Urteil vom Landgericht Siegen - 2 O 231/13
Tenor
Das am 11.07.2014 verkündete Versäumnisurteil bleibt mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass die Höhe der Verurteilung gemäß Ziffer 1 des Versäumnisurteils 10.418,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.08.2013 beträgt, und dass die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß Ziffer 4 des Versäumnisurteils 1.023,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.08.2013 betragen.
Die Kostenentscheidung aus dem Versäumnisurteil bleibt mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass der Kläger 10 % und die Beklagte 90 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen haben. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 10 % und die Beklagte zu 90 %.
Das Urteil ist für den Kläger vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleitung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf für den Kläger nur gegen entsprechende Sicherheitsleistung fortgesetzt werden. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 110 % des gegen ihn aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger macht gegenüber der Beklagten nach Widerruf eines Darlehensvertrages zur Teilfinanzierung der Beteiligung an einem Medienfonds wegen behauptet fehlerhafter Widerrufsbelehrungen Rückabwicklungsansprüche in Bezug auf das Darlehen und die Fondsbeteiligung geltend. Er zeichnete mit Zeichnungsschein vom 27.10.2005 eine Beteiligung an dem Medienfonds „MG mbH & Co. Verwaltungs KG“ in Höhe von 40.000,00 € zzgl. Agio in Höhe von 614,40 €. Der eigenfinanzierte Anteil betrug 20.480,00 € zzgl. des Agios, zur Fremdfinanzierung des weiteren Teilbetrags schloss der Kläger eine obligatorische Teilfremdfinanzierung in Form eines Darlehensvertrages mit der Beklagten in Höhe von 19.520,00 € ab, der bei einem effektiven Jahreszins von 3,87% eine Laufzeit von 10 Jahren bis zum 23.12.2015 aufwies. Das Darlehen sollte über die Dauer der Laufzeit durch „unfreie Ausschüttungen“ zurückgeführt werden, die von der Fondsgesellschaft an die Beklagte ausgekehrt werden sollten. Zudem erhielt der Kläger Ausschüttungen von insgesamt 10.675,97 €.
3Im Emmisionsprospekt waren hinsichtlich der Beteiligungen an der Fondsgesellschaft und dem Darlehensvertrag Widerrufsbelehrungen abgebildet. Auf den Inhalt des Zeichnungsscheins, insbesondere die Abschnitte „Fremdfinanzierte Einlage/Darlehen“, „Privatvermögen oder Betriebsvermögen“ (Anlage K1) und auf die im Emmisionsprospekt abgebildeten Widerrufsbelehrungen (Anlage K2, S. 145) wird Bezug genommen.
4Mit Schreiben vom 30.01.2013 erklärte der Kläger schriftlich gegenüber der Beklagten den Widerruf des geschlossenen Verbraucherdarlehensvertrages und begehrte die Rückabwicklung des ganzen Geschäfts. Mit weiterem Schreiben vom 02.04.2013 setzte der Kläger eine Frist bis 19.04.2013.
5Der Kläger meint, die Widerrufsbelehrung sei nicht ordnungsgemäß.
6Der Kläger hat beantragt,
7- 8
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.786,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- 9
2. festzustellen, dass der Beklagten gegen den Kläger keine Ansprüche aus der Anteilsfinanzierung an der Beteiligung an der “MG mbH & Co. Verwaltungs KG“ in Höhe von zurzeit 8.784,00 € zum Nennwert von 40.000,00 € zustehen,
- 10
3. die Verurteilung in den Ziffern 1 bis 2 erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte aus der Beteiligung “ MG mbH & Co. Verwaltungs KG“ im Nennwert von 40.000,00 €,
- 11
4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.023,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
- 12
5. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung in Annahmeverzug befindet,
- 13
6. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von wirtschaftlichen Schäden aus einer etwaigen Inanspruchnahme Dritter gemäß § 171 HGB und von einer etwaigen Zahlungspflicht gegenüber der “MG mbH & Co. Verwaltungs KG“ und deren Gesellschaftern nach den gesellschaftsrechtlichen Regelungen und § 174 Abs. 4 HGB freizustellen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.06.2014 hat der Kläger die vorstehenden Anträge gestellt, den Antrag zu 1) jedoch mit der Maßgabe, dass sich die Hauptforderung auf 11.002,50 € belaufe. Im Übrigen hat der Kläger den Klageantrag zu 1) zurückgenommen. Die Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.06.2015 keinen Antrag gestellt. Daraufhin hat die Kammer am 11.07.2014 das aus Bl. 1112-1113 d.A. ersichtliche Versäumnisurteil verkündet, das der Beklagten am 16.07.2014 zugestellt und gegen das sie am 24.07.2014 Einspruch eingelegt hat.
