Beschluss vom Landgericht Münster - 5 T 430/16
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Die Sache wird zur Neubescheidung des Eröffnungsantrags vom 10.05.2016 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 500,00 € festgesetzt.
1
Gründe
2I.
3Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Abweisung seines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und Restschuldbefreiung.
4Der Schuldner erzielt ein Monatseinkommen von 1.730,00 € aus nichtselbständiger Arbeit. Er ist drei minderjährigen Kindern barunterhaltspflichtig. Neben Unterhaltsschulden hat er bei fünf Gläubigern 31.499,67 € Schulden. Über Vermögen verfügt er nicht. Dritte stellen ihm keine Mittel zur Schuldentilgung zur Verfügung.
5Zur Vorbereitung der Durchführung eines Insolvenzverfahrens wandte sich der Betroffene an ein Büro für betriebswirtschaftliche Analysen. Dort wurden seine Daten gesammelt und aufbereitet. Die Daten wurden sodann der Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen übersandt. Diese und der Betroffene skypten am 08.03.2016 und 17.03.2016 und besprachen die Angelegenheit. Das vorbezeichnete Büro erstellte sodann einen Einigungsvorschlag, den die Verfahrensbevollmächtigte versandte, von den Gläubigern aber nicht angenommen wurde.
6Der Betroffene beantragte am 12.05.2016 u. a. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens Das Amtsgericht lehnte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss vom 20.06.2016 ab. Gegen den am 28.06.2016 zugestellten Beschluss wandte sich der Betroffene mit der am 12.07.2016 eingegangenen Beschwerde.
7II.
8Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
9Die sofortige Beschwerde ist statthaft nach §§ 34 Abs. 1, 6 InsO. Auch wurde die sofortige Beschwerde form- und fristgerecht nach §§ 6 Abs. 2, 4 InsO i. V. m. § 569 ZPO eingelegt.
10Die Beschwerde ist begründet. Der Zulässigkeit des Eröffnungsantrages steht eine mangelnde Beratung nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht entgegen. Nach jener Vorschrift hat der Schuldner die Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle vorzulegen, die insbesondere auf der Grundlage persönlicher Beratung ausgestellt sein muss.
11In Literatur und Rechtsprechung ist die Frage, ob eine persönliche Begegnung zwischen Schuldner und beratender Stelle erforderlich ist oder Telefonate oder Skypen ausreichen, umstritten.
12Ein Teil verlangt die gleichzeitige körperliche Anwesenheit von Schuldner und Berater (AG Göttingen, Beschlüsse vom 20.04.2016, 74 IK 24/16 und 17.05.2016, 74 IK 113/16; AG Kaiserslautern, Beschluss vom 13.01.2016, 2 IK 359/15; Schmerbach, NZI 2015, 866; 2016, 172, 173). Zur Begründung wird angeführt, dass sich nur so die angestrebte nachhaltige Beratung sicherstellen lasse und dem Gericht anderenfalls die Prüfung zu sehr erschwert werde (AG Göttingen, Beschlüsse vom 20.04.2016, 74 IK 24/16 und 17.05.2016, 74 IK 113/16).
13Andere lassen auch telefonische Beratungen genügen (LG Potsdam, Beschluss vom 23.06.2015, 2 T 24/15). Andere lassen diese Art der Kommunikation generell zu (Fuhst, JurisPK InsR 12/2016 Anm. 3)
14Andere Gericht fordern vermittelnd grundsätzlich die gleichzeitige körperliche Anwesenheit bei der Beratung, lassen aber ausnahmsweise auch die telefonische Beratung zu, wenn das Telefonat umfangreich und eingehend geführt wird und dem Berater die notwendigen Unterlagen vollständig vorliegen (AG Potsdam, Beschluss vom 19.02.2015, 25 IK 1239/14). Andere verlangen die gleichzeitige körperliche Anwesenheit in der Regel, ohne zu spezifizieren, wann eine Kommunikation über E-Mail und Telefon genügt (LG Düsseldorf, Beschluss vom 26.06.2015, 25 T 410/15).
