1. Auf die Beschwerde der Gläubigerin vom 01.08.2016 werden der Beschluss des Amtsgerichts Tuttlingen - Vollstreckungsgericht - vom 14.07.2016 sowie die Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers D.V. vom 22.03.2016 aufgehoben und der Gerichtsvollzieher D.V. angewiesen, für den Zwangsvollstreckungsauftrag der Gläubigerin vom 11.03.2016 keine Gebühr für die Übermittlung eines Vermögensverzeichnisses nach Nr. 261 KV-GvKostG nebst Auslagenpauschale nach Nr. 716 KV-GvKostG zu erheben.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
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| Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 20.11.2015, Geschäftsnummer 15579690400. Mit Schreiben vom 11.03.2016 erteilte die Gläubigerin dem Gerichtsvollzieher den Auftrag, der Schuldnerin die Vermögensauskunft nach § 802c ZPO abzunehmen. In dem Auftrag heißt es dazu: |
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| „Soweit der Schuldner bereits in den letzten zwei Jahren ein Vermögensverzeichnis vorgelegt und die Vermögensauskunft abgegeben hat, wird statt der Terminsbestimmung beantragt, eine Abschrift des Terminsprotokolls und des Vermögensverzeichnisses zu übersenden, sofern das Vermögensverzeichnis nicht älter als 3 Monate ist. […] Ist das Vermögensverzeichnis älter, wird lediglich gebeten, mitzuteilen, wann und wo das Vermögensverzeichnis vorgelegt und die Vermögensauskunft abgegeben wurde.“ |
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| Nachdem der Gerichtsvollzieher festgestellt hat, dass die Schuldnerin bereits am 10.12.2014 in einem anderen Verfahren die Vermögensauskunft abgegeben hatte, stellte er der Gläubigerin unter dem 22.03.2016 folgende Rechnung: |
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N.erl. Amtshandlung 200 pp |
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| Mit Schreiben vom 15.04.2016 legte die Gläubigerin wegen der in Ansatz gebrachten Kosten für die Übermittlung des Vermögensverzeichnisses (Nr. 261 KV-GvKostG) und für die Auslagenpauschale (Nr. 716 KV-GvKostG) Erinnerung ein. Zur Begründung führte sie aus, dass sie den Antrag auf Abgabe der Vermögensauskunft nur für den Fall erteilt habe, dass die Schuldnerin die Vermögensauskunft nicht bereits innerhalb der letzten 3 Monate abgegeben habe. Für den Fall, dass eine solche Vermögensauskunft bereits vorliege, habe sie mit der Auftragsrücknahme den Verzicht auf die Übermittlung des Vermögensverzeichnisses erklärt. Ein Zwangsvollstreckungsauftrag liege grundsätzlich in der Dispositionsfreiheit des Gläubigers. Ein bereits erteilter Auftrag könne deshalb auch in jedem Stadium des Verfahrens wieder zurückgenommen werden. |
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| Mit Beschluss vom 14.07.2016 wies das Amtsgericht Tuttlingen - Vollstreckungsgericht - die Erinnerung der Gläubigerin zurück. Der angegriffene Gebührensatz Nr. 261 KV-GvKostG sei zu Recht erhoben worden, weil nach § 802d Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO der Gerichtsvollzieher in dem Fall, in dem der Schuldner innerhalb der zweijährigen Sperrfrist eine Vermögensauskunft erteilt habe, zwingend einen Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses an den Gläubiger zu übermitteln habe. Ein entsprechender Verzicht sei daher unbeachtlich. Gleichzeitig ließ das Amtsgericht Tuttlingen - Vollstreckungsgericht - die Beschwerde nach § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG zu. |
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| Mit Schreiben vom 01.08.2016 hat die Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tuttlingen - Vollstreckungsgericht - vom 14.07.2016 Beschwerde eingelegt, mit der sie unter Bezugnahme unter anderem auf Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm (Beschl. v. 10.02.2015 - 25 W 306/14) und des Oberlandesgerichts Schleswig (OLG Schleswig, Beschl. v. 12.02.2015 - 9 W 143/14) ihre im Erinnerungsverfahren dargelegte Rechtsauffassung aufrecht erhält. Nachdem das Amtsgericht Tuttlingen - Vollstreckungsgericht - der Beschwerde nicht abgeholfen hat, hat es mit Beschluss vom 19.08.2016 die Akten dem Landgericht Rottweil zur Beschwerdeentscheidung vorgelegt. |
