1. Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Oberndorf am Neckar vom 28.11.2016, Az. 3 M 1769/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Beschwerdewert wird auf bis zu 1.000,00 EUR festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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| Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge und Nebenkosten. Mit Vollstreckungsersuchen vom 01.10.2016 beantragte die Gläubigerin zunächst die gütliche Erledigung gemäß § 802b ZPO und - für den Fall, dass eine gütliche Erledigung nicht möglich sein sollte - die Bestimmung eines Termins zur Abnahme der Vermögensauskunft gemäß § 802f Abs. 1 ZPO sowie die Übersendung einer Abschrift des Vermögensverzeichnisses gemäß § 802f Abs. 6 ZPO. Mit Schreiben vom 11.10.2016 forderte die Obergerichtsvollzieherin bei dem Amtsgericht Oberndorf den Schuldner unter Fristsetzung zur Zahlung eines Betrages von 715,56 EUR auf und wies darauf hin, dass der Schuldner mit weiteren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu rechnen habe, falls keine Zahlung bzw. Ratenzahlungs- oder Stundungsvereinbarung erfolge. Hiergegen legte der Schuldner mit Schreiben vom 16.10.2016 unbenannten Rechtsbehelf ein. Zur Begründung führt er an, dass die Obergerichtsvollzieherin aufgrund des Vollstreckungsersuchens nicht in der Lage sei, die Vollstreckungsvoraussetzungen pflichtgemäß zu prüfen, weil darin die gesetzlich notwendigen Angaben zur Vollstreckungsbehörde, zum Festsetzungsbescheid, zur Zustellung des Festsetzungsbescheides, zur Fälligkeit der beizutreibenden Forderung und zur Mahnung fehlen würden. Im Übrigen werde die (förmliche) Zustellung des Festsetzungsbescheides bestritten. Das Amtsgericht Oberndorf - Vollstreckungsgericht - legte das Schreiben des Schuldners vom 16.10.2016 als Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO aus und wies diese mit Beschluss vom 28.11.2016 zurück. Gegen diesen ihm am 02.12.2016 zugestellten Beschluss hat der Schuldner mit am 14.12.2016 bei Gericht eingegangen Schreiben vom 09.12.2016 den Rechtsbehelf der „Beschwerde […] wegen der Verletzung [der Rechte] aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 103 Abs. 1 GG“ sowie „grundgesetzliches Rechtsmittel gemäß Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 17 GG“ eingelegt, mit denen er sich gegen die Auslegung seines ursprünglichen Rechtsbehelfs als Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO wendet, weil seiner Meinung nach die ordentlichen Gerichte für die Zwangsvollstreckung einer öffentlich-rechtlichen Forderung nicht zuständig seien. |
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| 1. Der Rechtsbehelf vom 09.12.2016 ist zugunsten des Schuldners als sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793 ZPO auszulegen, weil etwaige verwaltungsgerichtliche oder verfassungsgerichtliche Rechtsbehelfe ersichtlich nicht statthaft wären. Gemäß § 793 ZPO findet die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen statt, die - wie im vorliegenden Fall - im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne mündliche Verhandlung ergehen können. In seinem Beschluss vom 28.11.2016 hat das Amtsgericht deutlich gemacht, dass es als Vollstreckungsgericht tätig werde, indem es über eine Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO entscheide. Ob dies sachlich richtig war, kann dahinstehen. Denn für die Art des eingelegten Rechtsbehelfs kommt es formal nur darauf an, in welcher Funktion das Amtsgericht entschieden hat, nicht in welcher es hätte entscheiden müssen (BGH, Beschl. v. 06.02.1992 - BLw 18/91, juris Rn. 2). |
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| 2. Das Landgericht Rottweil ist zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufen. Die Rüge der Unzulässigkeit des Zivilrechtsweges erstmals im Beschwerdeverfahren hat gemäß § 17a Abs. 5 GVG keinen Erfolg. Danach prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Über die Zulässigkeit des Rechtsweges wird allein in erster Instanz entschieden, nämlich entweder im Vorabverfahren gemäß § 17a Abs. 2 und 3 GVG oder bei Bejahung in der Entscheidung in der Hauptsache. Demgemäß darf das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Diese Beschränkung gilt für alle Rechtsmittelverfahren, also sowohl für das Berufungs- und Revisionsverfahren als auch für das eine Sachentscheidung betreffende Beschwerdeverfahren (Lückemann, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 17a GVG Rn. 18) und zwar auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - weder die Beteiligten noch das Gericht die Problematik des eingeschlagenen Rechtsweges erkannt und erörtert haben und dessen Zulässigkeit daher stillschweigend erst mit der erstinstanzlichen Sachentscheidung bejaht wurde (BGH Beschl. v. 18.09.2008 - V ZB 40/08, juris Rn. 13). |
