Urteil vom Landgericht Saarbrücken - 13 S 215/09
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 17.8. 2009 (3 C 162/09) abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger über die erstinstanzlich ausgeurteilten Beträge hinaus weitere 1.750,55 EUR sowie weitere vorgerichtliche Kosten von 130,04 EUR jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.10.2008 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
II.
a) Nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme und den Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung ist davon auszugehen, dass der Erstbeklagte aus verhältnismäßig langsamer Fahrt – nach seiner Einlassung war er mit maximal 10 – 15 km/h unterwegs – über die schraffierte Fläche hinweg auf die Fahrspur des Klägers eingefahren ist und diesen dadurch zu einer Ausweichreaktion gezwungen hat, in deren Verlauf der Kläger mit seinem Fahrzeug in die Leitplanke fuhr. Dies ergibt sich aus den eigenen, in jeder Hinsicht nachvollziehbaren Angaben des Erstbeklagten und den ebenfalls glaubwürdigen Angaben des Klägers, die sich teilweise und insbesondere in der Beurteilung der Örtlichkeit des Fahrspurwechsels decken. Die Zeugin ..., die allerdings zu dem Verhalten des Erstbeklagten beim Fahrspurwechsel nur wenig Ergiebiges auszusagen vermochte, konnte zudem bestätigen, dass dem Fahrspurwechsel eine deutliche Geschwindigkeitsreduzierung des Beklagtenfahrzeuges vorausging.
b) Zum einen hat der Erstbeklagte damit verbotswidrig eine Sperrfläche i.S.d. § 41 StVO (Zeichen 298, vgl. auch die Nachweise bei Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl., § 2 StVO Rdn. 98) überfahren. Zugleich liegt hierin ein Verstoß gegen das Gebot des § 7 Abs. 5 StVO, wonach ein Fahrstreifenwechsel nur erfolgen darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
c) Dass dieser Fahrstreifenwechsel eine Gefährdung für das klägerische Fahrzeug darstellte und zugleich für dessen anschließende Kollision mit der Leitplanke ursächlich war, ergibt sich vorliegend aus den Grundsätzen zum Anscheinsbeweis.
aa) Steht zur richterlichen Überzeugung ein Sachverhalt fest, der nach den Regeln des Lebens und nach der Erfahrung vom Üblichen und Gewöhnlichen typisch für einen bestimmten Geschehensablauf – etwa für die bestimmte Wirkung einer bestimmten Ursache – ist, so vermittelt diese Typizität die richterliche Überzeugung auch im zu entscheidenden Einzelfall (vgl. BGH VersR 1997, 205; Geigel/Knerr, Haftpflichtprozess, 24. Aufl., Kap. 37 Rdn. 43). Wird gegen eine Schutzvorschrift verstoßen, die auf bestimmten Erfahrungen über die Gefährlichkeit einer Handlungsweise beruht – hier die Schutzvorschriften der §§ 41 und 7 Abs. 5 StVO -, so kann bei einem Schadenseintritt nach erstem Anschein darauf geschlossen werden, dass sich die von ihr bekämpfte Gefahr verwirklicht hat, sofern sich der Schadensfall in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit dem vorschriftswidrigen Verhalten ereignet hat (Geigel/Knerr aaO Kap 37 Rdn. 47; Geigel/Freymann aaO Kap. 15 Rdn. 12, jew. m.w.N.).
bb) Jedenfalls wenn es in einem engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Fahrstreifenwechsel eines Fahrzeuges zu einer Kollision mit einem auf der anderen Fahrspur befindlichen Fahrzeug kommt, wird regelmäßig von einem Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Verstoß des den Fahrstreifen wechselnden Fahrzeugführers ausgegangen (vgl. die Nachweise Jagow/Burmann/Heß aaO § 7 StVO Rdn. 25). Vorliegend hat der Kläger einen Zusammenstoß vermieden. Gleichwohl kann nach den Feststellungen der Kammer zum Sachverhalt hier nichts anderes gelten, als wenn es zu einem Zusammenstoß gekommen wäre. Dass die Ausweichbewegung des Klägers in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem unerlaubten Fahrspurwechsel erfolgt, ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht zweifelhaft. Denn auch dann, wenn man den Angaben des Erstbeklagten folgt und davon ausgeht, dass sich das Klägerfahrzeug im Zeitpunkt des Fahrspurwechsels noch einige Meter hinter dem Beklagtenfahrzeug befand, wäre der Kläger aufgrund der Geschwindigkeitsdifferenz – er fuhr nach seinen Angaben 30 km/h – durch den Fahrstreifenwechsel und das damit entstehende plötzliche Hindernis gefährdet worden, so dass der räumliche und zeitliche Zusammenhang hier zu bejahen ist. Dass diese Gefährdung für die Ausweichbewegung auch ursächlich gewesen ist, liegt dann auf der Hand, zumal Hinweise auf eine Überreaktion oder einen anderen Fahrfehler des Klägers nicht ansatzweise erkennbar sind.
d) Mit Blick darauf, dass im Rahmen der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile auf Seiten des Klägers lediglich die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges zu berücksichtigen war, erscheint es gerechtfertigt, diese hinter den mit Blick auf die besondere Gefährlichkeit des zudem noch unerlaubten Fahrspurwechsels besonders gewichtigen Verkehrsverstoß des Erstbeklagten zurücktreten zu lassen mit der Folge, dass die Beklagten für die der Höhe nach nicht mehr streitigen Unfallschäden des Klägers alleine haften (vgl. auch Jagow/Burmann/Heß aaO § 7 StVO Rdn. 25 m.w.N.).
III.
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Referenzen
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