Urteil vom Landgericht Münster - 010 O 43/15
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.018,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.03.2015 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich der Feststellungsantrag zu 3) erledigt hat.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 33 % und die Beklagte und die Beigetretene gesamtschuldnerisch zu 67 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 20 % vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen eines behaupteten Sturzes auf einem gemeindlichen Grundstück geltend.
3Die Klägerin befand sich am 13.07.2014 am Haus der Gemeindeverwaltung Mettingen. Dort betreibt die Gemeinde eine Gastronomie „Haus Telsemeyer“, die von der Beigetretenen gepachtet worden ist und das Tüöttenmuseum.
4Die Klägerin beabsichtigte am 13.07.2014 an einer Veranstaltung im Innenhof teilzunehmen. Der Innenhof war an diesem Tag mit Stehtischen und Sitzplätzen bestückt. Der gesamte Innenhof ist als teilweise gepflasterte Fläche mit teilweisen Kiesbereichen gastronomisch nutzbar. Einzelne Bereiche befinden sich dabei auf verschiedenen Ebenen, die durch Stufen miteinander verbunden sind. Die Pflasterung selbst ist optisch mit farbig hervorgehobenen Pflaster-Reihen in Viereckform ausgestaltet, wobei die Stufen selbst die Pflasterfarbe dieser Pflaster-Reihen aufweisen. Im Hinblick auf die Gestaltung des Innenbereichs wird auf die Fotoserie als Anlage zum Schriftsatz vom 10.11.2015, Blatt 99 a der Akte, verwiesen.
5Die Klägerin behauptet, sie habe am streitgegenständlichen Tag den Gastronomiebereich durch eine Tür zum Innenhof verlassen, um ihn auf dem Weg zum gegenüberliegenden Museum zu überqueren. Dabei sei sie über die Stufe nach unten gestolpert, die auf dem Foto Nr. 2 mit einem Kreuz gekennzeichnet ist. Sie habe sich eine Schürfwunde am linken Knie zugezogen. Im Hinblick auf die von ihr behaupteten Unfallfolgen wird auf die Klageschrift und das von ihr zur Gerichtsakte gereichte ärztliche Attest vom 19.11.2015 Bezug genommen.
6Die Klägerin ist der Ansicht, die Beklagte habe als Grundstückseigentümerin eine Verkehrssicherungspflichtverletzung begangen. Die Gemeinde hätte zumindest vor einer derart überraschenden Stufe warnen müssen oder sie anders baulich auszugestalten. Sie ist der Ansicht, ihr stände ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.500,00 € zu und macht 18,05 € Schadensersatz für die Kosten eines Arztberichtes geltend.
7Im Hinblick auf den ursprünglich gestellten Feststellungsantrag zu 3) hat sie im Termin vom 09.03.2016 die Erledigung erklärt, da der medizinische Heilungsprozess mittlerweile abgeschlossen sei und klar geworden sei, dass keine bleibenden weiteren Schäden entstehen.
8Die Klägerin beantragt,
91)
10die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein im Ermessen des Gerichts festzusetzendes Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von 3.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
112)
12die Beklagte zu verurteilen, Schadensersatz in Höhe von 18,05 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an die Klägerin zu zahlen.
13Die Beklagte und die Beigetretene beantragen,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte und die Beigetretene bestreiten mit Nichtwissen, dass es am streitgegenständlichen Tag zu einem Sturz im Innenhof gekommen sei und dass die behaupteten Unfallfolgen eingetreten seien.
16Sie vertreten die Ansicht, im Übrigen sei eine Verkehrssicherungspflichtverletzung schon nicht gegeben.
17Im Hinblick auf die Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zu Protokoll gegebene Erklärung verwiesen.
18Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X M und durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. F.
19Entscheidungsgründe
20Die Klage ist im Wesentlichen begründet, im Übrigen unbegründet.
21Der Klägerin steht ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 € gegen die Beklagte aus unerlaubter Handlung wegen Verkehrssicherungspflichtverletzung zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht für das Gericht zweifelsfrei fest, dass die Klägerin am 13.07.2014 über die von ihr angegebene Stufe im Innenhof des gemeindlichen Grundstücks gestürzt ist und sich die Schürfwunde und eine schmerzhafte Prellung am linken Knie zugezogen hat. Schon die Schilderung durch die Klägerin selbst im Gerichtstermin war glaubhaft. Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin an einer anderen Stelle aus anderem Grund gestürzt sein könnte und alleine aus Gründen der Inanspruchnahme die angebliche Unfallstelle auf ein Gelände der beklagten Gemeinde verschoben haben könnte. Dies erscheint in Anbetracht der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin eher fernliegend. Im Übrigen hat die Schilderung der Klägerin auch der Zeuge X M bestätigt. Zwar ist der Zeuge der Ehemann der Klägerin. Aber auch bei ihm hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass er wahrheitsgemäß ausgesagt hat. Soweit es zwischen den Schilderungen der Klägerin und des Zeugen im Hinblick auf den genommenen Weg leichte Abweichungen/Unklarheiten gab, deutet dies eher auf eine wahrheitsgemäße Schilderung mit Offenlegung gewisser Unsicherheiten durch den Zeugen hin, auf die es im vorliegenden Fall erkennbar nicht ankam.