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| 3. In der Sache ist die zulässige sofortige Beschwerde nicht begründet. Die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen allesamt vor. |
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| a) Die Zwangsvollstreckung richtet sich nach dem baden-württembergischen LVwVG (Verwaltungsvollstreckungsgesetz für Baden-Württemberg vom 12. März 1974), das gemäß § 1 Abs. 1 LVwVG auch für diejenigen öffentlichen Stellen Anwendung findet, die - wie die Gläubigerin gemäß §§ 1 Abs. 1, 35, 37 SWRStVtrG BW (Gesetz zu dem Staatsvertrag über den Südwestrundfunk und zur Änderung medienrechtlicher und datenschutzrechtlicher Vorschriften vom 3. Dezember 2013) - unter Aufsicht des Landes stehen. Dementsprechend sieht § 10 Abs. 6 RdFunkBeitrStVtr (Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vom 17. Dezember 2010) vor, dass Bescheide über die Festsetzung von Rundfunkbeiträgen im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt werden. Grundlage der Zwangsvollstreckung ist danach ein schriftliches Vollstreckungsersuchen gemäß § 15a Abs. 4 LVwVG, welches gemäß § 15a Abs. 3 Satz 2 LVwVG an die Stelle der vollstreckbaren Ausfertigung des Schuldtitels tritt. |
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| b) Das Vollstreckungsersuchen vom 01.10.2016 genügt den Anforderungen des § 15a Abs. 4 LVwVG. Die Kammer schließt sich insoweit der Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim vom 13.10.2016 (7 M 45/16, juris Rn. 9-13) ausdrücklich an. |
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| aa) Aus Seite 1 des Vollstreckungsersuchens ergibt sich eindeutig die Bezeichnung der vollstreckenden Behörde (§ 15a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 LVwVG), nämlich des Südwestrundfunks als Anstalt des öffentlichen Rechts. Der ARD ZDF Deutschland-radio Beitragsservice in Köln ist lediglich als Postanschrift („c/o“ = care of) genannt. Unklarheiten hinsichtlich der Identität der Vollstreckungsbehörde ergeben sich daraus nicht. Dass das Vollstreckungsersuchen nicht unterzeichnet ist, ist unerheblich, weil bei einem Vollstreckungsersuchen, das wie hier mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt worden ist, Dienstsiegel und Unterschrift fehlen können (§ 15a Abs. 4 Satz 2 LVwVG). |
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| bb) Aus Seite 3 des Vollstreckungsersuchens ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit der zu vollstreckende Verwaltungsakt, die erlassende Behörde sowie das Datum und das Aktenzeichen des Verwaltungsaktes (§ 15 a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LVwVG). Im Vollstreckungsersuchen wird darauf hingewiesen, dass die im Einzelnen genannten Beitragsbescheide unter der genannten Beitragsnummer übersandt worden sind. Damit ist das Aktenzeichen des Vorgangs ausreichend genau genannt. Da es um ein Vollstreckungsersuchen des Südwestrundfunks wegen Rundfunkbeiträgen geht, wird aus dem Gesamtzusammenhang auch hinreichend deutlich, dass es sich bei den Festsetzungsbescheiden, auf denen das Vollstreckungsersuchen beruht, um Beitragsbescheide des Südwestrundfunks handelt (vgl. hierzu eingehend BGH, Beschl. v. 11.06.2015 - I ZB 64/14, juris Rn. 48-54; BGH, Beschl. v. 08.10.2015 - VII ZB 11/15, juris Rn. 19-22). |
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| cc) Die Höhe der zu vollstreckenden Geldforderung wird auf Seite 1 und 3 des Vollstreckungsersuchens mit „691,56 EUR“ eindeutig bezeichnet (§ 15a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 LVwVG). |
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| dd) Auch die Voraussetzungen des § 15a Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 LVwVG sind erfüllt, weil mit der Formulierung, die Gebühren-/Beitragsbescheide seien „unanfechtbar geworden bzw. hat ein Rechtsbehelf nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO keine aufschiebende Wirkung“ hinreichend klar wird, dass unbeschadet der Frage der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes jedenfalls die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs entfällt. Eine differenzierte Darlegung, warum dies der Fall ist, ist nicht erforderlich (BGH, Beschl. v. 08.10.2015 - VII ZB 11/15, juris 25). |
