Urteil vom Landgericht Siegen - 6 O 120/12
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Tatbestand:
2Der Geschäftsführer der Klägerin ist an etwa 200 Gesellschaften beteiligt, die Physiotherapie-Zentren betreiben. Die Klägerin wurde im Jahre 2001 unter der Firma T GmbH gegründet. Der Gegenstand des Unternehmens bestand in der Erbringung von krankengymnastischen, physikal-therapeutischen und stationären Behandlungsleistungen sowie Beratungsleistungen. Im Jahre 2008 wurden die Firma in B GmbH und der Unternehmensgegenstand geändert, indem die Klägerin unter anderem die Abrechnung von medizinischen Behandlungsleistungen gegenüber gesetzlichen Krankenkassen und Privatversicherungen übernehmen sollte. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das Software entwickelt und vertreibt. Unter anderem vertreibt sie unter der Bezeichnung „S…“ eine Software, die sie als Komplettlösung für Sanitätshäuser, Reha-, Orthopädie-, Orthopädieschuhtechnik- und medizintechnische Betriebe bewirbt, und unter der Bezeichnung „V…“ eine Finanzbuchhaltungssoftware.
3Im Juni 2008 ließ sich der Geschäftsführer der Klägerin von der Beklagten das Programm „S…“ demonstrieren. Im Anschluss an diese Demonstration unterbreitete die Beklagte der Klägerin unter dem 04.07.2008 ein Angebot über die Lieferung dieser Standartsoftware, die nach dem Angebot eine Stammdatenverwaltung, eine Auftragserfassung/Vorgangserfassung, eine Erfassung von Rezepten/Verordnungen oder Privataufträgen, eine automatische Erstellung von Zuzahlungsrechnungen, eine offene Postenverwaltung inklusive Mahnwesen, eine Fakturierung/Rezeptabrechnung, einen zertifizierten Datenträgeraustausch nach § 302 SGB V sowie Auswertungen ermöglichen sollte. Nach dem Angebot waren 3 Anpassungen der Software angedacht, und zwar unter anderem für die Abwicklung von Rechnungskürzungen durch den Kostenträger und für die Erstellung von verschiedenen Auswertungen. Für die Einzelheiten wird auf das Angebot vom 04.07.2008 Bezug genommen. Anfang 2009 erteilte die Klägerin der Beklagten einen Auftrag für die Lieferung von Soft- und Hardware. Dieser Auftrag wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 23.02.2009 bestätigt, wobei der Zugang der Auftragsbestätigung streitig ist. Nach der Auftragsbestätigung sollte die Beklagte eine Basisversion der Software „S…“ liefern, die entsprechend dem Angebot vom 04.07.2008 unter anderem für die Abwicklung von Rechnungskürzungen und für die Erstellung von Auswertungen auf die Bedürfnisse der Klägerin angepasst werden sollte. Zusätzlich sollte sie das Finanzbuchführungsprogramm „V…“ mit einer DATEV–Schnittstelle, einen Server, 5 Standard-PC, 5 Monitore und 130 Kartenlesegeräte liefern, die Hard- und Software installieren, Schulungen für die Mitarbeiter für das neue Programm durchführen sowie in der Folgezeit die Software pflegen. Für die Einzelheiten wird auf die Auftragsbestätigung vom 23.02.2009 Bezug genommen.
