf den Schriftsatz vom 20.02.2016 zu gewähren, da dieser lediglich Rechtsausführungen enthält.
99VIII.
100Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 41.700,- EUR festgesetzt.
101Der BGH hat mit Beschluss vom 12.01.2016 (XR ZR 366/15) entschieden, dass der Streitwert in den Fällen, in denen Darlehensnehmer den Widerruf eines Darlehensvertrages geltend machen, der nicht Teil eines verbundenen Geschäftes ist, sich das Interesse der klagenden Darlehensnehmer und damit der Streitwert gem. § 3 ZPO nach der Hauptforderung richtet, die sie gem. §§ 346 ff. BGB beanspruchen zu können meinen. Dies ist nach Ansicht des BGH die Summe der bis zu Klageerhebung gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen. Mögliche Ansprüche auf Nutzungsersatz bleiben als Nebenforderung bei der Streitwertbemessung nach § 4 Abs. 1 Hs. 2 ZPO außer Betracht. Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an. Die Summe der von den Klägern gezahlten Zins- und Tilgungsleistungen betrug im Zeitpunkt der Klageerhebung 41.700,- EUR.
102Unterschrift
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.