Beschluss vom Landgericht Rottweil - 3 Qs 34/05 jug

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts O. vom 14.03.2005 wird als unbegründet

verworfen.

Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten Kosten und Auslagen für das Beschwerdeverfahren aufzuerlegen.

Gründe

 
I.
Die Staatsanwaltschaft Rottweil erhob gegen den Angeklagten am 24.02.2005 Anklage zum Amtsgericht - Jugendrichter - O.; in der Anklage wird dem Angeklagten zur Last gelegt, er sei am 29.12.2004 gegen 17:30 Uhr mit dem Zug der Ortenau-S-Bahn GmbH mit der Linie OSB 82732 in Richtung O. gefahren, ohne im Besitz einer gültigen Fahrkarte gewesen zu sein, wobei er bereits bei Fahrtantritt vorgehabt habe, den Fahrpreis in Höhe von 11,10 Euro nicht zu entrichten, ein Vergehen der Leistungserschleichung gemäß §§ 265 a Abs. 1 und 3, 248 a StGB.
Am 09.03.2005 hat der Verteidiger des Angeklagten seine Beiordnung als Pflichtverteidiger (allein) mit der Begründung beantragt, dass der Angeklagte als Jugendlicher ohne Eltern in Deutschland lebe.
Durch Beschluss des Amtsgerichts O. vom 14.03.2005 wurde der Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers abgelehnt. Am 15.03.2005 wurde das Hauptverfahren eröffnet, Termin zur Hauptverhandlung wurde bestimmt auf Mittwoch, 06. April 2005, 10:00 Uhr.
Der Angeklagte hat gegen den Beschluss vom 14.03.2005 durch Telefax vom 22. März 2005 Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. A., § 141 Rdnr. 10 m.w.N.), jedoch unbegründet.
1. Nach Auffassung der Kammer ist § 68 Nr. 2 JGG in vorliegendem Fall nicht entsprechend anzuwenden.
Nach einer Auffassung ist § 68 Nr. 2 JGG in jedem Fall - unabhängig von der Schwere des Tatvorwurfs - entsprechend anzuwenden, wenn die Erziehungsberechtigten aus tatsächlichen Gründen (z.B. wegen Wohnortes im Ausland) an der Wahrnehmung ihrer Rechte gemäß § 67 JGG gehindert sind (vgl. Eisenberg, JGG, 10. A., § 68 Rdnr. 29, LG Braunschweig StV 98, 325, LG Lüneburg StV 98, 326).
Eine solche Gesamtanalogie ist nach Auffassung der Kammer zu weitgehend (so auch KK-Laufhütte, StPO, 5. A., § 140 Rdnr. 24). In § 68 Nr. 2 JGG ist ein Fall geregelt, in dem der Staat in das in Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht durch dessen Entziehung eingreift, obwohl Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter vorhanden sind.
In vorliegendem Fall geht es dagegen nicht um eine Entziehung von Elternrechten, sondern um die Frage, wer die Elternrechte wahrzunehmen hat, wenn die Eltern ihre Rechte aus tatsächlichen Gründen (wegen Todes, unbekannten Aufenthaltes, etc.) nicht wahrnehmen können.
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Mangels Ähnlichkeit der Fallgestaltungen scheidet eine Gesamtanalogie aus. Nach Auffassung der Kammer bedarf es auch keiner Einzelanalogie (hierfür: DSS-Diemer, JGG, 3.A., § 68 Rdnr. 13).
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2. Die Frage, ob ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist, richtet sich allein nach §§ 68 Nr. 1 JGG, 140 Abs. 2 StPO. Ein Fall der notwendigen Verteidigung nach diesen Vorschriften liegt angesichts der geringen Schwere des Vorwurfs bei dem nun 17 Jahre und 10 Monate alten Angeklagten ersichtlich nicht vor. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen. Sprachbedingten Schwierigkeiten kann bei der einfach gelagerten Sach- und Rechtslage durch die Hinzuziehung eines Dolmetschers begegnet werden (OLG Stuttgart VRS 99, 73, BGHSt 46, 178).
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3. In vorliegendem Fall stellt sich allerdings die Frage, wer anstelle der Eltern die Elternrechte, deren Gewährung von Verfassungs wegen geboten ist (vgl. BVerfG NJW 03, 2004), wahrzunehmen hat.
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Nach Auffassung der Kammer ist diese Beteiligung durch die gesetzlichen Mitteilungspflichten ausreichend gewährleistet; gemäß § 70 JGG sind in geeigneten Fällen - wozu nach hiesiger Auffassung auch die Fälle jugendlicher, allein in Deutschland lebender Asylbewerber zählen - das Vormundschafts- bzw. Familiengericht von der Einleitung des Verfahrens zu unterrichten, um die Erforderlichkeit einer Vormundschaft bzw. Pflegschaft nach dem BGB prüfen zu können.

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