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| Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Rottweil hat zu der Beschwerde der Gläubigerin Stellung genommen. In ihrer Stellungnahme vom 06.10.2016 hat sie unter anderem ausgeführt, dass der Gesetzgeber in der Regelung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO zum Ausdruck gebracht habe, dass die Übersendung des Vermögensverzeichnisses eine unmittelbare, unbedingte Folge einer entsprechenden Feststellung des Gerichtsvollziehers sei und nicht der Dispositionsmaxime des Gläubigers unterliege. Ließe man einen Verzicht des Gläubigers auf die Übersendung des abgegebenen Vermögensverzeichnisses zu, könne auch die Folgeeintragung in das Schuldnerverzeichnis nach § 882c Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht vorgenommen werden, wodurch das Verzeichnis seine Warnfunktion hinsichtlich der Kreditwürdigkeit der eingetragenen Schuldner nicht erfülle. Weiter hat die Bezirksrevisorin auf einen aktuellen Gesetzentwurf hingewiesen, der eine Ergänzung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO dahingehend vorsehe, dass ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung unbeachtlich sei. |
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| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen. |
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| 1. Die gemäß §§ 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG, 66 Abs. 2 GKG statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. |
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| Das Amtsgericht Tuttlingen - Vollstreckungsgericht - hat die Erinnerung der Gläubigerin zu Unrecht zurückgewiesen. Der Kostenansatz des Gerichtsvollziehers für die Übermittlung des Vermögensverzeichnisses und für die Auslagenpauschale ist aufzuheben. Zwar lagen die Voraussetzungen für die Erhebung der Gebühr nach Nr. 261 KV-GvKostG und Nr. 716 KV-GvKostG vor. Jedoch beruhte der Kostenansatz nach § 7 Abs. 1 GvKostG auf einer unrichtigen Sachbehandlung, weswegen von einer Erhebung der Kosten abzusehen war. Eine unrichtige Sachbehandlung erfordert einen schweren, das heißt offensichtlichen und eindeutigen Fehler, der sich sowohl auf das sachliche Recht als auch auf das Verfahrensrecht beziehen kann. Ein Verschulden ist nicht erforderlich (Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl. 2016, § 7 GvKostG Rn. 3). So liegt der Fall hier. |
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| a) Zunächst bleibt festzuhalten, dass der von dem Gerichtsvollzieher eingenommene Rechtsstandpunkt, nämlich dass die Übersendung des bereits für einen anderen Gläubiger abgegebenen Vermögensverzeichnisses nach § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht der Dispositionsfreiheit des Gläubigers unterliegt, nicht mit dem geltenden Verfahrensrecht in Einklang zu bringen ist. |
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| In Übereinstimmung mit den von der Gläubigerin zitierten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamm und Schleswig-Holstein (OLG Hamm, Beschl. v. 10.02.2015 - 25 W 306/14, juris Rn. 20-31, OLG Schleswig, Beschl. v. 12.02.2015 - 9 W 143/14, juris Rn. 17-27) ist die Kammer der Auffassung, dass ein Gläubiger - wie im vorliegenden Fall - seinen Vollstreckungsauftrag nach den §§ 802c, 802 d ZPO wirksam beschränken und auf die Zusendung eines Vermögensverzeichnisses verzichten kann. Dies folgt aus der Dispositionsmaxime der Parteien, welche - entgegen anderslautender Auffassung - nicht durch § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO eingeschränkt wird. Zur näheren Begründung kann auf die Beschlüsse der Oberlandesgerichte Hamm und Schleswig-Holstein verwiesen werden. |
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| Die Stellungnahme der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Rottweil führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Bezirksrevisorin die Dispositionsfreiheit des Gläubigers im Hinblick auf den Zweck des Schuldnerverzeichnisses als Auskunftsverzeichnis der Kreditunwürdigkeit einer Person einschränken will, folgt die Kammer dem nicht. Folge der hier vertretenen Auffassung ist zwar, dass es in Fällen wie dem vorliegenden, in dem der Gläubiger durch eine Antragsbeschränkung auf die Versendung des Vermögensverzeichnisses verzichtet und diese sodann zu unterbleiben hat, auch nicht zu einer (weiteren) Eintragung in das Schuldnerverzeichnis kommt. Damit ist eine Beeinträchtigung des Informationsinteresses der Allgemeinheit sowie die mit dem Schuldnerverzeichnis bezweckte Warnfunktion bezüglich der Kreditwürdigkeit von Schuldnern verbunden, weil das Gesetz die Eintragung nach § 882c Abs. 1 Nr. 3 ZPO von der Zuleitung und nicht dem Gläubigerantrag abhängig macht. Eine