4Nach der Auftragsbestätigung installierte die Beklagte die Hard- und Software, die anschließend vor der zum 01.07.2009 vorgesehenen Inbetriebnahme von den Mitarbeitern der Klägerin getestet wurde. Am 07. und 27.05.2009 führte die Beklagte Mitarbeiterschulungen für die Software durch. Mit einem Schreiben vom 16.06.2009 führte die Klägerin insgesamt 13 Punkte auf, in denen das Abrechnungssystem nach ihrer Auffassung mangelhaft war. Gleichzeitig setzte sie eine Frist zur Beseitigung bis zum 19.06.2009. Ab dem 01.07.2009 übernahm die Klägerin die Abrechnung für die angeschlossenen Therapiezentren. Hierbei kam es zu etlichen Problemen und Mängelrügen der Klägerin. Dabei ist streitig, inwieweit die Probleme durch das Fehlen von vereinbarten Funktionen des Programms und sonstige Mängel oder durch Fehlbedienungen von Seiten des Personals der Klägerin verursacht wurden. Nachdem die Klägerin bereits am 23.12.2009 den Internetzugang für Wartungsarbeiten der Beklagten gesperrt hatte, kündigte sie mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 28.12.2009 die entsprechenden Verträge mit der Ankündigung, mit einem separaten Schreiben einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen.
5Diesen Schadensersatzanspruch macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend. Dabei stützt sie die Klage in erster Linie auf Zahlungen an die Beklagte in Höhe von 67.129,87 € und Kosten für angemietete Geschäftsräume für die Zeit ab dem 01.01.2010 in Höhe von 36.750,00 €. Hilfsweise macht sie weitere Schadenspositionen in Höhe von 398.775,82 € - unter anderem einen entgangenen Gewinn in der Zeit von Dezember 2009 bis Juni 2010 in Höhe von 207.986,00 € - geltend.
6Die Klägerin behauptet: Die von der Beklagten gelieferten Programme hätten etliche Mängel aufgewiesen. Diese habe die Beklagte bis zur Kündigung nicht beseitigt. Durch Änderungen der Programme seien vielmehr noch neue Mängel entstanden. Sie habe deshalb im Betrieb des Abrechnungszentrums Ende des Jahres 2009 eingestellt. Ihr Schaden belaufe sich auf insgesamt 502.655,69 €. Sie habe die für das Abrechnungszentrum abgeschlossenen Verträge erst zu späteren Zeitpunkten beenden können. Eine Beendigung des Mietverhältnisses sei erst zum 31.03.2011 möglich gewesen. In der Zeit von Juli bis November 2009 habe sie einen durchschnittlichen monatlichen Gewinn von 25.700,00 € erzielt. Im Dezember 2009 sei bereits ein Verlust in Höhe von 28.086,00 € eingetreten. Für die Zeit bis einschließlich Juni 2010 ergebe sich danach ein entgangener Gewinn in Höhe von 207.986,00 €.
7Die Klägerin beantragt,
8die Beklagte zu verurteilen, an sie 103.879,87 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 23.10.2012 zu zahlen.
9Die Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Sie behauptet: Die Klägerin habe nachträglich Änderungen des Programms gewünscht, die bei Abschluss des Vertrags nicht vereinbart gewesen sein. Die Probleme seien im Wesentlichen auf Bedienungsfehler zurückzuführen gewesen. Die Beklagte erhebt im Übrigen die Einrede der Verjährung.
12Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
13Entscheidungsgründe:
14Die Klage ist nicht begründet.
15A.
16Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen durchsetzbaren Anspruch auf Schadensersatz aus den §§ 437, 280, 281 BGB oder aus den §§ 634, 280, 281 BGB. Dabei kann offen bleiben, ob ein Schadensersatzanspruch besteht. Jedenfalls steht der Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs gemäß § 214 BGB die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
17I.
18Ob der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag über die Lieferung von Soft- und Hardware als Kaufvertrag im Sinne des § 431 BGB, als Werklieferungsvertrag im Sinne des § 651 BGB oder als Werkvertrag im Sinne des § 631BGB einzuordnen ist, bedarf keiner Entscheidung. In jedem Falle beläuft sich die Verjährungsfrist auf 2 Jahre. Soweit es sich um einen Kaufvertrag oder um einen Werklieferungsvertrag handeln sollte, ergibt sich dies aus § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Sollte es sich bei dem Vertrag um einen Werkvertrag im Sinne des § 631 BGB handeln, ergibt sich dies aus § 634a Abs. Nr. 1 BGB. Auch soweit es um die Herstellung von Software geht, beläuft sich die Verjährungsfrist entgegen der von der Klägerin in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 08.07.2013 vertretenen Auffassung nicht gemäß den §§ 634 a Abs. 1 Nr. 3, 195 BGB auf drei Jahre, sondern gemäß § 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB auf zwei Jahre.
