Beschluss vom Landgericht Paderborn - 01 Qs-34 Js 1251/14-143/14
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 10.12.2014 wird die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts Paderborn angewiesen, von ihren bisherigen Bedenken gegenüber einer Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts des Betroffenen abzusehen sowie über den Kostenfestsetzungsantrag vom 11.9.2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer und über die Kosten des Beschwerdeverfahrens erneut zu entscheiden.
1
Gründe
2Die gemäß §§ 464b S. 3 StPO, 104 S. 3 ZPO, 304 Abs. 3, 311 StPO statthafte und zulässige sofortige Beschwerde hat Erfolg.
3Die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts des Betroffenen sind als notwendige Auslagen im Sinne von § 464 Abs. 2 Nr. 2 StPO anzusehen. Der Ausnahmetatbestand des § 109a Abs. 1 OWiG liegt nicht vor.
4Zutreffend nimmt der angegriffene Beschluss vom 28.11.2014 an, dass § 109a Abs. 1 OWiG nicht schon bei der Auslagengrundentscheidung berücksichtigt wird, sondern erst im Kostenfestsetzungsverfahren. Die Vorschrift will missbräuchlicher Ausnutzung von Verteidigungsmöglichkeiten durch Verlagerung von Kostenrisiken begegnen. Der gegen eine Geldbuße von bis zu zehn Euro erfolgreich vorgehende Betroffene kann die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts nur noch ausnahmsweise erstattet verlangen. Eine allzu restriktive Anwendung von § 109a Abs. 1 OWiG kann jedoch das Grundrecht des Betroffenen aus Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot verletzen (vgl. Heidrich in: Karlsruher Kommentar zum Ordnungswidrigkeitengesetz, 4. Auflage 2014, § 109a, Rn. 2, 5 mwN).
5Die Begründung des angegriffenen Beschlusses vom 28.11.2014 verhält sich letztlich weder zur Schwierigkeit der Sach- noch zur Schwierigkeit der Rechtslage im Sinne des § 109a Abs. 1 OWiG. Im Hinblick auf die Sachlage ist nach Ansicht der Kammer zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer die Einwendung, das Parkticket sei gelöst worden und habe sichtbar im Fahrzeug gelegen, unter Berufung auf einen Zeugen, nämlich seinen Rechtsanwalt, zunächst selbst der Verwaltungsbehörde gegenüber geltend gemacht hat. Trotz der Tatsache, dass der Zeuge in diesem Schreiben vom 24.04.2014 nicht namentlich benannt war, hätte die Verwaltungsbehörde diesen Einwand ohne nennenswerten Aufwand prüfen können. Dies ist vor Erlass des Bußgeldbescheides vom 23.05.2014 nicht geschehen. Schon dadurch musste bei dem Beschwerdeführer der Eindruck erweckt werden, ohne anwaltliche Hilfe werde es ihm nicht möglich sein, mit seinem Vorbringen durchzudringen. Im Ergebnis hat deswegen nach Ansicht der Kammer für den Betroffenen mit Rücksicht auf die sich widersprechenden Zeugen ein schwer aufklärbarer Sachverhalt vorgelegen, der zur Annahme einer schwierigen Sachlage ausreicht (vgl. a.a.O., Rn. 5). Zwar werden sich inhaltlich gegenseitig ausschließende Sachverhaltsschilderungen von Zeugen allein nicht als für die Annahme einer schwierigen Sachlage ausreichend angesehen (vgl. a.a.O., Rn. 5). Im vorliegenden Fall kommt aber hinzu, dass der von dem Beschwerdeführer angeführte Zeuge erst gar nicht herangezogen wurde. Die Verwaltungsbehörde hat einen Beweisantritt bewusst übergangen.
6Die Anwendung des § 109a Abs. 1 OWiG auf den hier vorliegenden Sachverhalt hat mit der Eindämmung von Missbräuchen nichts mehr zu tun und stellt sich im Blick auf den das Rechtsstaatsprinzip konkretisierenden Gesetzeszweck, den Betroffenen auch in Bagatellsachen bei schwieriger Sachlage nicht ohne rechtlichen Beistand zu lassen, als unangemessen dar (vergleiche BVerfG, NJW 1994, 1855).
7Obwohl die im Verfahren geltend gemachten Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts danach dem Grunde nach erstattungsfähig sind, hat sich das Amtsgericht nicht näher mit der geltend gemachten Höhe auseinandergesetzt. Würde die Kammer diese Kostenfestsetzung jetzt von sich aus in einer vom Antrag abweichenden Weise vornehmen, ginge dem Betroffenen damit eine Überprüfungsmöglichkeit verloren. In Anwendung der für das zivilprozessuale Beschwerdeverfahren geltenden Befugnis in § 572 Abs. 3 ZPO weist die Kammer daher die zuständige Rechtspflegerin des Amtsgerichts an, den Betroffenen unter Abstandnahme von den bisherigen Bedenken und unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer erneut der Höhe nach zu bescheiden (vgl. dazu OLG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 20.01.2011, 2 Ws 20/11, zitiert nach juris).
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- StPO § 464b Kostenfestsetzung 1x
- StPO § 104 Durchsuchung von Räumen zur Nachtzeit 1x
- StPO § 304 Zulässigkeit 1x
- StPO § 311 Sofortige Beschwerde 1x
- StPO § 464 Kosten- und Auslagenentscheidung; sofortige Beschwerde 1x
- § 109a Abs. 1 OWiG 5x (nicht zugeordnet)
- 2 Ws 20/11 1x (nicht zugeordnet)