analoge Anwendung des § 882c Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO für den Fall des Verzichts auf die Übersendung dürfte an dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und dem Fehlen einer Regelungslücke scheitern. Die Gegenansicht würde daher zu einer weitergehenden Erfassung der Gesamtzahl der Gläubiger eines Schuldners führen. Die lückenlose Erfassung der Gesamtzahl der Gläubiger ist indes nicht vordringlicher Gesetzeszweck, wie sich aus den Regelungen in den §§ 882c Abs. 1 Nr. 3, 882d und 882e Abs. 3 ZPO ergibt. Hiernach ist die Löschung einzelner Eintragungen möglich, wenn einzelne Vollstreckungsforderungen erfüllt werden oder diesbezüglich die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorliegen oder wegfallen. Im Übrigen unterbleibt die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis, wenn der Gläubiger überhaupt keinen Vollstreckungsantrag stellt. Damit ist jede Eintragung von dem Willen des einzelnen Gläubigers abhängig, Lückenlosigkeit danach schon im Ansatz nicht erreichbar (OLG Hamm, Beschl. v. 10.02.2015 - 25 W 306/14, juris Rn. 27). Ebenso unbehelflich ist der Verweis auf die vom Gesetzgeber geplante Änderung des § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO. Da Gesetzentwürfe nicht geeignet sind, ein bestehendes Gesetz rückwirkend zu interpretieren (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.08.2016 - 11 W 70/16, juris Rn. 26), greift das von der Bezirksrevisorin bemühte gesetzeshistorische Argument von vornherein nicht Platz. |
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| b) Als unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 7 Abs. 1 GvKostG ist sonach anzusehen, dass der Gerichtsvollzieher nicht die zutreffende Konsequenz aus seiner Rechtsauffassung gezogen hat, das heißt, den aus seiner Sicht auf eine rechtlich unzulässige Verfahrensweise gerichteten Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin nicht abgelehnt und ihr die Möglichkeit eröffnet hat, im Wege der Vollstreckungserinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO die Zulässigkeit der einzelnen Inhalte des Zwangsvollstreckungsauftrages vom Vollstreckungsgericht klären zu lassen. Die Kammer folgt insoweit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25.08.2016 (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 25.08.2016 - 11 W 70/16, juris Rn. 28 f.). |
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| Angesichts des dem Gerichtsvollzieher aus Parallelverfahren bekannten Meinungsspektrums hinsichtlich der Frage, ob ein Gläubiger seinen Vollstreckungsauftrag nach den §§ 802c, 802d ZPO wirksam beschränken und auf die Zusendung eines Vermögensverzeichnisses verzichten kann, erscheint es nach Auffassung der Kammer nicht mehr vertretbar, diese grundlegende Frage erst im Verfahren über die Erinnerung gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers entscheiden zu lassen. Dies gilt erst recht mit Blick darauf, dass der auf dieses Verfahren verwiesene Gläubiger ansonsten immer die Gebühr nach Nr. 261 KV-GvKostG zu tragen hätte, weil die Übermittlung des Vermögensverzeichnisses selbst nicht als unrichtige Sachbehandlung i.S.v. § 7 Abs. 1 GvKostG angesehen werden kann (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.09.2014 - 10 W 130/14, juris Rn. 5). |
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| Der hier vertretenen Auffassung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Gerichtsvollzieher annehmen durfte, dass der Gläubigerin die schnelle Erledigung wichtiger als die Klärung der Reichweite ihrer Dispositionsbefugnis im Zusammenhang mit § 802d Abs. 1 Satz 2 ZPO gewesen wäre. Denn mit der Zitierung diverser, für ihren Rechtsstandpunkt streitender Gerichtsentscheidungen in ihrem Vollstreckungsauftrag vom 11.03.2016 hat die Gläubigerin unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie die Rechtsfrage vor einem kostenträchtigen Tätigwerden des Gerichtsvollziehers geklärt wissen wollte. |
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| 2. Eine Entscheidung über die Kosten und die Festsetzung des Beschwerdewerts erübrigt sich (§§ 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG, 66 Abs. 8 GKG). |
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| 3. Gegen diesen Beschluss wird gemäß §§ 5 Abs. 2 Satz 2 GvKostG, 66 Abs. 4 Satz 1 GKG die weitere Beschwerde zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. |
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