15Der Kläger beantragt,
16das Versäumnisurteil mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, dass die Beklagte gemäß Ziffer 1 des Versäumnisurteils verurteilt wird, an den Kläger 10.418,43 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
17Hinsichtlich der Ausschüttung vom 06.02.2015 in Höhe von 584,07 € erklären die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt.
18Im Übrigen beantragt die Beklagte,
19- 20
1. das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen,
- 21
2. hilfswiderklagend festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, sämtliche Steuervorteile, die er im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der MG mbH& Co. Verwaltungs KG (HL-Fonds Nr. 166) erzielt hat, an die Beklagte auszukehren, sobald und soweit über diese Steuervorteile bestandskräftige Steuerbescheide vorliegen und soweit ihm die Steuervorteile nach Abzug einer etwaigen Besteuerung von Beträgen, die im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits zugesprochen werden sollten, verbleiben.
Die Beklagte hält die Widerrufsbelehrungen für wirksam und den Widerruf für verwirkt. Zumindest, so die Beklagte, seien Steuervorteile anzurechnen. Zudem macht die Beklagte ein Zurückbehaltungsrecht mit der Begründung geltend, die Fondsanteile seien für eine Rückübertragung nicht hinlänglich bezeichnet.
23Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
24Entscheidungsgründe:
25Die Klage ist begründet. Die Widerklage ist unbegründet.
26Dem Kläger steht gemäß den §§ 357 Abs. 1, 346 Abs. 1, 358 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Rückzahlung der gegenüber der Beklagten bzw. der Anlagegesellschaft erbrachten Leistungen in erkannter Höhe Zug um Zug gegen Rückübertragung der Fondanteile zu. Der Kläger hat die streitgegenständlichen Verträge wirksam widerrufen, so dass die gegenseitig erbrachten Leistungen rückabzuwickeln sind. Steuervorteile muss sich der Kläger nicht anrechnen lassen.
27I.
28Der durch den Kläger erklärte Widerruf war wirksam. Auf das Schuldverhältnis, hier ein Verbraucherdarlehensvertrag gemäß § 495 Abs. 1 BGB, sind das BGB sowie die BGB-Informationspflichten-Verordnung in der bis zum 11.06.2010 geltenden Fassung entsprechend Art. 229 § 22 Abs. 2 EGBGB anzuwenden, da der Darlehensvertrag im Jahr 2005 geschlossen wurde. Als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB stand dem Kläger ein Widerrufsrecht nach §§ 495, 491 BGB a.F. innerhalb von 2 Wochen gemäß § 355 Abs. 1 BGB a.F. zu. Der Widerruf war auch nicht verfristet, da die Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 3 S. 3 BGB a.F. mangels wirksamer Belehrung über das ihm zustehende Widerrufsrecht noch nicht zu laufen begonnen hat.
29Die Widerrufsbelehrungen waren fehlerhaft.
30Eine Widerrufsbelehrung muss umfassend, unmissverständlich und für den Verbraucher eindeutig sein. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses auszuüben. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf auch die nachträgliche Widerrufsbelehrung keine zusätzlichen Erklärungen enthalten, die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für die Wirksamkeit der Belehrung von Bedeutung sind und deshalb von ihr ablenken oder den Verbraucher verwirren können (BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – AZ: XI ZR 148/10).