22Die Stufe, über die die Klägerin nach unten gestolpert ist, stellt auch eine von der beklagten Gemeinde zu verantwortende überraschende Gefahrenquelle dar. Auch wenn im Außenbereich von Gastronomie grundsätzlich mit Höhenunterschieden aufgrund von gärtnerischer Gestaltung gerechnet werden muss, war die Stufe im vorliegenden Fall für einen Passanten extrem schlecht zu erkennen. Dies wird aus den zur Akte gereichten Fotos zum Schriftsatz vom 10.11.2015, Blatt 99 a der Akte, die im Verhandlungstermin vom 03.03.2016 in Augenschein genommen wurden, sehr deutlich. Der gesamte Innenraum ist architektonisch in Quadraten ausgestaltet, die durch Pflaster-Reihen in einem dunklen Grau abgesetzt sind. Diese Reihen stellen – in bestimmten Bereichen – zugleich Stufen zum tiefer gelegenen Pflasterbereich oder Kiesbereich dar. Da die farbliche Absetzung sowohl den ebenerdigen, als auch den Stufenbereich durchläuft, ist die Stufe beim Begehen der Wege kaum erkennbar. Dabei muss im vorliegenden Fall insbesondere berücksichtigt werden, dass es sich um einen Bereich handelt, der als Durchgang zum hinter der Gastronomie liegenden Museum genutzt werden kann und auch genutzt wird. Wenn an einem Tag, wie dem streitgegenständlichen, der Innenhof darüber hinaus gastronomisch genutzt wird und mit Stehtischen ausgestaltet wurde, viele Gäste an verschiedenen Stellen stehen, richtet ein Passant seinen Blick erfahrungsgemäß nicht nach unten, sondern auf die anderen Gäste. An die Ausgestaltung eines solchen Bereiches sind dann besondere Anforderungen hinsichtlich der Sicherheit zu stellen, ähnlich wie bei Fußgängerzonen in Innenstädten, wo die Passanten durch Schaufensterscheiben abgelenkt werden können. Die eigene Sorgfaltspflichten sind in solchen Bereichen herabgesetzt. Dies war für die Eigentümerin des Grundstücks, die diesen Bereich öffentlich zugänglich gemacht hat, auch unschwer erkennbar. Die Gefahrenträchtigkeit und die schlechte Erkennbarkeit der Stufen fallen sofort ins Auge. Unter diesen Umständen kann auch dahingestellt bleiben, ob der klägerische Vortrag zutrifft, dass es bereits eine Vielzahl von Gästen gegeben hat, die über diese Stufen gestolpert sind.
23Die beklagte Gemeinde Mettingen war auch verantwortlich für die Verkehrssicherungspflicht. Zwar hat sie diese in § 10 Nr. 4 des Pachtvertrages an die Beigetretene als Pächterin grundsätzlich übertragen. Allerdings dürfte eine Verkehrssicherungspflicht für bauliche Gegebenheiten architektonischer Art eines Pacht- oder Mietgegenstandes nicht übertragbar sein. Jedenfalls im vorliegenden Fall ist die diesbezügliche Verkehrssicherungspflicht ausdrücklich nicht übertragen worden, da im Pachtvertrag dem Pächter unter der Regelung des § 9 Nr. 8 bauliche Eingriffe ausdrücklich untersagt waren. Die Beigetretene als Pächterin konnte diese Gefahrenstelle nach den vertraglichen Beziehungen mit der Gemeinde Mettingen gerade nicht entschärfen. Damit blieb die Verantwortung bei der Beklagten selbst.
24In Anbetracht der Unfallfolgen erschien dem Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 € angemessen, aber auch ausreichend zur Abgeltung der eingetretenen Folgen. Nach dem Sachverständigengutachten hat die Klägerin eine Schürfung der Haut erlitten und eine schmerzhafte Kniescheibenschleimbeutelentzündung über eine Dauer von jedenfalls zwei Monaten. Desweiteren ist eine Narbe mit geringfügigen Einziehungen entsprechend des vorgelegten Fotos Blatt 115 der Gerichtsakte verblieben. Die Klägerin musste sich ärztlichen Behandlungen und einer Röntgenaufnahme unterziehen. Insbesondere unter Berücksichtigung des Folgezustandes nach der Schürfung, eine deutliche optische Narbenbildung am linken Knie und damit innerhalb des Bereiches der beim Tragen von Röcken frei bleibt, erscheint dieses Schmerzensgeld angemessen.
25Die Kosten für den Arztbericht in Höhe von 18,05 € stehen der Klägerin als materieller Schadensersatz zu.
26Nachdem die Klägerin den Klageantrag zu 3) im Hinblick auf den Feststellungsantrag für erledigt erklärt hat und die Beklagte und die Beigetretene sich der Erledigung nicht angeschlossen haben, wandelte sich der Erledigungsantrag in einen Feststellungsantrag um, dass Erledigung eingetreten ist. Diese Erledigung ist auch eingetreten. Die Klage war ursprünglich zulässig und begründet und ist durch Zeitablauf unbegründet worden. Die Klägerin hatte eine nicht unerhebliche gesundheitliche Beeinträchtigung durch den Sturz erlitten. Für sie war nicht absehbar, ob es Veränderungen negativer gesundheitlicher Art geben würde und hatte deshalb ein rechtliches Interesse an einem entsprechenden Feststellungsantrag. Im Laufe des Verfahrens ist durch Zeitablauf klar geworden, dass derartige gesundheitliche Folgeschäden nicht mehr eintreten werden.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 4.500,00 € (Zahlungsanspruch 3.500,00 € und Feststellungsanspruch der mit 1.000,00 € zu bemessen ist) unterliegt die Klägerin in Höhe von 1.500,00 € und damit zu 33 % und die Beklagte und Beigetretene mit 67 %.
28Die Nebenentscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
29Unterschrift
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Referenzen
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