Urteil vom Landgericht Paderborn - 4 O 181/14
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, das zwischen den Parteien am 27.12.2010 zur Nummer 43508733629008 geschlossene Darlehen über einen Auszahlungsbetrag von 22.308,00 € unter Außerachtlassung des Bearbeitungsentgelts in Höhe von 693,08 € neu abzurechnen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 Euro, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand:
2Der Kläger begehrt die Feststellung der Beendigung eines Darlehensvertrages durch Widerruf und eine Neuabrechnung des Darlehens.
3Der Kläger ist Kunde der D. Am 27.12.2010 schloss der Kläger mit der D einen Darlehensvermittlungsvertrag (Anlage B1). Am gleichen Tag unterzeichnete der Kläger den streitgegenständlichen Darlehensvertrag (Bl. 60 ff. d.A.) mit der Beklagten über einen Auszahlungsbetrag in Höhe von 22.308,00 €. Dieser Darlehensvertrag enthält neben einer Restschuldversicherungsprämie in Höhe von 794,87 € ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 693,08 €. In der dem Darlehensvertrag beigefügten Widerrufsbelehrung ist unter anderem der Hinweis enthalten, dass paketversandfähige Sachen auf Kosten und auf Gefahr des Vertragspartners des Darlehensnehmers zurückzusenden sind. Es folgen sodann weitere Hinweise.
4Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.01.2014 erklärte der Kläger den Widerruf des Darlehens mit der Begründung, dass die Widerrufsbelehrung falsch sei. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 28.01.2014 den Widerruf zurück und begründete dies damit, dass sie wörtlich das Muster der Widerrufsbelehrung verwendet habe und deshalb die gesetzliche Vermutung der Richtigkeit der verwendeten Form für sie streite.
5Der Kläger ist der Ansicht, dass das Landgericht Paderborn örtlich zuständig sei, da die Beratung in Paderborn stattgefunden habe. Zudem sei streitig, welche Leistungen der Kläger noch an die Beklagte zu erbringen habe. Da der Kläger Geld zu zahlen habe, sei Leistungsort für die umstrittene Verpflichtung zur Zahlung der Wohnort des Klägers.
6Der Kläger behauptet, dass er den Darlehensvertrag in der D abgeschlossen habe. Die Beratung, die der Kläger über Mitarbeiter der D, Filiale Q, erhalten habe, habe in Q stattgefunden.
7Er behauptet ferner, dass es sich bei dem im Darlehensvortrag vorgesehenen Bearbeitungsentgelt um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handele. Die Parteien hätten nicht über das Bearbeitungsentgelt verhandelt. Die Vereinbarung von Bearbeitungskosten stelle eine unangemessene Benachteiligung des Klägers gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB dar. Da die Erhebung von Bearbeitungskosten gemäß § 307 BGB unwirksam sei, bestehe insoweit ein Rückzahlungsanspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1, S. 1, Alt. 1 BGB.
8Der Kläger behauptet ferner, dass er zum Widerruf des Darlehens berechtigt sei, da die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei. Der Hinweis, dass paketversandfähige Sachen auf Kosten und auf Gefahr des Vertragspartners des Darlehensnehmers zurückzusenden sind, entspreche zwar dem Gestaltungshinweis 8c der Musterbelehrung. Dieser Text hätte allerdings nicht verwendet werden dürfen. Der entsprechende Absatz sei nur einzufügen, wenn es sich um die Überlassung einer Sache oder die Finanzierung der Überlassung einer Sache handele. Ein solcher Fall sei vorliegend nicht gegeben. Der Unterabsatz des Gestaltungshinweises 8c hätte nicht verwendet werden dürfen. Durch den fehlerhaften und acht Zeilen in Anspruch nehmenden Zusatz hinsichtlich der paketversandfähigen Sachen werde ein Verbraucher irritiert. Es sei dem Verbraucher nicht zuzumuten, zu entscheiden, ob eine Passage der Widerrufsbelehrung für ihn zutreffend sei oder nicht. Somit sei die Widerrufsbelehrung falsch. Ferner enthält die Belehrung folgenden Satz: „Wenn der Darlehensnehmer die aufgrund des verbundenen Vertrages überlassene Sache nicht oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurück gewähren kann, hat er insoweit gegebenenfalls Wertersatz zu leisten.“ Diese Formulierung verursache die Unwirksamkeit der Widerrufsbelehrung, weil sie sich auf Sachen beziehe, das BGB jedoch bei Geldschulden keine Unmöglichkeit, die empfangene Leistung zurückzugewähren, kennt.