31Vorliegend ist die Widerrufsbelehrung bereits nach ständiger Rechtsprechung des BGH wegen der Wendung „die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung“ fehlerhaft, weil sie unzureichend und irreführend ist. Die Verwendung des Wortes "frühestens" ermöglicht es dem Verbraucher nicht, den Fristbeginn ohne Weiteres zu erkennen. Er vermag ihr lediglich zu entnehmen, dass die Widerrufsfrist "jetzt oder später" beginnt. Der Verbraucher wird darüber im Unklaren gelassen, von welchen weiteren Voraussetzungen der Beginn des Fristlaufs abhängt (vgl. u.a. BGH Urteil vom 28.06.2011 - AZ: XI ZR 349/10).
32II.
33Der Beklagten kommt kein Vertrauensschutz zugute. Sie durfte sich nicht darauf verlassen, dass die Belehrung wegen Verwendung des Textmusters gemäß § 14 BGB-InfoV den Anforderungen des §§ 355 Abs. 2 BGB a.F genügte.
34Ein Unternehmer kann sich auf die Schutzwirkung des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV von vornherein nur dann berufen, wenn er gegenüber dem Verbraucher ein Formular verwendet hat, das dem Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV in der jeweils maßgeblichen Fassung sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Wenn der Unternehmer selbst in den Mustertext eingreift, kann er sich nicht auf die Schutzwirkung der Musterbelehrung berufen, unabhängig vom konkreten Umfang (vgl. u.a. BGH, Urteil v. 28.06.2011 – AZ: XI ZR 349/10; OLG Stuttgart, Urteil vom 29. Dezember 2011 – AZ: 6 U 79).
35Vorliegend wurden jedoch einige Änderungen seitens der Beklagten im Mustertext vorgenommen:
36In der Überschrift der Widerrufsbelehrung heißt es: „Widerrufsbelehrung Nr. 2 zum Darlehensvertrag mit der Helaba Dublin Landesbank Hessen-Thüringen International..." in Abweichung zu dem Mustertext, wo es lediglich heißt: „Widerrufsbelehrung“. In Abweichung zum Mustertext, wonach der Empfänger des Widerrufs mit „Name/ Firma und ladungsfähiger Anschrift des Widerrufsadressaten“ anzugeben ist, wird zudem der Widerrufende nicht an den Widerrufsadressaten verwiesen, sondern es heißt: „ Der Widerruf ist zu richten an: B GmbH Finanzanlagen und Beteiligungen…Die B GmbH Finanzanlagen und Beteiligungen handelt als Empfangsvertreter für die Helaba Dublin Landesbank Hessen- Thüringen International.“
37In der Rechtsprechung ist umstritten, ob allein diese, teils lediglich im Satzbau veränderten Formulierungen geeignet sind, die Widerrufsfrist tatsächlich nicht in Gang zu setzen.
38Es wird teilweise vertreten, dass die Widerrufsfrist nur dann nicht in Gang gesetzt wird, wenn sich der Mangel der Widerrufsbelehrung auch im konkreten Fall ausgewirkt hat. Dies sei nicht der Fall, wenn lediglich marginale Abweichungen und keine sachlichen Abweichungen gegenüber der Musterbelehrung vorlägen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.12.2012, AZ: 17 U 139/11; LG Gießen, Urteil vom 07.01.2011, AZ: 3 O 312/10). Dies bedeute, dass es aufgrund des unsicheren Endes der Widerrufsfrist konkret zu einer Fristversäumung gekommen sein müsse. Der Widerrufende sei danach nur dann schutzwürdig, wenn er den Widerruf im Vertrauen auf das offene Fristende wenige Tage nach dem frühesten Fristablauf, nämlich 2 Wochen nach Abschluss des Vertrages und Übergabe der Belehrung, erklärt hätte, insbesondere weil das Widerrufsrecht den Zweck verfolge, den Anleger vor voreiligen vertraglichen Bindungen zu schützen (vgl. dazu OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.11.2011, AZ: 24 U 147/11). Werde der Widerruf dagegen erst Jahre später erklärt, sei aus der Sicht eines vernünftig denkenden Verbrauchers nicht anzunehmen, dass sich das Ende der Widerrufsfrist über einen solch langen Zeitraum erstrecken könne (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 22.06.2009, AZ: 9 U 111/08; LG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.12.2011, AZ: 19 O 527/10).