15Das Gericht gelangt zu dem Ergebnis, dass die Beratung mithilfe von Skype vorliegend den Anforderungen an die persönliche Beratung i. S. d. § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO genügt. Der Wortlaut des Gesetzes schließt jedenfalls den Einsatz von Fernkommunikationsmitteln nicht grundsätzlich aus. Verlangt wird danach jedenfalls die Beratung durch eine geeignete Person. Dies schließt die Delegation auf Dritte aus (LG Köln, Beschluss vom 24.11.2015, 13 T 96/15 vorausgehend AG Köln, Beschluss vom 20.08.2015, 73 IK 373/15). Vorliegend ist die Beratung durch eine Rechtsanwältin erfolgt, die eine geeignete Person ist. Des Weiteren spricht auch die Gesetzesbegründung nicht gegen die Verwendung von Skype. Die Begründung des Regierungsentwurfs äußert sich zu der Frage des Einsatzes von Kommunikationstechnik nicht (BT-Drs 17/11268, S. 34).
16Der Sinn und Zweck des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO schließt die Kommunikation zwischen Berater und Schuldner jedenfalls über Skype nicht generell aus. Denn entscheidend zur Erreichung einer möglichen Schuldenbereinigung ist die individualisierte Beratung durch einen qualifizierten Berater (BT-Drs 17/11268, S. 34). Ob diese Beratung letztlich dadurch erfüllt wird, dass sich beide gegenübersitzen, skypen oder telefonieren, ist dabei im Ausgangspunkt ohne Belang. Entscheidend ist vielmehr, dass beide wechselseitig kommunizieren können, weil anderenfalls nicht mehr von einer Beratung gesprochen werden kann.
17Die Zweifel daran, dass eine Beratung unter Einsatz von Skype oberflächlicher bleibt, sind nicht fernliegend. Indes kann auch bei unmittelbarer Kommunikation nicht sicher gewährleistet werden, dass die Beratung das für den Schuldner optimale Ergebnis hervorbringt. Es ist sowohl fernmündlich als auch bei gleichzeitiger Anwesenheit möglich, individuell und eingehend oder pauschal und oberflächlich zu beraten. Letztlich bleibt es dem Schuldner überlassen, wen er zur Beratung auswählt und ob er die Chance zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens ernsthaft nutzt. Das Gericht hat letztlich keine Möglichkeit, diese verlässlich zu überprüfen.
18Die Möglichkeit, die Beratung über Skype abzuwickeln, genügt § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO jedenfalls im vorliegenden einfach gelagerten Fall. Denn nach den Angaben des Schuldners verbleibt nach Abzug der Unterhaltsverpflichtungen kein pfändungsfreies Einkommen und auch sonst stehen keine Mittel für eine außergerichtliche Schuldenbereinigung zur Verfügung. Gleichzeitig gibt es nach den korrigierten Angaben des Schuldners nur sechs Gläubiger, von denen lediglich fünf von einer Restschuldbefreiung betroffen wären. Hinzu kommt vorliegend, dass die Daten des Insolvenzschuldners bereits aufbereitet waren und sich die Beraterin auf das Gespräch vorbereiten konnte. Dieser Sachverhalt war einer Beratung über Skype jedenfalls zugänglich.
19Vorliegend ist die Sache zur Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen, weil lediglich über eine Vorfrage des Insolvenzverfahrens zu entscheiden ist.
20Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (OLG Köln, Beschluss vom 02.05.2001, 2 W 56/01; Münchener Kommentar InsO/Ganter/Lohmann, § 6 Rn. 83).
21Der Wert des Beschwerdeverfahrens ist auf bis zu 500,00 € festzusetzen.
22Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Zwar divergiert die Rechtsprechung der Amts- und Landgerichte zu der Frage der Zulässigkeit des Einsatzes von Fernkommunikationsmitteln im Rahmen von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Indes kommt es nach Auffassung des erkennenden Gerichts im vorliegenden Fall aber nicht auf die abstrakte Frage an. Insoweit weicht diese Entscheidung jedenfalls nicht von den Entscheidungen der anderen Beschwerdegerichte ab, die eine telefonische Beratung nicht kategorisch ausschließen.
23Unterschrift
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