Urteil vom Landgericht Rottweil - 1 S 18/15

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Horb am Neckar vom 08.07.2014, Az. 1 C 97/14, wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

 
I.
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
1. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
a) Bei der Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil ist der Prüfungsumfang nach § 514 Abs. 2 ZPO eingeschränkt. Die Berufung kann zunächst einmal nur darauf gestützt werden, dass ein Fall der schuldhaften Säumnis im Einspruchstermin nicht vorgelegen habe, etwa weil es an einer ordnungsgemäßen Ladung fehle (BGH NJW 2011, 928). Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer unverschuldeten Säumnis liegt bei dem die Berufung führenden Beklagten (BGH NJW 1999, 2120; Heßler, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 514 Rn. 11).
Danach kann eine unverschuldete Säumnis nicht festgestellt werden. Der im Einspruchstermin vor dem Amtsgericht am 17.06.2014 nicht erschienene und deshalb säumige Beklagte war ordnungsgemäß im Sinne von §§ 166 Abs. 1, 1068 ZPO i.V.m. Art. 14 Abs. 1 EuZustVO per Einschreiben mit Rückschein in Spanien, [Anschrift], geladen worden. Nach Art. 14 EuZustVO steht es jedem Mitgliedstaat frei, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch Postdienste per Einschreiben mit Rückschein oder gleichwertigem Beleg zustellen zu lassen. Soweit der Beklagte vorträgt, die Zustellung hätte im Wege der Rechtshilfe erfolgen müssen, verkennt er, dass zwischen der behördlichen und der postalischen Zustellung nach der EuZustVO keine Rangordnung besteht (EuGH NJW 2006, 975; Geimer, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 1068 Rn. 7). Der Beklagte hatte zum Zeitpunkt der Ladung am 20.05.2014 seinen Wohnsitz unstreitig in Spanien unter der Anschrift […]. Dorthin wurde auch zugestellt. Dies ergibt sich aus dem mit dem Erledigungsvermerk des Postbediensteten versehenen Rückschein, welcher als Privaturkunde im Sinne von § 416 ZPO den vollen Beweis des Zugangs erbringt (Geimer, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2014, § 183 Rn. 44; Häublein, in: MünchKomm-ZPO, 4. Aufl. 2013, § 175 Rn. 6). Dem Beklagten ist es nicht gelungen, den Gegenbeweis zu führen, das heißt die Beweiswirkung der Zustellungsurkunde zur Überzeugung des Gerichts vollständig zu entkräften. Hierzu trägt der Beklagte ohne Beweisantritt lediglich vor, dass ihm die den Rückschein unterzeichnende Person unbekannt sei und dass er das Ladungsschreiben irgendwann zufällig in seinem Garten gefunden habe. Wie es dorthin gelangt sei, könne er sich nicht erklären. Die Kammer ist der Auffassung, dass es sich hierbei um eine reine Schutzbehauptung handelt. Es erschließt sich bereits nicht, wie der Beklagte seine Postsendungen überhaupt empfangen will, wenn er - seinem Vortrag zufolge - weder über einen Briefkasten verfügt, noch Kontakt mit seinen Nachbarn pflegt, die für ihn die Post entgegennehmen könnten. Dies, zumal der Beklagte sich nicht ständig daheim aufhält und in unregelmäßigen Abständen zwischen Spanien und Deutschland pendelt.
b) Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil, das - wie im vorliegenden Fall - den zulässigen Einspruch gegen einen Vollstreckungsbescheid verwirft, kann ferner darauf gestützt werden, dass der Vollstreckungsbescheid aus verfahrensrechtlichen Gründen oder mangels Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage nicht hätte erlassen werden dürfen (BGH NJW 1979, 658; BGH NJW 1991, 43). Keines dieser Kriterien ist erfüllt.
aa) Wie das Amtsgericht zutreffend festgestellt hat, war die Klage zulässig und schlüssig. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Soweit der Beklagte in der Berufung die Einrede der Verjährung erhebt und die Mangelhaftigkeit der zahnärztlichen Behandlung behauptet, wendet er sich nicht gegen die Schlüssigkeit der Klage. Der Beklagtenvortrag geht daher ins Leere.
bb) Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass der Vortrag des Beklagten auch in der Sache keinen Erfolg hätte.