39Dagegen wird angeführt, dass es zwar zutreffend sei, dass das verbraucherkreditrechtliche Widerrufsrecht nicht dazu dienen solle, als Vehikel zur Vertragsreue missbraucht zu werden. Die Vorschrift des § 355 Abs. 2 BGB stelle jedoch nicht auf Erfordernisse zur Kausalität zwischen einem Belehrungsmangel und der Versäumung der Widerrufsfrist ab, sondern alleine darauf, ob die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß war (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 19.11.2012, AZ: 31 U 97/12; BGH v. 23.06.2009 – AZ: XI ZR 156/08).
40Der letzteren Ansicht ist zu folgen. Sie wird zutreffend damit begründet, dass sich mit Rücksicht auf die Vielgestaltigkeit möglicher individueller Veränderungen des Musters keine verallgemeinerungsfähige bestimmte Grenze ziehen lässt, bei deren Einhaltung eine Schutzwirkung noch gelten und ab deren Überschreitung sie bereits entfallen soll (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28.06.2011 – AZ: XI ZR 349/10). Denn § 355 II BGB a.F. knüpft bereits seinem Wortlaut nach einzig an eine ordnungsgemäße Belehrung an. Liegt diese nicht vor und entfällt die Schutzwirkung für die Beklagte, so beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen, womit es letztlich auch irrelevant ist, zu welchem Zeitpunkt der Kläger seinen Widerruf erklärt hat, da insofern der Kläger als Verbraucher schutzwürdig ist. An ihn können keine höheren Anforderungen gestellt werden als an die Beklagte, die sich durch Eingreifen in den Mustertext ihrer eigenen Schutzwirkung beraubt.
41Diese Rechtsauffassung hat der BGH mittlerweile im Ergebnis bestätigt. Mit Anerkenntnisurteil vom 10.12.2013, Az. XI ZR 20/13, ist die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 7.12.2012, Az. 17 U 139 /11, im Sinne der vorgenannten Ausführungen abgeändert worden.
42III.
43Die Beklagte kann sich ebenfalls nicht darauf berufen, dass die Geltendmachung des Widerrufsrechtes gemäß § 242 BGB verwirkt ist.
44Diese Rechtsansicht wird zwar in der Rechtsprechung vereinzelt vertreten. Danach soll einer möglichen Verwirkung nicht entgegenstehen, dass dem Kläger grundsätzlich ein unbefristetes Widerrufsrecht aufgrund der fehlerhaften Widerrufsbelehrung zusteht. Denn dies bedeute lediglich, dass das Widerrufsrecht keiner gesetzlichen Ausübungs- oder Ausschlussfrist unterliege, nicht aber, dass es ungeachtet der Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gleichsam unbegrenzt ausgeübt werden könne (vgl. OLG Köln, Urteil vom 25.01.2012 – AZ: 13 U 30/11). Das Umstandsmoment wird in der Rechtsprechung teilweise darin gesehen, dass im Zeitpunkt der Ausübung des Widerrufes die Fremdfinanzierung bereits vollständig abgewickelt war. Das OLG Köln führt hierzu aus ( OLG Köln, Urteil vom 25.01.2012, 13 U 30/11 ):
45„Verwirkung setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, der Gegner sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde, und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (BGH, a.a.O. sowie Urt. v. 18.10.2004, II ZR 352/02, Juris, Rz. 23; Urt. v. 14.06.2004 - II ZR 392/01, WM 2004, 1518, 1520, jeweils m. w. Nw.). Die erforderliche Zeitdauer, die seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts verstrichen sein muss, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl. § 242 Rn. 93 m. w. Nw.). Zu berücksichtigen sind vor allem die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des von dem Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten. Ein Verhalten des Berechtigten, das einem konkludenten Verzicht nahekommt, mindert die erforderliche Zeitdauer (BGH, Urteil vom 16. März 1979 - V ZR 38/75, WM 1979, 644, 647). Die Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten wird wesentlich bestimmt durch den Umfang seiner Vertrauenssituation und seinen Informationsstand (BGHZ 21, 83).