9Zudem enthalte die Widerrufsbelehrung im Abschnitt über das Widerrufsrecht unter der Überschrift „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ den folgenden Hinweis: „Wenn dem Darlehensnehmer für den weiteren Vertrag ein Rückgaberecht anstelle eines Widerrufsrechts eingeräumt wurde, steht die Rückgabe im Folgenden dem Widerruf gleich.“ Da wechselseitig zwischen den Parteien nur Zahlungsmittel in Form von Buchgeld ausgetauscht wurde, könne ein Rückgaberecht nicht in Betracht kommen.
10Folge des Widerrufs sei, dass der Darlehensvertrag neu abzurechnen sei. Der Vertrag sei rückabzuwickeln und die beiderseits empfangenen Leistungen seien zurückzugewähren. Dabei würden der Beklagten für die überlassenen Darlehensmittel die vertraglichen Zinsen und die ausgereichten Darlehensmittel zustehen. Dem Verbraucher stehe jedoch auch eine Entschädigung für die Nutzung der von dem Verbraucher an die Bank gezahlten Raten in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu. Da die Beklagte nur Anspruch auf das tatsächlich von dem Kläger genutzte Kapital habe, seien sämtliche seiner Raten nur auf die Hauptforderung zu verrechnen. Der Zinsanspruch sei entfallen und der Bank stehe nur eine Nutzungsentschädigung für das tatsächlich genutzte und jeweils um jede Ratenzahlung sich verringernde Restkapital zu. Dem Kläger sei bis einschließlich 01.04.2014 eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 1.272,37 € entstanden. Die Darlehensschuld betrage per 09.05.2013 nach der Berechnung der Beklagten 16.424,94 €.
11Der Kläger beantragt:
121. Es wird festgestellt, dass der Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und dem Beklagten vom 27.12.2010 infolge des Widerrufs des Klägers vom 16.01.2014 mit Wirkung zum gleichen Tage beendet wurde und der Beklagten für die Zeit nach Zugang der Widerrufserklärung am 16.01.2014 für die vom Kläger geschuldete Darlehensvaluta keine weiteren Zinsen aus dem Darlehensvertrag mehr zustehen.
132. Die Beklagte wird verurteilt, das zwischen den Parteien am 27.12.2010 zur Nummer 43508733629008 geschlossene Darlehen über einen Auszahlungsbetrag von 22.308,00 € nach der Maßgabe neu abzurechnen, dass unter Außerachtlassung der Restschuldversicherungsprämie in Höhe von 794,87 € und unter Außerachtlassung des Bearbeitungsentgelts in Höhe von 693,08 € der Kreditbetrag von 22.308,00 € unter Berücksichtigung eines Sollzinses von 13,92 % und unter Verrechnung jeder Rate des Klägers in voller Höhe auf die Hauptforderung berechnet wird und weiterhin von dem berechneten Betrag der Nutzungsentschädigungsanspruch des Klägers abgesetzt wird.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Paderborn. Bei der Beklagten handele es sich um ein auf Verbraucherkredite spezialisiertes Kreditinstitut ohne eigene Niederlassungen mit Sitz in N.
17Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Klageantrag zu 1) bereits unzulässig sei, weil kein Feststellungsinteresse bestehe. Denn die Frage, ob der Widerruf zur Beendigung des Vertragsverhältnisses geführt habe, sei inzident bereits im Klageantrag zu 2) enthalten. Der Antrag zu 1) sei ferner unbegründet, da er zu unbestimmt sei.
18Die Beklagte ist ferner der Ansicht, dass zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs am 16.01.2014 die Widerrufsfrist bereits abgelaufen gewesen sei. Der Wirksamkeit der Widerrufsinformation und damit dem Fristablauf stehe auch nicht entgegen, dass die Widerrufsinformation einen Passus über paketversandfähige Sachen enthalten habe. Der Umstand, dass der Kläger zusätzliche im Ergebnis nicht erforderliche Informationen erhalten habe, sei nicht geeignet, ihn an der Ausübung seines Widerrufsrechts zu hindern. Insoweit könne sich die Beklagte darauf berufen, dass sie unstreitig den Wortlaut der Musterwiderrufsbelehrung nach dem EGBGB verwendet habe. Darüber hinaus sei sein Recht zum Widerruf bereits vor Erklärung des Widerrufs verwirkt.
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist zulässig und aber nur in geringem Umfang begründet.
21I.
221. Das angerufene Gericht ist zuständig.
23Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 71 Abs. 1, 23 GVG.
24Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 29 ZPO. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis und über dessen Bestehen das Gericht des Ortes zuständig, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen ist. Dazu gehören auch Klagen auf Rückabwicklung des Vertrages. Vorliegend streiten die Parteien darüber, ob der Darlehensvertrag wirksam widerrufen wurde. Durch den Widerruf wäre der Vertrag in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt worden. Es ist daher auf dessen Erfüllungsort abzustellen. Dieser richtet sich auch bei Geldschulden nach §§ 269, 270 BGB. Danach hat die Leistung grundsätzlich an dem Ort zu erfolgen, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hat, es sei denn, ein anderer Leistungsort ist bestimmt oder aus den Umständen zu entnehmen. Nach § 270 Abs. 4 BGB i.V.m. § 269 BGB sind Geldschulden im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllen. Dass Leistungshandlung und Leistungserfolg dabei häufig auseinanderfallen, ändert gemäß § 270 Abs. 4 BGB nichts daran, dass Leistungsort im Sinne des § 269 BGB der Wohnort des Schuldners bleibt (vgl. BGH, Urteil vom 07. Dezember 2004 – XI ZR 366/03 –, juris). Der gesetzliche Erfüllungsort für Geldschulden aus Bankkredit – auch nach Kündigung und Fälligstellung des Kredits – ist der Wohnsitz des Schuldners und nicht das Geschäftslokal der kreditgewährenden Bank. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Entstehung des Schuldverhältnisses und damit die aus dem Abschluss des Darlehensvertrages folgende Rückzahlungsverpflichtung (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 27.10.1992 – AZ 9 AR 3/92 -, juris). Hieraus folgt, dass der Kläger die ihm obliegende Leistungshandlung für die Rückzahlung des Darlehens an seinem Wohnsitz in C zu erbringen hat.
252. Der Kläger hat auch ein Feststellungsinteresse bezüglich des Klageantrags zu 1).
26Hierin begehrt der Kläger die Feststellung, dass aufgrund seines Widerrufs der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag beendet ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht hierfür ein gesondertes Rechtsschutzinteresse, da die im Klageantrag zu 2) begehrte Neuberechnung des Darlehens unabhängig vom Widerruf ist. Denn der Kläger begehrt die Neuberechnung nicht nur aufgrund des Widerrufs des Darlehens sondern zugleich auch aufgrund der seiner Meinung nach unwirksam vereinbarten Bearbeitungsgebühr. Ein Anspruch auf Neuberechnung kann daher auch dann bestehen, wenn der Widerruf nicht durchgreift.
27II.