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| ee) Die Person, gegen die sich die Vollstreckung richten soll, ist auf Seite 1 des Vollstreckungsersuchens ebenfalls zweifelsfrei bezeichnet (§ 15a Abs. 4 Nr. 5 LVwVG). |
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| ff) Schließlich finden sich auf Seite 3 des Vollstreckungsersuchens alle notwendigen Angaben, wann der Schuldner gemahnt worden ist (§ 15a Abs. 4 Nr. 6 LVwVG). Eines Zustellungsnachweises bedarf es insoweit nicht. |
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| c) Ohne Erfolg wendet der Schuldner gegen die Zwangsvollstreckung ein, dass ihm zuvor kein Festsetzungsbescheid förmlich zugestellt worden sei. Hierauf kommt es im Beschwerdeverfahren nicht entscheidungserheblich an. Das Amtsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - im Erinnerungsverfahren gemäß § 766 ZPO lediglich geprüft, ob die einschlägigen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen. Grundlage der beantragten Zwangsvollstreckungsmaßnahme ist nicht der Festsetzungsbescheid, dessen Wirksamkeit gegebenenfalls im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Vollstreckungsgegenklage gemäß § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 767 ZPO zu überprüfen wäre (vgl. LG Stuttgart, Beschl. v. 31.08.2016 - 10 T 348/16, juris Rn. 10 f.), sondern das Vollstreckungsersuchen. Soweit das Landgericht Tübingen in seiner Entscheidung vom 16.09.2016 (5 T 232/16, juris Rn. 18-25) demgegenüber die Auffassung vertritt, dass es an einer wirksamen Titelzustellung als Voraussetzung der Zwangsvollstreckung fehle, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Entscheidung lässt bereits im Ansatz die grundlegende Unterscheidung zwischen der Zustellung des Festsetzungsbescheides einerseits und der des Vollstreckungsersuchens andererseits vermissen. Gemäß 15a Abs. 3 Satz 1 LVwVG i.V.m. § 750 Abs. 1 ZPO setzt die Zwangsvollstreckung im Allgemeinen die Zustellung des Schuldtitels voraus. In dem besonderen Fall einer Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge ersetzt das Vollstreckungsersuchen den Schuldtitel. Über die Verweisung des § 16 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 LVwVG auf § 15a Abs. 4 Satz 1 LVwVG und von dort auf § 15a Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 LVwVG stellt das Gesetz ausdrücklich und unmissverständlich klar, dass es einer Zustellung dieses titelersetzenden Vollstreckungsersuchens nicht bedarf. Soweit das Landgericht Tübingen zur weiteren Begründung seiner Auffassung auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München vom 15.03.2016 (M 26 K 15.2682, juris Rn. 26) verweist, ist dies unbehelflich. Dieser Entscheidung liegt eine Vollstreckung nach den Regeln des bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetztes zugrunde (VwZVG). Anders als nach den hier anzuwendenden Regeln des baden-württembergischen LVwVG kann danach ein Verwaltungsakt, mit dem eine öffentlich-rechtliche Geldforderung gefordert wird, nur dann vollstreckt werden, wenn er dem Leistungspflichtigen zugestellt wird (Art. 23 Abs. 1 Nr. 1 BayVwZVG). Diese bayerische Landesvorschrift greift hier aber nicht Platz. |
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| 4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Mit Blick auf den Einwand des Schuldners, dass er keine Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO eingelegt habe, er folglich den Beschluss des Amtsgerichts vom 28.11.2016 nicht veranlasst habe, kommt eine Nichterhebung von Kosten gemäß § 21 Abs. 1 GKG nicht in Betracht. Zu Recht hat das Amtsgericht den unbenannten Rechtsbehelf des Schuldners vom 16.10.2016 als Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO ausgelegt, weil sich der Schuldner der Sache nach nicht gegen den der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Festsetzungsbescheid, sondern gegen die Zwangsvollstreckung als solche wendet. |
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| 5. Der Beschwerdewert ist gemäß § 3 ZPO auf bis zu 1.000,00 EUR festzusetzen. |
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| 6. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mit Blick auf die gegenteilige Entscheidung des Landgerichts Tübingen vom 16.09.2016 (5 T 232/16) zuzulassen. |
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