46Nach diesen Vorgaben sieht der Senat das sog. Zeitmoment in Anbetracht der Tatsache, dass der Kläger, nachdem ihm die Widerrufsbelehrung vom 06.01.2003 vorlag, mehr als 7 Jahre hat verstreichen lassen, bevor er den Widerruf erklärt hat, als erfüllt an. Insbesondere kommt es in diesem Zusammenhang – worauf das Landgericht zutreffend hingewiesen hat – nicht darauf an, ob er von dem trotz Fristablaufs tatsächlich – d. h. aus rechtlichen Gründen - fortbestehenden Widerrufsrecht Kenntnis hatte (vgl. BGH, Urt. v. 16.03.2007, a.a.0., Rz. 8; Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Auflage, § 242, Rn. 94). Das ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn es – wie hier – nicht um eine (vollständig) fehlende, sondern nur um eine formal missverständliche und allein deshalb nicht ordnungsgemäße Widerrufsfrist geht (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 25.10.2000 – 9 U 59/00, Juris, Rz. 30).“
47Nach Ansicht des OLG München ( Urteil vom 27.03.2013, 5 U 4557/11 ) ist dagegen Voraussetzung für eine Verwirkung, dass der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das streitgegenständliche Recht nicht mehr geltend machen werde. Dies scheide regelmäßig aus, wenn der Schuldner davon ausgehen müsse, dass der Berechtigte von dem ihm zustehenden Anspruch nichts weiß (vergleiche dazu auch BGH NJW 2000,140).
48Diese Auffassung teilt mittlerweile auch der 13. Senat des OLG Köln. Mit Urteil vom 23.1.2013 (Az. 13 U 69/12) führt das OLG Köln aus, dass eine Verwirkung auch bei vollständiger bzw. teilweiser Tilgung der Darlehen nicht angenommen werden könne, wenn der Anleger sämtliche Verpflichtungen in der Annahme eingegangen sei, dass er durch die ursprünglichen Darlehensverträge vertraglich zur Rückzahlung verpflichtet und an das Anlagemodell gebunden sei. Etwas anderes sei nur anzunehmen, wenn Anhaltspunkte vorlägen, aus denen sich ergebe, dass der Anleger auch bei Kenntnis des noch bestehenden Widerrufsrechtes die vertraglichen Verpflichtungen gegen sich gelten lassen wolle.
49Im vorliegenden Fall sind keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen, nach denen der Kläger nach formalem Ablauf der Widerrufsfrist noch davon ausgehen durfte, dass ihm ein Anspruch nach wie vor zustehe bzw. bei Kenntnis des bestehenden Widerrufsrechtes die vertraglichen Verpflichtungen weiter gegen sich gelten lassen wollte. Demzufolge durfte die Beklagte im Zeitpunkt des Widerrufes nicht davon ausgehen, dass der Kläger sein bestehendes Widerrufsrecht nicht mehr ausüben werde. Diese Rechtsauffassung wird bestätigt durch eine Entscheidung des OLG Hamm (Urteil vom 11.12.2013, Az: 31 U 127/13 ) in dem überzeugend die Auffassung vertreten wird, dass auch bei vollständiger Erfüllung eines Vertrages die Ausübung eines Widerrufes nicht verwirkt sein könne. Dies ergebe sich daraus, dass im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung die Widerrufsfrist nicht in Lauf gesetzt werde. Für die Annahme einer Verwirkung oder eines Rechtsmissbrauchs sei in diesem Falle kein Platz. Eine andere rechtliche Würdigung werde dem Gedanken des Verbraucherschutzes nicht gerecht.
50Diese rechtliche Wertung teilt die Kammer. Der Gesetzgeber hat für den Fall einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung – unabhängig davon, ob die Widerrufsbelehrung inhaltlich oder lediglich formal unrichtig ist – als Rechtsfolge vorgesehen, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Der Gesetzgeber hat mithin eine eindeutige Wertung getroffen. Die Annahme einer Verwirkung läuft dagegen der eindeutigen gesetzlichen Wertung zuwider. Die Annahme der Voraussetzungen einer Verwirkung scheidet daher unter allen denkbaren Umständen aus.