281. Der Klageantrag zu 1) ist unbegründet. Der Darlehensvertrag ist nicht in Folge des Widerrufs vom 16.01.2014 beendet worden.
29Ein Recht des Klägers, seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung zu widerrufen, ergab sich aus §§ 491, 495 Abs. 1 BGB. Dieses Recht hat er aber nicht fristgerecht ausgeübt.
30Die Widerrufsfrist begann gemäß § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a. F. am Tag des Vertragsschlusses. An diesem Tag hat der Kläger die nach § 492 Abs. 2 BGB a.F. erforderlichen Pflichtangaben erhalten. Diese waren im vollständigen Darlehensvertrag (Bl. 60 ff. d.A.) enthalten. Zudem wurde ihm nach §§ 500, 495 Abs. 1, 355 Abs. 2 BGB a.F. eine Widerrufsbelehrung erteilt.
31Diese Widerrufsbelehrung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zu Gunsten der Beklagten greift die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB in der Fassung vom 24.07.2010.
32a) Nach dieser Vorschrift genügt eine Belehrung über das Widerrufsrecht den Anforderungen des damals geltenden § 355 Abs. 2 BGB und den diesen ergänzenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wenn zur Belehrung das Muster der Anlage 6 des EGBGB in hervorgehobener, deutlich gestalteter Form verwandt wurde. Diese Regelung greift ein, wenn die verwendete Belehrung dem Muster inhaltlich und in seiner äußeren Gestaltung vollständig entspricht (BGH, Urteil vom 18.03.2014, II ZR 109/13, Tz. 15 – juris). Dabei steht nicht jede – seien sie auch noch so unbedeutende – textliche Abweichung vom Muster der Gesetzlichkeitsfiktion entgegen (so aber wohl OLG Hamm, Urteil vom 19. November 2012, 31 U 97/12, Tz. 78 –juris). So ist eine inhaltliche Anpassung des Musters an die gesetzliche Regelung zu Gunsten des Verbrauchers für unschädlich gehalten worden (BGH, Beschluss vom 20.11.2012, II ZR 264/10, Tz. 6 – juris). Dies setzt aber notwendigerweise voraus, dass eine Veränderung des Textes des Musters nicht von vornherein die Wirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV sperrt. Andererseits entfällt die Gesetzlichkeitsfiktion bei inhaltlichen Änderungen, mögen sie auch vermeintlich unbedeutend sein (BGH, Urteil vom 18.03.2014, II ZR 109/13, Tz.18 – zitiert nach juris). Geht man aber davon aus, dass inhaltliche, auch vermeintlich unbedeutende Änderungen die Gesetzlichkeitsfiktion sperren, dass aber andererseits nicht jede textliche Abweichung vom Muster der Wirkung des Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB entgegensteht, dann sind jedenfalls solche Änderungen im Vergleich zum Muster unschädlich, bei denen es ausgeschlossen ist, dass der Adressat der Belehrung diese inhaltlich anders als den Text im Muster nach Anlage 6 des EGBGB verstehen könnte (so auch OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Juli 2014, 27 O 172/13, Tz. 38 f. – juris, zum Muster nach der BGB-InfoV).
33b) Ausgehend von diesen Grundsätzen genügt die verwendete Widerrufsbelehrung der Gesetzlichkeitsfiktion.
34aa) Der im Abschnitt Widerrufsrecht enthaltene Hinweis „Wenn dem Darlehensnehmer für den weiteren Vertrag ein Rückgaberecht an Stelle eines Widerrufrechts eingeräumt wurde, steht die Rückgabe im Folgenden dem Widerruf gleich.“ ist gem. Gestaltungshinweis [4] zur Anlage 6 zwingend. Dort ist geregelt, dass die Überschrift „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ sowie der Hinweis einzufügen sind, soweit die Gestaltungshinweise [4a], [4b] oder [4c] angewendet werden. Da vorliegend Gestaltungshinweis [4a] Anwendung gefunden hat, war die Beklagte verpflichtet den Hinweis aufzunehmen.