191.
20Der Ansatzpunkt der Klägerin, Software sei keine Sache im Sinne des § 90 BGB, ist nicht zutreffend. Vielmehr geht die Rechtsprechung seit langem davon aus, dass sowohl eine Standardsoftware als auch eine Software, die den speziellen Wünschen des Käufers/Bestellers angepasst und diesem in kauf-oder werkvertraglichen Formen endgültig überlassen wird, als Sachen im Sinne des § 90 BGB anzusehen sind, weil es sich um auf einem Datenträger verkörperte Programme und damit um körperliche Sachen handelt (BGH NJW 88, 406; BGB NJW 90, 320; BGH NJW 93, 2436). Auch in dem Fall, dass der Anbieter auf seinem Server Software bereit hält und dem Kunden gestattet, diese Software über das Internet oder andere elektronische Netze zu nutzen, geht die Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei der Software um eine Sache im Sinne des § 90 BGB handelt (BGH NJW 07, 2394). Sollte es sich deshalb bei dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag um einen Werkvertrag handeln, hatte die Beklagte für die Klägerin ein Werk zu erstellen, dessen Erfolg in der Herstellung einer Sache bestand.
212
22Die dreijährige Verjährungsfrist gemäß den §§ 634 a Abs. 1 Nr. 3, 195 BGB soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 14/6040) für Werkverträge gelten, deren Gegenstand „ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg“ im Sinne des § 631 Abs. 2 2. Alt. BGB ist. Als Beispiele werden die Planungsleistungen von Architekten und Statikern oder die Risikoanalyse eines in Aussicht genommenen Projekts durch einen Unternehmensberater aufgeführt. Hierfür soll eine längere Verjährungsfrist entsprechend der Verjährung im Falle der mangelhaften Erfüllung eines Dienstvertrags gelten, weil es für den Besteller schwieriger ist, etwaige Mängel von unkörperlichen Arbeitsergebnissen festzustellen. Die längere Verjährungsfrist soll demgemäß nur in den Fällen eingreifen, in denen sich der Mangel nicht in dem Werk selbst offenbart, sondern erst in einem weiteren Schritt, den der Besteller auf der Basis des vom Unternehmer abgelieferten Werks durchführt. Ein derartiger Fall ist bei der Lieferung von Software nicht gegeben. Die Mängel sind vielmehr in der Software selbst verkörpert.
23II.
24Es bedarf keiner Klärung, wann konkret der Lauf der Verjährungsfrist mit der Ablieferung der Sache gemäß § 438 Abs. 2 BGB oder mit der Abnahme gemäß § 634 Abs.2 BGB begonnen hat. Es kann ferner davon ausgegangen werden, dass die Verjährung zunächst gemäß § 303 BGB gehemmt war, weil die Klägerin auf entsprechende Mängelanzeigen der Beklagten Arbeiten mit dem Ziel durchgeführt hat, die gerügten Mängel zu beseitigen. Diese Hemmung endete jedoch spätestens Ende Dezember 2009, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt die mit der Beklagten abgeschlossenen Wartungsverträge fristlos gekündigt und nach ihrer eigenen Darstellung die Nutzung der Software eingestellt hat. Damit war klar, dass der Beklagten von Seiten der Klägerin keine weitere Gelegenheit mehr eingeräumt werden sollte, die Betriebsfähigkeit der Software herbeizuführen. Die Verjährung endete damit spätestens Ende 2011. Die vorliegende, erst Ende September 2012 eingereichte Klage war deshalb nicht mehr geeignet, gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine erneute Hemmung der Verjährung herbeizuführen.
25B.
26Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO:
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Referenzen
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