51Im Ergebnis kommt es folglich nicht darauf an, ob die Darlehensverbindlichkeit – wofür im vorliegenden Fall nichts spricht – bereits vollständig zurückgeführt ist.
52IV.
53Der Anspruch des Klägers ist auch der Höhe nach begründet.
54Rechtsfolge des wirksamen Widerrufs der auf Abschluss des Verbraucherdarlehens gerichteten Willenserklärung ist, dass der Verbraucher auch an seine auf den Abschluss eines mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrages gerichteten Willenserklärung nicht mehr gebunden ist, § 358 II 1 BGB a.F..
55Nach dem wirksamen Widerruf hat der Kläger also als Verbraucher gegen die Beklagte als finanzierende Bank grundsätzlich einen Anspruch auf Rückerstattung aller aus seinem Vermögen an den Darlehensgeber und Unternehmer erbrachten Leistungen. Hierzu gehören neben etwaigen an den Darlehensgeber erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen auch die Anzahlungen, die er aus eigenen Mitteln an den Unternehmer geleistet hat. Ist die Beteiligung nicht vollständig fremdfinanziert, hat der Darlehensgeber dem Verbraucher auch dessen aus eigenen Mitteln an die Gesellschaft gezahlten Eigenanteil zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 10.03.2009 – AZ: XI ZR 33/08).
56Nach §§ 357 I, 346 I, 358 II BGB ist der Darlehensvertrag dahingehend rückabzuwickeln, dass die wegen der teilweisen Eigenfinanzierung aus eigenen Mitteln an die Gesellschaft gezahlten Eigenanteile nebst Agio abzüglich erhaltener Ausschüttungen zurückzugewähren sind. Die Höhe der Ausschüttungen ist nunmehr unstreitig.
57V.
58Ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten ist nicht gegeben. Soweit die Beklagte eine fehlende Konkretisierung der zu übertragenden Anteile moniert, greift dieser Einwand nicht durch. Der Kläger hat den Fondsanteil hinreichend konkret benannt. Die fehlende Angabe der Anteilsnummer ist insoweit unschädlich, da nicht vorgetragen oder ersichtlich ist, dass der Kläger weitere Beteiligungen an dem streitgegenständlichen Medienfonds mit anderen Anlagenummern gezeichnet hat. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ergab sich mit hinreichender Deutlichkeit, welche Beteiligungen zur Rückübertragung angeboten werden sollen.
59VI.
60Die Anträge auf Feststellung des Annahmeverzuges sind begründet.
61Der Kläger hat die Übertragung der Fondsbeteiligungen Zug um Zug gegen Zahlung angeboten. Die Beklagte ist auf dieses Angebot nicht eingegangen, so dass gemäß § 293 BGB Annahmeverzug vorliegt.
62VII.
63Der Anspruch des Klägers ist nicht aufgrund von Steuervorteilen zu reduzieren. Aus diesem Grunde ist auch die Hilfswiderklage unbegründet.
64Ein Anspruch der Beklagten gegen den Kläger darauf, dass dieser sich grundsätzlich steuerliche Vorteile anrechnen lassen müsse, besteht im vorliegenden Fall nicht.
65Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt zwar ein Anspruch des Schädigers auf Herausgabe der dem Geschädigten zukünftig zufließenden anrechenbaren Vorteile, die bei der Bemessung des Ersatzanspruchs noch nicht berücksichtigt werden konnten, in Betracht (BGH, Urteile vom 23. April 2012 II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 41 f. und vom 28. Januar 2014 XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28). Ein solcher Anspruch steht der Beklagten hier jedoch nicht zu. Aufgrund der pauschalierenden Betrachtungsweise bei der Bemessung des Ersatzanspruchs scheidet eine "Herausgabe" steuerlicher Vorteile, die der Anleger aus seiner Beteiligung an einem Filmfonds erlangt hat, aus, wenn die entsprechende Ersatzleistung wie hier ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist (vgl. BGH, Urteile vom 23. April 2012 II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 43 und vom 28. Januar 2014 XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28). Weitergehende Ansprüche der einen oder der anderen Partei des Abwicklungsschuldverhältnisses bestehen auch dann nicht, wenn und sobald eine endgültige Gegenüberstellung der steuerlichen Vor- und Nachteile möglich ist, weil es sich insoweit um einzelne Elemente des einheitlich zu behandelnden Rückabwicklungsanspruchs des Klägers handelt, über deren Bestehen oder Nichtbestehen bereits mit der Klage zu entscheiden ist (vgl. BGH, Urteile vom 23. April 2012 II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 40 und vom 28. Januar 2014 XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28). Die gegenteilige Auffassung würde dem Zweck der pauschalisierenden Betrachtungsweise, dem Zivilgericht unter Außerachtlassung der vielfältigen Besonderheiten der konkreten Besteuerung zu ermöglichen, einmalig und abschließend über den Ersatzanspruch zu entscheiden (vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2010 III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 36 f., 39 und vom 28. Januar 2014 XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28), zuwiderlaufen. Die Herausgabe dieser Vorteile durch den Anleger hätte insbesondere steuerrechtliche Auswirkungen, die wiederum zivilrechtlich nachvollzogen werden müssten (vgl. BGH, Urteile vom 18. Dezember 1969 VII ZR 121/67, BGHZ 53, 132, 138 und vom 28. Januar 2014 XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28). Damit zwangsläufig einhergehende Unschärfen sind im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO hinzunehmen (Senatsurteil vom 28. Januar 2014 XI ZR 42/13, BKR 2014, 247 Rn. 28 mwN). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger in Zukunft noch derart außergewöhnliche Steuervorteile erzielen wird, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen (vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012 II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 42 ff. mwN; Urteil vom 23.09.2014; Az: XI ZR 215/13). Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat indes keinen dahingehenden (substantiierten) Vortrag gehalten.
66Insbesondere ist eine Gesamtbetrachtung sämtlicher steuer- und schadensrechtlich relevanter Zahlungsströme vorzunehmen. Danach unterliegt die von der Beklagten geschuldete Schadensersatzleistung beim Kläger der Einkommensbesteuerung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, weil er aus der Beteiligung Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Ob die Rückabwicklung der Fondsbeteiligung die Voraussetzungen einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt, kann dahinstehen. Die Steuerbarkeit der Ersatzleistung ergibt sich bereits aus den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften; § 16 EStG hat insoweit lediglich klarstellende Funktion (BFH, BStBl II 1989, 543, 544; Schmidt/ Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rn. 6).
67Daneben stellt auch die im Rahmen der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung erfolgende "Übernahme" eines etwaigen negativen Kapitalkontos durch die Beklagte einen steuerpflichtigen Gewinn nach § 16 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG dar, wodurch der dem Kläger insoweit ursprünglich zugeflossene Steuervorteil aus den Verlustzuweisungen wieder rückgängig gemacht wird. Ob und in welcher Höhe vorliegend (noch) ein negatives Kapitalkonto besteht, kann offen bleiben. Umstände, aus denen sich vorliegend ausnahmsweise etwas anderes ergeben könnte, hat die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht vorgetragen. Insbesondere ergibt sich nichts anderes aus der Höhe der Verlustzuweisungen. Ein dadurch entstandener und gegebenenfalls noch bestehender negativer Kapitalsaldo des Klägers unterläge als Teil des Veräußerungsgewinns der Besteuerung, wodurch der (noch bestehende) steuerliche Vorteil aus den Verlustzuweisungen kompensiert würde (BGH a.a.O).
68VIII.
69Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich die Zulässigkeit und Begründetheit der Feststellungsanträge zu 2 und 6.
70IX.
71Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91,91a, 269, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO. Die Kosten des erledigten Teils waren der Beklagten aufzuerlegen.
72Streitwert: bis 12.06.2014 19.786,00 €
73ab 13.06.2014 16.002,50 €
74ab 06.03.2015 15.418,43 €
75(hierbei sind der Antrag zu 2 mit 4.000,00 € und der Antrag zu 6 mit 1.000,00 € bewertet worden)
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