(1) Der Honoraranspruch des Zahnarztes entfällt - wenn sich der Zahlungspflichtige darauf beruft - nach einer dreijährigen Frist zum Jahresende nach Rechnungsstellung wegen Verjährung gemäß §§ 195, 199 BGB (Zuck, GOZ, § 10 Rn. 2). Die Rechnung wurde unstreitig am 13.01.2012 gestellt. Soweit der Beklagte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 19.05.2015 sinngemäß vorträgt, die Honorarvereinbarung nach GOZ sei mangels Schriftform gemäß § 125 BGB i.V.m. § 2 Abs. 3 GOZ formnichtig, weswegen sich der Honoraranspruch und dessen Verjährung nach den allgemeinen Vorschriften des BGB zu richten habe, handelt es sich um neuen, nicht mehr berücksichtigungsfähigen Sachvortrag. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass der Beklagte bereits in der Berufungsschrift vom 13.03.2015 - pauschal und ohne ersichtlichen Zusammenhang mit dem Schriftformerfordernis - vorgetragen hat, dass ein Behandlungsplan/Angebot nicht erstellt worden sei. Die Schriftform des § 2 Abs. 3 GOZ gilt jedoch nur für sog. Verlangensleistungen nach § 1 Abs. 2 Satz 2 GOZ, zu denen im Einzelnen vorzutragen, es der Beklagte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung versäumt hat. Von daher handelt es sich nicht lediglich um eine Rechtsauffassung, sondern um eine Schlussfolgerung aufgrund ergänzenden Sachvortrags, nämlich dass ohne schriftlichen Heil- und Kostenplan sog. Verlangensleistungen erbracht worden seien und deswegen die Honorarvereinbarung nach GOZ formnichtig sei.
(2) Im Übrigen geht auch der Einwand einer fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung fehl. Der Zahnarzt erbringt eine Dienstleistung und erhält sein Honorar für die erbrachten Dienste, ohne einen Erfolg zu schulden (BGH NJW 2011, 1674; Sprau, in: Palandt, 74. Aufl. 2015, Einf § 631 Rn. 32). Ein Behandlungsfehler lässt den Honoraranspruch des Arztes daher grundsätzlich nicht entfallen, es sei denn, es handelt sich um einen besonders groben Behandlungfehler. In diesem Fall erweist sich die Geltendmachung des Honorars als unzulässige Rechtsausübung (OLG Nürnberg NJOZ 2009, 4308). Hierzu lassen sich jedoch mangels substantiierten Sachvortrags keine hinreichend sicheren Feststellungen treffen.
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cc) Schließlich war das Amtsgericht verfahrensrechtlich berechtigt, den Vollstreckungsbescheid zu erlassen. Der Vollstreckungsbescheid und der auf ihm beruhende Mahnbescheid wurden dem Beklagten ordnungsgemäß per Ersatzzustellung in Deutschland, [Anschrift], zugestellt.
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Die Ersatzzustellung nach § 182 ZPO setzt voraus, dass der Adressat der zuzustellenden Sendung die Wohnung, in der der Zustellungsversuch unternommen wird, tatsächlich innehat, das heißt dort lebt und insbesondere auch schläft. Sie verliert ihre Eigenschaft als Wohnung, wenn der Zustellungsempfänger sie nicht mehr zu den vorgenannten Zwecken nutzt, sondern den räumlichen Mittelpunkt seines Lebens an einen anderen Aufenthaltsort verlagert. Dabei kann nicht allein auf die bloße Absicht des bisherigen Inhabers abgestellt werden, sondern sein Wille muss, ähnlich wie bei der Aufhebung des Wohnsitzes gemäß § 7 Abs. 3 BGB, in seinem gesamten Verhalten zum Ausdruck kommen. Aufgabewille und Aufgabeakt müssen, wenn auch nicht gerade für den Absender eines zuzustellenden Schriftstücks oder den mit der Zustellung beauftragten Postbediensteten, so doch jedenfalls für einen mit den Verhältnissen vertrauten Beobachter erkennbar sein (BGH NJW-RR 2005, 415).
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Die urkundliche Erklärung des Postbediensteten, der Zustellungsempfänger sei „in der Wohnung“ nicht angetroffen worden, begründet ein beweiskräftiges Indiz, das nur durch eine plausible Gegendarstellung entkräftet werden kann. Der Beklagte konnte den ihm obliegenden Beweis nicht führen, dass er zum Zeitpunkt der Zustellung von Mahn- und Vollstreckungsbescheid am 06.05.2013 bzw. am 25.05.2013 nicht unter der Anschrift […] wohnhaft war. Dabei kann von einem Zustellungsempfänger, der sich darauf beruft, an dem Zustellungsort nicht gewohnt zu haben, erwartet werden, dass er klare und vollständige Angaben über seine tatsächlichen Wohnverhältnisse macht (BGH NJW 1996, 2581). Hierzu trägt der Beklagte ohne Beweisantritt lediglich vor, die meiste Zeit in Spanien zu verbringen und nur gelegentlich nach Deutschland zu reisen. Er habe deswegen auch der Deutsche Post AG einen Auftrag für die Nachsendung von Briefsendungen an seine Anschrift in Spanien erteilt, was jedoch nicht funktioniert habe. Jener Nachsendeauftrag datiert freilich vom 08.07.2013, also zeitlich nach der Zustellung von Mahn- und Vollstreckungsbescheid. Auch wird dort als Grund für die Nachsendung nicht etwa „Umzug“, sondern nur „vorübergehende Abwesenheit“ angegeben. Dies lässt darauf schließen, dass der Beklagte am 06.05.2012 bzw. am 26.05.2013 seinen Wohnsitz im Sinne von § 182 ZPO (noch) nicht nach Spanien verlegt hatte.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor.

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