35bb) Auch die Belehrung über den Rückversand paketfähiger Sachen und die daran anschließende Belehrung steht der Gesetzlichkeitsfiktion nicht im Wege.
36Die Widerrufsbelehrung enthält im Abschnitt Widerrufsfolgen mehrere Hinweisen zu weiteren Verträgen, darunter auch der vom Kläger kritisierte Hinweis zu den paketfähigen Sachen. Der Wortlaut des Hinweises stimmt wörtlich mit dem Gestaltungshinweises [8c] überein. Allerdings ist der Hinweis nur einzufügen, wenn der verbundene Vertrag die Überlassung einer Sache oder eine entgeltliche Finanzierungshilfe, deren Vertragsgegenstand die Überlassung einer Sache ist, zum Gegenstand hat. Dies ist vorliegend nicht der Fall, sodass die Beklagte den Gestaltungshinweis nicht richtig angewendet hat.
37Die Gesetzlichkeitsfiktion ist hierdurch aber nicht aufgehoben. Denn trotz der falschen Anwendung des Gestaltungshinweises besteht nicht die Gefahr, dass der Verbraucher die Widerrufsbelehrung missversteht.
38Die einzelnen Hinweise unter der Überschrift „Besonderheiten bei weiteren Verträgen“ sind jeweils in Spiegelstrichen aufgeführt und so klar voneinander getrennt. Es ist dem Verbraucher daher möglich jeden Hinweis einzeln zur Kenntnis zu nehmen. Im Umkehrschluss besteht folglich auch nicht die Gefahr, dass der Verbraucher einen nachfolgenden Hinweis überliest.
39Zudem ist es für den Verbraucher und damit auch den Kläger ohne weiteres erkennbar, dass ihn der streitgegenständliche Hinweis nicht betrifft. Die ersten beiden Worte lauten „Paketversandfähige Sachen“. Schon nach der Lektüre dieser beiden Worte kann der Verbraucher von einem weiteren Lesen des Spiegelstriches absehen, da ihm bekannt ist, dass er keine paketversandfähige Sache erhalten hat. Dementsprechend kann auch die überdurchschnittliche Länge des Hinweises und die dadurch bedingte Verlängerung der gesamten Widerrufsbelehrung kein Missverständnis des Verbrauchers hervorrufen.
40Da der Kläger gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB bereits bei Abschluss des Darlehensvertrages und bei Zeichnung der Beteiligung hinreichend über sein Widerrufsrecht belehrt wurde, begann zu diesem Zeitpunkt die Frist zum Widerruf. Diese war im Zeitpunkt der Erklärung am 16.01.2014 längst abgelaufen.
412. Der Klageantrag zu 2) ist nur im Hinblick auf das Bearbeitungsentgelt begründet. Im Übrigen steht dem Kläger ein Neuberechnungsanspruch nicht zu. Insoweit war die Klage abzuweisen.
42a) Der Neuberechnungsanspruch ergibt sich aus § 494 Abs. 5 BGB. Die Neuberechnung hat zu erfolgen, da der Kläger einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch in Höhe des Bearbeitungsentgelts von 693,08 Euro hat. Die Klausel über die Erhebung einer Bearbeitungsgebühr ist gemäß § 307 BGB unwirksam, so dass die jeweilige Leistung des Klägers ohne Rechtsgrund erfolgt ist.
43Die in dem Darlehensvertrag enthaltene Regelung über die Zahlung einer Bearbeitungsgebühr ist eine AGB-Klausel. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB kommen die Vorschriften über die Allgemeine Geschäftsbedingungen auch dann zur Anwendung, wenn die vorformulierte Vertragsbedingung nur zur einmaligen Verwendung bestimmt ist, soweit der Verbraucher aufgrund der Vorformulierung auf ihren Inhalt keinen Einfluss nehmen konnte. Für die Auslegung, ob es sich um eine Individualvereinbarung oder eine AGB-Klausel handelt, gelten die §§ 133, 157 BGB. Im Rahmen dieser Auslegung ist zu berücksichtigen, dass die Bearbeitungsgebühr in das Vertragsformular maschinenschriftlich eingefügt wurde. Allein aus dem Anschein des Vertragsformulars lässt sich damit nicht auf eine Individualvereinbarung schließen.
44Der Verbraucher muss nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB beweisen, dass er nicht die Möglichkeit einer Einflussnahme hatte. Er kann sich dabei, insbesondere bei umfangreichen und komplizierten Texten, aber auf den Beweis des ersten Anscheins berufen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass der typische Verbraucher nicht das erforderliche rechtliche Know-how hat, um ihn benachteiligende Vertragsklauseln zu durchschauen und zweckentsprechende Änderungen durchzusetzen. Er ist, wenn ihm ein vorformulierter Text für einen Einzelvertrag vorgelegt wird, in derselben Situation, wie bei Einbeziehung eines Textes, der mehrfach verwandt werden soll. Unter Berücksichtigung dessen kann sich der Kläger auf den Beweis des ersten Anscheins berufen. Zudem hat die Beklagte nicht bestritten, dass der Kläger keinen Einfluss auf die Bearbeitungsgebühr nehmen konnte.
45Die Klausel über die Zahlung einer Bearbeitungsgebühr ist der Inhaltskontrolle des § 307 BGB unterworfen. Gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden, kontrollfähig. Darunter fallen zwar weder Bestimmungen über den Preis der vertraglichen Hauptleistung noch Klauseln über das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung. Die Regelung über das Bearbeitungsentgelt stellt sich aber als Preisnebenabrede dar, die durch § 307 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BGB einer AGB-Kontrolle nicht entzogen ist. Leistung und Gegenleistung des Darlehensvertrags sind in § 488 BGB geregelt. Während es die Hauptpflicht des Darlehensgebers ist, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in vereinbarter Höhe zur Verfügung zu stellen, ist der Darlehensnehmer verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB). Im Regelfall ist mithin die Pflicht zur Zinszahlung Hauptleistungspflicht und steht zur Darlehensgewährung im Gegenseitigkeitsverhältnis. Entgelt für die Gewährung eines Darlehens ist somit der vom Schuldner zu zahlende Zins, nicht eine Bearbeitungsgebühr.
46Die Klausel über die Erhebung einer Bearbeitungsgebühr verstößt gegen § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 11.04.2011, Az. 31 U 192/10). Danach ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Die Beklagte verlangt mit der Bearbeitungsgebühr ein laufzeitunabhängiges einmaliges Entgelt für den Abschluss eines Darlehensvertrages. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB sieht als Entgelt für die zur Verfügungstellung eines Darlehens ausschließlich Zinsen vor. Danach weicht die Regelung über die Bearbeitungsgebühr von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab. Mit dieser Abweichung geht auch eine unangemessene Benachteiligung des Klägers einher. Letztlich werden ihm Kosten für die Bearbeitung des Darlehensantrags auferlegt. Diese und auch die Kosten einer etwaigen Bonitätsprüfung stellen keine berechenbare Sonderleistung für den Kunden dar, sondern liegen im eigenen Interesse der Beklagten.
47b) Da der Darlehensvertrag nicht durch den erklärten Widerruf beendet wurde, hat der Kläger keinen Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die von ihm geleisteten Raten und die Verrechnung seiner Raten auf die Hauptforderung.
48Zugleich ist der Kläger weiterhin an die Restschuldversicherung als verbundenen Vertrag gebunden, sodass die Versicherungsprämie auch bei der Neuberechnung berücksichtigt werden kann.
49III.
50Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
51Der Streitwert wird auf 16.424,94 EUR festgesetzt.
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